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ISBN 978-3-95845-766-9
3. Auflage 2014
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Übersetzung der amerikanischen Originalausgabe
Steve Krug: Don’t Make Me Think, Revisited: A Common Sense Approach to Web and Mobile Usability
Authorized translation from the English language edition, entitled „Don’t make me think, Revisited. A Common Sense Approach to Web and Mobile Usability“, 3rd Edition, 0321965515 by Krug, Steve, published by Pearson Education, Inc, publishing as New Riders, Copyright © 2014 Steve Krug.
All rights reserved. No part of this book may be reproduced or transmitted in any form or by any means, electronic or mechanical, including photocopying, recording or by any information storage retrieval system, without permission from Pearson Education, Inc. German language edition published by mitp Verlags GmbH und Co. KG, Copyright © 2014.
Lektorat: Sabine Schulz
Sprachkorrektorat: Petra Heubach-Erdmann
Layout: Romney Lange
Illustrationen: Mark Matcho und Mimi Heft
Datenkonvertierung: CPI books GmbH, Leck
Covergestaltung: Christian Kalkert, www.kalkert.de
Erste Ausgabe
Meinem Vater, der immer wollte, dass ich ein Buch schreibe,
meiner Mutter, die mir stets das Gefühl gab, dass ich es könnte,
Melanie, die mich geheiratet hat — der größte Glücksfall in meinem Leben,
und meinem Sohn Harry, der sicher viel bessere Bücher als dieses schreiben wird, wenn er es will.
Zweite Ausgabe
Für meinen großen Bruder Phil, der sein ganzes Leben lang Mensch geblieben ist.
Dritte Ausgabe
Für alle Menschen aus allen Teilen der Welt, die diesem Buch schon seit 14 Jahren so zugetan sind,
Eure freundlichen Worte — persönlich, per E-Mail und in Euren Blogs — gehören zu den großen Freuden in meinem Leben.
Besonders die Frau, die mir erzählte, dass es sie so sehr zum Lachen brachte, dass Milch aus ihrer Nase lief.
VORWORT: Über diese Ausgabe
EINFÜHRUNG: Read me first • Räuspern und Rechtshinweise
GRUNDLEGENDE PRINZIPIEN
KAPITEL 1: Don’t make me think! • Krugs erstes Gesetz der Usability
KAPITEL 2: Wie wir das Web wirklich nutzen • Überfliegen, die erstbeste Wahl treffen und durchwursteln
KAPITEL 3: Plakatdesign für die A1 • Design zum Überfliegen, nicht lesen
KAPITEL 4: Tier, Pflanze oder Mineral? • Warum User eine gedankenlose Auswahl schätzen
KAPITEL 5: Lassen Sie nutzlose Wörter weg • Die Kunst des Nicht-Schreibens für das Web
WAS SIE UNBEDINGT BEACHTEN SOLLTEN
KAPITEL 6: Straßenschilder und Brotkrumen • Das Design der Navigation
KAPITEL 7: Die Urknall-Theorie des Webdesigns • Warum ein guter Start so wichtig ist
SICHERGEHEN, DASS SIE SIE VERSTANDEN HABEN
KAPITEL 8: »Bauern und Viehzüchter sollten Freunde sein« • Warum die meisten Argumente von Webdesign-Teams über Usability Zeitverschwendung sind und wie man sie vermeiden kann
KAPITEL 9: Usability-Tests für nur 10 Cent täglich • Lieber einfache Tests und dafür viele
ALLGEMEINE BEDENKEN UND ÄUSSERE EINFLÜSSE
KAPITEL 10: Mobil sein ist alles • Willkommen im 21. Jahrhundert — Vorsicht, es können leichte Schwindelgefühle auftreten
KAPITEL 11: Usability — Eine Frage der Höflichkeit • Mensch bleiben — auch auf der Website
KAPITEL 12: Barrierefreiheit und Sie • Gerade, als Sie denken, Sie seien fertig, schwebt eine Katze vorbei, auf deren Rücken ein Toast mit Butter gebunden ist
KAPITEL 13: Führer der Verwirrten • Usability zu Hause umsetzen
Danksagungen
Index
Leute kommen und gehen hier so schnell!
- DOROTHY GALE (JUDY GARLAND) IN DER ZAUBERER VON OZ (1939)
Ich habe die erste Ausgabe von Don’t Make Me Think im Jahr 2000 geschrieben.
