Ludwig Bechstein
Deutsches Märchenbuch + Neues Deutsches Märchenbuch
"Deutsches Märchenbuch" ist der Titel einer Märchensammlung von Ludwig Bechstein, die erstmalig 1845 erschien
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Impressum neobooks
Vom tapfern Schneiderlein
Es war einmal ein Schneiderlein, das saß in einer
Stadt, die hieß Romadia; das hatte auf eine Zeit, da es
arbeitete, einen Apfel neben sich liegen, darauf setzten
sich viele Fliegen, wie das Sommerszeiten so gewöhnlich,
die angelockt waren von dem süßen Geruch
des Apfels. Darob erzürnte sich das Schneiderlein,
nahm einen Tuchlappen, den es eben wollte in die
Hölle fallen lassen, schlug auf den Apfel, und befand
im Hinsehn, daß damit sieben Fliegen erschlagen
waren. Ei, dachte bei sich das Schneiderlein, bist du
solch ein Held?! Ließ sich stracklich einen blanken
Harnisch machen, und auf das Brustschild mit goldnen
Buchstaben schreiben: Sieben auf einen Streich.
Darauf zog das Schneiderlein mit seinem Harnisch
angetan umher auf Gassen und Straßen, und die es
sahen, vermeinten, der Held habe sieben Männer auf
einen Streich gefällt, und fürchteten sich.
Nun war in demselben Lande ein König, dessen
Lob weit und breit erschallte, zu dem begab sich der
faule Schneider, der gleich nach seiner Heldentat
Nadel, Schere und Bügeleisen an den Nagel gehangen,
trat in den Hof des Königspalastes, legte sich alldort
in das Gras und entschlief. Die Hofdiener, so
aus- und eingingen, den Schneider in dem reichen
Harnisch sahen, und die Goldschrift lasen, verwunderten
sich sehr, was doch jetzt, zu Friedenszeiten,
dieser streitbare Mann an des Königs Hof tun wolle?
Er deuchte sie ohne Zweifel ein großer Herr zu sein.
Des Königs Räte, so den schlafenden Schneider
gleichfalls gesehen, taten solches Sr. Majestät, ihrem
allergnädigsten König, zu wissen, mit dem untertänigsten
Bemerken, daß, so sich kriegerischer Zwiespalt
erhebe, dieser Held ein sehr nützlicher Mann werden
und dem Lande gute Dienste leisten könne. Dem
König gefiel diese Rede wohl, sandte alsbald nach
dem geharnischten Schneider, und ließ ihn fragen, ob
er Dienste begehre? Der Schneider antwortete, ebendeshalb
sei er hergekommen, und bäte die Königliche
Majestät, wo höchstdieselbe ihn zu brauchen gedächte,
ihm allergnädigst Dienste zu verleihen. Der König
sagte dem Schneiderlein Dienste zu, verordnete ihm
ein stattliches Losament und Zimmer, und gab ihm
eine gute Besoldung, von der es, ohne etwas zu tun,
herrlich und in Freuden leben konnte.
Da währete es nicht lange Zeit, so wurden die Ritter
des Königs, die nur eine karge Löhnung hatten,
dem guten Schneider gram, und hätten gern gewollt,
daß er beim Teufel wäre, fürchteten zumal, wenn sie
mit ihm uneins würden, möchten sie ihm nicht sattsam
Widerstand leisten, da er ihrer sieben allwege auf
einen Streich totschlagen würde, sonsten hätten sie
ihn gern ausgebissen, und so sannen sie täglich und
stündlich darauf, wie sie doch von dem freislichen
Kriegsmann kommen möchten. Da aber ihr Witz und
Scharfsinn etwas kurz zugeschnitten war, wie ihre
Röcklein, so fanden sie keine List, den Helden vom
Hofe zu entfernen, und zuletzt wurden sie Rates miteinander,
alle zugleich vor den König zu treten, und
um Urlaub und Entlassung zu bitten, und das taten sie
auch.
Als der gute König sahe, daß alle seine treuen Diener
um eines einzigen Mannes willen ihn verlassen
wollten, ward er traurig, wie nie zuvor, und wünschte,
daß er den Helden doch nie möge gesehen haben;
scheute sich aber doch, ihn hinwegzuschicken, weil er
fürchten mußte, daß er samt all seinem Volk von ihm
möchte erschlagen, und hernach sein Königreich von
dem stracklichen Krieger möchte besessen werden.
Da nun der König in dieser schweren Sache Rat suchte,
was doch zu tun sein möge, um alles gütlich abzutun
und zum Besten zu lenken, so ersann er letztlich
eine List, mit welcher er vermeinte, des Kriegsmannes
(den niemand für einen Schneider schätzte) ledig zu
werden und abzukommen. Er sandte sogleich nach
dem Helden und sprach zu ihm, wie er (der König)
wohl vernommen, daß ein gewaltigerer und stärkerer
Kampfheld auf Erden nimmer zu finden sei, denn er
(der Schneider). Nun hauseten im nahen Walde zwei
Riesen, die täten ihm aus der Maßen großen Schaden
mit Rauben, Morden, Sengen und Brennen im Lande
umher, und man könne ihnen weder mit Waffen noch
sonst wie beikommen, denn sie erschlügen alles, und
so er sich's nun unterfangen wolle, die Riesen umzubringen,
und brächte sie wirklich um, so solle er des
Königs Tochter zur ehelichen Gemahlin, und das
halbe Königreich zur Aussteuer erhalten, auch wolle
der König ihm hundert Reiter zur Hülfe gegen die
Riesen mitgeben.
Auf diese Rede des Königs ward dem Schneiderlein
ganz wohl zu Mute und deuchte ihm schön, daß
es sollte eines Königs Tochtermann werden und ein
halbes Königreich zur Aussteuer empfangen; sprach
daher kecklich: er wolle gern dem König, seinem allergnädigsten
Herrn, zu Diensten stehen, und die Riesen
umbringen, und sie wohl ohne Hülfe der hundert
Reiter zu töten wissen. Darauf verfügte er sich in den
Wald, hieß die hundert Reiter, die ihm auf des Königs
Befehl dennoch folgen mußten, vor dem Walde warten,
trat in das Dickicht, und lugte umher, ob er die
Riesen irgendwo sehen möchte. Und endlich nach langem
Suchen fand er sie beide unter einem Baume
schlafend, und also schnarchend, daß die Äste an den
Bäumen, wie vom Sturmwind gebogen, hin- und herrauschten.
