Immer wieder machen Frauen die Erfahrung, dass sie trotz Diät einfach kein Gewicht verlieren. Warum das nicht an mangelnder Disziplin oder am falschen Abnehmprogramm liegt, wird klar, wenn wir betrachten, was beim Hungern in unserem Körper passiert.
Wenn wir eine kalorienreduzierte Diät machen, Mahlzeiten auslassen oder fasten, nimmt der Körper wahr, dass Essen knapp wird, und befürchtet eine Hungersnot. Als Reaktion darauf schüttet er vermehrt Stresshormone aus, die ihn in den Hungerstoffwechsel versetzen. Das ist Teil eines jahrtausendealten Überlebensprogramms, das sich bis heute nicht verändert hat. Es half unseren Vorfahren, Kriege, Unwetter, Überlebenskämpfe, Infektionen und anhaltende Hungersnöte zu überstehen. Dabei reduziert der Körper seinen Energie- bzw. Kalorienverbrauch auf ein Minimum. Das macht er z.B., indem er die Körpertemperatur und den Puls senkt, die Verdauung verlangsamt und Muskulatur abbaut. Dadurch verringert sich der Grundumsatz und wir benötigen weniger Energie zum Leben. Das ist der Grund, warum die meisten Menschen zwar zu Beginn einer Diät Gewicht verlieren, aber schon nach kurzer Zeit ein Plateau erreichen, an dem das Gewicht einfach nicht weiter heruntergeht: Der Körper hat sich auf die geringere Energiezufuhr eingestellt und kommt mit weniger aus. Geben wir jetzt aus Frust das Diätvorhaben auf, erleben wir den klassischen Jo-Jo-Effekt: Wir essen wieder normal, der Grundumsatz unseres Körpers ist aber immer noch reduziert. Das führt unweigerlich dazu, dass wir wieder zunehmen. Reduzieren wir unsere Kalorienzufuhr noch weiter und intensivieren unser Sportprogramm, um endlich wieder Erfolge auf der Waage zu sehen, bestätigt das den Körper erst recht darin, dass er sich in einer Notlage befindet und Energie sparen muss. Je häufiger wir auf Diät sind und je strenger die Diät ist, desto weiter wird der Grundumsatz nach unten gedrängt. Und umso mehr nehmen wir nach der Diät zu, wenn wir wieder normal essen.
Kalorien sind nicht alles
Das Konzept vieler Diäten geht von der Annahme aus, dass alle Kalorien gleich sind. Egal, was wir essen – solange die Kalorienanzahl möglichst niedrig ist, klappt es mit dem Abnehmen. Und so entwickelte die Diätindustrie in den letzten Jahren fett- und kalorienreduzierte Produkte, die z.B. statt Zucker künstliche Süßstoffe enthalten. Sie liefern weniger Kalorien als vergleichbare Produkte, machen theoretisch also nicht dick. In Wahrheit ist die Zahl der Übergewichtigen und die Zahl der Zivilisationskrankheiten aber in den letzten Jahren dramatisch gestiegen – trotz der von der Lebensmittelindustrie als leicht und gesund vermarkteten zahlreichen neuen Produkte. Wie kann das sein? Natürlich stimmt es, dass wer zu viel isst und sich kaum bewegt, wer es mit Junkfood, Schokolade oder Alkohol übertreibt und nachts den Kühlschrank plündert, sich nicht wundern muss, wenn er zunimmt. Aber aus meiner Erfahrung in der Praxis weiß ich, dass viele Frauen, die Gewichtsprobleme haben, sogar sehr wenig essen – weil sie Angst haben, noch mehr zuzunehmen. Und weil viele Übergewichtige auch von Ärzten immer wieder zu hören bekommen, dass sie selbst schuld sind. Dass sie einfach zu willensschwach und undiszipliniert sind. Und dass sie einfach mal weniger essen sollen, selbst wenn sie sich schon mit nur 1000 Kalorien und permanentem Hunger durch den Tag quälen. Verlieren Sie trotz allen Verzichts nicht an Gewicht, ist die Verzweiflung natürlich groß. Das Selbstwertgefühl sinkt immer weiter. Was viele dieser Frauen gemeinsam haben: Ihre Hormone sind nicht im Gleichgewicht.
