Inhaltsverzeichnis
 
Titel
Impressum
Vorwort
Einleitung
 
I - Stifter in Deutschland
Die Beweggründe von Stiftern
Äußere Anlässe für die Gründung einer Stiftung
Das Profil der deutschen Stifter: Alter, Beruf, Herkunft, Vermögen und Werte
Warum wählen Stifter die Rechtsform der Stiftung?
Stiftungen in der Biographie ihrer Stifter
 
II - Gründung und Führung der Stiftungen
Wie laufen die Gründungen ab?
Die Stiftungen - Vermögen, Zwecke, Struktur und Arbeitsweise
Die Rolle der Stifter in ihrer Stiftung
Herausforderungen bei der Gründung und Führung einer Stiftung
Die Beratung von Stiftern
 
III - Stifter und Gesellschaft
Stifter und Stiftungen in der öffentlichen Wahrnehmung
Aufgaben und Rollen von Stiftungen gegenüber Staat und Gesellschaft
 
IV - Folgerungen und Empfehlungen
Maßnahmen zur weiteren Förderung des Stiftungsgedankens
Stifter raten Stiftern - Empfehlungen für eine erfolgreiche Stiftungsgründung
 
V Anhang

Vorwort
Im 20. Jahrhundert hat Deutschland die längste Friedensperiode seiner Geschichte erlebt. Parlamentarische Demokratie und soziale Marktwirtschaft eröffneten den Bundesbürgern nicht nur erhebliche politische Freiheiten, sondern auch große wirtschaftliche Chancen.
Mit dem Wohlstandswachstum in privater Hand geht ein Bedeutungswachstum bürgerschaftlichen Engagements einher. Ein halbes Jahrhundert nach der Einführung der sozialen Marktwirtschaft in Deutschland rückt die Diskussion um die Rolle und das Verhältnis von Staat, Wirtschaft und Bürgern wieder in den Vordergrund. Es wird immer deutlicher, dass der Staat die alleinige Verantwortung für alle Lebensbereiche weder übernehmen kann noch soll. Der Einsatz der Bürger für das Gemeinwohl, also die Stärkung der Bürgergesellschaft, ist vor diesem Hintergrund wichtiger denn je.
Stiftungen kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Aufgrund ihrer großen Unabhängigkeit sind sie besser als alle anderen Institutionen in der Lage, unbequeme Themen aufzugreifen, Risiken einzugehen und in Zukunftsaufgaben zu investieren. Für den einzelnen Stifter bietet eine Stiftung zu Lebzeiten eine Plattform, um sich aktiv zu engagieren. Mit ihr ist zugleich die Sicherheit verbunden, dass die Stiftung auch nach dem Tod des Stifters weiter in seinem Sinne wirken wird.
Stiftungen sind ein ideales Instrument, um den privaten Wohlstand in Deutschland für öffentliche Aufgaben zu erschließen. Nicht zuletzt angesichts der Erbschaftswelle, in deren Verlauf bis 2010 weit über eine Billion Euro an die nächste Generation vererbt werden wird, sprechen viele Anzeichen für ein weiteres Wachstum des Stiftungssektors. Neben diesen positiven ökonomischen Voraussetzungen mangelt es auch nicht an der prinzipiellen Bereitschaft der Bundesbürger, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, wie zuletzt die Spendenbereitschaft anlässlich der Flutkatastrophe in Südost-Asien zeigte.