Ab 2002 trudelten jedes Jahr mehrere E-Mails von Lesern ein, die (sehr höflich) fragten, ob ich darüber nachdenke, es zu aktualisieren. Keine Beschwerden, sie wollten nur hilfreich sein. »Viele Beispiele sind schon veraltet«, war der übliche Kommentar.
Meine Standard-Antwort war, dass die meisten Websites, die ich als Beispiel verwendet hatte, bereits verschwunden waren, als das Buch erschien, da zu diesem Zeitpunkt die große Internetblase geplatzt war. Aber ich fand nicht, dass es die Beispiele weniger anschaulich machte.
2006 schließlich hatte ich einen starken persönlichen Anreiz, es zu aktualisieren.1 Aber als ich es durchging, um zu sehen, was ich ändern sollte, dachte ich nur dauernd: »Das stimmt immer noch alles.« Ich konnte wirklich nicht viel finden, was ich für änderungswürdig hielt.
Aber da es eine Neuausgabe war, sollte es auch Neuerungen enthalten. Also fügte ich drei Kapitel hinzu, die ich im Jahr 2000 nicht fertigstellen konnte, drückte auf den Schlummern-Knopf und zog mir für weitere sieben Jahre zufrieden die Decke über den Kopf.
(Schreiben fällt mir wirklich schwer und ich bin über jeden Vorwand froh, es nicht tun zu müssen. Lieber lasse ich mir eine schöne Wurzelbehandlung verpassen, anstatt zu schreiben.)
Also warum jetzt — endlich — eine neue Ausgabe? Zwei Gründe.
Kein Zweifel: Es fühlt sich überholt an. Schließlich ist es dreizehn Jahre alt, was etwa hundert Jahre in Internetzeit ist. (Sehen Sie? Kein Mensch sagt noch so was wie »in Internetzeit«.)
Die meisten Websites, die ich als Beispiel verwendet habe, wie die Wahlkampf-Website von Senator Orrin Hatch aus dem Jahr 2000 sieht jetzt wirklich altmodisch aus.
Sites sehen heutzutage viel anspruchsvoller aus, als man erwartet.
In letzter Zeit habe ich begonnen, mir Gedanken zu machen, ob das Buch schließlich einen Punkt erreichen wird, wo es so überholt wirkt, dass es nicht länger effektiv ist. Ich weiß, dass dies bis jetzt noch nicht der Fall ist, denn:
■ Es verkauft sich immer noch stetig (zum Glück!), ohne dass es abzuflauen scheint. Es ist sogar in vielen Kursen zur Pflichtlektüre geworden, etwas, das ich nie erwartet hätte.
■ Neue Leser aus der ganzen Welt twittern über die Dinge, die sie daraus gelernt haben.
■ Und ich höre immer wieder diese Geschichte: »Ich habe es meinem Chef gegeben, in der Hoffnung, dass er endlich versteht, wovon ich rede. Er hat es tatsächlich gelesen und es dann für unser ganzes Team/ganze Abteilung/Firma gekauft!« (Ich liebe diese Geschichte.)
■ Leute erzählen mir immer wieder, dass sie ihren Job zum Teil der Lektüre des Buches verdanken oder dass es ihre Berufswahl beeinflusst hat.2
Aber ich weiß, dass der Alterungseffekt letztlich Leute abhält, es zu lesen, und zwar aus dem gleichen Grund, warum es so schwer war, meinen Sohn dazu zu bringen, Schwarzweiß-Filme mit mir zu gucken, als er klein war, ganz gleich wie gut sie waren.
Offensichtlich ist es Zeit für ein Beispiel.
Zu behaupten, dass sich Computer und das Internet verändert haben und auch die Art, wie wir beides nutzen, ist gelinde gesagt eine Untertreibung.
Die Landschaft hat sich auf drei Arten verändert:
■ Die Technik hat Anabolika in die Finger bekommen. Im Jahr 2000 haben wir das Internet auf ziemlich großen Bildschirmen genutzt, mit einer Maus, einem Touchpad oder einer Tastatur. Und wir haben uns dazu meist an einen Schreibtisch gesetzt.
Jetzt nutzen wir winzige Computer, die wir die ganze Zeit mit uns herumschleppen, mit eingebauter Kamera (Video und Foto), magischen Landkarten, die immer genau wissen, wo wir uns befinden, und unserer gesamten Bibliothek mit Büchern und Musik. Ach ja, Telefone sind sie auch.