Ohne Balance kein Abnehmen
Jedes Mal, wenn wir etwas essen, wird eine Abfolge biochemischer Reaktionen im Körper ausgelöst, die die Ausschüttung spezieller Hormone aktiviert. Diese Hormone sind verantwortlich dafür, ob wir uns nach einer Mahlzeit satt fühlen, ob wir Heißhunger auf Süßes haben und ob Fett verbrannt oder gespeichert wird. Ist das hormonelle Gleichgewicht gestört, hat das Auswirkungen auf unser Wohlbefinden, unsere Stimmung, unsere Leistungsfähigkeit und unsere Figur. Aus meinen Erfahrungen als Personal Trainerin weiß ich: Wenn die Hormone nicht in Balance sind, ist Abnehmen so gut wie unmöglich. Das ist der Grund, warum wir mit herkömmlichen Diäten oder Sportprogrammen nicht weiterkommen. Im Gegenteil: Je mehr wir den Körper unter Stress setzen mit Kalorienrestriktion, hartem Training und eiserner Disziplin, desto mehr verstärken wir ein hormonelles Ungleichgewicht und desto unwahrscheinlicher wird es, dass wir dauerhaft abnehmen. Welche Hormone bei Ihnen möglicherweise aus dem Gleichgewicht sind und wie sich das auf Ihre Figur auswirkt, erfahren Sie bei den Hormon-Porträts und Selbsttests ab Seite 20.
Die Fasten-Falle
Ganz im Gegensatz zu Männern reagieren Frauen empfindlicher auf Nahrungsknappheit, das haben neuere Studien gezeigt. Bei unseren männlichen Vorfahren stieg die Stoffwechselaktivität stark an, um in Hungerzeiten genug Kraft und Energie für die Nahrungssuche aufbringen zu können. Im Gegensatz dazu führt Fasten bei Frauen zu einem starken Anstieg von Stresshormonen, einem Abfall der Stoffwechselaktivität und vermehrter Fetteinlagerung. Schließlich mussten unsere weiblichen Vorfahren genug Fett- und Energiereserven haben, um weiter fruchtbar zu sein und Fehlgeburten zu vermeiden, um so das Fortbestehen unserer Spezies zu sichern. Auch das in letzter Zeit sehr beliebte Intervallfasten, das verspricht, durch das Auslassen des Frühstücks oder Abendessens in Form zu kommen, kann das empfindliche Hormongleichgewicht von Frauen stören und auf Dauer zu mehr Gewicht führen. Ich rate daher allen Frauen zu regelmäßigen Mahlzeiten, insbesondere zu einem ausgewogenen Frühstück.
Überraschung: Nicht allein wie viele Kalorien wir essen, bestimmt unser Gewicht. Denn letztlich entscheiden unsere Hormone, was mit den Kalorien passiert, die wir zu uns nehmen: Je nach Hormonlage werden sie verbrannt oder als Fett gespeichert.
Das eine Symptom, das bei den meisten Hormonstörungen auftritt, ist eine scheinbar unerklärliche Gewichtszunahme. Das bedeutet, Sie nehmen zu, obwohl Sie eigentlich gar nichts verändert haben an Ihrem Essverhalt-en oder Lebensstil. Oder noch schlimmer: Sie nehmen zu, obwohl Sie sich bewusst gesund ernähren und kaum noch Zucker essen oder Alkohol trinken. Oder aber es bildet sich plötzlich mehr Körperfett an Bauch, Rücken, Hüfte oder Oberschenkeln – das wäre das andere Symptom.
