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Michael Höveler-Müller

AM ANFANG WAR ÄGYPTEN

Die Geschichte der pharaonischen Hochkultur
von der Frühzeit
bis zum Ende des Neuen Reiches

 

 

 

 

 

 

 

 

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Impressum

 

 

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INHALT

VORWORT ZUR 2. AUFLAGE

GRUNDLAGEN

AM ANFANG

  I. FRÜHZEIT UND FRÜHDYNASTISCHE ZEIT (CA. 6000–2707 V. CHR.)

DER LANGE WEG ZUR EINHEIT – DIE PRÄDYNASTISCHE ZEIT

DAS ZUSAMMENWACHSEN DER BEIDEN LÄNDER – DIE THINITENZEIT

 II. DAS ALTE REICH (3.–8. DYNASTIE, CA. 2707–2202 V.CHR.) UND DIE SOG. ERSTE ZWISCHENZEIT (9.–11. DYNASTIE, CA. 2202–2014 V.CHR.)

DIE DYNASTIE DER GOTTKÖNIGE – DIE 3. DYNASTIE

AUFBRUCH ZU DEN STERNEN – ÄGYPTENS ZEIT DER PYRAMIDEN – DIE 4. DYNASTIE

DIE DYNASTIE DER SONNENKÖNIGE – DIE 5. DYNASTIE

DIE DYNASTIE DES NIEDERGANGES – DIE 6. DYNASTIE

ENDE UND NEUBEGINN – DIE SOG. ERSTE ZWISCHENZEIT

III. DAS MITTLERE REICH (11.–12. DYNASTIE, CA. 1976–1794 V.CHR.) UND DIE SOG. ZWEITE ZWISCHENZEIT (13.–17. DYNASTIE, CA. 1794–1550 V.CHR.)

ÄGYPTENS ZWEITE REICHSEINIGUNG – DIE THEBANISCHE 11. DYNASTIE ALS NEUE REICHSDYNASTIE

EXPANSION UND PROPAGANDALITERATUR – DIE 12. DYNASTIE

DIE HERRSCHAFT VON USURPATOREN UND FREMDLÄNDISCHEN – DIE SOG. ZWEITE ZWISCHENZEIT

 IV. DAS NEUE REICH (18.–20. DYNASTIE, CA. 1550–1093 V.CHR.)

DIE DYNASTIE DES AUFSTIEGS – DIE 18. DYNASTIE

ÄGYPTENS NEUANFANG – DIE 19. DYNASTIE

DAS LETZTE AUFLEUCHTEN ÄGYPTISCHER MACHT – DIE 20. DYNASTIE

EPOCHEN UND KÖNIGE VON DER 1. BIS ZUR 20. DYNASTIE

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ALLGEMEINE ABKÜRZUNGEN

ANMERKUNGEN

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSNACHWEIS

VORWORT ZUR 2. AUFLAGE

»Die Gegenwart ist wie eine Koralleninsel, die über das Wasser hinausragt, aber aufgebaut ist aus Millionen toter Korallen unter der Oberfläche, die niemand sieht. Genauso ist unsere alltägliche Welt aufgebaut aus Abermillionen von Ereignissen und Entscheidungen der Vergangenheit. Was wir in der Gegenwart hinzufügen, ist trivial.« (Michael Crichton, Timeline, München 2002, 459.)

Das Fundament unserer mitteleuropäischen Koralleninsel wurde in entscheidenden Teilen bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten gelegt, ohne dass es uns heute bewusst wäre. Das Bewusstsein dafür soll der Buchtitel wecken, der mit »Am Anfang war Ägypten« keinesfalls die Tatsache leugnen will, dass es bereits vor der ägyptischen Zivilisation menschliche Kulturen an anderen Orten gegeben hat, allerdings ist deren Einfluss auf unsere heutige Gesellschaft vergleichsweise gering. Ägypten hingegen ist die ursprüngliche Wiege unserer abendländischen Kultur, die über Griechen, Römer und das Judentum zu uns gelangte, aber dessen wir uns nicht immer bewusst sind. Vielleicht liegt in der Kombination dieser Vertrautheit mit dem Exotisch-Fremden, das die pharaonische Kultur auf uns ausstrahlt, die Antwort darauf, weshalb Ägypten eine derartige Faszination auf uns ausübt. So betrachtet mag der an die ersten Worte des Alten Testaments angelehnte Titel als Verdeutlichung unserer Wurzeln verstanden werden. Ägypten war das Land, in dem die Idee eines zentralisiert organisierten Königtums zuerst geboren, die Grundlage für Verwaltung und Bürokratie geschaffen und in dem mit Werkstoffen experimentiert wurde, deren Verwendung für uns alltäglich geworden ist: Eine Vorstufe des Papiers, ja sogar das Wort »Papier« selbst, geht auf Ägypten zurück – in pa-per-aa (das, was dem König gehört), der ägyptischen Bezeichnung für Papyrus, ist beispielsweise unschwer der Ursprung des griechischen papyros zu erkennen, aus dem sich das deutsche »Papier« und das englische paper entwickelten. Gyros ist kein so typisch griechisches Gericht, wie allgemein angenommen wird, denn ihm liegt eine ältere ägyptische Speise ähnlichen Namens, geresch, zugrunde. In dem Wettrennen um die Frage, in welcher Kultur die Schrift zuerst entwickelt wurde, hat Ägypten m. E. momentan ebenfalls die Nase vorne. Außerdem gehen die weiblichen Vornamen Susanne und Marianne unmittelbar auf ägyptische Vorbilder zurück: Sescheschen (Lotusblume) und Meri-Amun (Liebling des [Gottes] Amun). Die Reihe ließe sich noch beliebig lang fortsetzen.

»Am Anfang war Ägypten« ist als Einstiegswerk in die ägyptische Geschichte gedacht und richtet sich ausschließlich an eine interessierte Öffentlichkeit und an Studierende der Ägyptologie und verwandter Fächer in den ersten Semestern. Der Anmerkungsapparat ist aus diesem Grund übersichtlich gehalten und in der Literaturauswahl finden sich sowohl Werke, die unproblematisch über den Buchhandel zu erwerben sind, als auch wichtige Fachpublikationen, die in erster Linie für Studentinnen und Studenten gedacht sind. Das vorliegende Buch soll einen Überblick verschaffen und kann deshalb nicht alle Aspekte mit der gleichen Tiefe behandeln – was sich bei einem abzudeckenden Zeitraum von mehr als 3000 Jahren und einem vom Verlag vorgegebenen Rahmen an zulässigen Zeichenzahlen verständlicherweise ausschließt. Ich glaube – und die guten Kritiken zur 1. Auflage geben mir recht – dass es dieser Band schafft, Neugierde auf diese Kultur zu wecken und den Funken der Faszination für das pharaonische Zeitalter überspringen zu lassen.