Ja, zum Teufel, ich kann mein »Telefon« nutzen, um …
Es ist kein fliegendes Auto (was uns, wenn ich gerade darüber nachdenke, eigentlich versprochen wurde), aber es ist sehr eindrucksvoll.
■ Das Web selbst hat sich weiterentwickelt. Selbst wenn ich meinen Desktop-Computer verwende, um all die Dinge, die ich immer im Internet getan habe, zu tun (Sachen kaufen, Reisepläne schmieden, mit Freunden in Verbindung treten, Nachrichten lesen und Barwetten abschließen), sind die Websites, die ich dazu verwende, meist nützlicher und leistungsfähiger als ihre Vorgänger.
Wir erwarten inzwischen Dinge wie automatische Vorschläge und Autokorrektur und wir sind genervt, wenn es nicht möglich ist, ein Parkticket online zu bezahlen oder im Internet einen neuen Führerschein zu beantragen.
■ Usability ist Mainstream geworden. Im Jahr 2000 hatten noch nicht viele Leute die Bedeutung von Usability erfasst. Heute versteht dank Steve Jobs (und Jonathan Ive) fast jeder, dass sie wichtig ist, auch wenn man nicht so ganz genau weiß, worum es sich dabei handelt.
Akzeptieren Sie fürs Erste, dass man es heute meist User Experience Design nennt (UXD oder nur UX), ein Oberbegriff für jede Aktivität oder jeden Beruf, der zu einer besseren »Erfahrung« (Experience) für den User beiträgt.
Es ist toll, dass jetzt so viel mehr Wert darauf gelegt wird, nutzerorientiert zu entwerfen, aber all die neuen Jobbeschreibungen, Differenzierungen und Werkzeuge, die mit dieser Evolution einhergehen, haben viele Leute ratlos gemacht, was man tatsächlich damit anfängt.
Ich spreche von diesen drei Veränderungen im gesamten Buch.
Diese Ausgabe enthält neue Beispiele, ein paar neue Prinzipien und einige Dinge, die ich zwischenzeitlich gelernt habe, aber es ist immer noch dasselbe Buch, mit demselben Zweck: großartige und gut nutzbare Websites zu entwerfen.
Und es ist immer noch ein Buch darüber, wie man Dinge entwirft, mit denen Menschen interagieren, sei es eine Mikrowelle, eine mobile App oder ein Geldautomat.
Die Grundprizipien sind dieselben, selbst wenn sich die Umgebung geändert hat, denn bei Usability geht es um Menschen und wie sie Dinge verstehen und gebrauchen, und nicht um Technologie. Und während Technologien sich schnell ändern, tun das Menschen nur sehr langsam.3
Oder wie Jakob Nielsen es so treffend ausdrückt:
Die Kapazität des menschlichen Gehirns ändert sich nicht von einem Jahr auf das andere, also haben Erkenntnisse aus Studien zum menschlichen Verhalten eine sehr lange Haltbarkeit.
Was Usern vor zwanzig Jahren schwerfiel, bleibt auch heute schwer.
Ich hoffe, Sie haben Freude an der neuen Ausgabe. Und vergessen Sie nicht, mir zuzuwinken, wenn Sie mich in Zukunft mit ihrem fliegenden Auto überholen.
STEVE KRUG
NOVEMBER 2013
Ich kann Dir nichts Neues erzählen, was Du noch nicht weißt. Aber ich möchte ein paar Dinge klarstellen.
– JOE FERRARA, EIN ALTER SCHULFREUND VON MIR
Ich habe einen tollen Job. Ich bin ein Usability-Berater. Und das tue ich:
■ Leute (»Kunden«) schicken mir etwas, woran sie arbeiten.
Das können Entwürfe für eine neue Website sein oder die URL einer Site, die sie überarbeiten, oder der Prototyp einer App.
■ Ich versuche, zu benutzen, was sie mir geschickt haben, um die Dinge zu tun, die ihre User brauchen oder gern damit tun würden. Ich notiere die Orte, wo Leute wahrscheinlich stecken bleiben, und die Dinge, von denen ich denke, dass sie sie verwirren (eine »Expertenrezension zur Usability«).