Hormonstörungen betreffen alle Frauen
Wenn Sie jetzt denken, das trifft nur auf Frauen in den Wechseljahren zu, muss ich Ihnen widersprechen: Hormonelle Beschwerden betreffen Frauen in jedem Alter. Denn immer mehr Frauen leiden unter Hormonstörungen wie dem polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS), unter Endometriose, Schilddrüsenerkrankungen, Zysten und Myomen, Insulinresistenz, prämenstruellem Syndrom (PMS) oder Unfruchtbarkeit. Dazu kommen noch die Umstellungen im Hormonhaushalt während der Puberträt, während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie rund um die Wechseljahre. Alle Hormonstörungen gehen mit zahlreichen Symptomen einher, wie Sie bei den Homon-Porträts ab Seite 20 feststellen werden. Das liegt daran, dass alle Hormone ähnlich wie die einzelnen Instrumente eines Orchesters zusammenspielen. Wenn eines aus der Reihe tanzt, klingt das ganze Stück schief. Die anderen Instrumente versuchen zwar, lauter oder leiser zu spielen, um die Show zu retten. Aber es klingt nicht mehr harmonisch. Das ist der Moment, in dem wir Frauen spüren, dass es uns nicht mehr so gut geht wie noch vor einigen Monaten oder Jahren oder dass sich der Körper verändert hat.
Die Beschwerden sind vielfältig
Oft fängt es mit kleineren Beschwerden an, die wir zunächst vielleicht gar nicht so ernst nehmen, die aber mit der Zeit immer lauter und deutlicher werden. Vielleicht bemerken Sie verstärkte Wassereinlagerungen, die Hose sitzt enger. Es fällt Ihnen schwerer, das Gewicht zu halten. Vielleicht schlafen Sie unruhiger, sind nicht mehr so belastbar, etwas vergesslich und schneller müde. Vielleicht hat sich Ihr Zyklus verändert. In den Tagen vor der Periode spannen die Brüste, Sie haben Kopfschmerzen oder Heißhunger. Sie sind oft gereizt oder auch traurig oder ängstlich. Die Periode ist stärker und schmerzhafter oder viel unregelmäßiger als bisher oder bleibt ganz aus. All diese Symptome sind Signale und Zeichen unseres Körpers, dass das Orchester unserer Hormone aus dem Takt geraten ist. Ärgern Sie sich nicht darüber! Nehmen Sie besser die Botschaft Ihres Körpers dankbar an und helfen Sie ihm, mit meinem Hormon-Balance-Programm wieder ganz natürlich ins Gleichgewicht zu kommen.
Im Stressmodus ist Fettverbrennung nicht möglich
Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass die Hormonregulation auf vielen verschiedenen Ebenen gleichzeitig stattfinden muss. Denn die einzelnen Hormone greifen wie Zahnräder ineinander. Ernährung und Bewegung müssen neu betrachtet werden, wenn wir erfolgreich in Form kommen wollen. Der Blick auf die Kalorien oder starre Regeln bringen uns nicht weiter. Denn dafür interessieren sich unsere Hormone nicht. Vielmehr folgen sie den Anweisungen des Nervensystems, das rund um die Uhr prüft, ob unsere Lebensbedingungen optimal sind, sodass wir in Sicherheit sind. Der Zustand unseres Nervensystems entscheidet, ob wir Muskelmasse oder Fettmasse aufbauen, ob wir Kalorien verbrennen oder als Hüftgold speichern, ob wir permanent Heißhunger auf Schokolade haben oder nach einer Mahlzeit lange satt und zufrieden sind.