Im Gegensatz zu der Spendenbereitschaft ist die Stiftungsbereitschaft in Deutschland wesentlich geringer ausgeprägt. Einen wichtigen Grund dafür benennt das Zentralinstitut für kirchliche Fragen: Einer Umfrage des Instituts zufolge ist nicht einmal jedem zweiten Deutschen die Möglichkeit bewusst, dass grundsätzlich jeder eine Stiftung gründen kann. Dieser Befund ist umso bedauerlicher, als dass für eine Stiftungsgründung keine Millionenbeträge erforderlich sind. Bürgerstiftungen und andere innovative Formen gemeinnütziger Aktivitäten ermöglichen es, bereits mit vergleichsweise bescheidenen Beträgen dauerhaft Gutes »anzustiften«.
Die zentrale Herausforderung für die weitere Verbreitung des Stiftungsgedankens besteht daher in der Aufgabe, mehr Transparenz über Stifter und Stiftungen zu schaffen. Die Verantwortung für diese Aufgabe liegt beim Stiftungssektor selbst. Stiftungen müssen stärker und professioneller an die Öffentlichkeit treten, um Aufmerksamkeit und Vertrauen zu gewinnen. Die Bevölkerung erfährt und weiß nur wenig über Stiftungen und ihre Aktivitäten. Noch weniger ist allerdings über die Stifter, die hinter den Stiftungen stehen, bekannt. Verlässliche Informationen und anschauliche Beispiele sind jedoch eine wichtige Voraussetzung, um mehr Menschen für den Gedanken zu werben, selbst Stifter zu werden.
Vor diesem Hintergrund hat die Bertelsmann Stiftung das Projekt StifterStudie gestartet. Die mit Methoden der quantitativen und qualitativen Sozialforschung durchgeführte Studie verfolgt mehrere Ziele: Einmal soll die Studie der Öffentlichkeit ein besseres Bild über die Motive und Ziele von Stiftern vermitteln. Zum anderen möchten wir mit diesen Informationen potenzielle Stifter ansprechen und für den Stiftungsgedanken gewinnen. Darüber hinaus sollen die Ergebnisse zur weiteren Professionalisierung des Stiftungssektors beitragen und es den Beratern von Stiftern ermöglichen, ihre Beratungs-, Service- und Informationsangebote weiter zu verbessern.
Die Studie war nur möglich dank der Auskunftsbereitschaft vieler Stifter, die uns einen Einblick in ihre Motive und Erfahrungen gegeben haben. Dazu zählen vor allem die über 600 Stifter, die an unserer Umfrage teilgenommen haben. Ohne ihre Unterstützung hätte diese Studie nicht entstehen können. Auch denjenigen Stiftern, die uns Zeit für ein Interview gewährt haben, sind wir zu besonderem Dank verpflichtet.
Unverzichtbar war darüber hinaus auch die Mitwirkung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Die Informationen aus der Datenbank deutscher Stiftungen bildeten die Grundlage unserer Stichprobe. Bei der Vorbereitung und Durchführung der Stifter-Umfrage sind wir vom Berliner Institut für Sozialforschung unterstützt worden; Frau Nina Fritsch vom Marketing Centrum Münster hat das Team der Bertelsmann Stiftung kompetent begleitet.
Mein besonderer Dank gilt schließlich Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth, die die Schirmherrschaft der Studie übernommen hat.
 