Manchmal bringe ich andere Leute dazu, das Ganze zu testen, während ich beobachte, wie sie stecken bleiben und verwirrt werden (»Usability-Test«)
■ Ich treffe mich mit dem Team des Kunden, um die gefundenen Probleme zu beschreiben, die den Usern voraussichtlich Kopfschmerzen bereiten werden (»Usability-Probleme«), und helfe ihnen, zu entscheiden, welche am dringendsten behoben werden müssen und wie man das am besten anstellt.
Früher habe ich immer einen großen Bericht geschrieben, in dem ich meine Ergebnisse detailliert ausführte, aber schließlich erkannte ich, dass es die Zeit und den Aufwand nicht wert war. In einer Live-Präsentation können mir Leute Fragen stellen und ihre Bedenken äußern — etwas, was ein geschriebener Bericht nicht leisten kann. Und für Teams, die agile Softwareentwicklung oder Lean Development betreiben, gibt es sowieso keine Zeit für geschriebene Berichte.
■ Sie bezahlen mich.
Als Berater arbeite ich bei interessanten Projekten mit einer Menge netter, kluger Leute zusammen. Ich arbeite meistens zu Hause, und ich muss nicht jeden Tag in nervtötenden Meetings sitzen oder mich mit dem Büroalltag herumschlagen. Ich kann sagen, was ich denke, und meistens schätzen die Leute meine Meinung. Und ich werde gut bezahlt.
Und obendrein verschafft es mir große Arbeitszufriedenheit, denn am Ende sind die Dinge, die der Kunde entwickelt, fast immer sehr viel besser als zu Beginn.1
Fast jedes Entwickler-Team könnte jemanden wie mich gebrauchen, um ihm zu helfen, seine Produkte nutzerfreundlich zu gestalten. Leider kann sich die große Mehrheit von ihnen keinen Usability-Profi leisten.
Und selbst, wenn sie es könnten, gäbe es nicht genügend. Nach der letzten Zählung gab es zig Milliarden Websites (und zig Millionen Apps allein für das iPhone2) und nur 10.000 Usability-Berater weltweit. Rechnen Sie’s sich aus.
Und selbst, wenn Sie einen Profi in Ihrem Team haben, kann diese Person kaum auf alles schauen, was Ihr Team produziert.
Inzwischen ist fast jedermann dafür zuständig, Dinge nutzerfreundlicher zu gestalten: Grafikdesigner und Entwickler sind auf einmal für die Gestaltung von Interfaces — Sachen wie interaktives Design (was passiert als Nächstes, wenn der User auf etwas klickt) und Informationsarchitektur (wie alles organisiert ist) verantwortlich.
Ich habe dieses Buch hauptsächlich für Leute geschrieben, die es sich nicht leisten können, jemanden wie mich einzustellen oder zu engagieren.
Usability-Prinzipien zu kennen, hilft Ihnen, die Probleme selbst zu erkennen, und wird Sie hoffentlich von vorneherein davon abhalten, sie zu erzeugen.
Keine Frage: Wenn Sie es sich leisten können, engagieren Sie jemanden wie mich. Aber wenn Sie es nicht können, hoffe ich, dass dieses Buch Sie in die Lage versetzt, es (in Ihrer üppigen Freizeit) selbst zu machen.
Die gute Nachricht ist, dass das meiste, was ich tue, einfach auf gesundem Menschenverstand beruht, und jeder mit ein bisschen Interesse kann das lernen.
Wie so oft beim gesunden Menschenverstand sind viele Dinge nicht unbedingt offensichtlich bis zu dem Moment, wo Sie jemand darauf hingewiesen hat.3
Ich verbringe viel Zeit damit, Leuten Dinge zu erklären, die sie längst wissen. Also seien Sie nicht überrascht, wenn Sie sich häufig bei der Lektüre der kommenden Seiten dabei ertappen, »Ich wusste das« zu denken.
Noch mehr gute Nachrichten: Ich habe hart daran gearbeitet, dieses Buch kurz zu halten — hoffentlich so kurz, dass Sie es auf einem langen Flug lesen können. Ich hatte zwei Gründe:
■ Wenn es kurz ist, wird es eher gelesen.4 Ich schreibe für die Leute, die im Leben stehen — Designer, Entwickler, Site-Produzenten, Projektmanager, Marketingmitarbeiter und diejenigen, die die Schecks unterschreiben —, und für die Einmann-Kapellen, die alles alleine spielen. Usability ist nicht die Kernarbeit Ihres Lebens, und Sie haben keine Zeit für ein langes Buch.