Ob wir gehen, sitzen, denken, schlafen, lachen oder weinen – unser Körper braucht für alles, was er tut, Energie. Energie kann er aus zwei Brennstoffen beziehen: Zucker (Glukose) und Fett. Wie Sie jetzt wissen, brauchen wir bei akutem Stress sofort eine große Menge Energie. Für welchen Brennstoff entscheidet sich der Körper, wenn ihm „Kampf“ oder „Flucht“ bevorsteht? Fett wäre uns natürlich lieber - aber er entscheidet sich für den Zucker, Glukose. Fett kann nämlich nur sehr langsam als Energielieferant freigesetzt werden. Das wäre in einer lebensbedrohlichen Situation nicht wirklich hilfreich. Schließlich brauchen wir sofort Energie, um mit der Bedrohung fertigzuwerden. Wenn die Stressbelastung länger anhält, schütten die Nebennieren Cortisol aus, unser Langzeit-Stresshormon, das dem Körper eine Hungersnot signalisiert. Sind die Zuckerspeicher in der Leber und den Muskeln aufgebraucht, kann der Körper zur Not auch selbst Glukose herstellen, nämlich aus körpereigenem Eiweiß. Und wo steckt am meisten Eiweiß drin? In den Muskeln! Also opfert er wertvolle Muskelmasse, die wir uns mühsam im Fitnessstudio erarbeitet hatten. Schließlich wird der gesamte Stoffwechsel gedrosselt, um Energie zu sparen, und jede verfügbare Kalorie in den Fettzellen gespeichert. Solange wir im Stresszustand sind, verbrennt der Körper also Zucker. Erst wenn der Körper sich sicher fühlt und die Stresshormone mit Wirkung des Parasympathikus abgebaut sind, wird der Körper seinen Fettstoffwechsel aktivieren, sodass auch Fettverbrennung wieder möglich ist. Aus diesem Grund spielen Entspannung, Schlaf, Ruhe und Regeneration eine große Rolle, wenn wir unsere Hormone wieder in Balance bekommen und unsere Wohlfühlfigur zurückgewinnen wollen.
Welches Hormon ist im Ungleichgewicht?
Wie Sie erfahren haben, hängen alle Hormone zusammen und beeinflussen sich gegenseitig. Trotzdem gibt uns unser Körper Hinweise, bei welchem Hormon wir als Erstes ansetzen sollten. Mithilfe der Hormon-Porträts und Selbstchecks ab Seite 20 können Sie Ihren eigenen Hormonen auf die Spur kommen und dann mit dem Balance-Programm gezielt gegensteuern, um wieder ins hormonelle Gleichgewicht zu kommen.
Warum es sinnvoller ist, beim Abnehmen bei der Entspannung statt beim Kalorienzählen anzusetzen, hängt damit zusammen, wie unsere Hormone und unser Nervensystem verknüpft sind.
Dass wir uns jederzeit an unsere Lebensbedingungen anpassen können, verdanken wir unseren Hormonen. Sie arbeiten eng mit unserem Nervensystem zusammen und steuern fast alles in unserem Körper. Mit ihrer Hilfe erzeugt der Körper Wärme, wenn uns kalt ist, lässt uns einschlafen, wenn wir müde sind, oder schickt uns auf Nahrungssuche, wenn wir Hunger haben. Hormone steuern unsere Libido, Energie, Konzentrationsfähigkeit und Verdauung, die Beschaffenheit von Haut, Nägeln und Haaren, unsere Stimmung und unsere Emotionen, unseren Appetit und unser Sättigungsempfinden, unsere Stresstoleranz, unseren Stoffwechsel, unsere Figur und unser Körpergewicht.