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Heribert Meffert
Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung

Einleitung

Den typischen Stifter gibt es nicht

Den typischen Stifter gibt es nicht - dies ist das zentrale Ergebnis der StifterStudie. Reiche und weniger Vermögende, Prominente und Unbekannte, Junge und Alte, Frauen und Männer, Ost- und West-, Nord- und Süddeutsche - sie alle gründen Stiftungen. Die Studie zeigt auch, dass Stiftungen etwas höchst Individuelles sind. Das ist ein wesentlicher Teil ihres Reizes. Jede Stiftung ist so einzigartig wie ihr Stifter. Die Beweggründe, die Menschen dazu bringen, eine Stiftung zu gründen, sind so vielfältig wie die Stiftungszwecke.
Günter Grass etwa, der Literatur-Nobelpreisträger, sieht sich in der Tradition Lübecker hanseatischer Kaufleute: »Doch auch dem Künstler öffnet sich - so er zu einigem Vermögen gekommen ist - die Möglichkeit, als Bürger gesellschaftlich zu handeln.« In seiner Ansprache anlässlich der Gründung der Stiftung zugunsten des Roma-Volkes erklärte er weiter: »Von des Lesers Lust auf erzählte Geschichten seit Jahrzehnten begleitet, war es mir mehrmals möglich, gestützt auf den Erfolg des einen oder anderen Romans, einen Teil meines Vermögens den ohnehin begünstigten Erben zu entziehen, sie also vor Leichtsinn zu bewahren und mit einer nicht gerade spektakulären, aber doch handfesten Summe den Grundstein für eine Stiftung zu legen.«
Also stiftet der erfolgreiche Schriftsteller Grass den Alfred-Döblin-Preis, um junge deutschsprachige Autoren zu fördern, als gebürtiger Danziger den Daniel-Chodowiecki-Preis zur Förderung der Arbeit polnischer Zeichner, Radierer und Lithographen und in seiner Rolle als engagierter Kämpfer für Minderheitenrechte den Otto-Pankok-Preis zur Förderung des seiner Ansicht nach besonders benachteiligten Volkes der Roma. Mit diesem Preis will Grass zusätzlich an seinen Düsseldorfer Kunstprofessor Otto Pankok erinnern, »der es verstand, mich und andere Schüler zu lehren, mit ihnen (den Roma) umzugehen und - fern aller romantischen Verklärung - die jeglicher Verfolgung trotzende Schönheit ihrer Existenz zu begreifen«.
Klaus Tschira hingegen, Mitgründer des weltweit erfolgreichen Software-Konzerns SAP, unterstützt mit der Klaus Tschira Stiftung »vor allem die angewandte Informatik, die Naturwissenschaften und die Mathematik«, weil wir uns, wie er etwas polemisch formuliert, in Deutschland »ohne eine gesunde Volkswirtschaft, die sich auf blühende Natur- und Ingenieurwissenschaften stützt, manches nicht nachhaltig leisten können, was vielen kulturbeflissenen Zeitgenossen als das einzig Wahre, Gute und Schöne gilt« (Stiftung & Sponsoring 4, 2001, S. 3).
Dem Stürmerstar der 90er Jahre, dem Welt- und Europameister und heutigem Bundestrainer Jürgen Klinsmann liegen hilfsbedürftige und Not leidende Kinder am Herzen, die er mit einer Stiftung unterstützt, die nicht seinen Namen tragen sollte, sondern Agapedia heißt, was »Liebe zu Kindern« bedeutet. Klinsmann ist bewusst ein paar Jahre lang nicht mit seiner Stiftung an die Öffentlichkeit gegangen, da er erst einige Projekte auf die Beine stellen und sichergehen wollte, dass diese funktionierten. Da trifft es sich gut, dass er jetzt als neuer Bundestrainer wieder im Rampenlicht steht. Die Sportikone formuliert sehr gut, was nach den Ergebnissen der StifterStudie viele deutsche Stifter bewegt:
»Wie viele andere Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, wurde ich häufig um Spenden angefragt. Da ich aber weder Bezug zu den großen Organisationen hatte noch nachvollziehen konnte, wo und wie mein Geld verwendet wird, war ich dazu nie wirklich gerne bereit.« Aber: »Es lohnt sich in jedem Fall, eine Stiftung zu gründen, weil man damit viel bewegen, dem ganzen seinen eigenen Stil und eine spezielle Richtung geben kann. Und man kann genau nachvollziehen, wofür jeder einzelne Euro verwendet wird. Wir alle sollten versuchen, das Gute, das uns im Leben widerfahren ist, an andere weiterzugeben und unseren Beitrag am Bau funktionierender gesellschaftlicher Strukturen zu leisten.« (StifterMagazin, 1/2004, S. 4)
Bei den vielen nicht in der Öffentlichkeit stehenden Stiftern ist es nicht anders als bei den Prominenten: Die persönlichen Lebensumstände sind ebenso vielfältig wie die Gründe, eine Stiftung ins Leben zu rufen. Die Bandbreite der 22 Stifter, die für die Studie interviewt wurden, reicht von jungen Millionen-Erben, die eine sinnvolle Verwendung für das ihnen zugefallene Vermögen suchen, bis hin zu erfolgreichen Unternehmern, die sich nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben mit einer Stiftung ein neues Betätigungsfeld schaffen. Manchmal sind es Schicksalsschläge, die Menschen dazu bringen, eine kleine Stiftung zu gründen, die als Plattform für ihr Engagement dient. In anderen Fällen entstehen große Stiftungen, weil Unternehmer die Nachfolge ihres Lebenswerks sichern möchten. Kurzum: Den typischen deutschen Stifter gibt es nicht.

Die wichtigsten Ergebnisse in Kürze

Obwohl sich die Stifter und ihre Stiftungen im Einzelnen stark voneinander unterscheiden, hat die Studie eine Reihe von Trends und Gemeinsamkeiten an den Tag gebracht. Viele dieser Ergebnisse widersprechen dem herkömmlichen Bild eines Stifters.
 