Der Schneider besann sich nicht lange, las schnell
seinen Busen voll Steine, stieg auf den Baum, darunter
die Riesen lagen, und begann den einen mit einem
derben Steine auf die Brust zu werfen, davon der
Riese alsbald erwachte, über seinen Mitgesellen zornig
ward und fragte, warum er ihn schlüge? Der andere
Riese entschuldigte sich bestens, so gut er's vermochte,
daß er mit Wissen nicht geschlagen, es müsse
denn im Schlafe geschehen sein; da sie nun wieder
entschliefen, faßte der Schneider wieder einen Stein,
und warf den andern Riesen, der nun auffahrend über
seinen Kameraden sich erzürnte und fragte, warum er
ihn werfe? der aber nun auch nichts davon wissen
wollte. Als beiden Riesen nun die Augen nach einigem
Zanken vom Schlafe wieder zugegangen waren,
warf der Schneider abermals gar heftig auf den andern,
daß er es nun nicht länger ertragen mochte, und
auf seinen Gesellen, von dem er sich geschlagen vermeinte,
heftig losschlug; das wollte denn der andere
Riese auch nicht leiden, sprangen beide auf, rissen
Bäume aus der Erde, ließen aber doch zu allem Glück
den Baum stehen, darauf der Schneider saß, und
schlugen mit den Bäumen so heftig aufeinander los,
bis sie einander gegenseitig totschlugen.
Als der Schneider von seinem Baume sahe, daß die
beiden Riesen einander tot geschlagen hatten, ward
ihm besser zu Mute, als ihm jemals gewesen, stieg
fröhlich vom Baume, hieb mit seinem Schwerte jegli-
chem Riesen eine Wunde oder etliche, und ging aus
dem Walde hervor zu den Reitern. Die fragten ihn, ob
er die Riesen entdeckt oder ob er sie nirgends gesehen
habe? »Ja«, sagte der Schneider, »entdeckt und gesehen
und alle zwei tot geschlagen – habe ich, und sie
liegen lassen unter einem Baume.« Das war den Reitern
verwunderlich zu hören, konnten und wollten's
nicht glauben, daß der eine Mann so unverletzt von
den Riesen sollte gekommen sein, und sie noch dazu
tot geschlagen haben, ritten nun selbst in den Wald,
dies Wunder zu beschauen und fanden es also, wie
der Schneiderheld gesagt hatte. Darob verwunderten
sich die Reiter gar sehr, und empfanden einen grauslichen
Schrecken, ward ihnen auch noch übler zu Mute,
denn vorher, da sie fürchteten, der Sieger werde sie
alle umbringen, wenn er ihnen Feind würde; ritten
heim und sagten dem König an, was geschehen.
Da nun der Schneider zum Könige kam, seine Tat
selbst anzeigte, und die Königstochter samt dem halben
Königreich begehrte, gereute den König sein Versprechen,
das er dem unbekannten Kriegsmann gegeben,
gar übel, denn die Riesen waren nun erwürgt,
und konnten keinen Schaden mehr tun; dachte darüber
nach, wie er des Helden mit Fug abkommen möchte,
und war nicht im mindesten gesonnen, ihm die Tochter
zu geben. Sprach daher zum Schneider, wie er in
einem andern Walde leider noch ein Einhorn habe,
das ihm sehr großen Schaden tue an Fischen und Leuten;
dasselbe solle er doch auch noch fangen, und so
er dieses vollbringe, wolle der König ihm die Tochter
geben. Der gute Schneider war auch das zufrieden,
nahm einen Strick, ging hin zu jenem Walde, allwo
das wilde Einhorn hauste, und befahl seinen Zugeordneten,
draußen vor dem Walde zu warten, er wolle allein
hineingehen und allein die Tat bestehen, wie er
die gegen die zwei Riesen auch allein und ohne andere
Hülfe bestanden. Als der Schneider eine Weile im
Walde umher spaziert war, ersieht er das Einhorn, das
gegen ihn daher rennt mit vorgestrecktem Horn und
will ihn umbringen. Er aber war nicht unbehende,
wartete, bis das Einhorn gar nahe an ihn herankam,
und als es nahe bei ihm war, schlüpfte er rasch hinter
den Baum, neben dem er zu allernächst stand, und da
lief das Einhorn, das im vollen Rennen war und sich
nicht mehr wenden konnte, mit aller Hast gegen den
Baum, daß es ihn mit seinem spitzen Horn fast durch
und durch stieß, und das Horn unverwandt darin stekken
blieb. Da trat der Schneider, als er das Einhorn
am Baume fest zappeln sah, hervor, schlang ihm den
mitgenommenen Strick um den Hals, band es an den
Baum vollends fest, ging heraus zu seinen Jagdgesellen,
und zeigte ihnen seinen Sieg über das wilde Einhorn
an. Darauf ging das Schneiderlein zum König,
tät demütiglich Meldung von der glücklichen Erfül-
lung des königlichen Wunsches, und erinnerte bescheidentlich
an das königliche zweimalige Versprechen.
Darob ward der König über die Maßen traurig,
wußte nicht was zu tun sei, da der Schneider der
Tochter begehrte, die er doch nicht haben sollte. Und
begehrte noch eins an den Kriegsmann. Dieser solle
nämlich auch das grausame Wildschwein, das in
einem dritten Walde liefe und alles verwüste, einfahen,
und so er auch dieses vollbringe, dann wolle
der König ihm die Tochter ohne allen Verzug geben,
wolle ihm auch seine ganze Jägerei zur Hülfe beiordnen.