Hormone sind Teamworker
Diese genialen Alleskönner sind chemische Botenstoffe, die in unseren endokrinen Drü-sen produziert werden: z.B. im Hypothalamus, in der Hypophyse, der Zirbeldrüse, der Schilddrüse, den Nebennieren und der Bauchspeicheldrüse, bei Frauen in den Eierstöcken und bei Männern in den Hoden. Von dort werden sie über das Blut im Körper verteilt, bis sie an die Rezeptoren ihrer Zielzellen andocken. Man spricht von einem Schlüssel-Schloss-Prinzip: Jedes Hormon, der Schlüssel, hat an der Zielzelle seinen eigenen Rezeptor, das Schloss, in den es hineinpasst und so eine Reaktion auslösen kann. Unsere Hormone sind dabei keine Einzelakteure – sie arbeiten mit-, aber auch gegeneinander. Viele Hormone haben einen Gegenspieler, sodass ihre Wirkung fein geregelt werden kann. Es reicht also nicht aus, dass unser Körper Hormone produziert. Wichtig ist vor allem, dass er sie in genau den richtigen Mengen herstellt. Dafür ist es notwendig, dass alle Hormondrüsen eng miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Dennoch ist die Ausschüttung von Hormonen hierarchisch organisiert. Die hormonelle Kommandozentrale ist der im Zwischenhirn sitzende Hypothalamus. Er erteilt der darunter liegenden Hypophyse Aufträge, die diese wiederum an die Hormondrüsen weitergibt. Schließlich geben unsere Hormondrüsen über eine Antwortschleife dem Hypothalamus permanent Rückmeldung über den aktuellen Hormonspiegel. So kann der Bedarf ständig angepasst werden. Die meisten Hormone werden in bestimmten Rhythmen ausgeschüttet, manche unterliegen auch einem Tag-Nacht-Rhythmus. Der Hypothalamus überwacht aber nicht nur die körperinternen hormonellen Regelkreise, er reguliert auch das Nervensystem. Permanent prüft er unsere Lebensumgebung und reagiert darauf, indem er ganz spezielle Hormone in bestimmten Mengen auf den Weg durch den Körper schickt.
Wie Schlafmangel unsere Hormone beeinflusst
Schlaf ist essenziell für unser Wohlbefinden. Denn unruhige oder zu kurze Nächte können unser Hormongleichgewicht empfindlich stören.
CORTISOL
Schon eine einzige Nacht mit Schlafstörungen oder zu wenig Schlaf verhindert, dass das Tagescortisol vollständig abgebaut wird. Ein hoher Cortisolspiegel verhindert die Ausschüttung unseres Schlafhormons Melatonin. In der Nacht wird normalerweise Körperfett abgebaut. Ein erhöhter Cortisolspiegel bewirkt das Gegenteil: Fett wird nicht verbrannt, sondern gespeichert.
MELATONIN
Das Schlafhormon Melatonin spielt auch eine große Rolle bei den Entgiftungsvorgängen, die eigentlich in der Nacht stattfinden sollten, während wir schlafen. Eine gestörte Nachtruhe bedeutet, dass toxische Stoffe, chemische Verbindungen und Hormone nicht ausreichend abgebaut werden. Wenn Hormone aber nicht abgebaut werden, bleiben sie im Körper und führen zu hormonellen Ungleichgewichten.
INSULIN
Schlafmangel erhöht den Blutzucker- und Insulinspiegel, begünstigt eine Insulinresistenz und steigert das Risiko für Diabetes Typ 2. Hohe nächtliche Insulinspiegel fördern außerdem Entzündungsprozesse im Körper und blockieren die nächtliche Fettverbrennung.
SCHILDDRÜSENHORMONE
Schlafmangel erhöht auch das schilddrüsenstimulierende Hormon TSH. Das kann zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen, den Stoffwechsel bremsen und das Abnehmen erschweren.
HUNGER- UND SÄTTIGUNGSHORMONE
Schlafentzug senkt den Spiegel des Sättigungshormons Leptin und lässt dafür den Blutspiegel des Hungerhormons Ghrelin ansteigen. Die Folge: Man fühlt sich noch hungriger. Wer zu wenig schläft, neigt dazu, hungriger zu sein und mehr zu essen.
SEXUALHORMONE
Auch die Sexualhormone können durch Schlafentzug beeinflusst werden. Wenn der Körper gestresst ist und das Cortisol steigt, werden weniger Sexualhormone hergestellt – einschließlich Testosteron, Östrogen und Progesteron. Ganz besonders schwierig ist es für Frauen, die im Nachtdienst tätig sind. Durch die Verschiebung des Tag-Nacht-Rhythmus kommt es zum Anstieg der Hormone LH und FSH, was einen negativen Einfluss auf die Produktion unserer Sexualhormone hat und z.B. mit Zyklusbeschwerden in Zusammenhang gebracht werden kann.