Die meisten Stifter gründen ihre Stiftung zu Lebzeiten
Das auffälligste Ergebnis der Studie ist grundsätzlicher Natur: Die meisten Stifter gründen ihre Stiftung zu Lebzeiten. Hier hat sich in den letzten Jahren eine deutliche Trendwende vollzogen. Wurden Stiftungen über Jahrhunderte hinweg vorwiegend von Todes wegen gegründet, so der Fachausdruck, wollen Stifter heute bereits zu Lebzeiten Akzente setzen. Sie gründen ihre Stiftung deshalb frühzeitig, um ihr Engagement aktiv gestalten zu können. Ihren größten Fehler sahen viele Interviewpartner wie der Stifter A darin, nicht noch früher begonnen zu haben: »Was würde ich das nächste Mal anders machen? Ich würde früher anfangen!«
Lesen Sie weiter im Kapitel »Das Profil der deutschen Stifter«.
 
Viele Vermögende stiften - aber nicht alle Stifter sind vermögend Traditionell waren Stiftungen eine Form gesellschaftlichen Engagements, die den wohlhabenden Schichten der Bevölkerung vorbehalten war. Die Ergebnisse der Studie belegen eine innere Demokratisierung des Stiftungswesens: Ein erheblicher Teil der Stifter ist zwar gut situiert, jedoch keineswegs vermögend. Dienstleistungsstrukturen wie z. B. Bürgerstiftungen ermöglichen es diesen Stiftern, auch mit mittleren Beträgen effektiv arbeiten zu können.
Mehr dazu finden Sie im Kapitel »Das Profil der deutschen Stifter«.
 
Stifter sperren sich der Typisierung
Die Ergebnisse der Studie bestätigen nicht die sozialwissenschaftliche Annahme, dass sich bestimmte Typen von Stiftern herausarbeiten lassen. Auch gibt es kaum Zusammenhänge zwischen sozialen Merkmalen (Alter, Geschlecht, Konfession, Beruf) der Stifter und den Zwecken und Zielen der Stiftungen. Jeder Stifter gründet tatsächlich eine maßgeschneiderte Stiftung, die genau seinen ganz individuellen Ansprüchen gerecht wird.
 
Stifter stiften mehr als »nur« Geld
Gerade diejenigen Stifter, die nicht über ein hohes Kapital verfügen, machen fehlende finanzielle Mittel oft durch hohes persönliches Engagement wett. Aber auch bei großen Stiftungen gilt: Die meisten Stifter sind keine distanzierten Mäzene, sondern gestalten ihre Stiftungen aktiv mit: sei es durch einen Sitz im Vorstand, durch die Mitarbeit in Projekten oder durch den Einsatz beim Fundraising. Sie setzen nicht nur ihr Geld, sondern auch ihre Zeit, ihre Erfahrungen, ihre Netzwerke und ihr Wissen für die Stiftung ein. Gerade Stiftungen mit geringem Vermögen ähneln oft »Ein-Mann-Vereinen«, die vom Engagement ihrer Gründer getrieben werden.
Mehr dazu lesen Sie im Kapitel »Die Rolle der Stifter in ihrer Stiftung«.
 
Der wichtigste Antrieb zur Gründung ist ein Thema, das den Stiftern am Herzen liegt
»Wenn es wehtut, hat man noch nicht das Richtige für sich gefunden«, so fasst Stifter B einen zentralen Befund der Studie zusammen: Für die bei weitem überwiegende Zahl der Stifter ist die Stiftung ein Mittel zum Zweck - sie wollen ein Problem bekämpfen, eine Institution erhalten oder ein soziales Anliegen verwirklichen. In jedem Fall steht das Thema fest; die Stiftung ist das Instrument, mit dem dieses Thema angegangen wird. Der umgekehrte Fall, in dem erst der Stiftungswunsch da ist und dann ein Zweck gesucht wird, kommt dagegen eher selten vor.
Einzelheiten finden Sie im Kapitel »Die Beweggründe von Stiftern«.
 
Die persönliche Zufriedenheit ist immens hoch
Fast ausnahmslos bestätigen die befragten Stifter, dass die Stiftung ihr Leben sehr bereichert hat: Aus dem Wissen, anderen zu helfen, gewinnen alle Befragten eine große persönliche Befriedigung. Die Freude an neuen Kontakten, neuen Impulsen und einer sinnvollen Tätigkeit ist groß - und vor allem sehr viel größer als das Vergnügen an der Befriedigung von Kosumwünschen. »Wir sind der Meinung, dass die Stiftung für uns persönlich und absolut das Beste ist, was wir mit dem, was da ist, tun können und dass es einem persönlich weit mehr bringt, als sich irgendwelche Yachten oder Rennpferde zuzulegen - ganz einfach für die persönliche Seelenhygiene«, so das Stifterpaar C.
Mehr zu diesem Thema bietet das Kapitel »Stiftungen in der Biographie ihrer Stifter«.
 
