Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Meine

Das ist Heimat, meine Heimat.

Daneben

Vom Gefühl »Bozen« ganz zu schweigen: Es bedeutet Urbanität, es bedeutet Lust am Leben und an verbotenen Früchten, es bedeutet Weltläufigkeit, die italienisch spricht.

Es ist nichts Großes, was der kleine Konrad in seiner Heimat alles erlebt hat, aber es war schön, nein, wunderschön. Die Sonne schien wärmer als heute, die Großen waren größer, als sie es heute sind, und Bruneck und Bozen waren riesig.

Von dem Erlebten zu erzählen, war nicht leicht, weil es so viele Verführungen gibt, ich bin, wie Walter Kempowski das einmal beschrieben hat, in alle Fallen getapst. Ich habe mich oft gefühlt wie in dem Kinderreim, den ich an der Wand stehend aufgesagt habe, wenn ich ein bisschen unartig war:

I bin a kloans Pinggile,

Und stell mi ins Winkile,

Und weil i nicht kann,

Fang i nicht an.

Ich hab mich verloren in Recherchen nach der verlorenen Zeit, habe mit meinen Brüdern telefoniert, um Daten korrekt einordnen zu können, und habe dabei gemerkt, dass historische Genauigkeit hier nicht wirklich so wichtig ist.

Natürlich

 

Es hat mich verändert, dieses Buch über meine Kindheit, es hat mir meine Wurzeln wiedergegeben und es hat fast dazu geführt, dass ich keine Lust mehr habe, hier im Rheinland zu leben, dass ich zurückwill nach Südtirol. Bis ich gemerkt habe, dass ich gar nicht an die Orte zurückwill, sondern in diese geborgene Zeit, ja Gott, so geht es allen, sagt Walter Kempowski, die autobiografisch arbeiten, also habe ich einen Schnitt gemacht, obwohl es noch viel zu erzählen gäbe.

So wünsche ich Ihnen, dass Sie Ihre eigene Kindheit sehen, wenn ich Ihnen meine erzähle!

»Und

Sie hieß Loise, ausgesprochen »Loißä«, war ohne Alter und die unerbittlichste Kellnerin der Welt. Sie war Feldwebel im Frontdienst und das Hotel und Gasthaus »Zur Post« in Bruneck ihr Kriegsschauplatz. Unerschütterlich war ihre Loyalität zu dem Mann, der für sie oberster Kriegsherr und unnahbarer Halbgott war: dem Herrn von G., Inhaber des Imperiums »Zur Post«. Seine Interessen zu wahren und seinen Besitz zu mehren, waren ihr Aufgabe und Lebensziel. Dementsprechend war jeder Gast ihr Gegner, den es zu überwältigen galt. Wenn er hier, an der Front, schon die Sitze blanksitzen, Servietten, Besteck und Geschirr beschmutzen und dem Herrgott die Zeit stehlen wollte, und ihre dazu, dann sollte er auch dafür bezahlen.

Loise wusste, dass Menschen nichts selbstverständlicher ist als das Schöne und wie ungern sie dafür Geld ausgeben. Also versuchte sie es erst gar nicht mit Freundlichkeit. Ihr Gang war gespornt, ihr Blick ein Verhör und ihre Sprache von militärischer Präzision.

Niemals wären ihr Sätze wie »Bitte schön, was darf’s denn sein?« über die Lippen gekommen. Kaum saß der Gast am Tisch, stand sie schon neben ihm und donnerte ihm ein fragendes »Ja?« entgegen.

Wehe dem, der jetzt nur ein karges »Einen Kaffee, bitte« über die Lippen brachte.

Loise

Kaum einer, der dem Druck nicht nachgegeben hätte. Zumal Loise dieses »Und dazu?« dem Gast mit einer Lautstärke an den Kopf donnerte, die alle in der Gaststube aufhorchen ließ. Aha, da war also wieder einer, der unserer Loise das Leben schwermachen wollte. Man drehte sich nach dem Provokateur um. So schauen Kriegsgefangene einen an, wenn sie einem bedeuten wollen, dass es eh keinen Zweck hat, die Wachen zu provozieren, da die am längeren Hebel sitzen.

»Ja, äh, vielleicht …«, begann der Gast.