Der Schneider zog, nicht sonderlich erbaut von des
Königs abermaligem Begehren, mit seinen Gesellen
zum Walde hinaus, und befahl ihnen, als der Forst erreicht
war, draußen zu bleiben. Des waren die Jäger
gar herzlich froh und zufrieden, denn das Wildschwein
hatte sie schon öfter dermaßen empfangen,
daß ihrer viele das Wiederkommen auf immer vergessen
hatten, und sie alle nicht mehr begehrten, ihm
nachzustellen, dankten daher dem Schneider sehr aufrichtig,
daß er sich allein in die Fahrnis wage und sie
in Numero Sicher dahinten lasse. Der Schneider war
noch nicht lange in den Wald getreten, so wurde das
Wildschwein seiner ansichtig, und stürzte auf ihn zu
mit schäumendem Rachen und wetzenden Hauern und
wollte ihn gleich zu Boden rennen, so daß sein Herz
erzitterte und er sich schnell nach Rettung umsah. Da
stand zum Glück eine alte verfallene Kapelle in dem
Walde, darin man vor Zeiten Ablaß geholt, und da der
Schneider nahe dabei stand, und die Kapelle ersah,
sprang er mit einem Satz hinein, aber auch der Türe
gegenüber mit einem Luftsprung durch ein Fenster,
darin keine Scheiben mehr waren, wieder heraus, und
alsbald folgte ihm die Wildsau, die nun in der Kapelle
rumorte, der Schneider aber lief flugs um das Häuslein
herum, wischte vor an die Türe, warf sie eilends
zu, und versperrte so das grausame Gewild in das
Kirchlein, ging dann hin zu den Jagdgesellen, zeigte
ihnen seine Tat an, die kamen hin, befanden die Sache
also wahr und richtig, und ritten heim mit großer Verwunderung,
dem König Bericht erstattend. Ob nun die
Nachricht vom abermaligen glückhaften Sieg des heldenhaften
Kriegsmannes den König mehr froh oder
mehr traurig gemacht, das mag ein jeglicher, selbst
mit geringem Verstand, leichtlich ermessen, denn der
König mußte nun dem Schneider die Tochter geben,
oder fürchten, daß dieser seine Heldenkraft, davon er
drei so erstaunliche Proben gegeben, gegen ihn selber
wenden dürfte. Doch ist wohl zweifelsohne, hätte der
König vollends gewußt, daß der Held ein Schneider
wäre, so hätte er ihm lieber einen Strick zum Aufhenken,
denn seine Tochter geschenkt. Ob nun aber der
König einem Manne ohne Herkunft und ohne Geburt,
außer der von seiner Mutter, seine Tochter mit kleiner
oder mit großer Bekümmernis, gern oder ungern gebe,
danach fragte Schneiderlein gar wenig oder gar nicht,
genug er war stolz und froh, des Königs Tochtermann
geworden zu sein. Also wurde die Hochzeit nicht mit
allzu großer Freudigkeit von königlicher Seite begangen,
und aus einem Schneider war ein Königseidam
geworden, ja ein König.
Als eine kleine Zeit vergangen war, hörte die junge
Königin, wie ihr Herr und Gemahl im Schlafe redete,
und vernahm deutlich die Worte: »Knecht, mache mir
das Wams – flicke mir die Hosen – spute dich – oder
ich – schlage dir das Ellenmaß über die Ohren!« Das
kam der jungen Königsgemahlin sehr verwunderlich
vor, merkte schier, daß ihr Gemahl ein Schneider sei,
zeigte das ihrem Herrn und Vater an, und bat ihn, er
möge ihr doch von diesem Manne helfen. Solche
Rede durchschnitt des Königs Herz, daß er habe seine
einzige Tochter einem Schneider antrauen müssen,
tröstete sie auf das beste, und sagte, sie solle nur in
der künftigen Nacht die Schlafkammer öffnen, so sollten
vor der Türe etliche Diener stehen, und wenn sie
wieder solche Worte vernähmen, sollten diese Diener
hinein gehen und den Mann geradezu umbringen. Das
ließ sich die junge Frau gefallen und verhieß also zu
tun. Nun hatte der König aber einen Waffenträger am
Hofe, der war dem Schneider hold, und hatte des Kö-
nigs untreue Rede gehört, verfügte sich daher eilend
zu dem jungen König und eröffnete ihm das schwere
Urteil, das über ihn so eben jetzt ergangen und gefällt
war, und bat ihn, er möge seines Leibes sich nach besten
Kräften wehren. Dem sagte der Schneider-König
ob seines Warnens großen Dank, und er wisse wohl,
was in dieser Sache zu tun sei. Wie nun die Nacht gekommen
war, begab sich zu gewohnter Zeit der junge
König mit seiner Gemahlin zur Ruhe und tat bald, als
ob er schliefe. Da stand die Frau heimlich auf und öffnete
die Tür, worauf sie sich wieder ganz still niederlegte.
Nach einer Weile begann der junge König wie
im Schlafe zu reden, aber mit heller Stimme, daß die
draußen vor der Kammer es wohl hören konnten:
»Knecht, mache mir die Hosen – bletze mir – das
Wams, oder ich will dir das Ellenmaß über die Ohren
schlagen. Ich – hab sieben auf einen Streich – tot geschlagen
– zwei Riesen hab ich – tot geschlagen – das
Einhorn hab ich gefangen – die Wildsau hab ich auch
gefangen – sollt ich die fürchten – die draußen vor der
Kammer stehen?«
Als die vor der Kammer solche Worte vernahmen,
so flohen sie nicht anders, als jagten sie tausend Teufel,
und keiner wollte der sein, der sich an den Schneider
wagte. Und so war und blieb das tapfere Schneiderlein
ein König all sein Lebetag und bis an sein
Ende.
Das Märchen von den sieben Schwaben
Es waren einmal sieben Schwaben, die wollten große
Helden sein und auf Abenteuer wandern durch die
ganze Welt. Damit sie aber ein gut Gewaffen hätten,
zogen sie zunächst in die weltberühmte Stadt Augsburg
und gingen sogleich zu dem geschicktesten Meister
allda, um sich mit Wehr und Waffen zu versehen.