Mir ging es darum, zu thematisieren, was mich persönlich seit Jahrzehnten an der ägyptischen Kultur begeistert:

das ausgeprägte Traditionsbewusstsein über Jahrtausende hinweg und die strikte Ablehnung radikaler Veränderungen, die man verhindern konnte;

die aus heutiger Sicht höchst positivistische Einstellung zum Leben, die Tatsache, dass schlechte, negative Erfahrungen, Umstände oder Tatsachen einfach nicht thematisiert wurden;

das lebensbejahende Wesen der Ägypter: Das älteste carpe diem stammt aus dem Land der Pharaonen: »[E]s tut dir gut, deinem Herzen zu folgen, solange du lebst. Lege Myrrhen auf dein Haupt, kleide dich in feinstes Leinen, salbe dich mit echtem Öl vom Gottesbesitz. Vermehre dein Wohlbefinden und lass deinen Willen nicht müde werden! Folge deinem Herzen in Gemeinschaft mit deiner Liebsten, verrichte dein Werk auf Erden und kränke dein Herz nicht, bis jener Tag der Totenklage zu dir kommt. (…) Nochmals: Feiere den schönen Tag und werde dessen nicht müde! Bedenke: Niemandem ist es gegeben, seine Habe mit sich zu nehmen. Bedenke: Niemand, der fortgegangen ist, kehrt wieder!« (aus dem Antef-Lied, um 1340 v. Chr., Übersetzung nach E. Hornung, Altägyptische Dichtung, 153). Der Umstand, dass der Großteil der uns heute zur Verfügung stehenden materiellen Hinterlassenschaften aus Gräbern stammt, von denen viele mit großem Aufwand gestaltet worden sind, darf nicht zu der Annahme verleiten, die Ägypter hätten nur für den Tod und die jenseitige Welt gelebt. Das ist keinesfalls richtig.

Ein wesentlicher Ansatz von »Am Anfang war Ägypten« war, dass hier nicht nur die seit Forschergenerationen wiederholten Ansichten abermals wiedergegeben werden sollten, sondern dass hier auch in verständlicher Form neuen Forschungsergebnissen und Ideen Raum gegeben werden sollte. Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit mussten m.E. ganz wesentliche Eigenschaften des Endprodukts sein, die in der 2. Auflage noch intensiviert werden konnten. Dazu gehört natürlich auch eine gewisse Eindeutigkeit in Formulierung und Darstellung, die in der Ägyptologie nicht unbedingt immer gegeben ist. In vielen Bereichen haben sich »fast so viele Theorien wie Forscher« (vgl. J. Malek, Rezension von M. Verner, Abusir III, in: DE 36, 1996, 125.) festgesetzt, dass es bei einem Überblick über die ägyptische Geschichte sehr verwirrend und ermüdend wäre, auf alle existierenden Annahmen einzugehen. Ich habe mir erlaubt, die mir schlüssigsten und wahrscheinlichsten hier zu vertreten, zuweilen auch eigene vorzustellen und verweise zwecks eigener Vertiefungen in einzelne Themenbereiche auf das Literaturverzeichnis.

In weiten Teilen ist die 2. Auflage ein neues Buch geworden: Es enthält neue Passagen und Kapitel und präsentiert einige neue Abbildungen. Was den Stand der beachteten Forschungsergebnisse anbelangt, wird aktualisiert: Die Länge des Neuen Reiches wird nach unten korrigiert. Grundlage sind neue Forschungen, die die Regierungszeiten von Thutmosis II. und Haremhab in der 18. Dynastie verkürzen und der Präsentation einiger neuer Abbildungen.

Danken möchte ich Herrn Dr. Jürgen Kron und Frau Constanze Holler, M.A., vom Verlag Philipp von Zabern, die diesen reload initiiert hatten, stellvertretend auch für die vielen fleißigen Helfer des Verlages, ohne die es dieses Buch nicht geben würde. Weiterhin bedanke ich mich bei den zahlreichen Rezensenten für die positive Resonanz, allen voran Dr. Orell Witthuhn (Göttingen) und Prof. Dr. Karl Jaroš (Wien), von deren konstruktiven Anregungen die neue Auflage profitiert hat. Auf der anderen Seite sei Joachim Friedrich Quack (Heidelberg) erwähnt, der »Am Anfang war Ägypten« in seine umfangreiche Anthologie der Verrisse aufgenommen hat.

Für die freundliche Erlaubnis, einige besondere Abbildungen hier verwenden zu dürfen, danke ich ganz herzlich Herrn Prof. Dr. Daniel Polz (DAI Kairo, Abb. 11), Frau Gabriele Wenzel, M.A. (München, Abb. 26), der ungenannt bleiben wollenden Eigentümerfamilie des Flakons der Hatschepsut (Abb. 37), Herrn Dr. Edgar B. Pusch (Grabung Piramesse, Qatar/Qantir/Hildesheim, Abb. 47) und Frau Dr. Vivienne Gae Callender (Sydney, Abb. 51).

Meiner lieben Frau danke ich erneut für das tapfere Korrekturlesen und die große Hilfe bei der schwierigen Aufgabe der Auswahl von Bildern, die es in die 2. Auflage schaffen sollten. Frau Alice Simonian (Hamburg) hat die gesetzte Fassung einem letzten Lektorat unterzogen, wofür ich ihr herzlich danke. Meinem kleinen Sohn sei für die Intervalle gedankt, die er seinen Vater tagsüber für die Arbeit an diesem Band abgestellt hat.

»Am Anfang war Ägypten« ist der liebevollen Erinnerung an meine Mutter, Jutta Müller, geb. Schultz (1942–1997), gewidmet.

»It is in love that we are made;
In love we dissapear.«
Leonard Cohen, Boogie Street, 2001

Mannheim, im November 2012

MICHAEL HÖVELER-MÜLLER

GRUNDLAGEN

VON DER ART ÄGYPTISCHER DARSTELLUNGEN

Das Wichtigste, was man über ägyptische Kunst wissen muss, ist, dass sie nicht existiert. Die Ägypter schaffen niemals Kunst in unserem Sinne und auch nicht l’art pour l’art – Kunst um der Kunst Willen, wenn man einmal von den herrlichen Wand- und Bodenbemalungen des Palastes von Malqatta für Amenophis III. absieht, die sicherlich auch dem Erfreuen des Königs dienen sollten. Alles, was die alten Ägypter abbilden, hat eine tiefere Bedeutung und ist das Dargestellte selbst. Hieroglyphen, die gefährliche Tiere zeigen, wie etwa Schlangen, können für den König in seinem Grab gefährlich werden. Als man etwa 2370 v. Chr. damit beginnt, Wände in den Pyramiden mit Texten zu versehen, werden sie durch kleine Messer unschädlich gemacht, die in ihren Körpern stecken, oder bereits zertrennt abgebildet.