■ Sie müssen nicht alles wissen. Wie in jedem Arbeitsbereich gibt es eine Menge, was Sie über Usability lernen können. Aber wenn Sie kein Usability-Profi sind, ist es für Sie nicht sinnvoll, alles zu lernen.5
Ich finde, dass die wertvollsten Beiträge, die ich bei jedem Projekt leiste, stets von der Beachtung einiger weniger Schlüsselprinzipien der Usability herrühren. Ich bin der Meinung, dass durch das Verständnis dieser Prinzipien die meisten Leute viel mehr Einfluss ausüben können als mit jedem anderen Zettel mit speziellen Listen für »So ja und so nicht«. Ich habe versucht, die wenigen Dinge zusammenzufassen, die meiner Meinung nach jeder über Usability wissen sollte, der mit Design zu tun hat.
Damit Sie nicht vergeblich danach suchen, sage ich Ihnen einige Sachen, die Sie in diesem Buch nicht finden:
■ Allgemeingültige Usability-Regeln. Ich bin schon eine ganze Zeit in diesem Geschäft, lange genug, um zu wissen, dass es keine »richtige« Antwort auf Usability-Fragen gibt. Design ist ein komplizierter Prozess und die ehrliche Antwort auf die meisten mir gestellten Fragen ist: »Es kommt drauf an.« Trotzdem denke ich, dass es einige nützliche Richtlinien gibt, deren Beachtung sehr hilfreich ist, und diese versuche ich zu vermitteln.
■ Vorhersagen über die Zukunft von Technolgien und des Internets. Sie können genauso gut raten wie ich. Ganz sicher bin ich mir nur bei a), dass die meisten Vorhersagen, die ich höre, beinahe unweigerlich falsch sind, und b), dass die Dinge, die sich als wichtig herausstellen, ganz überraschend kommen, obwohl sie in der Rückschau völlig offensichtlich erscheinen mögen.
■ Lästern über schlecht designte Websites und Apps. Wenn Sie es mögen, wenn man sich über Sites mit offensichtlichen Schwächen lustig macht, lesen Sie das falsche Buch. Design, Erstellung und Wartung einer guten Website oder App sind nicht leicht. Wie beim Golf: Es gibt eine Handvoll Möglichkeiten, wie man den Ball ins Loch bugsiert, und eine Million, mit denen es nicht klappt. Jeder, der es auch nur halbwegs richtig hinbekommt, hat meine Anerkennung.
Sie werden also sehen, dass meine Beispiele von exzellenten Produkten mit einigen geringen Schwächen stammen. Ich glaube, Sie können mehr von der Betrachtung guten Designs lernen als der Besprechung schlechter Designs.
Ein Dilemma, dem ich bei der Aktualisierung dieses Buches gegenüberstand, war, dass es schon immer ein Buch über das Design von nutzerfreundlichen Websites war. Obwohl man die Prinzipien auch auf das Design aller anderer Dinge anwenden kann, mit denen Menschen interagieren (einschließlich Wahlzettel und Wahlkabinen und sogar PowerPoint-Präsentationen), lag der Fokus klar auf Webdesign und alle Beispiele stammten von Websites. Denn bis vor Kurzem war es das, womit sich die meisten Leute beschäftigten.
Aber jetzt gibt es viele Leute, die mobile Apps entwerfen, und selbst die Menschen, die allein Websites entwickeln, müssen Versionen davon erstellen, die auch gut auf mobilen Geräten funktionieren. Ich weiß, sie sind sehr daran interessiert, zu erfahren, wie sich das alles auch darauf anwenden lässt.
Also habe ich drei Dinge getan:
■ Mobile Beispiele dort eingesetzt, wo es sinnvoll erschien
■ Ein neues Kapitel über Mobil-spezifische Usability-Probleme hinzugefügt
■ Und das Wichtigste: »und mobil« zum Untertitel des Covers hinzugefügt
Und wie Sie noch sehen werden, habe ich an manchen Stellen, wenn es der Verständlichkeit diente, anstatt Website »Website oder mobile App« geschrieben. In den meisten Fällen habe ich jedoch die Web-orientierten Formulierungen beibehalten, damit es nicht zu sperrig und störend klingt.
Eine entscheidene Sache noch: meine Definition von Usability.
Sie werden eine Menge verschiedener Definitionen von Usability finden, die sich meist auf folgende Eigenschaften reduzieren lassen:
■ nützlich: Kann es etwas, das Leute brauchen?