Denn sie hatten nichts Geringeres im Sinne, als das
gewaltige Ungetüm zu erlegen, das zur selben Zeit in
der Gegend des Bodensees gar übel hausete. Der Meister
staunte schier, als er die sieben sah, öffnete aber
flugs seine Waffenkammer, die für die wackeren Gesellen
eine treffliche Auswahl bot. »Bygott!« rief der
Allgäuer, »send des au Spieß? So oaner wär mer grad
reacht zume Zahnstihrer. For mi ischt e Spieß von
siebe Mannslengen noh net lang gnueg.« – Drob
schaute ihn der Meister wiederum an mit einem Blick,
der den Allgäuer beinahe verdroß. Denn dieser lugte
zurück mit grimmigen Augen, und bei einem Haar
hätt's etwas gegeben, wenn der Blitzschwab nicht just
zur rechten Zeit sich ins Mittel gelegt. »Hotz Blitz!«
rief er, »du hoscht Reacht und i merk doin Maining:
Wie älle siebe for oin, so for älle siebe noh oin
Spieß.« Dem Allgäuer war dies nicht ganz klar, aber
weil's den andern just eben recht, so sagte er: »Joh.«
Und der Meister fertigte in weniger als einer Stunde
den Spieß, der sieben Mannslängen maß. – Ehe sie
aber die Werkstatt verließen, kaufte sich jeder noch
etwas Apartes, der Knöpflesschwab einen Bratspieß,
der Allgäuer einen Sturmhut mit einer Feder drauf,
der Gelbfüßler aber Sporen für seine Stiefel, indem er
bemerkte: solche seien nicht nur gut zum Reiten, sondern
auch zum Hintenausschlagen. Als der Seehaas
sich endlich einen Harnisch gewählt, pflichtete ihm
der Spiegelschwab in solcher Vorsicht vollkommen
bei, meinte aber, es sei besser, den Harnisch hinten
als vorn anzulegen. Und kaufte sich ein altes Barbierbecken
aus der Rumpelkammer des Meisters, groß
genug, um seine untere Kehrseite zu bedecken.
»Merk's: han i Curasche und gang i voran, noh brauch
i koan Harnisch, goht's aber hintersche und fällt mer
d'Curasche anderswohnah, noh ischt der Harnisch an
seinn reachte Blatz.«
Und nachdem die sieben Schwaben wie ehrliche
Leute alles richtig bis auf Heller und Pfennig bezahlt,
auch als gute Christen bei St. Ulrich eine Messe gehört
und zuletzt noch beim Metzger am Göppinger
Tore gute Augsburger Würste eingekauft hatten, so
zogen sie zum Tor hinaus ihres Weges weiter. Den
Spieß aber hielten sie alle sieben und gingen in einer
Reihe hinter einander, daß sie schier aussahen, wie
angespießte Lerchen. Voran ging der Herr Schulz, der
Allgäuer, als der mannlichste unter ihnen, dann kam
der Jockele, genannt der Seehaas, hierauf der Marle,
genannt der Nestelschwab, dem folgte der Jerkle, war
der Blitzschwab geheißen, hernach ging der Michel,
Spiegelschwab zubenamset, dann kam der Hans,
Knöpflesschwab, und zuletzt kam Veitle, das war der
Gelbfüßler. Der Herr Schulz wurde der Allgäuer geheißen,
weil er aus Allgau gebürtig war; der Seehaas
hatte am Bodensee gesessen; der Nestelschwab führte
darum seinen Namen, weil er statt der Knöpfe Nesteln
hatte, er mußte aber bei den Hosen fast immer mit der
Hand nachhelfen und halten, dieweil die Nesteln oftmalen
abgerissen waren. Der Blitzschwab hieß also,
weil er sich die Redensart: »Hotz Blitz!« angewöhnt
hatte. Der Spiegelschwab hatte die Gewohnheit, seine
Nase allezeit an dem Vorderteil seiner Jacke abzuputzen,
die davon einen gewissen Spiegelglanz annahm;
das schaffte jenem den saubern Namen. Knöpflesschwab
war ein Mann, der verstand gute Knöpfle oder
Spätzle zu kochen, das ist im baierischen Deutsch
Knötel, und im sächsischen Deutsch Klöße. Der
Gelbfüßler endlich war aus der Bopfinger Landschaft,
deren Einwohner die Umwohner Gehlfießler schimpfen.
Darum, daß sie einstmals einen Wagen voll Eier,
den sie ihrem Herzog als Abgabe bringen müssen,
recht voll stampfen wollen, und die Eier mit den
Füßen festgetreten, davon denn die Eier etwas weni-
ges zerbrochen, und die Füße der Bopfinger gegilbt
hätten.
Zogen nun die Sieben allesamt gutes Mutes mit
ihrem Spieß dahin, kamen eines Heumondtages in der
späten Dämmerung über eine grüne Wiese, da hob
sich eine Horniß nicht weit von ihnen mit feindlichem
Gebrummel hinter einer Dornhecke hervor, und flog
vorüber. Darob erschrak der Schulz, Allgäuer, mächtiglich,
und begann Angstschweiß zu schwitzen, und
schrie seinen Kriegsgesellen zu: »Horchet! der Feind
drommelt schoh!« Da schmeckte der Jockele, der
dicht hinter dem Schulzen ging, einen übeln Geruch
und rief: »Wohl! wohl! 's ist ebbes in der Näche! I
schmeck schaun 's Pulver!« Da nahm der Herr Schulz
Reißaus, ließ den Spieß fahren und sprang über einen
Zaun, kam aber gerade auf die Zinken eines Rechens
zu springen, und da fuhr ihm der Stiel ins Gesicht und
gab ihm einen ungewaschnen Schlag. Der Schulz vermeinte,
der Feind haue auf ihn ein, und schrie: »Gieb
Bardohn! i ergeb me.« Die andern sechs waren nachgesprungen
über den Zaun, und da sie ihren Anführer
also schreien hörten, so schrien sie alle: »Ergibscht du
de, noh ergeb i me au! Ergibscht du de, noh ergeb i
me au!« Aber es war niemand vorhanden, der die sieben
Schwaben gefangen nehmen wollte; und da sie
das merkten, schämten sie sich ihrer wenigen Herzhaftigkeit
und verschwuren sich, diese ihre erste Hel-
dentat nicht weiter zu erzählen.