Figuren von Menschen sind stets die Abgebildeten persönlich. Relativ selten treffen wir in ägyptischen Darstellungen auf portraithafte Züge (Abb. 31) und niemals auf ausgesprochen hässliche Personen (die Exemplare, bei denen das Werk aufgrund des Unvermögens des Künstlers so wirkt, sind nicht beabsichtigt und hier nicht gemeint). Wir kennen aus Ägypten nur schöne Figuren von äußerst ästhetischen Menschen, denn wenn sie sich so abbilden lassen, dann sind sie gutaussehend – ganz gleich, wie es auch die Zeitgenossen empfunden haben mögen. Diese Vorstellung soll uns im Zeitalter der digitalen Fotografie nicht zu sehr fremd erscheinen, in der inzwischen eine Fülle von Software zur Verfügung steht, um körperliche Makel zu kaschieren, das Schöne zu betonen und das weniger Schöne verschwinden zu lassen. Als altägyptisches Beispiel mag der Beamte Amenophis, Sohn des Hapu, dienen (Abb. 41). Er erlebt unter König Amenophis III., etwa um 1350 v. Chr., eine bemerkenswerte Karriere und wird zu einem der wichtigsten Beamten des Landes. Seine Statue zeigt einen attraktiven Mann, der sich, im Schneidersitz hockend, schreibend über eine Papyrusrolle beugt. Die Tätigkeit weist nicht darauf hin, dass es sich bei dem Dargestellten um einen einfachen Schreiber handelt, sondern sie will aussagen, dass Amenophis ein Intellektueller gewesen ist. Ebenso sind die Fettröllchen eine weitere Erklärung des sozialen Status des Mannes. Unabhängig davon, ob er tatsächlich korpulent gewesen ist, geben diese Rollen eine weitere Auskunft über den Abgebildeten: Amenophis, der Sohn des Hapu, ist wohlhabend und braucht sich nicht mit körperlicher Arbeit zu plagen. Er kann es sich leisten, über das Nötige hinaus zu essen und Fett anzusetzen. Dass ein dickleibiger Mensch allerdings nicht zum Schönheitsideal der Ägypter gehört, wird ebenfalls durch diese Statue deutlich: Fast schon dezent sind die Röllchen angedeutet und beschränken sich ausschließlich auf den Bereich unterhalb der Brust. Sein restlicher Körper ist schlank.

Eine weitere Auffälligkeit ist, dass die Menschen fast alle im besten Alter gezeigt werden, nur wenige sind alt oder gebrechlich dargestellt worden. Selbst wenn eine Mutter mit ihrem erwachsenen Sohn abgebildet ist, wird erst aus der Inschrift ersichtlich, dass sie nicht seine Frau ist. Inschriften sind ein wesentlicher Bestandteil der ägyptischen Kunst, denn nur dadurch, dass der Name eines Menschen einer Figur beigeschrieben wird, verschmelzen beide miteinander.

Das Niedergeschriebene wird dadurch zur Wirklichkeit, es wird lebendig. Wenn man beispielsweise einer Statue einen Namen einmeißelt, bildet diese Figur eine Wesenseinheit mit dem oder der Abgebildeten und ist fortan mit ihm oder ihr identisch. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass alles, was nicht existieren soll, auch nicht textlich oder bildlich in Erscheinung treten darf, weil es dadurch für alle Zeit gegenwärtig ist.

Der Gott Osiris z.B. wird von seinem Bruder ermordet, doch diese Tatsache wird in altägyptischer Zeit so gut wie niemals schriftlich festgehalten. Erst unter den Griechen, die Ägypten in der Antike bereisten haben und die Skrupel der Ägypter nicht teilen, erfahren wir unumwunden von diesem skandalösen Göttermord.

Die »Verurteilung der Erinnerung« (damnatio memoriae)

Was die Ägypter darstellen, ist für sie Wirklichkeit und wird durch die Darstellung Realität. Gleiches gilt für Namen: Durch die Niederschrift oder das Aussprechen eines Namens wird der Träger gegenwärtig. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wenn der Name oder die Darstellung einer Person zerstört wird, dieser niemals existiert hat. Entspricht ein Mensch nicht der Weltordnung (Maat) der Ägypter, werden Darstellungen von ihm spätestens nach seinem Tod beseitigt und sein Name, wo man ihn findet, vernichtet. Dadurch stirbt dieser Mensch den ewigen Tod, denn wenn die Erinnerung an ihn im Diesseits erlischt, gibt es für ihn kein Weiterleben im Jenseits. Diese damnatio memoriae ist bei Privatpersonen gut belegt und ist zuweilen sogar bei Königen zu erkennen. Bestimmte Herrscher haben aus altägyptischer Sicht derart Frevelhaftes getan, dass die Erinnerung an sie nicht weiterleben darf, weshalb man ihre Bildwerke und ihre Namen vernichtet (Abb. 40). Interessanterweise sind es zum großen Teil die nach ihrem Tod verfolgten und zunächst vergessenen Pharaonen, die heute die größte allgemeine Bekanntheit genießen: Hatschepsut, Echnaton und Tut-anch-Amun, um nur einige zu nennen. Diese Namen entgehen den späteren Chronisten, die sich an die aus dem pharaonischen Zeitalter überlieferten Königslisten gehalten haben, und werden erst im Zuge archäologischer Untersuchungen der Neuzeit wiederentdeckt.

MANETHO VON SEBENNYTOS

Der wichtigste Geschichtsschreiber ist Manetho von Sebennytos. Er ist Priester in Heliopolis unter Ptolemäios II. (285–246 v. Chr.) und verfasst für den makedonischen König die Geschichte des Landes, über das dieser regiert – die ursprünglich dreibändige Aegyptiaca. In ihr behandelt er in griechischer Sprache die Zeit von der Herrschaft der Götter und Geister bis hin zur zweiten persischen Eroberung (341–332 v. Chr.) und leistet dabei Grundlegendes. Er stellt Herrschergruppen zusammen, die er mit Angaben der Heimat- bzw. Residenzstädte sowie mit volkstümlichen Glossen, angeblich aus den betreffenden Zeiten, anreichert.

Die Originalmanuskripte des Manetho sind leider nicht erhalten geblieben, sondern nur die Abschriften einiger seiner späten Kopisten, von denen Flavius Josephus (37/38 – nach 100 n. Chr.), Sextus Iulius Africanus (160/70 – nach 240 n. Chr.) und Eusebius von Caesarea (260/64–339/49 n. Chr.) am bedeutendsten sind. Manche Fehler schleichen sich durch Textverderbtheit, Unwissenheit und Missverständnisse ein, andere Veränderungen sind bewusst vorgenommen worden, Vereinfachungen und Kurzfassungen entstehen, und das Ur-Werk wird mehrmals überarbeitet und auch über das Original hinweg fortgesetzt. So kommt es erst im Nachhinein zu einer Unterteilung der Könige in 31 Dynastien, die Manetho selbst nicht vorgenommen hat.

Bereits die alten Ägypter scheinen drei große Epochen im Verlauf ihrer Geschichte unterschieden zu haben, denn deutlich zeichnen sich drei Namen als »Gründerväter« neuer Zeitalter ab: Meni oder Menes, der das Alte Reich (ca. 2707–2202 v. Chr.) vorbereitet, König Mentu-hotep II., der Ägypten nach einer Zeit des Chaos’ und des Zusammenbruches neu vereint und das Mittlere Reich (ca. 2057–1795 v. Chr.) gründet, und schließlich König Ahmose, dem es nach einem neuerlichen politischen Zerfall gelingt, den Grundstein für eine nächste große Glanzzeit, das Neue Reich (ca. 1550–1093 v. Chr.), zu legen.

