20. Juli

Fünf Stühle, die Lehnen dem Publikum zugewandt, dahinter, den Sitz dem Publikum zugewandt, ein einzelner Stuhl – ein Klassenzimmer. Die Schüler und Schülerinnen Esther, Fabian, Maria, Niklas und Paul stehen beisammen und sind im Gespräch. Am Rand der Bühne steht Peters, ein attraktiver deutscher Kennedy in Jeans, offenem Hemd und Jackett; er ist während des ganzen Stücks dabei, stehend, auf und ab gehend, beobachtend, mal amüsiert, mal verwundert, mal irritiert, und wenn von ihm die Rede ist, springt er ein und spricht.

ESTHER

37 Prozent für die Deutsche Aktion, 37 Prozent! Hätte einer von euch das für möglich gehalten?

NIKLAS

Ich habe schon vor Wochen gesagt, dass die DA die Landtagswahl gewinnt.

ESTHER

Aber nicht so. Nicht vor der CDU mit 21 Prozent, Linken und Grünen mit 16 und 13 und SPD mit 7.

NIKLAS

Und dass wir eine Koalition von DA und CDU kriegen, hätte auch ich mir nicht träumen lassen. Nur weil die DA der CDU den Posten des Ministerpräsidenten lässt, der große Koalitionspartner dem kleinen, und Carsten bleiben darf.

FABIAN

Das war Peters. Er hat Carsten in die Koalition gelockt. Er imitiert Peters. »Im Dienst an Deutschland …«

Im Dienst an Deutschland kennen wir nicht große und kleine Partner, nur Partner und Gegner, und unter Partnern macht jeder, was er gut kann. Herr Carsten, Sie können Ministerpräsident, mit uns können Sie es noch besser. Peters geht wieder an den Rand der Bühne.

NIKLAS

Klingt gut – die Leute mögen das. Als gehe es ihm nicht um Posten, sondern um die Sache.

FABIAN

Es geht ihm um die Sache. Seine Sache ist der Bund, das Land ist ihm egal. Nach diesem Wahlkampf und diesem Wahlsieg wird er beim nächsten Bundesparteitag Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat, und bei der nächsten Bundestagswahl ist die Wirtschaft weiter geschrumpft und die Arbeitslosigkeit weiter gewachsen und sind wir mitten in der Rezession und bringt er die DA mindestens gleichauf mit der CDU / CSU.

PAUL

Ich habe ihn im Interview gesehen. Der Mann ist gut – nach Bedarf ernst, witzig, dramatisch, ironisch und immer schlagfertig. Den Nazi-Jargon der DA hat er der Journalistin so beiläufig gefüttert, dass die sich gar nicht mehr empörte.

ESTHER

Ich mochte am Abend nicht mehr fernsehen.

FABIAN

Die deutsche Fox, unser neuer Sender, hat gestern ein Porträt von Peters gebracht. Wusstet ihr, dass Rudolf Peters ein Ururenkel von Carl Peters sein soll, dem Begründer von Deutsch-Ostafrika? Er kann für seinen rassistischen und kolonialistischen Ururgroßvater nichts, aber ist es nicht hübsch?

ESTHER

Hübsch?

FABIAN

Er war bei der Bundeswehr und ist Leutnant geworden, hat Grundschullehrer studiert und war, so hieß es, ein erfolgreicher Lehrer an einer dieser failed schools

NIKLAS

Es war schon übel, als alle Rechten Dumpfbacken waren. Dann gab’s auf einmal rechte Intellektuelle …

FABIAN

… die sich links nicht mehr wichtigmachen konnten …

NIKLAS zuckt die Schultern

… und es wurde schlimmer. Immerhin machten sie nichts her und blieben unter sich. Jetzt haben wir einen Rechten mit Charisma, und es ist richtig übel.

FABIAN

Statt der bräsigen alten Säcke und schrillen Weiber …

MARIA

Schrille Weiber?

FABIAN

Weibliche Schreihälse, männliche Schreihälse, bräsige alte Säcke – was von der DA derzeit in den Parlamenten sitzt, sind Jammergestalten, die in den anderen Parteien nichts geworden sind. Statt ihrer kriegen wir jetzt junge Leute, gescheit, opportunistisch, skrupellos, ehrgeizig. Nirgendwo macht man so schnell und steil politische Karriere wie bei der DA. Und Peters ist das Vorbild.

ESTHER

Als ich mir in Leipzig die Uni angeschaut habe, bin ich auf dem Rückweg zum Bahnhof in eine Demonstration mit ihm geraten. Bei ihm klingt das alles nicht mehr gestrig: Festung Europa, Europa der

FABIAN

Von unseren russischen, polnischen, ungarischen und österreichischen Freunden. Mit denen wir das neue Europa, die neue Demokratie bauen und es mit der amerikanischen und der chinesischen Herausforderung aufnehmen.

NIKLAS

Ja, so redet er.

FABIAN

Es ist das neue Modell. Ein starker Führer und ein Volk, das gelegentlich Beifall klatschen darf. Die Chinesen, die Russen, die Polen, die Ungarn haben es, Amerika ist noch mal dran vorbeigeschrammt – bis zum nächsten Trump. Mit Peters wird es das Modell für Deutschland.