Weiter so kamen die sieben Schwaben auf ihrem
Zuge in einen Hohlweg, und wie sie so tapfer darauf
losmarschierten, merkten sie nicht, daß ein großmächtiger
Bär im Wege lag, bis der Allgäuer fast mit der
Nase an ihn stieß. Als er ihn nun sah, war er hin vor
Schreck, stolperte und stieß mit dem Spieße geradezu
auf den Bären los, wozu er aber nichts konnte, und
schrie dazu gottsjämmerlich: »E Bär! E Bär!« Vermeinte,
sein letztes Brot wäre gebacken und bereits
verzehrt. Doch rührte sich der Bär nicht, dieweil er
maustot war. Des war der Allgäuer hoch erfreut,
schaute nun nach seinen Brüdern, und sah mit neuem
Schreck, daß alle mäusleinstill für tot auf dem Boden
lagen, meinte, er habe sie gar mit dem Spieße hinterrücks
erstochen, und erhub ein Wehegeschrei. Als die
am Boden Liegenden vermerkten, daß der Bär den
Allgäuer nicht aufgefressen, denn sie waren nur vor
Schreck dahin gepurzelt, lugten sie vorsichtig in die
Höh, und wie sie sahen, daß der Bär tot war, erhoben
sie sich frisch und gesund, traten um den Bären herum
und auf ihn, und untersuchten, wie tief wohl die
Wunde sei, die der Spieß ihm beigebracht, fanden
aber keine, und der Blitzschwab sagte: »Hotz Blitz!
Der Bär ischt verreckt und schoh lang tot!« – »Joh
Joh«, sprach der Jockele, »mer schmeckt de Brohde.«
Wurden eins, dem Bär das Fell abzuziehen und als
Siegeszeichen mit sich zu führen, das Aas aber liegen
zu lassen. »Jetzt kennet d'Schoof de Bäre fresse, wie
er d'Schoof gfresse hod!« sprach einer unter ihnen,
und so zogen sie fürbaß mit ihrem Bärenfell und
ihrem Spieß.
Kamen nun just in einen Wald und gerieten tiefer
und tiefer in die Stauden hinein, bis sie darin stecken
blieben. Die Bäume standen zuletzt so dicht, daß des
Fortkommens kein Gedanke war, bis der Allgäuer
endlich vor einem derben Stamme stehen blieb, den
Spieß erhob und wie ein Löw brüllte: »Bygott! durch
muß e.« Sprach's und rannte den Spieß mit solcher
Gewalt zur Seite des Baums in den Boden, daß der
Knöpflesschwab zwischen Baum und Spieß eingeklemmt
wurde, wie ein Treibkeil, und sich weder rühren
noch regen konnte. Und das war eben kein Kinderspiel,
denn jetzt stockte der Zug vollends, konnte
keiner vor- noch rückwärts. Zwar machten die Gesellen
einige mächtige Versuche, den Knöpflesschwab
aus der Klemme herauszuziehen, aber es war eitel
Mühen: der Hans saß fest und wankte nicht. Da war
es plötzlich, als ob dem Allgäuer ein großer Gedanke
durch das Hirn dämmerte; er lugte um sich und rief:
»Bygott! i mießt 's Teufels sei, wenn mer Gott et helfe
tät!« Und er sagte: »Hui Ochs!« und packte den
Baum mit gewaltiger Faust und riß ihn heraus samt
Wurzel, Stumpf und Stiel. Der Knöpflesschwab, mehr
tot als lebendig, schnellte heraus just wie der Ball
beim Pritschenschlagen, flog sechs Klafter himmelanwärts
und plumpte hernieder, daß die Erde drob wakkelte.
Die fünf andern aber schauten gar ehrerbietig zu
dem Allgäuer empor, denn erst jetzt ging ihnen ein
Licht auf, welchen Fund sie an dem Herrn Schulz
getan.
Um ein weniges weiter, zeigte sich's abermals, daß
der Allgäuer das Herz nicht im Sprungriemen trug,
denn als die sieben sich aus den Stauden herausgefunden,
kam ein Bräuer aus München des Wegs, der trieb
ein Rudel Borstenvieh vor sich her und man konnt's
ihm auf hundert Schritt ansehen, wes Landes Kind er
war. Blieb groß und breit stehen, als er die sieben mit
dem Spieß erblickte und zog ein Gesicht, als wollt er
die wackern Leut auslachen. Gleich war der Blitzschwab
vor ihn her und fragte protzig: »Was luegscht
Gsell? hoscht du noh koan Schwohbe gseah?« – »O
genug«, gab jener zurück, »bei mir daheim auf der
Malzdarre laufen sie zu Tausenden herum.« Meinte
spottweise die schwarzen Käfer, also geheißen, weiß
keine Menschenseele warum. Das war genug, um dem
Blitzschwab, der zu Zeiten giftig war, wie ein Maifrosch,
die Laus über den Grind laufen zu lassen.
Machte sich an den Baier heran, und gab ihm flugs
eine Watschel, daß jenem die Augen hell aufblitzten
und die Ohren summten just eben so, wie die große
Horniß. Der Baier, nicht faul, langte mit den Armen
weitmächtig aus, um dem Schwäblein auch eine zu
versetzen; und es wär auch eine gewesen, an die er
sein Lebtag gedacht hätte. Nun war aber der Blitzschwab
ein putziges Kerlchen, drehte sich auf einem
Beine siebenmal herum, und hatte sein Lebtag nichts
besser gelernt, als das Ausreißen. So kam es, daß der
Baier gar mächtiglich in die Luft schlug, sich um und
um drehte wie ein Kreisel, stolperte und zu Boden
stürzte wie ein Wiesbaum. Das half ihm zum Garaus;
der Blitzschwab stürzte über ihn her wie ein Quekkenhamster
und packte ihn an der Gurgel, während
die andern Hände und Füße hielten und lustig darauf
lostrommelten. Er wäre ihrer aber doch letztlich noch
Herr geworden, weil er ein großer starker Kerl war,
wäre nicht auch der Allgäuer über ihn hergefallen, wie
ein Maltersack. Da mußte er Abbitte tun, wohl oder
übel, denn das Häufein ließ nicht eher locker und
ledig.
Und es geschah, daß die guten Gesellen auf ihrer
Weiterreise an einen weiten blauen See kamen, so
dünkete es ihnen, denn es war alleweil etwas dämmerig
geworden, der schlug Wellen im Wind, und droben
an seinem Abhang standen die sieben Schwaben
und lugten hinunter, wie sie wohl am geschwindesten
über diesen See kommen möchten. Es war aber kein
Wasser da drunten, sondern ein Feld voll Flachses,
der so recht in seiner schönsten, blauen Blüte stand.