Als Priester stehen Manetho die Archive der Tempel zur Verfügung und er nutzt eindeutig mehrere Quellen aus pharaonischer Zeit, um seine Geschichte zu schreiben. Wenige dieser Königslisten haben sich bis in unsere Tage hinein erhalten. Die wichtigsten seien hier kurz vorgestellt:

DER ANNALENSTEIN VON PALERMO

Die älteste erhaltene Chronik Ägyptens stammt aus der Zeit der 5. Dynastie. Wahrscheinlich schon unter König Nefer-ir-ka-Ra (um 2480 v. Chr.) oder Niuser-Ra (etwa 2450 v. Chr.) wird eine Dioritplatte angefertigt, die auf beiden Seiten mit Inschriften versehen ist (heute im Archäologischen Museum Antonio Salinas in Palermo). Darauf werden die Herrscher der Vergangenheit von der prädynastischen Zeit bis zur Regierung des Nefer-ir-ka-Ra mit ihren Regierungsjahren und ihren hauptsächlichen Ereignissen, einschließlich der Angabe des Nilstandes, nach dem die Steuern berechnet werden, genannt. Der Annalenstein selbst ist wahrscheinlich die Abschrift einer in einem Tempel von Memphis aufbewahrten Königsliste auf Papyrus und besteht heute aus nur noch fünf Fragmenten, von denen sich das größte in Palermo befindet. Alle Bruchstücke zusammen ergeben ungefähr ein Achtel der ursprünglichen Fläche, die auf knapp 0,78 m Höhe und ca. 1,75 m Breite rekonstruiert wird, und stammen von verschiedenen Stellen des Ur-Steins. Wie ein Papyrus ist dieser Stein doppelseitig beschrieben worden. Der unregelmäßig abgebrochene Palermostein hat heute eine Höhe von ca. 0,48 m, eine Breite von etwa 0,25 m und eine Tiefe von 6,5 cm. Im 19. Jahrhundert gelangt er nach Italien.

Der ursprüngliche Aufstellungsort dürfte Memphis gewesen sein, da hier später weitere Fragmente gefunden werden. Die außerdem geborgenen Bruchstücke Kairo 2 und Kairo 4 stammen von einer anderen, vielleicht älteren Annalentafel, die dicker und nur einseitig beschriftet ist. Als weiterer Aufstellungsort wird zuweilen das Sonnenheiligtum des Ni-user-Ra vermutet. Die Datierungsversuche des Steins weichen stark voneinander ab – sie reichen, wie beispielsweise N. Strudwick (Texts from the Pyramid Age, 65) feststellt, von der 4. Dynastie (in der die Vorderseite beschrieben worden sein soll) über die 5. Dynastie (nefer-in-Ra und Ni-user-Ra), die frühe 6. Dynastie bis in die »25. Dynastie oder später«. Aber auch wenn der Palermostein tatsächlich handwerklich erst in der Spätzeit (ca. 664–332 v. Chr.) entstanden sein soll, so stellt er dennoch zweifellos eine Kopie von ursprünglich aus dem Alten Reich stammenden Daten dar, die für die Zukunft gesichert werden sollten. Die Fragmente des Annalensteines sind also – unabhängig von ihrer Datierung – als Primärquelle für die Erforschung der Geschichte des Alten Reiches zu werten.

DER KÖNIGSPAPYRUS VON TURIN

Die ebenfalls in großen Teilen zerstörte Abschrift einer Königsliste auf Papyrus stammt aus der Zeit Ramses’ II. (ca. 1250 v. Chr.), dessen ältere Vorderseite eine Abgabenliste zeigt (Ägyptisches Museum Turin, Inv.-Nr. Cat. 1874 verso). Zeitlich setzt sie noch vor der 1. Dynastie mit der Herrschaft von Göttern und Geistern ein und endet in der 17. Dynastie, nachdem sie einen Zeitraum von rund 1600 Jahren behandelt hat. Nicht nur die Namen der Könige werden hier aufgeführt, sondern auch deren Regierungslängen mit teilweise sogar der Angabe von Monaten und Tagen. Die Reste des einst 1,8 m langen Papyrus befinden sich heute in Turin.

DIE AHNENTAFELN VON KARNAK, ABYDOS UND SAQQARA

Mit Ahnentafeln versuchen die Pharaonen des Neuen Reiches, würdige Vorgänger im Königsamt durch deren Erwähnung an den in Tempeln dargebrachten Opfern teilhaben zu lassen. An der letzten Position dieser Aufzählungen nennen sich die königlichen Auftraggeber dieser Listen stets selbst. Solche Ahnenreihen kennen wir aus Karnak, wo sich ein Fragment aus der Regierung Amenophis’ I. (ca. 1525–1504 v. Chr.) sowie eine Zusammenstellung von 61 Königen unter Thutmosis III. (ca. 1450 v. Chr.) findet, von denen letztere im Louvre in Paris zu sehen ist (Inv.-Nr. E 13481). Die vollständigste dieser Tafeln ist noch heute im Tempel von Abydos, der unter Sethos I. (ca. 1310 v. Chr.) angelegt wird, angebracht. Dort lässt sich der König an einer Wand vor einer langen Liste mit Herrschern der Vergangenheit opfernd darstellen. Diese Liste umfasst 76 Könige, vom ersten Herrscher der 1. Dynastie bis hin zu Sethos selbst. Eine unwesentlich abweichende Kopie befindet sich im Nachbartempel seines Sohnes Ramses’ II. (ca. 1250 v. Chr.).

Der Vorsteher der Arbeiten an allen Monumenten des Königs, königlicher Schreiber und Priester des Ptah-Tempels in Memphis, Tjuneri, kopiert unter Ramses II. eine Ahnentafel in sein Grab in Saqqara, weil er vermutlich zu Lebzeiten mit den Opfern für diese frühen Könige betraut gewesen ist. Während sich die vermutete Originalliste im Tempel nicht erhalten hat, ist die Kopie im Priestergrab der einzige Hinweis auf ihre Existenz. Die 58 Namen sind rückläufig angebracht, d.h., man beginnt bei Ramses II. und endet nach Ablauf der 1. Dynastie. Für die früheren Herrscher dieser Dynastie findet sich kein Platz mehr an der Grabwand. Die Liste des Tjuneri weist einige Unstimmigkeiten auf und es kann überzeugend nachgewiesen werden, dass die überraschenden Angaben zum einen durch Fehler des Kopisten der originalen Königsliste im memphitischen Ptah-Tempel und zum anderen durch Unachtsamkeit desjenigen, der die kopierte Liste auf der Grabwand in Saqqara übertragen hat, entstanden sind.1 So ist z.B. Ni-user-Ra versehentlich ausgelassen und später wahrscheinlich an der Stelle eingesetzt worden, an der heute die Lücke zwischen Chephren und User-ka-ef klafft.

Diese Listen sind selbstverständlich selektiv und nennen nur ausgewählte Herrscherpersönlichkeiten, denen man die Ehre zuteilwerden lässt, an den Gottesopfern in einem Tempel partizipieren zu dürfen. Daher erscheinen selbst von den Königen, die nicht mit einer damnatio memoriae behaftet worden sind, nur ausgewählte Namen. Die Unterschiedlichkeit der einzelnen Fundorte beeinflusst auch die Auswahl der Könige, die in die verschiedenen Listen und Aufzählungen aufgenommen werden. Wir haben also nicht immer die identischen Abfolgen in den einzelnen Listen. Häufig variieren die Namen, neue treten auf, während andere fortgelassen werden.