»Ja?«, konterte Loise und drohte:

»Ein Glas Wein? Vom Guten oder vom Offenen?«

»Ja, äh …«

»Ein Kaffee und ein Glasl vom Guten«, bestätigte triumphierend Loise, blickte in die Runde, um dann die Kartätsche zu feuern, auf die nun alle warteten: »Und nacha?«

Was so viel heißt wie: »Und nachher?« oder »und danach?«

Dieses »Und nacha?« war dank Loises lebenslanger Feldwebeltätigkeit im ganzen Pustertal sprichwörtliche Redensart geworden. Jeder kannte, jeder fürchtete ihr »Und nacha?«. Jeder wusste: Loise wankt nicht, Loise hält durch und geht erst, wenn diese Frage eine zufriedenstellende Antwort gefunden hat.

»Ja, äh …«

»A bissl Aufschnitt?«, half Loise.

»Hm,

»Kaffee, ein Glasl vom Guten und Aufschnitt«, donnerte Loise Richtung Theke und ließ vom Gast ab, nicht ohne den übrigen Anwesenden zu bedeuten: Wage es einer, mir zu widersprechen, gnadenlos gebe ich ihn der Lächerlichkeit preis.

 

Ich war drei Jahre alt, als ich Loise kennenlernte. Ich wohnte damals mit meinen Eltern und beiden Brüdern ein paar Hundert Meter von der »Post« entfernt, im Stegener Weg. Bruneck war in der Zeit ein behüteter Ort, in dem die Autos langsam fuhren und die Kühe Namen hatten. Und auch wir Kinder mussten nicht wie unsere Kinder heute schon mit zwei Jahren Name, Adresse und Telefonnummer auswendig lernen, um notfalls von der Polizei nach Hause gebracht werden zu können. Wir konnten uns darauf verlassen, dass jeder in Bruneck uns nach dem »Modl« erkannte: »So wie du ausschaugsch, bische bestimmt a Beikircher, gell!«

In dieser Welt konnte auch ein Dreijähriger schon einmal zur Tür hinausgehen und eine Stunde wegbleiben, ohne dass sich die Mama wirklich Sorgen zu machen brauchte oder gar in Panik verfallen musste.

Eines Vormittags machte ich also einen kleinen Ausflug in die »Post« – aus dem Haus raus, links an der mächtigen Linde vorbei, dann hoch zum Friseur Pfendt, da rechts rum und schon war ich da. Den Weg kannte ich vor allem von meinem Papa, den ich oft dorthin begleitete, dann spendierte er mir ein Gelati und ging hinein, um einen Kaffee zu trinken, und ich trottete allein wieder nach Hause zurück.

Ich kletterte auf einen der Stühle des Gasthauses und legte beide Hände auf den Tisch. Schon war Loise bei mir, um ohne

Kurz darauf brachte sie mir die Köstlichkeiten und ließ mich, nachdem ich aufgegessen und ausgetrunken hatte, ohne Aufheben wieder gehen.

Nach dem Mittagessen kam mein Papa in die »Post«. Wie immer trank er seinen kleinen Braunen, bevor er zurück in die Kanzlei ging.

Loise nahm seine Bestellung auf. Kein »Und dazu?«, kein »Und nacha?« entsprang dem Gehege ihrer Zähne.

Man tuschelte. Man war erstaunt. Was war mit Loise los? War sie krank? Musste man sich Sorgen machen?

Mein Papa wollte zahlen.

»Ein Kaffee, ein Glas Milch und zwei Apfelstrudel«, rechnete Loise zusammen.

»Moment, Loise, es war aber nur ein Kaffee«, wandte Papa ein.

»Jetzt schon. Aber am Vormittag war der Herr Sohn da und konnte nicht bezahlen«, antwortete Loise.

»Das kann aber nicht sein, Loise. Die beiden Großen sind in der Schule und der Kleine ist erst drei.«

»Alt genug fürs Gasthaus«, konterte Loise ungerührt und hielt meinem Papa die Rechnung unter die Nase.

 

Loise lächelte nur sonntags. Das war ihr Tag. Wenn wir, Mama, Papa, meine beiden Brüder und ich, an Loises Front gingen, um dort sonntags mittags zu essen – Suppe, Risotto, Fleisch, Nachtisch und Eis –, dann belohnte sie uns mit einem Lächeln, das wir uns wie eine Auszeichnung anhefteten. Und manchmal, wenn alles gegessen und abgeräumt war, brachte sie noch eine Waffel und sagte: »Das ist für den Kleinen.«

Das war dann wie eine Ordensverleihung.