»Hotz Blitz!« rief der Blitzschwab, »was ischt doh
z' tuan? Über des wild Wasser müßet mer nüber.«
»Allgäuer, trag du es nüber, wie der hoilich Krischdof
ed Pilgersleut«, sagte der Seehaas. – »Bygott!«
antwortete der Allgäuer, »ins Wasser gieng i wohl,
wenn's net tiefer gieng als an de Hals.« Der Nestelschwab
griff mit der Hand an seinen Hosenbund, das
edle Kleidungsstück fest zu halten, daß es ihm nicht
entfalle, während er mit der andern Hand schwimmen
täte; dem Knöpflesschwab war das Ding gar nicht einerlei,
er lugte scharf, ob kein Haifisch, Wallfisch
oder Krokodil im Wasser brause; und so standen auch
die andern ganz verlegen da, bis der Blitzschwab sich
hinter ihnen herumdrückte und ein Paar hinunterstieß,
indem er ausrief: »Frisch gwohgt ischt halb gschwomme.
« Da die nicht untersanken, faßte sich auch der
Gelbfüßler ein Herz und tat einen Hupf hinunter; ihm
folgte der Blitzschwab und der Nestelschwab mit besserem
Vertrauen, und zuletzt ritt der Allgäuer auf dem
Spieße hinab, und plumpte drunten einer auf den andern,
bis sie merkten, daß sie mit der Nase ins Feld
gefallen waren, und allgemach mit etwas gequetschten
Rippen sich wieder aufmachten, den Spieß auffischten
und an ihm wiederum fürbaß schritten.
Bis zur Stunde hatten die sieben einträchtig an dem
Spieße gehalten, war weder Unrecht noch Unfried
zwischen ihnen vorgekommen. Da kam der böse
Feind und säete Zwietracht zwischen dem Blitzschwab
und dem Spiegelschwab mitten hinein. Das
trug sich folgendermaßen zu. Als die Schar ein gut
Stück weiter kam, war es schon Nacht und der Mond
ging eben auf. Da wurde es dem Spiegelschwab wunderlich
zu Mute, just wie daheim und meinte: »Jetzt
hent mers gwonne, Memmenge ischt nemme weit.«
Lugt ihn der Blitzschwab verwundert an und fragt,
wie er das wissen könne. Der Spiegelschwab lachte
pfiffig: »Werd joh doch de Memmenger Mond
kenne.« Drob lachte jener, daß ihm das Wasser aus
den Augen rannte, und schrie: »Hotz Blitz! Gsell, wie
bischt du so blitzdumm!« Nun vertrug zwar der Spiegelschwab
einen derben Puff, hatten ihn oft schon
kurz und lang geheißen, aber für dumm gelten wollte
er nicht. Das war so eben seine empfindliche Seite.
Dies kaum gesagt, hatte der Blitzschwab daher auch
schon seine Dachtel. Fuhren nun zusammen die beiden,
gerade wie ein paar Metzgerhunde und draschen
sich schier um die Wette, den andern zur Kurzweil,
bis endlich der Seehaas den Allgäuer bat, Frieden zu
stiften. Der ließ sich nicht lange bitten, sondern packte
sogleich den Blitzschwaben am Hosenbündel und
hielt ihn in der Luft, wie einen Frosch; er mochte zappeln,
wie er wollte. Inzwischen ließ der Spiegelschwab
nicht nach, den Blitzschwaben aufs Brett zu
klopfen; daher ergriff der Allgäuer auch diesen und
hielt ihn am Leibe unter der Gurgel so steif und fest,
daß er bockstarr da stand und nicht mucksen konnte.
»Bygott!« rief der Herr Schulz, »i will euch Mores
lehre, ihr donnderschlechtige Strohlkerie.« Schüttelte
den einen und drosselte den andern immer ärger und
ärger, bis sie endlich einander das Wort gegeben, daß
sie wieder gut Freund sein wollten, was sie denn auch
geblieben von der Zeit an bis an ihren Tod.
Es wies sich auch bald aus, daß der Spiegelschwab
gar nicht so dumm gewesen, wie der Blitzschwab allermeist
geglaubt, denn als sie zwei Viertelstunden
Weges gegangen, kamen sie richtig nach Memmingen,
wie jener aus dem Monde prophezeit. Aber als
ob just dieses Städtlein dem Spiegelschwaben heut
nur Unglück bringen sollte, so geschah es alsbald
wieder, daß es dem Armen zu Haut und Haaren ging.
»Durch Memmenge ganget mer net«, hatte er gesagt
und als man ihn ob der Ursache gefragt, hatte er den
Kopf geschüttelt und gemeint, er wisse das selbst am
besten! Gingen deshalb ringsum die Stadtmauer, die
sieben, um just am andern Ende wieder die Heerstraße
zu gewinnen. Aber da hat sich's denn wiederum augenfällig
gezeigt, daß der Mensch seinem Schicksal
nicht entgehen könne. Denn ehe sich's der Spiegelschwab
versehen, sprang aus einem Hopfengarten ein
Weib auf ihn zu, eine rechte Runkunkel, und schrie in
einem Ton, der durch Mark und Bein ging: »Bischt
endlich wieder doh, du Schlingel? Wo bischt so lang
rumkalfaktert, du Galgenstrick?« Dem Spiegelschwab
wurde es grün und gelb vor den Augen und vermeinte,
sein Ende sei gekommen, denn die Alte war niemand
anders, als seine liebwerte Ehehälfte, die er mir nichts
dir nichts sitzen gelassen, als er hinausgezogen war
mit den andern Gesellen auf die Wanderschaft. Hier
galt's, nicht lange zu überlegen, war daher flugs mit
einem Satze hinüber in die Hopfengärten zum großen
Jubel der andern, die schier bersten wollten vor Lachen.