TRADITIONEN

Die alten Ägypter sind ein äußerst traditionsbewusstes Volk, das Veränderungen –wenn überhaupt – nur sehr langsam und zögerlich annimmt. Ein Beispiel mag dies illustrieren: Die Darstellungen der Könige Narmer (um 3000 v. Chr., Abb. 6 a) und Thutmosis III. (um 1450 v. Chr., Abb. 39) zeigen beide Herrscher während der Niederschlagung von Feinden. Rund 1550 Jahre trennen die beiden Männer voneinander, und doch sind die Veränderungen in der Wiedergabe geradezu minimal und beschränken sich auf Detailbeobachtungen besonders im Spiel der Muskulatur. Die Aussage der Darstellung sowie fundamentale Richtlinien in Proportion, Bewegung und Ausdruck bleiben über den gesamten Zeitraum hinweg unverändert.

Die zeitlichen Dimensionen, die beide Reliefs voneinander trennen, entsprechen denen, die uns Heutige, am Anfang des 21. nachchristlichen Jahrhunderts Lebende, etwa von dem Jahr 470 n. Chr. trennen – und man bedenke, wie sehr sich die Art der Darstellung in demselben Zeitraum bei uns verändert hat. Dieser Vergleich mag als Sinnbild für die übrigen Bereiche des politischen, religiösen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens der Menschen im pharaonischen Ägypten dienen, in denen Veränderung und Entwicklungen nur langsam und gemächlich stattfinden. Das Leben in der Tradition stellt für die alten Ägypter eine gewisse Sicherheit dar, sie ist in gleicher Weise eine Verbindung zu Vorfahren wie zu den Nachkommen, das Bindeglied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und die Gewissheit, dass die wirklich bedeutsamen Grundlagen immer die gleichen bleiben würden. Diese Qualität der Kontinuität, das Bewusstsein für Tradition ist ein Basispfeiler der Maat, der Göttin der Weltordnung, der Wahrheit und der Gerechtigkeit, die das gute und richtige Leben verkörpert und die Menschen dorthin führt und lenkt.2 Abrupte Brüche und Umstürze passen nicht in das Weltbild und die Struktur des Lebens am Nil. Der berühmteste Versuch einer massiven Umgestaltung und religiösen Umwälzung ist von König Amenophis IV./Echnaton (um 1350 v. Chr.) unternommen worden – und dieser wird dafür mit der damnatio memoriae belegt.

DIE TITULATUR DER ÄGYPTISCHEN KÖNIGE

Die Titulatur eines ägyptischen Königs besteht seit König Nefer-ir-ka-Ra in der 5. Dynastie (um 2470 v. Chr.) aus fünf Namen, die jeweils durch einen eigenen Titel eingeleitet werden:

1. Der Horus-Name ist der älteste der Titulatur und tritt bereits unter den frühzeitlichen Königen auf. Zu erkennen ist dieser Name an einem Horusfalken, der auf einer nischengegliederten Palastfassade (serech) sitzt, in die der Name des Königs eingeschrieben wird. Der Horus-Name ist der einzige Name, der durch das serech eine gewisse Umrahmung erfährt, denn die auffälligen Namensringe (s. Abb. 44, sog. Kartuschen) sind noch nicht Bestandteil der Titulatur. Die Palastfassade fällt nur dann weg, wenn der Name in horizontaler Schriftrichtung geschrieben wird.

2. Der Herrinnen- oder Nebti-Name tritt am Ende der 1. Dynastie als zweiter Name der Titulatur unter König Qa (ca. 2850 v. Chr.) auf und wird durch die Kronengöttinnen Nechbet (Geierweibchen) und Wadjit (auch Uto genannt, Schlangenweibchen), den beiden Herrinnen, eingeleitet, deren Bild der Name ohne weitere Einrahmung folgt.

3. Unter König Snofru in der 4. Dynastie (etwa 2600 v. Chr.) werden zwei Änderungen getroffen, die die weitere Entwicklung der Titulatur beeinflussen: Ein vorher nur vereinzelt auftretender Beiname, der mit einem Halskragen, dem ägyptischen Symbol für »Gold« gebildet wird, wird nun mit einem Horusfalken versehen und als Goldfalken-Name der dritte Bestandteil der königlichen Titulatur.

4. Ebenfalls unter Snofru tritt ein weiterer Name hinzu, der durch den Titel König von Ober- und Unterägypten eingeführt wird. Er zeigt als Hauptelemente eine Binse und eine Wespe und ist der erste Name, der innerhalb eines Namensrings, der sog. Kartusche, geschrieben ist. Die häufig gebrauchten Begriffe »Eigenname« oder »Geburtsname« sowie »Thronname« werden an dieser Stelle zugunsten der originalen Bezeichnungen der Titel absichtlich nicht verwendet, da sie m. E. irreführend sind. Die Umrahmung symbolisiert einen in die Länge gezogenen Ring mit dem Lautwert schen und ist ein Schutzsymbol. Dieser augenfälligste Bestandteil der gesamten Titulatur sichert den ewigen Schutz des königlichen Namens.

5. Erst rund 120 Jahre später kommt unter König Nefer-ir-ka-Ra in der 5. Dynastie (um 2470 v. Chr.) der fünfte und letzte Name zur königlichen Titulatur hinzu, die damit ihre endgültige Form erreicht hat. Es ist der Name, der durch den Titel Sohn der Sonne oder Sohn des Ra eingeleitet wird und im Schriftbild an einer Ente und der Sonnenscheibe zu erkennen ist. Der Name ist der zweite Kartuschenname der Titulatur. Die Bezeichnung Sohn der Sonne (sa-Ra) erscheint erstmals als Beiname von König Djed-ef-Ra (um 2550 v. Chr.), dem Nachfolger des Cheops, und avanciert knapp 100 Jahre später unter Neferir-ka-Ra zum fünften und letzten Namen der pharaonischen Titulatur.

DER ÄGYPTISCHE KALENDER

In einem agrarisch geprägten Land wie Ägypten schlägt sich die Landwirtschaft auch im Kalender nieder: Es gibt drei Jahreszeiten, in denen die bestimmenden Ereignisse Überschwemmung (achet), Aussaat (peret) und Ernte (schemu) stattfinden. Jede Jahreszeit umfasst vier Monate mit jeweils 30 Tagen, ein Monat besteht aus drei Wochen zu je 10 Tagen.

Das Jahr beginnt mit dem Einsetzen der Nilflut und endet 360 Tage später. Es folgen fünf Tage, die als die Geburtstage der Götter Osiris, Isis, Horus, Seth und Nephthys begangen werden, sodass nach insgesamt 365 Tagen ein neues Jahr anfängt. Da es keinerlei Schaltung gibt, verschieben sich die Tage und wandern durch den starren Rahmen der drei Jahreszeiten. Bereits nach 20 Jahren ergibt sich eine Verschiebung um fünf Tage.

U.a. von König Haremhab ist der Tag seiner Beisetzung bekannt: Es ist der 9. Tag des 1. Monats der schemu- oder Ernte-Jahreszeit seines 14. Regierungsjahres. Eine Umrechnung auf unseren Kalender ergibt einen Tag in der zweiten Märzhälfte – eines momentan noch nicht sicher zu bestimmenden Jahres.