Ein Denkmal setzen wollen sich viele Stifter - allerdings erst für die Nachwelt
Vielen Stiftern ist es sehr wichtig, der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen. Gerade für Kinderlose sind Stiftungen daher ein ideales Instrument, um nicht einfach ohne eine Hinterlassenschaft aus dem Leben zu treten. Die Stiftung als Vermächtnis, als Denkmal für die Nachwelt, spielt daher bei vielen Gründungen eine große Rolle.
Zu Lebzeiten aber legen viele Stifter keinen Wert darauf, als Wohltäter in der Öffentlichkeit zu stehen. Natürlich erwarten Stifter Anerkennung für ihr Engagement, diese Erwartung ist jedoch kein Grund für die Gründung einer Stiftung. Tatsächlich scheuen viele Stifter die Öffentlichkeit: Fast die Hälfte der Stifter möchte lieber anonym im Hintergrund wirken, weshalb ein erheblicher Teil der Stiftungen auch nicht den Namen des Stifters trägt.
Lesen Sie weiter im Kapitel »Die Beweggründe von Stiftern«.
 
Die Anziehungskraft von Stiftungen liegt in der Kontrolle über die Mittel
Stifter wollen sich für das Gemeinwohl einsetzen. Wichtig ist ihnen dabei aber, dass sie selbst entscheiden, wo ihr Engagement gebraucht wird und wie sie dieses gestalten wollen. Dies unterscheidet die eigene Stiftung zum einen vom Steuernzahlen - Steuern sind anonym und dienen mitunter Zwecken, die man gar nicht unterstützen möchte. Zum anderen widerstrebt es vielen Stiftern, ihr Geld an die großen Wohlfahrtsorganisationen zu spenden, weil auch hier nicht immer nachvollziehbar ist, wie viel Geld wirklich bei den Empfängern ankommt. Die eigene Stiftung bietet demgegenüber die Möglichkeit, die Verwendung der Mittel zu bestimmen und zu kontrollieren.
Weitere Motive für die Wahl der Rechtsform werden im Kapitel »Warum wählen Stifter die Rechtsform der Stiftung?« erläutert.
 
Viele Stifter gründen in Etappen
Die meisten Stifter entschließen sich dazu, ihre Stiftung in Etappen zu gründen. Sie bringen nicht gleich zu Beginn das gesamte Vermögen in die Stiftung ein, sondern starten die Stiftung mit einem kleineren Betrag, den sie später weiter aufstocken. Die Gründe für dieses Vorgehen liegen auf der Hand: Vermögen, das einmal in eine Stiftung eingebracht worden ist, kann nicht wieder zurückgeholt werden.
In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit möchten viele Stifter daher Geld für den Lebensabend zurücklegen. Erst nach ihrem Tod fällt das verbliebene Vermögen dann an die Stiftung. Ebenso verbreitet ist das Motiv, die Form der Stiftung erst zu testen, ohne gleich einen allzu großen Betrag zu investieren. Entspricht die Stiftungsarbeit den Erwartungen, stocken die Stifter das Vermögen weiter auf.
Weitere Informationen zur Vermögensausstattung finden Sie in den Kapiteln »Wie laufen die Gründungen ab?« und »Die Stiftungen - Vermögen, Zwecke, Struktur und Arbeitsweise«.
 
Vertrauen ist wichtiger als Expertise
Viele Stifter betrachten ihre Stiftung nicht nur als persönliche, sondern auch als private Angelegenheit. Dies äußert sich nicht zuletzt in der Tatsache, dass Angehörige, Freunde und Bekannte eine viel wichtigere Rolle spielen als Experten und Fachberater - und zwar sowohl bei der Gründung als auch bei der Führung der Stiftung.
Einzelheiten zur Rolle von Dritten finden Sie in den Kapiteln »Die Stiftungen - Vermögen, Zwecke, Struktur und Arbeitsweise« und »Stifter raten Stiftern«.
 
