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Print-Ausgaben

Copyright © Heide Maria Rossak 2006, 2017, 2021

E-Book

Copyright © Renate Götz Verlag, 2022

A-2731 Dörfles, Römerweg 6

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rgverlag.com

Fotos am Titel: Foto links oben/Rita Dirschlmayer
Weitere Fotos am Titel und im Innenteil: Heide Maria Rossak, sofern nicht anders angegeben
Satz und grafische Gestaltung: Arno Brandauer, www.arno-brandauer.at
Logo „Spielend Sein“: Natalie Schmaranzer

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung oder Reproduktion des Inhalts ist laut Urheberrecht nicht zugelassen. Hiervon ausgenommen sind kurze Auszüge zwecks Buchvorstellungen.

ISBN 978-3-902625-90-8

Sinnvolles

Spielzeug

 

Heide Maria Rossak

Gewidmet meinen drei Kindern Maximilian, Heidemarie und Antonia und meinen Ahninnen, insbesondere meiner Großmutter Marianne Wurz.

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„Wir Menschen sind ja von Natur aus liebende und spielende Wesen.

Zu lieben, geliebt zu werden und spielend, also absichtslos und versunken, ganz in dem aufzugehen, was wir im Moment tun, ist unser tiefstes Bedürfnis.“

Gerda Verden-Zöller

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Vorwort zur Neuauflage

Spielen kann ein Kind von Anfang an. Diese Fähigkeit ist dem Menschen in die Wiege gelegt, und niemand braucht sie ihm beizubringen. Es macht jedoch Sinn, ihm geeignete Materialien zum Spielen zur Verfügung zu stellen.

Je jünger das Kind, desto stärker ist es diesbezüglich den Eltern und Erziehern ausgeliefert. Der Erwachsene trägt die Verantwortung für die vorbereitete Spielumgebung. Er wählt die Spielutensilien aus und besorgt sie. Das Kind verwendet sie nach seinen eigenen Ideen und Vorstellungen und nutzt sie für seine Entwicklung. Je weniger wir es damit zu manipulieren versuchen, desto kreativer wird es damit umgehen. Freies Spiel ermöglicht Kindern, ihre angelegten Potenziale bestmöglich zu entfalten. Es bringt sie in einem für sie stimmigen Tempo auf natürliche Art voran. Sinnvolles Spielmaterial unter stützt und ermöglicht diesen ganzheitlichen Prozess und trägt damit zu einer guten Entwicklung bei.

Für die Neuauflage von „Sinnvolles Spielzeug“ habe ich folgende Kapitel überarbeitet:

1. Was heißt spielen?

4. Grundsätzliche Kriterien für die Spielzeugauswahl

5. Bewegung – ein Lebensbedürfnis des Kindes

9. Maria Montessori und das Sinnesmaterial

10. Spielzeugklassiker Puppe

13. Vom Bauen und Konstruieren

15. Der Jahreszeitentisch

16. Materialien für die vorbereitete Spielumgebung

Neu hinzugekommen ist das Kapitel 17, Gärten für Kinder

Ich bin nicht mehr dieselbe, die ich war, als ich 2006 „Sinnvolles Spielzeug“ Entwicklungsprozess, der gerade durch das Zusammensein mit Menschen, mit denen wir in enger Beziehung stehen, ständig herausgefordert und vorangetrieben wird. Wir können daher nie einen Punkt machen und sagen: „So ist es gut. So ist es richtig.“ Aber wir können in Frieden mit uns selbst und unserem momentanen Bewusstseinsstand sein und sagen: „So ist es im Augenblick gut genug für mein Empfinden.“

Ich vertraue Ihnen meine Arbeit an, im Wissen, dass sie immer ausbaufähig bleiben wird. Bitte nehmen Sie sich die Freiheit, das für sich herauszupicken, was sich für Sie persönlich stimmig anspürt, und wobei Sie selbst ein gutes Gefühl haben.

Ich wünsche allen LeserInnen, dass sie mit diesem Buch im privaten oder beruflichen Umfeld eine praktikable Unterstützung im Zusammensein mit Kindern erfahren.

Heidi Rossak

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„Wenn du deine Kinder drängst, verlieren sie ihr Gleichgewicht.
Wenn du sie dauernd hin und her hetzt, kommen sie nirgendwo an.
Wenn du sie ins Rampenlicht stellst, können sie ihr eigenes Licht nicht sehen.
Wenn du versuchst, ihnen deine Vorstellungen davon, wie sie sein sollten, aufzuzwingen, wird nichts aus ihnen.
Wenn du willst, dass sie gedeihen, beschütze sie, so gut es geht,
und dann lass los.“

William Martin

Danke

Ich danke allen WegbegleiterInnen, die mich bei der Erstausgabe von „Sinnvolles Spielzeug“ unterstützten, mich dabei inspirierten oder mir als LektorIn zur Verfügung standen. Dies sind im Besonderen Heide Klinger, Toni Rossak, Christine Rainer, Marianne und Mag. Wilhelm Sickinger, Ute Strub und Eva Maria Rischke.

Danke an alle, die mir für einzelne oder mehrere überarbeitete Kapitel der zweiten Auflage als Lektorinnen dienten:
Christine Bauchinger, Roswitha Dietrich, Heidrun Franz, Kristina Friedrich, Samuel Gräbe, Michaela Hamader-Berger, Heide Klinger, Gudrun Mai, Christine Rainer, Marianne Sickinger, Rotraud Posch und Eva Zeiko. Cordula Breit-Menschick danke ich für das Endlektorat aller Kapitel. Ein besonderer Dank gilt Herrn Prof. DDr. Gerald Hüther für den nachhaltigen Austausch über unser Anliegen, das freie Spiel unseren Kindern und Kindes kindern zu erhalten.

Eltern erhalten einen Überblick über wesentliche reformpädagogische Richtungen und jede Menge Anregungen für den Spielalltag zu Hause und für andere Orte, an denen Kinder KINDER sein dürfen. Gleichzeitig lässt die Autorin den LeserInnen die freie Wahl, zu entscheiden, was für sie und ihr Kind „passt“.

Eva Zeiko, Psychotherapeutin für Säuglinge und Kleinkinder

Das Buch begeistert mich – eine kompakte Sammlung voller Gedanken, Ideen und Inspiration, welche die Wichtigkeit, Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit des kindlichen Spiels weitergeben.

Anita Foune, zweifache Mutter

1. Was heißt spielen?

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„Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

Friedrich Schiller

Urbedürfnis Spiel

Spielen wird immer wieder mit bloßem Beschäftigtsein verwechselt. Spielen ist viel mehr! Es bereitet Freude, gleichzeitig ist es Arbeit und beinhaltet ständiges Lernen und Wachsen.

Die kindliche Lust zu spielen ist ein elementares Bedürfnis. Sie entspringt dem liebevollen Interesse, sich selbst und seine Umwelt kennenzulernen und dem Verlangen, mit dieser Welt zu kommunizieren und sie sich selbständig anzueignen. Der Amerikaner Fred O. Donaldson bezeichnet das ursprüngliche Spiel als universelles Kommunikationsmittel aller Lebewesen.

Das Spiel des Kindes beruht auf Impulsen aus dem Inneren und Anregungen von außen. Diese Impulse sind eigentlich immer mit Freude verbunden und erzeugen bei der Umsetzung eine tiefe Befriedigung. Nicht immer ist das Kind ganz frei, im Spiel seinen eigentlichen Interessen nachzuspüren, weil es etwas Erlebtes zu verarbeiten hat. Dann nutzt es sein Spiel vorrangig, um Spannungen und Erregungszustände abzubauen. Dies dient seinem Wohlbefinden und macht es wieder frei, jenen Impulsen zu folgen, die seinem inneren Entwick lungsplan entsprechen.

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Spielen ist ein universelles Kommunikationsmittel, welches imstande ist, Nationen, Generationen und Kulturen zu verbinden.

Der Wert des Spiels für die Entwicklung des Kindes und
für unser Menschwerden überhaupt kann nicht hoch genug
eingeschätzt werden!

Die italienische Ärztin und Pädagogin Maria Montessori nannte das Spiel „die große Arbeit“ und wollte damit ausdrücken, dass Kinder im Spiel sich mit großer Ernsthaftigkeit beschäftigen und dabei etwas Sinnvolles tun. Als „Hochschule der Säuglinge und Kleinkinder“ bezeichnete die ungarische Kinderärztin und Kleinkindpädagogin Emmi Pikler das freie Spiel. Es gibt kein Lebensalter, in dem der Mensch so viel in kurzer Zeit erlernt, wie in den ersten Lebensjahren. Der Anthroposoph und Begründer der Waldorfpädagogik Rudolf Steiner erkannte, dass Spiel und Arbeit im direkten Zusammenhang stehen und ineinander verwandlungsfähig sind. Der Unterschied zwischen Spiel und Arbeit bestehe darin, dass sich letztere in die äußere Zweckmäßigkeit der Welt einfügen muss. Beim Spielen müsse kein zweckvolles Handeln anderen Menschen oder einer Sache gegenüber verantwortet werden. Das war zumindest zu Steiners Zeiten noch so. Heutzutage läuft selbst das Spiel Gefahr, dass es funktionalisiert wird. Es ist mir ein großes Anliegen, den Wert des natürlichen, spontanen Spiels, in dem das Kind frei ist, seinen eigenen inneren Impulsen zu folgen, hervorzuheben. Damit bin ich nicht alleine. Viele namhafte Persönlichkeiten, unter ihnen der Hirnforscher Gerald Hüther, setzen sich dafür ein, das Spiel in seiner wahren Bedeutung wieder ins Bewusstsein der Menschen zu rücken. Gerald Hüther widmete diesem Anliegen gemeinsam mit dem Philosophen Christoph Quarch ein eigenes Buch. „Rettet das Spiel!“ erschien 2017 im Hanser Verlag.

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Das Spiel stellt das Kind immer wieder vor Situationen, die es zum Lernen und Wachsen herausfordert.

Lernen im Spiel durch wiederholtes Ausprobieren und
durch Versuch und Irrtum ist ein Prinzip der Evolution

Das Kind stößt beim Spielen immer wieder auf Herausforderungen oder Grenzen, die es zu überwinden sucht. Das kann für den Säugling ein Spielgegenstand sein, der nicht in seiner Greifweite liegt, oder für das Kleinkind das Dach auf seiner, aus Stühlen, Kissen und Decken selbstgebauten Spielhöhle, das nicht haften will. Das Kind wird danach drängen, diese Widerstände zu überwinden und Lösungsstrategien für seine Probleme zu entwickeln. Ist es dabei erfolgreich, erzeugt das ein Gefühl der tiefen Zufriedenheit und Freude. Es erlebt in seinem selbständigen Tun seine Eigenkompetenz.

Jede geglückte Erfahrung einer Problembewältigung wird sein Vertrauen in sich selbst stärken. Die im freien Spielen erworbenen Fähigkeiten der selbständigen Problemlösung stehen dem Kind auch im Schulalter und im späteren Leben zur Verfügung. Sie bilden die Basis für eigenständiges Lernen in allen Bereichen.

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„Das Spiel erlaubt dem Kind, neue Fertigkeiten zu erproben und Lösungen und Strategien für immer komplexere Probleme zu finden.“

Karl Gebauer

Das Spiel freigeben

Am besten kommt dieses Lernpotenzial gerade dann zum Tragen, wenn der Erwachsene sich nicht zu viel einmischt.

Am besten gelingt uns das, wenn wir uns ab und zu hinsetzen und den Kindern beim Spielen einfach nur zuschauen, ohne Absicht und ohne Hintergedanken. Wenn wir uns die Zeit dazu nehmen und uns wirklich darauf einlassen, machen wir nicht nur unserem Kind ein wertvolles Geschenk, wir werden selbst auch dadurch bereichert. Die Liebe, mit der ein Kind seiner Spieltätigkeit nachgeht, die Freude, die es dabei empfindet und ausstrahlt, und das totale Versunkensein im Augenblick berühren uns Erwachsene, weil wir spüren, dass es auch unsere eigene Sehnsucht ist, so zu arbeiten und zu leben.

Für die kindliche Seele und für eine gute psychische Entwicklung
ist es eine Wohltat, wenn der Erwachsene das Kind spielen lässt,
ohne etwas von ihm zu erwarten.

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„Spielen ist das Schönste.“ Antonia Rossak, mit sieben Jahren

Spielen bedeutet im Prozess sein

Ich beschreibe ein Spiel-Beispiel aus dem Buch „Spielzeug von Eltern selbstgemacht“ von Freya Jaffke, das ich sehr empfehle.

Fünf- und sechsjährige Buben bauen sich einen Rettungswagen. Sie brauchen dazu Fantasie, Geschicklichkeit, Geduld und Willenskraft. Als Materialien verwenden sie einen Tisch, Stühle, Hocker, Bretter, Tücher, Wäscheklammern, Rindenhölzer und Wollkordeln, die sie zu Scheinwerfern, Rückspiegeln, Sicherheitsgurten usw. umfunktionieren.

Zu Beginn des Spielens bestehen die Vorstellung des speziellen Autos und der Impuls, es zu bauen. Während des Bauens kommen die Ideen für die Ausgestaltung, für Verbesserungen usw. Wenn eine Idee Gestalt angenommen hat, erleben die Kinder tiefste Befriedigung, denn sie haben zum Beispiel einen „richtigen“ Rückspiegel geschaffen. Die kindliche Fantasie macht ein Stück Rinde zum Rückspiegel.

Während der erwachsene Zuschauer sich fragen mag: „Wann kommen die Kinder denn endlich zum Spielen?“, sind diese schon die ganze Zeit mittendrin. Es steht für die Kinder vielleicht gar nicht im Vordergrund, später mit diesem Rettungswagen zu spielen. Doch das wissen sie im Moment noch nicht, denn sie sind vollkommen im Augenblick versunken. Es ist einfach im Moment der Impuls da, einen Rettungswagen zu erschaffen, und es macht Spaß, dies zu versuchen und umzusetzen. Es kommt sogar nicht selten vor, dass solche selbst hergestellten Spielzeuge nach kurzem Gebrauch oder sogar kurz vor der Fertigstellung wieder ab- oder umgebaut werden. Dann fügt sich das Spiel zu diesem Zeitpunkt in andere Bahnen. Spielen bedeutet im Prozess zu sein. Es hat nichts mit dem Bedienen von Fertigware zu tun. Der Mensch und ganz besonders das kleine Kind ist ein stetig Lernender, der sich bis zu seinem Lebensende seelisch und geistig weiterentwickeln kann und will. Nicht das Vollendete, Fertige ist es, was Kinder in ihrer Entwicklung belebt, tiefe Zufriedenheit auslöst und sie stärkt. Sie brauchen in ihrer Umgebung das Werdende und die Möglichkeit, umzugestalten und Neues zu schaffen.

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„Das Erleben der Fähigkeit, Aufgaben zu meistern und die Welt zu verstehen, das ergibt sich aus der Situation des Spielens am allerbesten.“

Eckhard Schiffer

2. Gute Rahmenbedingungen fürs Spielen

Bewusste Auswahl des Spielmaterials

Spielen ist eine besondere Fähigkeit, die jedem Kind in die Wiege gelegt ist. Wenn die Fähigkeit zum hingebungsvollen Spiel verloren ging, liegt das meistens am Verhalten des Erwachsenen oder am zur Verfügung stehenden Spielzeug.
Spielgegenstände, die wir dem Kind anbieten, kommen Spielvorschlägen gleich. Je komplizierter sie sind, desto abhängiger werden die Kinder von uns.

„Und dann war da noch etwas, das Momo nicht begreifen konnte. (...) Immer häufiger kam es jetzt vor, dass Kinder allerlei Spielzeug brachten, mit dem man nicht wirklich spielen konnte, zum Beispiel (...) ein kleiner Roboter, der mit glühenden Augen dahinwackelte und den Kopf drehte -, aber zu etwas anderem war er nicht zu gebrauchen.
Es waren natürlich Spielsachen, wie Momos Freunde nie welche besessen hatten – und Momo selbst schon gar nicht. Vor allem waren diese Dinge so vollkommen bis in jede kleinste Einzelheit hinein, dass man sich dabei gar nichts mehr selber vorzustellen brauchte. So saßen die Kinder oft stundenlang da und schauten gebannt und doch gelangweilt so einem Ding zu, das da herumschnurrte, dahinwackelte oder im Kreis sauste-, aber es fiel ihnen nichts dazu ein. Darum kehrten sie schließlich doch wieder zu den alten Spielen zurück, bei denen ihnen ein paar Schachteln, ein zerrissenes Tischtuch, ein Maulwurfshügel oder eine Handvoll Steinchen genügten. Dabei konnte man sich alles vorstellen.“

Michael Ende (aus Momo)

Vorbild des tätigen Erwachsenen

Der Erwachsene wirkt durch all seine Handlungen und besonders durch die Art und Weise, wie er tätig ist, auf die Kinder. Das kleine Kind nimmt seine Erfahrungen aus der Erwachsenen-Umwelt auf, setzt sie im nachahmenden Tun um und gestaltet daraus sein zweckfreies Spiel.
Es ist deshalb wichtig, dass der Erwachsene im Beisein des Kindes möglichst oft in einer solchen Weise tätig ist, die im Kind die notwendigen Impulse setzt. Es ist daher ein großer Vorteil, wenn Kinder die Eltern im Haushalt (mit möglichst geringem technischem Aufwand) tätig erleben.
Kinder lernen durch Nachahmen bzw. Auch-Machen. Die wichtigste Voraussetzung in der Erziehung ist ein möglichst gutes, nachahmenswertes Vorbild zu sein.

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Erklärungen und Verbote wenden sich hingegen an den Verstand des Kindes, der sich ja erst allmählich entwickelt.

Entspannter Rahmen

Eine sehr beglückende Erfahrung für uns Erwachsene kann sein, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen, um dem allein spielenden Kind zuzuschauen. Das macht uns empfindsam für das, was im Leben des Kindes vorgeht.

Die Aufgabe des Erwachsenen besteht vor allem darin, einen entspannten Rahmen zu schaffen, in dem das Kind gefahrlos die Welt erkunden und eigenständig handeln kann. Zeit, Muße und Ruhe sind dazu vonnöten.

Die erfahrene Waldorfkindergärtnerin Elke Maria Rischke hat die förderliche Haltung des Erwachsenen mit der wärmenden Sonne, die die Frühlingsblumen hervorlockt verglichen, wenn er sein unaufdringliches Interesse daran zeigt, wie das Kind etwas tut.

Die eigene Aktivität schließlich führt das Kind zu dem Erlebnis, unabhängig handeln und Schwierigkeiten überwinden zu können.

„Liebe und Aufmerksamkeit bedingen einander wechselweise.“

Hugo von Hofmannsthal

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Gestillte Grundbedürfnisse

Das Kind benötigt, um sich ins Spiel einlassen können, eine gute, verlässliche Beziehung zu seiner Bezugsperson. Dann fühlt es sich sicher, auch wenn es den Erwachsenen gerade nicht sieht.

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„Geliebt und angenommen fühlt man sich, wenn man gesehen wird“, sagt Gerda Verden-Zöller und meint damit, dass wir die Kinder als die sehen, die sie sind, und nicht als die, die sie werden sollen.

Emmi Pikler schreibt in ihrem Buch „Friedliche Babys – zufriedene Mütter“: „Ja! Lieben wir das Kind, und lassen wir es diese Liebe fühlen, indem wir es gut versorgen. Nicht bloß theoretisch ‚gut‘, sondern so, dass es ihnen persönlich entspricht. Um das verwirklichen zu können, müssen wir das Kind vor allem gut beobachten, wir müssen unsere Kinder kennenlernen.“

Wenn wir in diesem Sinne unsere Kinder sehen und gut für sie sorgen, werden sie unsere Liebe auch dann spüren, wenn wir nicht im selben Raum sind.

Die positive Erfahrung, dass die Mutter dem kleinen Kind von seiner Geburt an ankündigt, wenn sie aus dem Zimmer geht, nährt sein Vertrauen, dass es sich auf den Erwachsenen verlassen kann, und gibt ihm damit Sicherheit.

Ein Kind ist von Geburt an ein kompetentes Wesen. Bereits ein Neugeborenes ist fähig, unsere Botschaften zu entschlüsseln. Säuglinge haben eine sehr sensible Antenne für unsere Gefühle und spüren den wahren Gehalt unserer Aussagen, sofern wir authentisch und klar agieren. Wenn wir zu unseren Kindern mit klaren, einfachen und ehrlichen Worten sprechen, verstehen sie von Anfang an, was wir ihnen sagen möchten.

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„Auch wenn wir die Empfindungen haben sollten, dass das Kind noch nicht alles, was wir sagen, oder vielleicht gar nichts davon versteht, verhalten wir uns nicht so, als wären wir stumm. Vertrauen wir darauf, dass der Säugling uns verstehen wird, wenn wir natürlich und einfach mit ihm sprechen.“

Emmi Pikler

Wer sich für das Kommunizieren mit Babys und kleinen Kinder interessiert, dem empfehle ich die Broschüre „Im Dialog mit dem Säugling und Kleinkind“ (Pikler Gesellschaft Berlin).

Zurück zum Spielen:
Ein innerlich ausgeglichenes Kind ist reich an Einfällen. Wenn ein Kind oberflächlich spielt und von sich aus nicht weiß, was es tun kann, sind wir aufgerufen uns zu fragen, was dem Kind vielleicht fehlt.

Bewegungsfreiheit

Spielen und sich Bewegen gehören untrennbar zusammen.

Zur natürlichen Fähigkeit des Säuglings, allein und selbstbestimmt zu spielen, gehört auch, dass er sich in seinen Bewegungen ungestört entfalten kann.

Die dazu notwendige Bewegungsfreiheit können wir durch das Erfüllen folgender Bedingungen gewährleisten:

Dem Kind die Zeit lassen, die es für seine Bewegungsentwicklung braucht. Emmi Pikler hat dies in ihren Büchern eingehend beschrieben und spricht in diesem Zusammenhang von freier (autonomer) Bewegungsentwicklung. Siehe hierzu auch Kapitel fünf: Die autonome Bewegungs- und Spielentwicklung nach Emmi Pikler.
Damit ist unter anderem gemeint, dass wir den Säugling nicht in Positionen bringen, in die er sich selbst nicht bringen kann, wie das zum Beispiel beim Sitzen in Wippen oder durch Kissen gestützt der Fall ist.
Solche unnatürlichen – da der kindlichen Entwicklung vorgezogenen – Positionen hindern das Kind daran, in Ruhe mit Gegenständen zu hantieren.

Ein Säugling, der sich von der Rückenlage in die Bauchlage und wieder zurückrollen kann, wird sich beispielsweise von der Bauchlage, in der er eben einen für ihn interessanten Gegenstand erlangt hat, zurück in die Rückenlage rollen, um diesen in einer entspannten Position näher zu erkunden. Nur wenn es nicht auf sein Gleichgewicht achten muss, ist das Kind in der Lage, sich diesem Gegenstand voll zu widmen.
Obwohl das Kind nicht immer jeden Gegenstand erlangen kann, den es gerade haben möchte, und somit mit kleinen Frustrationserlebnissen konfrontiert wird, macht es immer wieder die Erfahrung, dass es selbst dazu fähig ist, Spielgegenstände zu erreichen. Es erlebt sich als autonomes Wesen.
Fällt dem Kind hingegen in einer Wippe oder im Gitterbett ein Gegenstand hinunter, ist es auf die Hilfe des Erwachsenen angewiesen und kann so mehr und mehr seine Autonomie verlieren und in seinem Spiel vom Erwachsenen abhängig werden.

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Schön, wenn der Erwachsene sich zum Baby auf den Boden begibt, wo es seine Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten voll auskosten kann.

Für entsprechend bequeme Bekleidung sorgen. Jeans und andere steife Materialien können die Beweglichkeit stark einschränken. Am besten eignen sich elastische Stoffe, die die Bewegungen mitmachen.

Genügend Raum zum Spielen geben. Genügend Raum zum Spielen geben. Das bedeutet für den Säugling und das kleine Kind, dass wir ihnen immer ein wenig mehr Platz zur Verfügung stellen, als sie gerade nutzen. Ab einem bestimmten Entwicklungsstadium ist das ein geschützter Bereich am Boden.
Eine gute Möglichkeit ist ein großes Spielgitter (ca. drei – vier m2). Es bietet dem Säugling einen geschützten, überschaubaren Bereich, wo er in Ruhe spielen und sich bewegen kann, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, wo der Säugling mobil wird und allein größere Strecken zurücklegen kann. Für Familien mit mehreren Kindern ist das Spielgitter wirklich sehr praktisch, weil es hier noch wichtiger ist, dem spielenden Säugling einen geschützten, eigenen Bereich einzuräumen.
Für unsere Kinder galt die Regel, dass sie zuerst fragen mussten, wenn sie zum Baby ins Spielgitter wollten.

Später, wenn das Spielgitter für den robbenden oder krabbelnden Säugling zu klein war, zogen die großen Geschwister ins Spielgitter ein. Sie genossen es sehr, dort ihre wichtigen Spielsachen vor den kleinen Geschwistern in Sicherheit bringen zu können und darin in Ruhe zu spielen.

Vor allem beim Bauen und sonstigem Spiel, wo etwas am Boden aufgestellt wird, braucht das ältere Kind Schutz vor dem Krabbelbaby.

Das Spielgitter stellt somit auch eine große Hilfe dar, dass Babys und Kleinkinder friedlich nebeneinander spielen können.

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Ein geräumiges Spielgitter bietet dem noch nicht mobilen Säugling einen geschützten, überschaubaren Bereich, wo er in Ruhe spielen und sich frei bewegen kann.

3. Die Spielphasen nach Rudolf Steiner

Rudolf Steiner war der Begründer der Anthroposophie, einer umfassenden Geisteswissenschaft nach naturwissenschaftlicher Methode, die alle Lebensbereiche beinhaltet. Die Waldorfpädagogik ist ein Teilgebiet davon.

Die Ausführungen über die Spielphasen sind in gekürzter und überarbeiteter Form dem Buch „Spielzeug für Kinder von Eltern selbst gemacht“ entnommen, wo sie als Spielstufen bezeichnet werden.

Wie unterschiedlich sich die Kinder je nach ihrem Alter im Spiel verhalten, kann bei näherer Betrachtung der drei Spielphasen anschaulich werden, die sich zwar deutlich voneinander unterscheiden aber auch sehr ineinander übergehen.

Die Zeit bis etwa zum dritten Jahr

In der Zeit der ersten Spielphase ergreift das Kind zunächst von seiner eigenen Leiblichkeit Besitz.
Ohne das Zutun des Erwachsenen und mit erstaunlicher Unermüdlichkeit strebt das Kind in die Aufrechte und bringt sich selbst damit in völlig neue Beziehungen zu den Raumdimensionen.
Das Kind verlangt danach, angesprochen zu werden, und erwirbt durch den mit ihm sprechenden Erwachsenen die Sprache und mit der Sprache die Veranlagung des Denkens.
Dies passiert aber ebenfalls selbstbestimmt, ohne Erläuterungen, also ohne dass der Erwachsene ihm das beizubringen braucht.

Es beginnt, die Eltern bei ihren Verrichtungen im Haushalt zu begleiten, wobei es die Handlungen der Erwachsenen ihm selbst nicht bewusst aber in umfassender Totalität „liebevoll“ erfasst.
Sein Spiel besteht in einem nachahmenden, scheinbar sinnlosen Tun, in dem es zum Beispiel wie die Mutter durchs Haus geht und Gegenstände – wie die Mutter eben beim Aufräumen – ebenso in die Hand nimmt und woanders wieder ablegt.
Montessori spricht hier von den „Übungen des täglichen Lebens“, rein aus Freude an der Bewegung: „Wischen um des Wischens wegen“ aus Freude am Tun.

Beim Mutter-Kind-Spiel mit älteren Geschwistern begreift das kleine Kind den Sinn des „So-tun-als-ob-Spiels“ noch nicht. So isst es zum Beispiel Sandpudding und Grassalat wirklich. Es hat nicht Freude, es ist Freude, und es ist, was es tut.

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„Spülen um des Spülens wegen“ aus Freude am Tun.

Die Handlungen des Kindes sind mit Interesse, Ernst und freudigem Eifer verbunden. Das Kind geht ganz in seinem Tun auf.
Wenn ein Kind in diesem frühen Alter durch Drill und dauerndes Appellieren an den Verstand zu bestimmten Verhaltensweisen veranlasst wird, kann seine Entdeckungs- und Spielinitiative und damit seine Fähigkeit und der Wille, sich die Welt selbständig anzueignen, verloren gehen.

Die Zeit vom etwa dritten bis zum fünften Jahr

Diese Zeit kann man auch das Fantasiealter nennen. Alle Intensität, die in der ersten Phase für das Aufrichten, Gehen, Sprechen und anfängliche Denken aufgebracht wurde, findet nun ein neues Betätigungsfeld. Es erscheinen wieder ganz neue Fähigkeiten des Kindes, wobei am auffallendsten jene sind, die es dem Kind ermöglichen, einfache, anspruchslose Dinge zu „richtigen“ Gegenständen aus seinem Lebensbereich zu machen. Eine Kastanie kann zur Seife beim Baden der Puppe, eine Eichel zur Milchflasche werden.

Im Spiel ahmt das Kind Handlungen und Erlebnisse aus dem täglichen Leben nach. Es tut dies in einer sich ständig wandelnden, Neues entdeckenden Weise und ohne von einem Zweck bestimmt zu sein. Dabei handelt es sich keineswegs um unkonzentriertes Spielen, sondern um ein vollkommenes Aufgehen in der „Verwandelbarkeit der Welt“ und ein hochgradiges inneres Engagement kindlicher Aktivität. Wir können es schöpferische Fantasie nennen.

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Das Kind hält nur eine zusammengerollte Decke im Arm. Die kindliche Fantasie macht sie zum Baby.

Die Zeit etwa vom fünften bis zum siebten Jahr

In dieser Entwicklungsphase wird das Spielverhalten des Kindes neu formiert, weil es jetzt auch fähig ist, zu planen, das heißt eine Vorstellung zu haben.
Das Spiel ist zwar weiterhin an der tätigen Erwachsenenwelt orientiert, aber bevor es tätig wird, macht sich das Kind ein Bild, eine Vorstellung von dem, was es tun möchte.

Wenn sich beispielsweise einige Kinder zu einem Mutter-Kind-Spiel zusammenfinden, haben sie eine Vorstellung davon und beraten, wer welche Funktion übernehmen soll und was sie alles für ihr Spiel brauchen. Manchmal bleiben Kinder über mehrere Tage an einem Thema und bauen an einer Spielstätte weiter (beispielsweise ein Bauernhof mit vielen Tieren), indem sie hier ergänzen, dort verwandeln. Offenbar stimmt das von ihnen zuerst Geschaffene mit ihren aus dem Inneren aufsteigenden, ständig regsamen Vorstellungsbildern nicht mehr überein und sie haben Ideen, wie es aus ihrer Sicht noch besser, geschickter, „richtiger“ gemacht werden könnte.

Die Fantasie der zweiten Phase, die das Kind übersprudelnd ständig zu neuem Tun veranlasste, tritt nun mehr und mehr in zielgerichtetem Handeln auf, da sich die Vorstellungen, die bisher im Kind „frei tanzten“, jetzt ordnen.

Zum Beispiel denken sich die Kinder jetzt gerne kleine, zusammenhängende Geschichten aus, die sie entweder mit Puppen oder selbst verkleidet (für andere) spielen. Auch beim Malen oder Formen sehen wir ihren Fantasiereichtum.

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Spielplanung: Zu Beginn seiner Spieltätigkeit hat das Kind nun bereits eine Vorstellung von dem, was es tun möchte.

Alle drei Phasen zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich das Kind bis etwa zum siebten Lebensjahr die Welt in immer neuer Weise durch tätiges Spiel erobert.

Dabei sollte der Erwachsene Wert darauf legen, dass das Kind jede dieser Phasen in der geschilderten Weise ungestört durchleben darf und nicht durch verfrühte Gedächtnisinhalte, Abstraktionen und „Gebrauchsanweisungen“ an seiner vielseitigen Entfaltung gehindert wird.

An dieser Stelle sei auch gesagt, dass Computer und Fernseher bis zur Pubertät der kindlichen Entwicklung nicht entsprechen können. Diese Erkenntnisse wurden auch von der Hirnforschung bestätigt.

An dieser Stelle möchte ich auf Bücher von Gerald Hüther, Joseph Chilton Pearce und Manfred Spitzer bzw. auf die in der Literaturliste unter dem Oberbegriff „Computer, Fernsehen & Hirnforschung“ angegebene Literatur verweisen.

Das Symbolspiel nach Jean Piaget

Der Schweizer Entwicklungspsychologe Jean Piaget betont im Zusammenhang mit der kindlichen Entwicklung des Denkens die Bedeutung des Symbolspiels.

Es erscheint im Laufe des zweiten Lebensjahres zum ersten Mal und entwickelt sich in mehreren Stufen.
Das Auftreten der Symbolbildung gilt als wichtiger Punkt in der Entwicklung des Denkens. Die Fähigkeit zur Symbolbildung ist die Voraussetzung, der Sprache eine Bedeutung zu geben.