ZU DATIERBARKEIT UND ABSOLUTER CHRONOLOGIE

Die absolute Chronologie, die exakte Festlegung auf die Angabe eines Jahres, ist für die ägyptische Geschichte momentan noch ein Wunschtraum. Lange hat man versucht, anhand astronomischer Datierungen eine absolute Chronologie zu etablieren, wozu der Sothis-Aufgang, das ist der Frühaufgang des Sterns Sirius, der die Nilüberschwemmung und damit das ägyptische neue Jahr ankündigt, und der Mondkalender hinzugezogen worden sind. Da zwei dieser Sothis-Aufgänge in ägyptischen Quellen mit dem Regierungsjahr eines Herrschers festgehalten worden sind, glaubt man, mit deren Hilfe exakte Jahresangaben machen zu können. Der älteste Sothis-Aufgang ist auf einem der sog. Kahun-Papyri für die 12. Dynastie belegt (Ägyptisches Museum und Papyrussammlung Berlin, Inv.-Nr. Papyrus 10012 A und B) und nennt ein Datum im 7. Regierungsjahr von wahrscheinlich Sesostris III. (der Name des Königs ist zerstört). Auch für die 18. Dynastie ist ein solcher Aufgang für ein Datum im 9. Regierungsjahr von Amenophis I. auf dem mathematischen Papyrus Ebers (Universitätsbibliothek Leipzig) festgehalten. Die bislang vorgenommenen Untersuchungen, die durch diese Daten ein fixes Jahr festzumachen versuchen, haben einige Schwierigkeiten nicht genügend bedacht, die einen großen Unsicherheitsfaktor darstellen: Etwa der Beobachtungsort (Memphis im Norden oder Elephantine im Süden) oder die Sichtungsbedingungen (der Abstand zur noch nicht aufgegangenen Sonne muss groß genug sein, damit deren Streulicht nicht das Ergebnis verfälscht; ebenso können Dunst, Wolken etc. eine Unsauberkeit in der Bestimmung hervorrufen) können bei den Belegen nur angenommen, aber nicht mit Sicherheit festgelegt werden, das bedeutet, dass hier Schwankungen von mehreren Jahrzehnten auftreten können. Der Mondkalender, der für die Terminierung religiöser Feste u.a. in sog. Tempeltagebüchern geführt wird, birgt ebenfalls große Unsicherheiten und besitzt somit keine überzeugende Aussagekraft.

Naturwissenschaftliche Verfahren, wie z.B. die Radiokohlenstoffdatierung (14C-Datierung), belegen hingegen für die Zeitfenster zwischen der 1. bis zur 6. Dynastie (bisher ca. 3000–2050 v. Chr.) ein höheres Alter von »mehrere[n] Jahrhunderte[n]«3 und für die 17. und frühe 18. Dynastie (bisher ca. 1600–1400 v. Chr.) immerhin »100–150 Jahre«.4

Wir müssen also davon ausgehen, dass die Geschichte des alten Ägypten sehr viel älter ist als wir bislang vermuten. Die Ägyptologie wird nicht darum herumkommen, die ägyptische Geschichte zu korrigieren5, doch wie im alten Ägypten wehrt man sich auch in der dazugehörigen Wissenschaft beharrlich gegen allzu drastische Neuerungen – die vorliegende Arbeit bildet dabei keine Ausnahme. Noch sind m. E. die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Methoden zu wenig homogen, um die aktuelle Auflage von »Am Anfang war Ägypten« guten Gewissens mit einer neuen Datierung zu versehen, weshalb hier vorläufig noch weitestgehend konventionelle Zahlen gebraucht werden – allerdings mit dem Bewusstsein, dass es sich bei ihnen um vorläufige Werte handelt und dass der Anfang Ägyptens wohlmöglich deutlich weiter in der Vergangenheit zu finden sein muss.

AM ANFANG

… herrschte das Chaos auf der Erde, sein Name war Isfet – ein ungeordneter Urzustand weit vor jeder Schöpfung. Wasser bedeckte die Oberfläche der Welt, ein Urmeer, das Nun genannt wurde und in dem bereits alles Leben unerschaffen enthalten war.

Aus diesem Meer brachte sich der Gott Atum aus eigener Kraft und eigenem Willen hervor, indem er seinen Namen aussprach. Er schwamm an die Wasseroberfläche und an der Stelle, an der er auftauchte, entstand das erste Stück Land, der mythische Urhügel.

Atum erschuf seinen Sohn, den Luftgott Schu, indem er ausspuckte und seine Tochter, die Göttin der Feuchtigkeit Tefnut, indem er sich übergab. Eines Tages verschwanden Schu und Tefnut und Atum weinte aus Sorge um sie. Aus seinen Tränen entstanden die Menschen. Er sandte eines seiner Augen aus, um die beiden zu suchen. Während das Auge den Aufenthaltsort der Götterkinder ausfindig machte, formte Atum ein neues Auge für sich, das er an die Stelle des alten setzte. Als das ausgeschickte Sinnesorgan mit den vermissten Kindern zurückkehrte und merkte, dass sein Platz neu vergeben worden war, wurde es sehr zornig, sodass Atum es sich an seine Stirn setzte, von wo aus es die ganze Welt überblicken konnte, die Atum nun gestalten wollte: Das Urgewässer zog sich in die Erde zurück und hinterließ als Erinnerung an seine Gegenwart den Nil.

Schu und Tefnut zeugten den Erdgott Geb und die Himmelsgöttin Nut. Aber Schu, der Gott der Luft, war ein eifersüchtiger Vater, der nicht zulassen wollte, dass sich Himmel (Nut) und Erde (Geb) vereinigten und stellte sich deshalb zwischen sie. Doch trotzdem schafften es Nut und Geb, vier Kinder zu zeugen: Osiris und seine Schwestergemahlin Isis, die schon eine große Liebe im Mutterleib verbunden hatte, und Seth und dessen Frau Nephthys. Nephthys begehrte ihren Bruder Osiris, der jedoch nur Augen für Isis hatte. So nahm sie die Gestalt der Isis an, und zeugte mit dem nichtsahnenden Osiris ein Kind – den schakalköpfigen Anubis.

Isis jedoch blieb kinderlos und als Osiris König über Ägypten wurde, war dieser ohne Nachfolger. Zudem neidete ihm sein jüngerer Bruder Seth die Königswürde und trachtete ihm nach dem Leben. Heimlich nahm er die Körpermaße von Osiris und ließ einen kostbaren Sarg anfertigen. Diesen präsentierte er während einer Feier seines Bruders und wollte ihn demjenigen schenken, der genau hineinpasste. Enttäuscht verließ jeder der Gäste den Sarg, bis sich zuletzt Osiris hineinlegte. Schnell schlossen Seth und seine Helfer den Deckel, warfen den Sarg mit Osiris in den Nil und ließen ihn treiben. Als Osiris an Land gespült wurde, hatte ein Nilhecht sein Glied abgebissen und aufgefressen. Weil der Fisch ein Körperteil des Gottes in sich aufgenommen hatte, wurde er ebenfalls göttlich.

Isis und die reumütige Nephthys machten sich auf die Suche – aber Seth war schneller, fand seinen verletzten Bruder, zerschnitt ihn in 42 Teile und begrub diese in den 42 Gauen Ägyptens, um eine Wiederauffindung unmöglich zu machen.