■ erlernbar: Können Leute herausfinden, wie es funktioniert?
■ einprägsam: Müssen Sie es für jeden Gebrauch erneut lernen?
■ effektiv: Erledigt es seinen Job?
■ effizient: Tut es das in einem angemessenen Zeitraum und mit zumutbarem Aufwand?
■ begehrenswert: Werden Leute es wollen?
und jüngst sogar:
■ reizvoll: Ist der Gebrauch erfreulich oder macht er sogar Spaß?
Ich werde später darüber sprechen. Aber für mich ist der wichtige Teil der Definition ziemlich einfach. Wenn etwas nutzerfreundlich ist — ganz gleich ob Website, Fernbedienung oder eine Drehtür — bedeutet es, dass
eine Person mit durchschnittlicher (oder sogar unterdurchschnittlicher) Fähigkeit und Erfahrung versteht, wie man das Ding benutzt, um etwas zu erreichen, ohne dass dabei der Aufwand größer als der Nutzen ist.
Verlassen Sie sich darauf: Es ist tatsächlich so einfach.
Ich hoffe, dieses Buch wird Ihnen helfen, bessere Produkte zu entwerfen und — wenn Sie ein paar endlose Design-Streitereien auslassen können — manchmal rechtzeitig zum Abendessen zu Hause zu sein.
Michael, warum stehen die Vorhänge offen?
– Kay CORLEONE in DER PATE, TEIL II
Die Leute fragen mich oft:
»Wenn ich sichergehen will, dass meine Website oder App einfach zu benutzen ist, was muss ich dann als Wichtigstes beachten?«
Die Antwort ist einfach. Sie lautet nicht »Alles Wichtige darf nicht mehr als zwei Klicks entfernt sein« oder »Sprich die Sprache der User« und auch nicht »Sei konsistent«.
Sie lautet …
Seit Jahren erzähle ich den Leuten, dass dies mein Erstes Gesetz der Usability ist. Und je mehr Webseiten ich mir anschaue, desto überzeugter bin ich davon.
Es ist das vorrangige Prinzip — der ultimative Tiebreak, wenn man entscheiden muss, ob ein Design funktioniert oder nicht. Wenn Sie in Ihrem Kopf nur Platz für eine einzige Usability-Regel haben, dann sollte es diese sein.
Das bedeutet, dass eine Webseite — so weit, wie es nach menschlichem Ermessen möglich ist — klar sein sollte. Naheliegend. Selbsterklärend.
Ich sollte in der Lage sein, »es zu kapieren« — was die Seite darstellt und was man mit ihr machen kann —, ohne lange überlegen zu müssen.
Über wie viel Klarheit reden wir hier?
Nun, die Seite sollte klar genug sein, damit beispielsweise Ihre Nachbarin, die kein Interesse am Thema Ihrer Website hat und kaum etwas mit dem Zurück-Button anzufangen weiß, auf die Homepage Ihrer Website schauen kann und sagt: »Oh, das ist ja ein _____.« (Mit ein bisschen Glück wird sie sagen: »Oh, das ist ja ein _____. Gut.« Aber das ist ein anderes Thema.)
Betrachten Sie es so:
Wenn ich eine Seite ansehe, bei der ich nicht überlegen muss, stehen in allen Gedankenblasen über meinem Kopf Sachen wie »Ah ja, da ist das _____. Und das ist ein _____. Und da ist ja schon das, was ich wollte.«
Aber wenn ich eine Seite ansehe, die mich zum Überlegen zwingt, sind alle Gedankenblasen über meinem Kopf voller Fragezeichen.
Wenn Sie eine Site erstellen, ist es Ihre Aufgabe, die Fragezeichen loszuwerden.
Alle möglichen Dinge auf einer Webseite können uns unnötig ins Stocken und Grübeln bringen. Betrachten wir zum Beispiel die Benennung von Dingen. Zu den üblichen Verdächtigen gehören niedliche oder clevere Namen, Namen, die aus dem Marketing stammen, firmenspezifische und fremdartige technische Bezeichnungen.
Nehmen wir zum Beispiel an, ein Freund erzählt mir, dass die Firma XYZ jemanden einstellen will, der genau meine Qualifikationen hat. Ich steuere geradewegs ihre Website an. Wenn ich die Seite überfliege, um etwas Anklickbares zu finden, macht es schon einen Unterschied, welchen Namen sie für den Abschnitt mit den Jobangeboten gewählt haben.