Aber die Alte, schnell wie eine Bachstelze auf
den spindeldürren Füßen, war hurtig hinterdrein und
es hätte wohl einen argen Strauß gegeben zwischen
den beiden, wenn dem Spiegelschwaben nicht gerade
zu guter Stunde ein Schelmenstückchen eingefallen
wäre. Er hatte nichts zu tragen, weil er nichts hatte als
das Bärenfell; das tat ihm nun guten Dienst. Eilig
warf er es über den Kopf, schlüpfte behend in die Tatzen
und lief nun auf allen vieren, nicht anders als ein
leibhaftiger Bär, rannte brummend auf das Weib zu,
umfing sie mit den scharfen Krallen und drückte und
herzte sie, daß ihr Hören und Sehen verging. Die Alte
war froh, als sie dem Schalk entronnen, der nun freudig
mit den andern von dannen zog. Von Stund an
aber schreibt sich der Brauch, daß böse Männer von
ihren Ehehälften gar häufig Brummbären genannt
werden.
»Uf Leid folgt Freid!« rief der Allgäuer und zeigte
nach dem Leutkircher Tor, wo ein Wirtshaus stand,
über dessen Tür zu lesen war: »Hier schenkt man
Märzenbier aus!« War keiner unter den sieben, der
nicht gern einen Trunk Bier geschenkt genommen
hätte, richteten daher im Nu ihre Schritte nach dem
Wirtshaus und langten mit dem Spieße in der Hausflur
an, in demselben Augenblick, als der dicke Bräuer
vor die Tür trat, nach dem Wetter auszulugen. Als
der die Schar erblickte mit dem furchtbaren Spieß,
wurde es ihm eben nicht warm ums Herz, zog aber
schnell sein Käppchen und fragte höflich nach ihrem
Begehr. »Se wellet e bißle sei Bierbrobiere«, sagte
der Allgäuer und schritt schnurstracks mit den Gesellen
in die Zechstube. Da ward's dem Wirt klar, daß
die Gesandtschaft mit dem Spieße abgeschickt sei von
der schwäbischen Kreisregierung, wie wohl zu Zeiten
geschieht, um das Bier zu kosten und zu prüfen, ob es
preiswürdig sei. Rannte daher spornstreichs in den
Keller und holte ein Körble vom Besten herauf, wie er
nur für sich und seine Leute gebraut. Das Körble war
leer im Umsehen, das zweite in noch kürzerer Zeit,
und als die sieben in weniger als zwei Stunden nahe
an einen halben Eimer getrunken, meinte der Wirt, er
sehe, daß es ihnen schmecke. Der Blitzschwab aber,
der immer das Maul vorweg hatte, sagte; »'s kennt
besser sei, wenn net z'wenig Malz und Hopfe drin
wär.« »Das ist nicht wahr«, versetzte der Wirt, der ein
Schalk war, »Hopfen und Malz ist nicht zu wenig
darin, aber zu viel Wasser.« Da merkte der Blitzschwab,
daß er seinen Mann gefunden, trank noch ein
Mäßle und sagte den Spruch, der ihm einfiel:
»In Langesalz, in Langesalz
(kennt au Memmenge hoiße, sagte er)
Braut mer drui Bier aus oinem Malz,
Es erschte hoißet se de Kern,
Des drinket d' Burgemoischter gern,
Es andre hoißt es Mittelbier,
Des setzt mer de gmoane Leud fir;
Es dritt des hoißt Covent,
Drink di potz Sapperment!«
Zogen dann allesamt fürbaß und der Wirt in Memmingen
schwört heute noch Stein und Bein, daß das
Häuflein nichts anders gewesen, als des Memminger
Kreises Oberbierbeschauer.
»Uf Leid folgt Freid!« hatte der Allgäuer gesagt,
ohne zu bedenken, daß das weise Sprüchlein umgekehrt
sich noch bei weitem häufiger bewahrheitet. Es
sollte nun einmal Regen und Sonnenschein auf der
abenteuerlichen Fahrt der sieben Gesellen fast immer
abwechseln, drum war's eben kein Wunder, daß das
arme Häuflein gar bald wieder in die Tinte geriet.
Noch drehte und wirbelte es in ihren Köpfen von dem
überreichlich genossenen Märzenbier, da harrte ihrer
schon wieder das tückische Geschick. Zogen eben bei
Kronburg vorüber, da lauschte der gestrenge Herr
Junker aus dem Fenster. Mochte ihm nicht recht geheuer
vorkommen mit der lustigen Schar, die auch
dem Äußern nach nicht eben allzu reputierlich einherzog.
Er rief deshalb seinen Schergen und sagte: »Lug
einmal nach den Landstreichern da drüben – scheint
mir eine saubere Sippschaft zu sein.« Der Scherg
nahm sieben Bullenbeißer mit sich, jeder groß genug,
um zur Not mit einem Bären kämpfen zu können, und
stieg hinab, Jagd auf die unglücklichen Schwaben zu
machen. Hatte sie bald ereilt und da der Blitzschwab
schnippisch war, wie immer, machte der Haltmichfest
kurze Sache und nahm das Häuflein mit sich. Zwar
wollte der Allgäuer nicht so ohne weiteres mitgehen,
als aber die Hunde gar grimmig knurrten, da senkte er
den Spieß mit den Ohren zugleich und trabte hinterdrein.
Wurden nun sämtlich vor den Junker von Kronburg
geführt, der ein strenges Verhör begann. Der
Seehaas machte den Sprecher für alle und erzählte getreulich:
Wie in der Gegend am Bodensee ein
schreckliches Tier hause, und da hätten sie sich denn
als brave Landsleute und biedere Männer zusammengetan
aus allen schwäbischen Gauen, um das Land
vom Ungeheuer zu befreien.
Das aber glaubte der Junker nicht, sondern blieb
bei seiner Meinung, sie seien Strolche und Diebsgesindel,
und ließ sie in das Häusle, das ist, ins Gefängnis
stecken.
»So geht's in Schnitzlebutz Heusle,
Doh singet und tanzet die Meusle
Und bellet die Schnecken im Heusle –«
hat der Blitzschwab im Häusle gesungen, aber ganz
still, wie ein Mäusle.