Aber Isis und Nephthys gaben nicht auf und suchten, bis sie alle Stücke des Gottes gefunden hatten. Sie nähten den Leichnam zusammen und Isis formte das fehlende Stück aus Ton. Dann verwandelten sich die Schwestern in Falkenweibchen, die mit herzzerreißenden Klagerufen um Osiris trauerten. Durch die Zauberkraft der Isis gelang es ihr, den Verstorbenen noch einmal für kurze Zeit ins Leben zurückzuholen. Ein letztes Mal vereinigten sich Isis und Osiris und zeugten einen Sohn und Nachfolger, bevor Osiris endgültig in die Unterwelt hinabstieg und der Herrscher des Totenreiches wurde. Im Schutz des Papyrusdickichts im Delta gebar Isis den Horus und zog ihn im Verborgenen auf, denn Seth hatte von der Existenz des rechtmäßigen Thronerben erfahren und war auf der Suche nach ihm.

Horus wurde erwachsen, hatte zu kämpfen gelernt und forderte seinen Onkel Seth, den Mörder seines Vaters, heraus. In einem erbitterten, jedoch unentschieden endenden Kampf verlor Horus sein Auge und Seth seine Hoden. Die Göttergemeinschaft trat auf das Schlachtfeld, nahm sich des Auges an und heilte es. Danach gab sie Horus das Geheilte (udjat) zurück. In einem Beschluss der Götter wurde Horus die Herrschaft über das fruchtbare Land übertragen, während Seth in die unfruchtbare Wüste verbannt wurde, über die er gebieten konnte. So trat Horus schließlich das Erbe seines Vaters an.

Hier beginnt die Geschichte, denn der falkenköpfig oder ganz als Falke erscheinende Gott Horus nahm seit Anbeginn der Zeit in jedem Herrscher Ägyptens Gestalt an und das Land, über das er herrschte,

WAR ÄGYPTEN.

  Diese Zusammenfassung folgt im Wesentlichen den Darstellungen des Plutarch (etwa bei Chr. Froidefond [Hrsg.] Plutarque – Œuvres morales V/2, Paris 1988). Sie soll dazu dienen, sich in die Vorstellungswelt der alten Ägypter einzufühlen und beschränkt sich darauf, einen Überblick zu geben ohne in theologische Spitzfindigkeiten abzugleiten; dies nur als Hinweis auf die Anmerkung von J. F. Quack, in: JAOS 126/2, 2006, 262f.

I. 
 FRÜHZEIT UND FRÜHDYNASTISCHE ZEIT 
 (CA. 6000–2707 V. CHR.)

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Abb. 1 Der Nil, die Sonne und die Tierwelt haben schon früh die Gedanken und Vorstellungen der alten Ägypter geprägt.

 

DER LANGE WEG ZUR EINHEIT

DIE PRÄDYNASTISCHE ZEIT (CA. 6000–3032 v. CHR.)

Bevor der erste König als gestaltgewordener Horus über Ägypten herrschen kann, leben die Menschen, die Tränen des Gottes Atum, in verschiedenen Gruppen und Kulturen im Land. Sie bewohnen das Niltal in einer Vielzahl teilweise nomadisierender Stämme, die sich von Viehzucht, Jagd, Fischfang und dem Sammeln von Kräutern und Pflanzen ernähren.

Vor über 150.000 Jahren ziehen bereits nicht sesshafte Menschen als Jäger und Sammler durch ein vegetationsreiches, z.T. bewaldetes Gebiet, das wegen ausgedehnter Regenperioden eine reiche Flora und Fauna in Gebieten hervorgebracht hat, die heute Wüste sind. Vom Flugzeug kann man die vielen alten Wasserläufe erkennen, die sich wie ein Nervengeflecht in das Hochplateau der heutigen Wüste gegraben haben.

Nil, Sonne und Tiere

Das Land besitzt eine schon geografisch gegebene Struktur und Ordnung, die die Menschen bereits früh erkannt und die gesamte Geschichte hindurch verehrt haben: Der Nil durchschneidet mit seinem Fruchtlandstreifen die Wüste von Süden nach Norden (Abb. 1, 2), einmal im Jahr führt er Hochwasser und wenn der Strom danach in sein Flussbett zurückgeflossen ist, hat er einen dicken schwarzen und sehr fruchtbaren Schlamm auf den Feldern hinterlassen. Dieser schwarze Schlamm ist es, der dem Land später seinen Namen geben soll – Kemet, das Schwarze Land. Außerdem zerteilt der Fluss das Land in ein Ost- und ein Westufer.

Die Sonne zieht ihre tägliche Bahn von Osten nach Westen, wo sie allabendlich in einem farbenprächtigen Schauspiel untergeht. Die Frage, was mit der Sonne in den Stunden der Nacht geschieht, beschäftigt die Bewohner Ägyptens fast die gesamte Geschichte hindurch. Schnell entwickeln die frühen Ägypter eine Assoziation zwischen der untergehenden Sonne und deren Tod. Für sie stirbt der Himmelskörper im Westen, weshalb man dort das Jenseits vermutet, jeden Morgen wird er im Osten neu geboren. Daher errichten die Ägypter ihre Friedhöfe fast ausschließlich auf dem Westufer, der Untergangsseite der Sonne.

Sowohl im Niltal als auch in den angrenzenden Wüstengebieten existiert eine Vielfalt an Tieren, die gejagt, gezüchtet, dressiert, gefürchtet oder wegen ihrer Schönheit bewundert wird. Als die immer komplexer werdende Verwaltung etwa 3300 v. Chr. dazu führt, ein Schriftsystem zu entwickeln, sind Tiere ein wesentlicher Bestandteil dieser Schrift. Etwa ein Viertel der späteren Hieroglyphenzeichen sollen von Tieren und deren Körperteilen gebildet werden. Die ältesten Erscheinungsformen der Götter sind rein tiergestaltig, erst später entwickeln sich Mischformen, und die frühen Könige nennen sich Skorpion, Löwe, Böser Wels (Narmer), Kobra (Wadjit) oder (Krallen-/Flügel-)Spreizer (Dewen), um ihre Gefährlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

Schon früh sind regionale Unterschiede zwischen dem nördlichen und dem südlichen Landesteil erkennbar – eine Dualität, die stets (z.T. sogar bis heute) vorherrschen soll. Ägypten wird immer die Beiden Länder, das südliche Ober- und das nördliche Unterägypten bleiben.

Die unterägyptischen Kulturen des Neolithikums

Als die wichtigsten prädynastischen Kulturen Unterägyptens sind vor allem zu nennen:

– die Fajum-Kultur (ca. 6000–4000 v. Chr., sesshaft ab etwa 4500 v. Chr.), nachgewiesen durch mehrere Siedlungsplätze um die Fajum-Senke mit dem Birket Qarun;

– die Merimde-Kultur (ca. 5000–4100 v. Chr.), bezeugt durch eine Hauptsiedlung am westlichen Deltarand;

– die El-Omari-Kultur (ca. 4600–4400 v. Chr.) im Bereich von Heluan, Wadi Hof Ras el-Hof, alle gegenüber von Saqqara gelegen, und

– die Maadi- oder auch Buto-/Maadi-Kultur (ca. 4000–3000 v. Chr.), vertreten im gesamten Delta, im Süden bis auf die Höhe des Fajum.