Der Charakter von Stiftungen hat sich grundsätzlich gewandelt
Zugespitzt könnte man sagen: Traditionell wurden Stiftungen gegründet, um Geld auszugeben; heute hingegen werden viele Stiftungen gegründet, um Geld zu sammeln. Viele Stifter betreiben Fundraising, um zusätzliche Mittel für ihre Sache zu gewinnen; zahlreiche Gemeinschafts- und Bürgerstiftungen bemühen sich um Spender und Zustifter. Diese Bemühungen haben dazu geführt, dass Stiftungen ihren Charakter gewandelt haben und auch in der Öffentlichkeit nicht mehr als unabhängige Geldgeber, sondern als Geldsammler wahrgenommen werden.
Mehr hierzu bietet das Kapitel »Stifter und Stiftungen in der öffentlichen Wahrnehmung«.
 
Der Stiftungsboom der letzten Jahre ist kein Stifterboom
Der oft zitierte »Stiftungsfrühling« der letzten Jahre bedarf einer genaueren Betrachtung. Tatsächlich ist die Zahl der jährlichen Neugründungen von 200 im Jahr 1990 auf rund 800 angewachsen. Der Löwenanteil dieser Stiftungen ist jedoch nicht von natürlichen Personen, also von Stiftern, gegründet worden, sondern von Unternehmen, Vereinen und öffentlichen Körperschaften wie Theatern oder Museen.
Abbildung 1:
Stiftungsgründungen von natürlichen und juristischen Personen
Quelle: Bundesverband Deutscher Stiftungen, Stand Mai 2004, eigene Berechnungen
Wie Abbildung 1 zeigt, lag der Anteil derjenigen Stiftungen, die über die 90er Jahre von Einzelpersonen gegründet worden sind, jeweils bei ca. 150 Gründungen pro Jahr. Seit 2001 sinken diese Zahlen relativ und absolut: 2002 weist die Statistik des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen noch 87 Stiftungen und 2003 gerade noch 39 Stiftungen aus, die von Stiftern ins Leben gerufen worden sind.
Der Stiftungsboom der letzten Jahre ist daher kein Stifter-Boom und somit auch kein Ausdruck für ein gestiegenes bürgerliches Verantwortungsgefühl oder eine Folge der Erbschaftswelle. Der Stiftungsboom scheint vielmehr die Fundraising-Zwänge öffentlicher und privater Institutionen zu belegen, die ihren Förderern die steuerlichen Vorteile von Stiftungen sichern möchten.

Die Datengrundlage der StifterStudie

Einzelheiten zu den Methoden der Befragungen finden Sie am Ende dieses Buches im Kapitel »Datenbasis der StifterStudie«. Die folgende Übersicht soll Ihnen aber bereits an dieser Stelle einen Eindruck geben.
 
Wer wurde befragt?
Die Studie beruht auf zahlreichen Aussagen von Stiftern, die wir zum Teil persönlich interviewt und zum Teil mit Hilfe von Fragebögen befragt haben. Die Zielgruppe der Untersuchung waren Stifter, die seit 1990 eine gemeinnützige Stiftung ins Leben gerufen haben. Das Kriterium der Auswahl war, dass die Person einen Betrag von mindestens 50 000 Euro dauerhaft einem gemeinnützigen Zweck gewidmet hat; und zwar unabhängig von der Rechtsform, sodass im Sample selbstständige und treuhänderische Stiftungen ebenso erfasst sind wie gemeinnützige GmbHs.
Um die Ergebnisse nicht zu verzerren, sind Stifter, die sich mit kleinen Summen an der Gründung einer Gemeinschaftsstiftung beteiligt haben, nicht in das Sample aufgenommen worden. Personen, die eine bestehende Stiftung durch eine Zustiftung unterstützt haben, konnten nur in Einzelfällen berücksichtigt werden, weil Zustifter in Deutschland - leider - nicht systematisch erfasst werden.
Der Fragebogen enthielt viele sehr persönliche Fragen zu Werten, Motiven und Erwartungen, die nur vom Stifter selbst beantwortet werden konnten. Wir haben uns daher dafür entschieden, auf eine Beantwortung durch Berater, Familienangehörige oder Gremienmitglieder zu verzichten. Diese Einschränkung bringt es mit sich, dass Stifter, die ihre Stiftung erst von Todes wegen gegründet haben (testamentarische Stiftungen), nicht berücksichtigt worden sind.
 