Konrad

Die Frauen spielten in meinem Leben immer eine große Rolle, nein, die zentrale Rolle, und ich sage »die« Frauen, weil ich nicht Frauen allgemein meine, sondern weil es sich bei »den« Frauen immer um bestimmte Frauen handelte: Sie hatten Namen und eine Bedeutung für mich.

Natürlich war die wichtigste Frau für den kleinen Konni die Mama und ich habe heute noch Bilder im Kopf, wie sie sich liebevoll über mich beugt, und ich weiß, dass sie mich in diesem Moment stillt. Es ist nicht wirklich ungewöhnlich, dass ich mich daran erinnern kann, denn sie hat mich sehr lange gestillt, vermutlich anderthalb bis zwei Jahre lang. Ich will hier aber nicht von meiner Mama erzählen, sie hat ihren Platz in meinem Herzen und in den Herzen meiner Brüder und da allein – und keinesfalls in einem Buch – hat die Liebe zu ihr einen Ort.

Ich will von den anderen Frauen erzählen: Schon sehr früh in meinem Leben habe ich mir ein Frauenimperium aufgebaut, auf das ich noch heute mit Bewunderung zurückschaue.

 

Da waren natürlich zunächst die »Dienstmädchen« meiner Mama. Die Regina zeigte mir, dass Wedeln mit der Hand in Hüfthöhe »fame« heißt, »Hunger«. Sie sagte: »Ho bersu la ghiave della validdsch« und dass das nabuleddanisch sei und

 

Anna Daprè, deren staubig belegte Stimme ich heute noch im Ohr habe, konnte hinreißend eindringlich Geschichten erzählen, Geschichten von ihrem Häuschen am Reischacher Weg, in dem sie mit ihrer alten Mutter alleine lebte und in dem es geistern sollte. Und sie erzählte von ihrer Angst, wenn sie nachts nach Hause ging, weil der böse Zingerle hinter jedem Baum hervorspringen konnte. Der Zingerle war in Wirklichkeit ein Sexualtäter in den Wäldern bei Innsbruck in Österreich gewesen – für uns Kinder in Bruneck war er der Klabautermann oder ein SS-ler, der mit weiteren sieben oder acht brutalen SS-lern in den Wäldern um die Ecke bei Amaten hauste. Kein Kind sei vor ihm sicher, erzählten wir uns, weil er sich dauernd verstecken müsse und deshalb nix einkaufen könne und deshalb so einen Hunger habe, dass er sogar Kinder fresse. Erwachsene Frauen mit kindlichem Gemüt wie die so liebenswerte Anna hatten eben auch diese kindlich überhöhte Angst vor ihm.

Anna erzählte, die Bäume würden ihr zuraunen, sie solle keine Angst haben, so einen wie den Zingerle würden sie nicht verstecken, niemals, und wenn sie endlich im Häuschen ankam, bekreuzigte sie sich immer, so erleichtert war sie jedes Mal, dass es alles »no amol guit gang isch«. Durch Anna weiß ich, dass die Natur Stimmen hat, beseelt ist und nicht immer ein Freund.

 

Und

Manchmal nahm sie mich mit zu sich nach Hause. Dann fuhr ich mit meinen sechs oder sieben Jahren auf meinem kleinen Rädchen hinter ihr her: von Bruneck über Stegen nach Sankt Lorenzen, an der Rienz entlang, dann kam das Knie-Pass-Eck, weil da eine Kurve war, die wie ein Knie aussah, und Kiens und St. Sigmund und schließlich die Vintl und dann der Bauernhof, der ihr Zuhause war. Und das »Herrenkind« mit seinen besseren Hosen und dem feineren Pullover, eben eines von den hearischen Kindern, Kind von den feineren Leuten, wurde in die Stube geführt und dort wartete schon der kleine Bruder von der Rosl mit dem »Bär«. Der »Bär« war eine Art Holzkreisel, der aussah wie ein Pilz. Man musste ihn mit einer kleinen Peitsche in Schwung bringen und immer weiter anpeitschen, dann drehte er sich. Ich seh den kleinen Bruder von der Rosl noch vor mir, wie er das Stadtkind auslacht, weil ich es nicht hinbekomme, mit der Peitsche den Pilz so zu treffen, dass er einen weiteren Drehimpuls bekommt – so hätte wohl mein Papa gesagt. Erst nach vielen vergeblichen Versuchen bekam ich den Dreh raus. Es war ein spannendes Spiel,