Es hatte aber der Junker erst Tags zuvor, da ihn das
Zipperlein plagte, den löblichen Entschluß gefaßt, ein
Zuchthaus zu stiften zum Schrecken aller Gauner und
Tagediebe, zu Nutz und Frommen der Bürgerschaft
und zur Aufklärung des gemeinen Volkes. Da kamen
ihm die sieben Schwaben eben recht. Sonst war er ein
gar frommer und milder Herr, der sogar seinen eigenen
Bauern nicht mehr Wolle abschor, als er eben
nötig hatte, um sich selbst warm zu kleiden. Befahl
daher auch, daß man den Gefangenen Nahrung reichen
solle, so weit sie des bedürften. Der Spiegelschwab
aber, der ihn wohl kannte und wußte, daß
Schmalhans in dessen Küche und Keller hauste, legte
seinen Plan darauf an, welchen er den Gesellen mitteilte.
Wie also der Scherg Mittags eine große Pfanne
voll kleiner Klöße, die sie Milchspätzle nennen,
brachte, sprach der Blitzschwab zum Knöpflesschwaben:
»Die ghairet wohl for di?« Der Scherg meinte,
das sei wohl für alle genug. Der Knöpflesschwab aber
sagte, er wolle lugen, ob's für ihn lange, setzte sich
und aß die Pfanne allein aus, so daß kein Krümchen
noch Bröckchen übrig blieb. Der Scherg erschrak und
lief zum Junker, meinend, man müsse für die Landstreicher
eine ganze Braupfanne voll Spätzle auf einmal
kochen, und das sei, dünke ihm, noch nicht
genug. Da ging der Junker von und auf Kronburg in
sich und meinte, er sei dem schwäbischen Kreis und
der Menschheit kein so großes Opfer schuldig, daß er
sich aushungern lassen sollte in seinem Schloß um einiger
wenigen Strolche willen. Stracks wurden die
sieben in Freiheit gesetzt, nur daß ihnen der Junker
noch einen Steckbrief mit auf den Weg gab, um andere
Behörden und Kerkerknechte pflichtschuldigst vor
des Knöpflesschwaben großer Freßsucht zu warnen.
Nach mehr als einem andern Abenteuer, das zu viel
wäre zu erzählen, gelangten die Schwaben an einen
großen See, und da sagte der Seehaas, der ihn gleich
erkannte: »Des ischt der Bodesee.« An dessen Ufer
sollte, wie die Sage ging, das gefährliche Ungeheuer
hausen, welches zu bekämpfen und zu erlegen die sieben
Schwaben sich bekanntlich fest vorgenommen
hatten. Da sie nun des Sees ansichtig geworden und
zugleich des Waldes, in dem das Ungeheuer sich aufhielt,
man wußte nicht, war es ein greulicher Lindwurm,
oder ein feuerspeiender Drache, so fiel ihnen
zumeist das Herz in die Hosen, sie machten Halt und
zündeten ein Feuerlein an, auf daß der Knöpflesschwab
noch zu guter Letzt (denn wer konnte wissen,
ob das Untier sie nicht allesamt mit Haut und Haar
verschlingen werde, mit oder ohne Spieß), eine Mahlzeit
Knöpfle oder Spätzle bereite, und stellten während
dem Essen Todesbetrachtungen an. »Joh«, sagte
der Allgäuer und seufzte recht von unten 'rauf, »'s
ischt e Sach, wenn mer bei sich so recht bedenkt, daß
mer zum letzten Mohl in seim Leben z'Mittag ißt.«
Und wieder seufzte er und sagte: »'s ischt e Sach!«
und der Knöpflesschwab fing an still vor sich hin zu
flennen, wobei er jedoch des Essens nicht vergaß. Als
aber der Allgäuer zum dritten Mal ganz erschrecklich
tief seufzte und sagte: »'s ischt e Sach!« da fingen sie
alle an so erbärmlich zu flennen und zu heulen, daß es
einen wilden Heiden hätte erbarmen können. Der Nestelschwab
allein ließ sich das Sterben nicht zu Herzen
gehen; denn, sagte er, mein Mutter hat mir oft gesagt,
daß mein Stündlein gar niemals kommen würde.
Heulte aber dennoch aus gutem Willen zur Gesellschaft
mit. Als sie aber endlich nicht mehr konnten,
fiel's ihnen doch ein, daß es Zeit sei, ihre Schlachtordnung
herzurichten; dabei gab es aber allerlei Span
und Zwietracht. Der Allgäuer sagte, er sei bislang
emmer der vorderscht gwe, 's wär jetzt Zeit, daß er au
emohl der henterscht sei, und es soll der Blitzschwob
voran. Der meinte aber: »Curasche han i gnueg em
Leib, aber net Leib gnueg for d' Curasche und dehs
Bescht von Ongheuer.« Der Spiegelschwab wischte
sich die Nase am Ärmel und tat den Vorschlag, es
solle doch wohl besser sein, wenn einer für alle sterbe,
und meinte, der Knöpflesschwab können ihnen
diesen kleinen Gefallen tun; der aber schrie Zetermordio,
als habe ihn das Ungeheuer schon am Schlafittich.
Und so sprachen und stritten sie noch eine Weile
hin und her, bis sie sich friedsam einigten und hurtiglich
mit ihrem Spieße vorwärts schritten, gerade auf
den Wald zu, wo das Untier hausen sollte. Ehe sie
den erreichten, kamen sie an einen Rain davor, da saß
ein Has und machte ein Männlein, und streckte die
langen Löffel in die Höh; das war den Schwaben
grauentlich anzuschauen, hemmten darum ihren
Schritt, hielten Rat und besannen sich, ob sie vorwärts
rücken und aufs Untier einrücken sollten mit
lang vorgestrecktem Spieß, oder ob sie sich zur
Flucht wenden sollten; doch hielt jeder fest am Spieß.
Da nun der Veitle hinten am meisten in Numero Sicher
war, schwoll ihm der Kamm und er schrie dem
Schulzen zu, der vorne stand:
»Stoßt zue in äller Schwobe Name,
Sonscht wünscht ih, daß ihr möcht erlahme!«
Der Hans, des Veitle Gehlfießlers Vordermann,
Knöpflesschwab, spottete der Curasche des Veitle,
indem er sagte:
»Beim Element, du hoscht guat schwätze,
Du bischt der letscht beim Drachahetze!«
Dem Michel sträubte die Herzhaftigkeit das Haar