Wie wurden die Stifter befragt?
Beginnend im Herbst 2003 haben wir insgesamt 22 Interviews mit Stiftern, Stifterinnen und Stifterpaaren geführt. Die Auswahl der Interviewpartner folgte dem Anspruch, möglichst unterschiedliche Perspektiven auf den deutschen Stiftungssektor zu gewinnen. Die Interviews spiegeln daher die Erfahrungen verschiedener Typen von Stiftern wider, die sich nach Alter, Geschlecht, Lebenslagen, Vermögen und Motiven unterscheiden. Auch die Stiftungen decken hinsichtlich der Arbeitsweise, des Tätigkeitsbereichs und der Vermögensausstattung eine große Bandbreite ab.
Aufbauend auf den Interviews wurde ein zwölfseitiger Fragebogen zu den Motiven und Erfahrungen von Stiftern entwickelt. Dieser Fragebogen wurde im Februar 2004 an alle Stiftungen versandt, die laut der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen den Kriterien der Studie entsprachen: seit 1990 von einer natürlichen Person zu Lebzeiten gegründet. Sofern es sich bei der Stiftung um eine gemeinsame Gründung durch ein Stifterpaar handelte, wurden zwei Fragebögen verschickt, um beiden Stiftern die Möglichkeit zu geben, ihre Beweggründe zu erläutern. Insgesamt wurden so 1666 Fragenbögen versandt.
Bei 306 Empfängern mussten wir leider feststellen, dass sie in der Zwischenzeit verstorben waren oder nicht den Auswahlkriterien entsprachen, sodass sich die Grundgesamtheit der Stifter auf 1360 belief. Von diesen 1360 haben 629 an der Umfrage teilgenommen, was einem Rücklauf von 46 Prozent entspricht.
Im Juli 2004 haben alle 629 Teilnehmer der ersten Befragung als Dank und Rückmeldung eine Dokumentation der Studie erhalten. Die Stifter hatten darüber hinaus die Möglichkeit, uns zu signalisieren, ob sie für weitere Auskünfte zur Verfügung stehen. Unter denjenigen 248 Stiftern, die uns dieses Signal gegeben haben, wurde im Oktober 2004 eine vertiefende Umfrage durchgeführt. Die Nacherhebung, an der erneut 179 Stifter teilgenommen haben, konzentrierte sich vor allem auf die praktischen Herausforderungen bei der Gründung und Führung von Stiftungen.
Um schließlich die Aussagen der Stifter mit der in der Öffentlichkeit herrschenden Meinung über Stifter und Stiftungen in Beziehung setzen zu können, haben wir im September 2004 eine bevölkerungsrepräsentative Umfrage gestartet. Diese Telefon-Umfrage unter 1007 Bundesbürgern erlaubte uns wichtige Rückschlüsse auf das öffentliche Bild von Stiftern.

Nachweise und Zitate

Soweit im Text ohne weiteren Nachweis auf Daten aus der Studie verwiesen wird, handelt es sich um Ergebnisse aus der Hauptumfrage vom Februar 2004. Ergebnisse aus der Nacherhebung sowie aus der Bevölkerungsumfrage werden als solche kenntlich gemacht.
Sämtliche Zahlenangaben sind gerundet. Die meisten Fragen in den Fragebögen waren mit »ja/nein« bzw. »trifft zu« zu beantworten. Bei einigen Fragen bestand jedoch die Möglichkeit, ein skaliertes Antwortschema zu nutzen (trifft völlig/eher/teils, teils/eher nicht/gar nicht zu). Zur Wiedergabe der Ergebnisse aus diesen Fragen werden im Text und in den Grafiken jeweils die beiden Nennungen »trifft völlig zu« und »trifft eher zu« zusammengefasst und als Zustimmung gewertet.
Um die Stiftungen, für die zwei Stifter geantwortet haben, nicht überzubewerten, sind alle Angaben, die sich auf die Stiftungen (Zwecke, Vermögen, Mitarbeiter) beziehen, in der Weise bereinigt worden, dass nur jeweils die Antwort eines Stifters gezählt wurde.
Die vorliegende Dokumentation der Ergebnisse stützt sich neben den Umfrageergebnissen auch stark auf die Aussagen, die die Stifter in den persönlichen Interviews gemacht haben. Um die Anonymität zu gewährleisten, werden die Interviewpartner nicht mit ihrem Namen genannt. Damit die einzelnen Aussagen trotzdem einander zugeordnet werden können, sind die Interviewten mit Stifter A, Stifterin D, Stifterpaar C zitiert. Die Interviewpassagen sind wörtliche Wiedergaben aus den Gesprächen. Die Zitate wurden nur dann verändert, wenn das Gesagte sonst eindeutige Rückschlüsse auf die interviewte Person erlaubt hätte.
Eine Übersicht über die befragten Stifter finden Sie im Anhang.