 

Zu den wichtigsten Frauen in meinem Kinderleben gehörte die Burgl. Die Burgl arbeitete bei Tante Martha, der Schwester meiner Mama, und Onkel Franz. Die beiden hatten fünf Kinder und standen den ganzen Tag im Geschäft, einer Bäckerei und einem Getränkegroßhandel. Damit in der Harpf-Villa mittags wie überall in Südtirol um halb eins warm gegessen werden konnte, hatten sie, so begütert wie sie waren, eine Köchin. Manchmal durfte ich bei Onkel Franz und Tante Ma mittagessen, das war dann immer ein großes Ereignis, denn in der Harpf-Villa aß man mehrere Gänge wie im Restaurant – was Wunder, sie hatten ja die Burgl.

Die Burgl war eine einfache Frau mit einer hohen, sehr gequetschten Stimme. Sie hörte sich genauso an wie Schwester Metrodora im Spital. Deren Stimme kannte ich so gut, weil ich mit Mama oft sonntags ins Spital ging, um zu den Klängen des getretenen Harmoniums, der Psalmenpumpe, wie die Musiker gerne sagen, im Spitalchor zu singen. Es gab dann oft gesungene Messen, Schubert, die Deutsche Messe, rauf und runter, und da gab Schwester Metrodora eben den Ton an. Die Spitalskapelle war sehr klein, für den Chor war kein Platz, weshalb wir im Flur um das Harmonium herumstanden und auf die Einsätze von Schwester Metrodora warteten. Die beobachtete von der Tür zur Kapelle aus die Heilige Messe und wenn die Stelle kam, an der wir zu singen hatten, griff sie unter die Halskrause ihrer Nonnenhaube, holte ein Fieberthermometer heraus

Ich hatte eine feste Route, um die Burgl zu besuchen: Ich fuhr mit meinem Dreirad den Stegener Weg hoch auf den Graben und bog zunächst nach rechts auf den Gilmplatz vor dem Hotel »Zur Post«. Dort wohnten Onkel Hans und Tante Toni, meine Taufpaten. Onkel Hans war Brunecker, seine Frau, Tante Toni, kam aus Hamburg. Tante Toni sprach Hochdeutsch, wir Kinder hielten sie deshalb für arrogant. Wenn sie uns besuchte, gingen meine beiden Brüder und ich manchmal an ihren Mantel, der in der Garderobe hing, holten das kleine Taschentuch aus der Manteltasche und schnäuzten solidarisch alle drei hinein – um ihr zu zeigen, was wir von ihrer hochdeutschen hochnäsigen Art hielten. In Wirklichkeit war sie aber alles andere als arrogant, sondern eine liebenswürdige Frau, die obendrein mein Herz erobert hatte, weil sie die Einzige war, von der ich zum Geburtstag ein Geschenk erhielt. Mein Geburtstag ist der 22. Dezember, das hieß in meiner Familie: »Übermorgen is eh Weihnachten, da braucht’s jetzt nix Großes mehr extra.« Tante Toni kam immer am 22. Dezember bei uns vorbei, um mir im Namen ihres Mannes, meines Taufpaten, ein Geburtstagsgeschenk zu bringen. Es war selbstverständlich von ihr, sie hatte Mitleid mit mir. Daran dachte ich bei meinen kleinen Spazierfahrten vormittags und hielt deshalb erst mal am Gilmplatz, klingelte bei Tante Toni, ging in die Wohnung, setzte mich in die Küche und sagte zu ihr: »Minki willa.« Milch will er. Natürlich bereitete Tante Toni daraufhin sofort eine Milch mit Honig, lauwarm, und servierte sie mir.