Die frühen dauerhaft-sesshaften Unterägypter bilden typisch prädynastische Gemeinschaften und ernähren sich von Landwirtschaft, Jagd und Fischfang sowie Viehzucht. Angebaut werden Emmer, Weizen, Gerste und diverse Hülsenfrüchte, in Merimde zusätzlich Futterwicken und Ampfer. Man züchtet Rinder, Schweine, Ziegen und Schafe; in der Fajum-Kultur spielt die Zucht im Vergleich zur Jagd eine untergeordnete Rolle, während die Träger der Maadi-Kultur hingegen lediglich einige Wasservögel jagen. Das Angebot des erlegbaren Wildes bietet eine reiche Palette: Antilopen, Gazellen, Vögel, Nilpferde (die gefährlichsten Tiere Afrikas), Krokodile und in Merimde, wo Hunde domestiziert sind, darüber hinaus das Ur, Strauße, Löwen und Kleinkatzen – hier stehen auch Schildkröten, Muscheln und Schnecken auf dem Speiseplan. Der Fischfang ist im wasserreichen Delta und im Fajum generell sehr wichtig.

Die Menschen wohnen in leichten ovalen Hütten aus Flechtwerk, die in lockerer Bebauung die Siedlungen bilden, sie legen ausgekleidete Vorratsgruben im Boden an und braten ihr Fleisch an zahlreichen Feuerstellen. In Merimde und dem Fajum entwickelt sich eine intensive Produktion von Feuersteingeräten, bei Heluan verarbeitet man Flachs zu Leinenstoffen, in Maadi vermutlich Kupfererz. Insgesamt sind die unterägyptischen Kulturen eher bäuerlich geprägt, es gibt weder Funde noch Befunde, die auf eine gesellschaftliche Führungselite schließen lassen.

Die Toten werden in flachen Grubengräbern auf der Seite liegend und mit angezogenen Beinen als sog. Hockerbestattungen ohne nennenswerte Beigaben außerhalb der Siedlungen beigesetzt. Durch die im Laufe der Jahrtausende ständige Verlagerung des Siedlungskerns, geschieht es in Merimde und bei Heluan, dass ein Teil der Siedlung auf einem viel älteren Friedhofsabschnitt aufliegt. Hieraus darf jedoch keinesfalls geschlussfolgert werden, dass die Toten im Ort oder gar in den Häusern niedergelegt worden sind.

Kontakte bestehen sicher zwischen Merimde und dem Fajum, beide Kulturen scheinen zudem ihren Ursprung im Jordantal zu haben. Eine der ältesten Menschendarstellungen überhaupt stammt aus Merimde und zeigt einen handtellergroßen, ovalen männlichen Kopf aus gebranntem Ton (Ägyptisches Museum Kairo, JE 97472).

Die Maadi-Kultur unterhält intensive und ausgeprägte Handelsbeziehungen vor allem mit dem palästinischen Raum, von wo u.a. Gefäße und andere Gebrauchsgegenstände sowie Rohmaterialien wie Kupfer und natürlicher Asphalt eingeführt werden. Offenbar leben auch zeitweise Menschen aus diesem Gebiet in Maadi. Darüber hinaus gibt es Kontakte zur südlichen Naqada-Kultur, jedoch scheint es, dass »die Maadi-Kultur wie ein Pfropfen das Niltal nach Norden hin verschloss«6 und Kontakte zwischen dem palästinischen Raum und Oberägypten zu verhindern weiß, der erst durch die Expansion der Naqada-Kultur von Süden her aufgelöst werden kann. Die Siedlung Buto im nördlichen Delta bietet, ähnlich dem tapferen gallischen Dorf in den Geschichten um Asterix, als eines der letzten Bollwerke der Maadi-Kultur der expandierenden oberägyptischen Naqada-Kultur Einhalt. Mit ihrer Niederlage beginnt die Geschichte des geeinten Ägypten.

Die Delta-Kulturen weisen große Unterschiede zu den Kulturen des Südens auf, diese sind fraglos bedingt durch die Kontakte zum östlichen Mittelmeerraum, die den südlichen Nachbarn fehlen. Diese Unterschiede sind die Grundstrukturen, in die sich die spätere Vorstellung der Beiden Länder, von Ober- und Unterägypten, fügen und der Ursprung des so sehr ausgeprägten Gedankens der Dualität, der in der späteren pharaonischen Kultur vorherrschen wird.

Die oberägyptischen Kulturen des Neolithikums

Die Badari-Kultur (ca. 5000–3700 v. Chr.)

Die älteste prädynastische Gemeinschaft Oberägyptens ist die Badari-Kultur, die ihren Stammsitz in der Umgebung von Badari, nahe dem heutigen Assiut, hat. Die frühesten Anzeichen ihrer Existenz reichen weiter als 5000 v. Chr. zurück, womit sie ungefähr gleichzeitig mit Fajum A und Merimde in Unterägypten ist.

Viele Errungenschaften des frühen Ägypten haben ihre Ursprünge in der Badari-Kultur und finden zum Teil auch Eingang in die spätere pharaonische Zivilisation. Zum Beispiel ist der Totenkult Ägyptens maßgeblich dadurch geprägt worden, indem in Badari den Verstorbenen Beigaben in die Gräber gelegt werden. An dieser nicht selbstverständlichen Sitte ist zu erkennen, dass diese Gruppe Menschen an ein Weiterleben nach dem Tod bzw. an ein irgendwie geartetes Jenseits glaubt. Die Niederlegung von Grabbeigaben lässt sich durch die gesamte pharaonische Geschichte hindurch verfolgen und bildet eine wichtige Quelle, die einen Großteil unseres Wissens über die altägyptische Kultur speist. Die frühen Gräber sind einfache Sandgruben, in denen die Toten meist auf der linken Körperseite liegend und mit angewinkelten Beinen bestattet werden, sodass sie eine fötale Haltung einnehmen. Dabei weist der Kopf nach Süden und ihr Blick ist nach Westen gerichtet, der untergehenden, »sterbenden« Sonne entgegen. Um die Beigesetzten vor dem Sand zu schützen, werden sie häufig in Matten oder Tierfelle gehüllt.

Die Häuser sind aus vergänglichen, pflanzlichen Materialien gebaut, die sich nicht erhalten haben. Siedlungen sind heute nur noch durch Abfallgruben, Kochstellen und mit Flechtwerk ausgekleideten Getreidegruben gekennzeichnet.

Die frühesten Anzeichen eines oberägyptischen Fernhandels lässt ebenfalls die Badari-Kultur erkennen. Ihre Träger haben Zugang zum Roten Meer und zum Sinai, der vermutlich, zumindest im Gebiet von Serabit el-Chadim, unter südpalästinischer Oberhoheit steht.7

Um 4000 v. Chr. erwächst im Süden des Badari-Gebietes eine neue Kultur, deren Stammgebiet beim modernen Dorf Naqada zu lokalisieren ist. Diese ist sehr dominant, dynamisch und sich ihrer Überlegenheit gegenüber der Nachbarkulturen durchaus bewusst, woraus sich ein deutliches Interesse daran entwickelt, ihr weiteres Umfeld kulturell zu missionieren.