Beachten Sie, dass diese Dinge sich stets in einem Kontinuum irgendwo zwischen »für jeden einleuchtend« und »vollkommen schleierhaft« befinden, und stets können Kompromisslösungen mit hineinspielen.
»Jobs« könnte sich für Firma XYZ vielleicht zu leger anhören oder sie klammert sich wegen irgendeiner internen Firmenpolitik an »Job-o-Rama« oder sie hat es in ihren Firmenrundschreiben stets so genannt1. Mein Hauptanliegen ist, dass die Kompromisslösungen gewöhnlich immer mehr in Richtung »einleuchtend« gebracht werden sollten, als wir es zuerst für nötig halten.
Eine andere sinnlose Quelle von Fragezeichen über den Köpfen sind nicht offensichtlich anklickbare Links und Buttons. Als User sollte ich kein bisschen Nachdenken daran verschwenden müssen, ob ich etwas anklicken kann oder nicht.
Vielleicht denken Sie: »Das spielt doch keine große Rolle. Wenn Sie etwas anklicken oder antippen und nichts passiert: Wo ist das Problem?«
Die Sache ist die: Wenn wir das Web nutzen, trägt jedes Fragezeichen zu unserer kognitiven Belastung bei und lenkt unsere Aufmerksamkeit von der momentanen Aufgabe ab. Die Ablenkungen mögen nur gering sein, aber sie addieren sich, und ein Tropfen bringt das Fass zum Überlaufen.
Und als Grundregel: Die Leute mögen es nicht, darüber nachzugrübeln, wie man etwas macht. Die Tatsache, dass die Ersteller der Website sich keine große Mühe gaben, die Dinge offensichtlich — und einfach — zu gestalten, kann unser Vertrauen in die Website und ihre Herausgeber untergraben.
Eine weitere typische Aufgabe: einen Flug buchen.
Zugegeben, das meiste von diesem »mentalen Gebrabbel« findet im Bruchteil einer Sekunde statt, aber Sie erkennen, dass es ein recht geräuschvoller Prozess ist. Und am Ende gibt es auch noch einen rätselhaften Fehler.
Eine andere Website übernimmt einfach, was ich tippe, und bietet mir dazu eine passende Auswahl an, sodass ich kaum etwas falsch machen kann.
Keine Fragezeichen. Kein mentales Gebrabbel. Und keine Fehler.
Ich könnte Dutzende anderer Dinge aufzählen, die bei keinem Website-Besucher Zeit zum Nachdenken erfordern sollten, wie z.B
■ Wo bin ich?
■ Wo soll ich anfangen?
■ Wo finde ich _____?
■ Was sind die wichtigsten Dinge auf dieser Seite?
■ Wieso haben sie das so genannt?
■ Ist das Werbung oder Teil der Website?
Aber das Letzte, was Sie brauchen, ist noch eine weitere Checkliste für Ihren Stapel »Webdesign-Checklisten«. Das Wichtigste, was Sie tun können, ist einfach die Verinnerlichung des Grundprinzips: Eliminieren Sie die Fragezeichen. Wenn Sie das tun, werden Sie alle die Dinge bemerken, über die Sie nachdenken müssen, wenn Sie das Web nutzen. Nach und nach werden Sie diese erkennen und in den Seiten vermeiden, die Sie selbst erstellen.
Ihr Ziel sollte sein, dass jede Seite offensichtlich ist, damit der Otto Normaluser2 schon beim Ansehen weiß, worum es geht und wie man sie nutzt. Mit anderen Worten, er »kapiert« es, ohne darüber nachzudenken.
Manchmal müssen Sie sich mit selbsterklärend zufriedengeben, insbesondere dann, wenn Sie etwas Originelles oder völlig Neuartiges oder etwas sehr Kompliziertes schaffen. Auf einer selbsterklärenden Seite muss man ein kleines bisschen nachdenken, bis man sie kapiert — aber nur ein bisschen. Das Aussehen der Elemente (wie Größe, Farbe und Layout), ihre wohl überlegten Bezeichnungen und die kleinen Mengen sorgfältig formulierter Texte sollten zusammenarbeiten, um ein beinahe sofortiges Erkennen zu ermöglichen.
Das ist die Regel: Wenn Sie keine klare Seite erstellen können, sollten Sie sie zumindest selbsterklärend gestalten.
Komischerweise nicht aus den Gründen, die Sie so oft hören: