In „Tales of Bloody Ice“ erlebt Ihr Kurzgeschichten aus der Welt von „Bloody Ice“, einer Welt, in der ewige Finsternis herrscht.
Die Sonne verschwand. Eis und Schnee überzogen die Welt. Die Kreaturen passten sich im Laufe der Zeit an die neuen Bedingungen an. Jeder Tag im ewigen Eis ist ein Tag, an dem man ums Überleben kämpfen muss.
Der Weltenaufbau von „Bloody Ice“ orientiert sich an der Mythologie der Inuit. Ihr werdet also auf einige sonderbare Kreaturen treffen, denen Ihr in dieser Form bisher noch in keinem anderem Fantasy-Roman begegnet seid.
In der Geschichte „Die Eisbären-Reiter (oder das Attentat)“ erfahrt Ihr, wie die berüchtigte Elite-Einheit der Eiselfen mit unliebsamen Despoten umgeht.
In der Geschichte „Der Kristall“ erfahrt Ihr, wie ein Zwerg versucht, Glück in seinem harten Leben zu finden, und dabei lernt, was im Leben wirklich wichtig ist.
In der Geschichte „Echo der Rache“ erfahrt Ihr, wie hart das Leben der Amautaliken, trollartige Wesen, im ewigen Eis ist und Streitigkeiten nicht weiterführen
In der Geschichte „Der letzte Schlaf der Yetis“ erfahrt Ihr, wie beschwerlich das Leben in den Bergen des Schneegebirges für eine Yeti-Familie ist.
Viel Spaß beim Lesen!
Die Eisbären-Reiter waren die Elite-Krieger der Eiselfen, die auf
die Verfolgung oder das Aufspüren jeglicher Kreaturen und Geschöpfe
vom Eiself bis hin zum trollgleichen Amautaliken spezialisiert
waren – ein Jagd- und
Suchtrupp.
Um in die Reihen der gefürchteten Eisbären-Reiter aufgenommen zu
werden, mussten die Krieger einer Eisbärenmutter ihr Junges
stehlen. Dazu mussten sie das erwachsende Tier entweder einfangen
oder töten. Das Jungtier wurde dann von dem Krieger großgezogen und
trainiert. Dadurch entstand eine enge Bindung zwischen Tier und
Krieger, die unerlässlich war, damit das Tier den Krieger später
auf sich reiten ließ. Jeder Eisbär der Einheit duldete ausnahmslos
nur den Krieger als Reiter, von dem er aufgezogen worden war. Die
edlen Tiere wurden stets gut behandelt. Sie waren für ihre Reiter
einfach zu kostbar und würden von ihnen nie leichtfertig aufs Spiel
gesetzt werden.
Unter den anderen Kriegern der Eiselfen galten die Eisbären-Reiter
als arrogant, weil sie für ihre Tiere stets das Beste verlangten –
sei es das frischeste Wasser oder das nahrhafteste Futter. Egal.
Sollten sie doch. Keiner der anderen Eiselfen-Krieger wusste, was
es hieß, ein Eisbären-Reiter zu sein.
Die Eisbären-Reiter waren für ihre Gnadenlosigkeit berüchtigt. Sie
machten keine Gefangenen, sondern ließen ihre Jagdbeute von den
Eisbären fressen.
Ursus war der Hauptmann der Eisbären-Reiter und mindestens genauso
berüchtigt wie die Spezialeinheit, die er befehligte. Aufgrund
seiner Stellung genoss er hohes Ansehen in der Turmstadt. Jedes
Eiselfen-Kind wusste, dass man sich besser nicht mit einem
Eisbären-Reiter anlegte – erst recht nicht mit deren
Hauptmann.
Doch die Zeiten änderten sich. Die Eiskönigin, deren bevorzugte
Einheit die Eisbären-Reiter gewesen waren, war ermordet worden. Nun
hatte der machthungrige Lotushexer Kargor die Herrschaft an sich
gerissen. Er regierte mit noch größerer Härte als die Königin.
Kargor bevorzugte die Elite-Ritter der Schwarzen Garde, die Krieger
des schwarzen Drachen. Die Eisbären-Reiter verloren zunehmend an
Ansehen und Einfluss. Die Eisbären-Reiter behandelte er wie Hunde,
denen man Befehle wie „Such“, „Hol“ und „Bring“ gab. Wütend ballte
der Hauptmann der Eisbären-Reiter die Faust. Ursus gefiel diese
Entwicklung ganz und gar nicht. Nachdenklich rieb er sich das Kinn.
Er musste etwas unternehmen. Die Eisbären-Reiter hatten dem Treiben
des neuen Herrschers lange genug zugeschaut. Nun war es an der Zeit
zu handeln.
In der Turmstadt galt jetzt nur noch das Wort des Lotushexers.
Kargor duldete keinen Widerspruch, sondern forderte absoluten
Gehorsam. Kargors Befehle mussten stets befolgt werden. Missachtung
wurde rigoros bestraft. Mittlerweile traute sich niemand mehr, dem
Lotushexer zu widersprechen. Nur hinter verschossener Tür wurde
flüsternd über andere Sichtweisen und Standpunkte diskutiert. Im
Geheimen und Verborgenen bildete sich Widerstand in der Turmstadt –
Widerstand gegen Kargor, den Lotushexer. Niemand geringerer als
Ursus führte den Widerstand an. Seine Männer waren dem Hauptmann
treu ergeben und standen geschlossen hinter
ihm.
Heute war der Tag, an dem die Eisbären-Reiter ihren Plan in die Tat
umsetzen wollten. Es war ein besonderer Tag. Der Tag des weißen
Bären. Der Tag, an dem die neuen Eisbären-Reiter samt ihrer
majestätischen Reittiere vom Herrscher der Turmstadt geweiht und
offiziell in die Elite-Einheit aufgenommen wurden. Gleich war es so
weit. Ursus konnte die Menge laut jubeln hören, als die jungen
Eisbären-Reiter mit ihren erhabenen Tieren durch die Hauptstraße
bis zum Festplatz zogen und mit stolzgeschwellter Brust das Lied
der Eisbären-Reiter sangen:
„Wir reiten durch tiefen Schnee und ewige Finsternis.
Wir kennen keine Rast, wir kennen keine Gnade. Die Jagd ist unsre größte Freud.
Das Weiß unserer Eisbären leuchtet hell.
Wen wir suchen, läuft lieber schnell – ansonsten Blut verfärbt das weiße Fell.
Lauf jetzt lieber, lauf – denn wir sind schnell.
Siehst du schon das weiße Fell?
Verstohlen schaute Ursus zu Kargor, der links von ihm stand. Kargor
war in einem Mantel aus Eisbärenfell gehüllt und wartete sichtlich
ungeduldig darauf, die Weihe der jungen Eisbären-Reiter
vorzunehmen. Der Hauptmann war als Kopf des Widerstands sehr
bemüht, sich seine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen. Sein
Herz klopfte, als er die Reiter kommen sah. Gleich würde es
losgehen. Jeden Augenblick würde es so weit
sein.
Die jungen Eisbären-Reiter hielten unmittelbar vor der aus Eis
gehauenen Tribüne, auf der Kargor und Ursus saßen. Jeder von ihnen
hielt eine Fahne mit dem Banner der Eisbären-Reiter hoch, die
leicht im Wind
flatterten.
Kargor und Ursus erhoben sich. Nach einigen feierlichen Worten
begann der Lotushexer mit der Weihe. „Heute am Tag des weißen Bären
haben wir uns hier versammelt, um die jungen Rekruten zu weihen.
Möge ihnen mit diesem Tag genauso viel Kraft geschenkt werden wie
den weißen Bären, die sie reiten!“
Ursus Nerven waren bis aufs äußerste gespannt. Ungeduldig starrte
er in die Menge vor ihm. Jeden Augenblick würde es geschehen. Da,
er konnte sie sehen – direkt vor ihnen! Das Herz des Hauptmanns
raste wie wild. Es hatte
begonnen.
„Mörder! Ihr seid Eures Amtes nicht würdig, Verräter!“ Eine in
einem schwarzen Umhang gehüllte Gestalt war aus der Menge
hervorgetreten. Hinter ihr standen weitere in Schwarz gehüllte
Personen. „Nehmt dies, Lotushexer!“ Alle warfen kleine Lederbeutel
auf Kargor, Lederbeutel, die mit frischem Yeti-Blut gefüllt waren.
Die Attentäter waren im Werfen geübt, so dass keiner der Beutel
sein Zielverfehlte. Dann war es vorüber. Alles ging rasend schnell.
So urplötzlich wie sie aufgetaucht waren, so schnell und plötzlich
tauchten die in Schwarz gehüllten Attentäter allesamt in der Menge
unter und verschwanden unerkannt, nachdem sie ihre schwarzen
Umhänge auf ihrer Flucht achtlos weggeworfen
hatten.
Der Lotushexer stand auf der Tribüne und war über und über mit
dickflüssigem Yeti-Blut besudelt, das an seinem Mantel
klebte.
Die Eisbären, die alle unmittelbar vor der Bühne standen, witterten
das Yeti-Blut und sträubten instinktiv das Fell. Grimmiges Knurren
warnte Kargor, den vermeintlichen Yeti, Abstand zu halten und zu
verschwinden. Der Lotushexer, der an das Hofleben gewohnt war,
verstand die Warnung der Eisbären allerdings
nicht.