Dann fuhr ich weiter den Graben runter zur Villa Harpf, zu meiner Burgl. Ich stellte mein Dreirad unten an der Terrassenmauer ab, ging ins Hochparterre und klingelte. Burgl

»Na Konnele, geah schian, dasse do bisch, gell, kimm lei einer, willsch eppas essn – geh Konni, geh, schön, dass du da bist, gell, komm nur herein, willst du was essen?«, war ihre Frage, die völlig überflüssig war, denn genau deshalb war ich ja gekommen. Burgl war eine begnadete Köchin und das konnte ich damals schon beurteilen. Sie kochte den ganzen Tag und wenn sie nicht kochte, bereitete sie etwas für den nächsten Tag vor oder machte Marmelade oder Pasteten für den Winter oder weckte ein.

Burgl wischte sich die Hand an der Schürze ab, die sie immer anhatte, bevor sie sie mir gab und mir dann über den Kopf streichelte.

»So isch recht«, sagte sie, schlurfte vor mir her durch die weiträumige Diele, die gleichzeitig Esszimmer war, und bog nach rechts in die Küche. Dort brodelte, kochte, blubberte und zischte es, dass es eine Freude war. Auf dem riesigen Zubereitungstisch lagen Dutzende von Knödeln, sie rochen nach Speck und Petersilie, dass es mir ganz anders wurde, daneben der Schweinsbraten, den sie aus der Röhre genommen hatte, weil er mit Bier zu bepinseln war, bevor er erneut in den Ofen geschoben wurde. Er roch nach Kümmel, Fett und Schwarte und das ließ die warme Milch mit Honig von Tante Toni augenblicklich zum Aperitif werden. Neben dem Braten stand der frische Kartoffelteig für die Marillenknödel, die Burgl zum Nachtisch gedacht hatte. Marillenknödel! Eine Arbeit, die man sich höchstens einmal im Monat am Sonntag machte, zumindest war das bei uns zu Hause so. Es sei denn, man wäre Profikoch und Burgl war Profi. Wo sollte das Paradies sein, wenn nicht hier bei der Burgl? Hier durfte ich mich an den Tisch setzen

Meine Liebe zur Küche, zum Kochen und vor allem meine Vorliebe, in der Küche zu sitzen – wo sollte es schöner sein als da, wo es dampft, blubbert, siedet, köchelt, brät, zieht und gart? –, verdanke ich meiner Mama, bei der ich später kochen lernte, und der Burgl, die mir beigebracht hat, wie es zu riechen und zu schmecken hat, wenn es etwas werden soll. Die Burgl hat mir darüber hinaus gezeigt, wie einer im Kochen aufgehen kann. Sie war ganz allein in der Küche in der Harpf-Villa, aber sie stand da, als befehligte sie einer ganzen Heerschar, und auch, als gäbe es nichts auf der ganzen Welt, was sie glücklicher machte, als dort zu stehen. Wie sich ihre Gesichtszüge entspannten, wenn sie mit geschlossenen Augen etwas von der Soße auf dem Kochlöffel probierte und es für gut befand, ist für mich heute noch das Urbild von Genuss, das Bild des vollkommen Einsseins mit sich und der Welt in einem Löffelchen.

 

Von Ludwig van Beethoven sagten die Zeitgenossen, dass er ein begnadeter Lacher gewesen sei. Er hätte sich, sagten sie,

Das Tollste an Tante Mia war aber ihr Lachen. Sie lachte nicht wie andere Menschen, so einfach hintereinander weg »hahaha«. Sie lachte mit ihrem ganzen Körper. Sie holte Luft, dann schaute sie mit unglaublich vergnügten Augen in die Runde, hielt die Luft an, zog die Stirn kraus und dann fing sie an zu lachen und das ging so: Zunächst löste sich aus der Tiefe von Bauch und Zwerchfell ein kurzes Lachen, ein breites und zugleich spitzes, kurz nach Anklingen abbrechendes »À«, das aber, im Abbrechen begriffen, nicht etwa zu Boden fiel oder in sich zusammensackte, sondern das die Spannung hielt, ganz oben hielt und damit neugierig machte auf das, was jetzt folgen sollte. Dieses erste »À« stand also in der Luft, bestimmt fünf oder sechs Sekunden lang, dann kam – aber ohne dass Tante Mia Luft geholt hätte! – das zweite »À«, auch dieses brach ab, stand aber dennoch in der Luft, ebenfalls fünf oder sechs Sekunden lang, um vom dritten »À« abgelöst zu werden, das wieder denselben Verlauf nahm. Der Unterschied zwischen den »Às« war, dass die Tonhöhe, zunächst unmerklich,