I
Stifter in Deutschland

Die Beweggründe von Stiftern

Im Vordergrund steht der gemeinnützige Zweck

Der ausschlaggebende Grund, eine Stiftung zu gründen, ist ein konkretes Thema: Stifter1 wollen etwas für Kinder unternehmen, das Wattenmeer schützen, ihre Heimatstadt fördern, sich für die Völkerverständigung einsetzen, eine Kunstsammlung bewahren oder eine soziale Einrichtung unterstützen. Welcher Tätigkeitsbereich es im Einzelfall auch ist: Die meisten Stifter haben ein Thema, das sie bewegt, und deshalb wollen sie auf diesem Feld und keinem anderen tätig werden.
Diese Tatsache wird besonders deutlich an der Frage nach Henne oder Ei der Stiftungsgründung: Steht der Wunsch nach einer Stiftung an erster Stelle oder eine inhaltliche Vision? Wie Abbildung 2 verdeutlicht, geben vier von fünf Stiftern in der Umfrage an, dass sie zuerst den Wunsch verspürt haben, sich für eine bestimmte Sache zu engagieren. Zur Verwirklichung dieses Vorhabens haben sie dann eine Stiftung gegründet. Lediglich ein Fünftel der Befragten gibt an, dass der Wunsch eine Stiftung zu gründen zuerst da war und erst danach die Suche nach einem förderungswürdigen Zweck begann.
Abbildung 2: Impuls zur Stiftungsgründung
Quelle: Hauptumfrage StifterStudie
Dieses Ergebnis spiegelt sich auch in den Interviews wider. Laut Stifterin D »braucht man ein Thema - man braucht etwas, wo man merkt: Das berührt mich innerlich«. Stifter B: »Das Wichtigste sind die Inhalte, die müssen einem wirklich am Herzen liegen. Man gibt in diese Sache was rein und hat das Gefühl: Das ist man eigentlich selber.«

Themenfindung und Stiftungszweck

Die Frage, welchen Zwecken sich die Stiftung widmen soll, entscheidet jeder Stifter individuell für sich. Kriterien für einen »richtigen« Zweck gibt es nicht; das einzige Kriterium ist, dass das Tätigkeitsgebiet dem Stifter am Herzen liegt. Dementsprechend sind es oft sehr individuelle Erfahrungen, die die Wahl des Zweckes beeinflussen.
Bei vielen Stiftern ergibt sich der Stiftungszweck aus dem eigenen Erleben. Ihnen stößt etwas zu, das sie plötzlich auf einen gravierenden Missstand aufmerksam macht, an den sie vorher nie gedacht hatten. So litt die Ehefrau von Stifter E an Krebs und musste weit mehr Schmerzen leiden, als nötig gewesen wären, weil Schmerztherapie für viele Ärzte ein Fremdwort war. »Das hat mich auf die Palme gebracht«, kommentiert Herr E diesen Missstand. Nach dem Tod seiner Frau gründete er daher eine Stiftung, die sich dem Thema menschenwürdiges Altern widmet.
Auch in anderen Fällen sind es Schicksalsschläge, die das Tätigkeitsgebiet der Stiftung prägen: Der jüngste Sohn der Stifterin G war als Kleinkind lebensbedrohlich krank; viele Stunden und Tage wachte sie am Krankenbett ihres Kindes und erlebte so, wie viel Leid sie und andere betroffene Familien auszuhalten hatten. »Ich habe das alles durchgemacht und durchgestanden, und dann hab ich mir gedacht: Wenn unser Kind wieder gesund ist, dann mach ich irgendwas für Kinder.« Ihr Sohn wurde wieder gesund, aber Frau G wusste jetzt, wie es sich anfühlt, Mutter eines kranken Kindes zu sein. Sensibilisiert für das Thema, rief sie eine Stiftung ins Leben, die Familien unterstützt, die durch Krankheit in Notlagen geraten.