Das Nervensystem entscheidet über An- und Entspannung
Das Hormonsystem und das vegetative Nervensystem arbeiten Hand in Hand, um den Körper im Gleichgewicht, in der Homöostase, zu halten. Während wir unseren täglichen Aufgaben nachgehen, reguliert das Nervensystem unter der Regie des Hypothalamus Herzschlag, Atmung, Nahrungsaufnahme und Verdauung, Fortpflanzung, Körpertemperatur, Tag-Nacht-Rhythmus, Immun- und Hormonsystem. Das vegetative Nervensystem besteht aus zwei gleichberechtigten Gegenspielern: dem Sympathikus, zuständig für Aktivität und Stressreaktion, und dem Parasympathikus, der für Beruhigung sorgt.
Stress aktiviert unseren Überlebensmodus
Befinden wir uns in einer bedrohlichen Situation und sind angespannt, ist der Sympathikus aktiv. Er löst eine Stressreaktion aus, die ich als Überlebensmodus bezeichne. Um sofort ein Maximum an Energie verfügbar zu machen, schütten die Nebennieren die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin aus.
Die Folgen: Der Blutfluss wird weg von den Verdauungs- und Fortpflanzungsorganen hin zu Armen und Beinen umgelenkt. Blutdruck und Blutzuckerspiegel steigen, das Herz schlägt schneller, die Pupillen weiten sich, die Atmung wird schneller, die Verdauung gedrosselt. Wir sind jetzt hoch konzentriert und körperlich extrem leistungsfähig, um es mit unserem Gegner aufzunehmen (Fight) oder zu fliehen (Flight). Diese durch den Sympathikus ausgelöste Stressreaktion ist die natürliche Erwiederung des Körpers auf Situationen, in denen unsere Existenz auf dem Spiel steht. Der Sympathikus kann nicht unterscheiden, ob wir gestresst sind, weil uns ein wildes Tier angreift, weil wir Streit mit dem Partner oder einfach nur Hunger haben. Die körperliche Reaktion auf Stress jeglicher Art ist identisch mit der unserer Vorfahren vor 200000 Jahren. Diese akute Stressantwort hält nur etwa zehn Minuten an – länger reichen die Energiereserven nicht, die durch den hohen Adrenalinausstoß angezapft werden. Spätestens nach zehn Minuten sollten wir also unser Problem aus der Welt geschafft haben: dem Tiger entkommen sein, den Rivalen besiegt oder - übertragen auf unsere heutige Welt - uns mit dem Partner versöhnt, den Zug in letzter Sekunde erreicht, die mündliche Prüfung bestanden haben. Erleichterung! Die Muskeln entspannen sich, Glückshormone werden ausgeschüttet. Wir atmen tief durch und könnten die ganze Welt umarmen.
Entspannung ist wichtig für einen gesunden Körper
Für das entspannte friedliche Gefühl nach einer akuten Stressbelastung sorgt der Parasympathikus - der Teil unseres Nervensystems, der für Erholung, Entspannung und Regeneration zuständig ist. Wir sind jetzt in Sicherheit. Stresshormone werden abgebaut, Blutdruck, Blutzucker, Atmung und Herzschlag normalisieren sich. Endlich kann der Körper sich wieder um Reparatur- und Wachstumsprozesse kümmern und Energie investieren in Nährstoffaufnahme, Verdauungsprozesse und Fortpflanzung.
Wir wechseln vom Überlebensmodus „Fight or Flight“ in den ,,Feed and Breed“- bzw. ,,Rest and Digest“-Modus. Wir können uns entspannen und uns um uns selbst und unseren Nachwuchs kümmern. Dauert die Stressbelastung allerdings länger als zehn Minuten an, vielleicht sogar Wochen oder Monate, reagiert unser Körper mit völlig anderen Mechanismen. Und die können unser Hormonsystem empfindlich stören, wie Sie auf den folgenden Seiten sehen werden.