Marianna Butenschön
Die Württembergerin
auf dem Zarenthron
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Lektorat: Jutta Unser M.A., Aachen
Gestaltung und Satz: Vollnhals Fotosatz, Neustadt a. d. Donau
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ISBN 978-3-8062-3047-5
Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:
eBook (PDF) 978-3-8062-3126-7
eBook (epub) 978-3-8062-3133-5
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Iwan A. Krylow Die Kornblume |
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„… schön wie der Tag“ |
1 |
„Dortel“ Kindheit und Jugend |
2 |
„Gute Harmonie mit Russland“ Eine unerwartete Ehe |
3 |
„Alle sind von ihr entzückt“ Großfürstin von Russland |
4 |
„… immer nur Frau und nie mehr“ Ein ideales Paar |
5 |
„Wir haben keine freie Minute“ Die Grand Tour |
6 |
„Kirschen sind meine Leidenschaft“ Drei Paläste, drei Töchter und drei Opern |
7 |
„Niemand graviert besser als Sie, liebe Tochter“ MARIA F./MAPÏЯ. P. |
8 |
„Gott weiß, dass ich um ihn zittere“ Sterbefälle, Eheschließungen, Geburten |
9 |
„Der Kaiser krönte die Kaiserin“ Auf dem Thron |
10 |
„Paulchen, Paulchen!“ Zarenmord |
11 |
„Ein Beispiel aller Tugenden“ Trauerjahre |
12 |
„Alexander, glauben Sie Ihrer Mutter“ Kampf gegen Napoleon |
13 |
„Allmächtiger, wir sind in Deiner Hand!“ Der Vaterländische Krieg |
14 |
„Unsere Zarin ist überaus umgänglich“ Nachkriegsjahre |
15 |
„Aufrecht wie ein junges Mädchen“ Schwierige Jahre |
16 |
„Im Oktober erkrankte Großmama“ Lebensende |
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„Wie geht’s meinem lieben Pawlowsk?“ Vermächtnis |
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Zeittafel |
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Glossar |
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Anmerkungen |
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Bibliografie |
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Personenverzeichnis |
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Bildnachweis |
War eine Kornblume aufgeblüht im Walde,
Dann ward sie matt und welkte hin:
Das Köpfchen neigte sich auf dem Stängel balde,
Des Todes wartet sie mit bangem Sinn.
Sie raunt dem ZephirI zu, der sie umschwebte:
»O bräche doch der Tod bald an!
Die Sonne ergösse ihr holdes Licht alsdann,
Vielleicht, dass sie auch mich belebte.«
»Das ist einfältig, meine Liebe«,
Summt ihr ein Käfer zu, der in der Nähe kreist,
»Als ob der Sonne nur die Sorge bliebe,
Wie du gedeihst.
Glaub mir, sie hat für dich nicht Zeit noch Lust.
Flögst du herum, wie ich, in weiter Welt,
So wäre dir bewusst,
Dass Wiese, Saatenfeld
Sie wohl in ihrer Pflege hält;
Sie nährt durch ihren warmen Hauch
Die Zedern und die Rieseneichen,
Sie schmückt mit reichen Farben auch
Gar manche Blume:
Doch du kannst dich ja nicht vergleichen
Mit solchem Ruhme.
Denn jene Blumen sind so schön,
Dass es selbst KronosII schmerzt, sie abzumähen.
Du aber hast nicht Duft noch Pracht,
Es hat die Sonne dein nicht Acht,
Du quälst sie fruchtlos mit Gestöhn,
Dein Los ist schweigen und vergehn.«
Jetzt stieg die Sonne empor, belebte die Natur,
Goss ihre Strahlen aus auf Wald und Flur
Und spendete dem armen Blümchen auch
Erquickend neuen Lebenshauch.
Ihr, denen das Geschick erhabnen Platz verlieh,
Verschmäht nicht die Allegorie,
Lasst euch die Sonne Vorbild sein.
Seht hin, ihr Strahlenschein,
Wohin er dringe,
Bringt Heil, der Zeder wie dem Halm,
Kein Wesen ist ihr zu geringe.
Darum auch tönt ihr laut des Dankes Psalm
Und lebt ihr Bild in allen Herzen
Hell, wie sich spiegeln im Kristall die Kerzen.
PAWLOWSK 1823III
I Zephyr (Zephyros, Zephyrus, „der vom Berge Kommende“): Windgottheit der griechischen Mythologie, verkörpert den Westwind
II Kronos: griechischer Erntegott, der Reifer und Vollender
III Die Fabel schrieb Krylow zum Dank für die Pflege, die Maria Fjodorowna ihm nach einem Schlaganfall zuteil werden ließ. Er ist die Blume, sie die Sonne (vgl. S. 320).
Sie begegnet uns gleich auf den ersten Seiten von Krieg und Frieden, die „hohe Gönnerin“ der Hofdame Anna PawlownaI Scherer, in deren Petersburger Salon die Handlung des Romans im Juni 1805 beginnt: Maria Fjodorowna, die Kaiserinmutter. Das bedeutet jedoch nicht, dass „l’impératrice-mère“II im weiteren Verlauf des Romans eine tragende Rolle spielt, und eigentlich führt Tolstoj sie nur ein, um die hohe Stellung zu unterstreichen, die Anna Pawlowna als Vertraute Ihrer Majestät in der Petersburger Gesellschaft inne hat. Der Leser erfährt aber, dass die Kaiserinmutter unangefochtene Autorität genießt und Einfluss auf wichtige Personalentscheidungen nimmt.
Tatsächlich hat Maria Fjodorowna am Hofe Alexanders I., ihres ältesten Sohnes, eine herausragende Rolle gespielt. Bei allen öffentlichen Anlässen trat sie an seiner Seite auf und verwies ihre Schwiegertochter Elisabeth, die regierende Kaiserin, auf den zweiten Platz, ein oft beschriebenes Unikum in der Geschichte der europäischen Monarchien. Sie dominierte das Hofleben, und alle prominenten Besucher, die im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts nach St. Petersburg kamen, mussten auch ihr vorgestellt werden. Die Kaiserinmutter war eine erbitterte Gegnerin Napoleons, der sie seinerseits seine „ärgste Feindin“ nannte.
Maria Fjodorowna, geborene Sophie Dorothea Auguste Luise von Württemberg, die als Sechzehnjährige unter tätiger Mithilfe Friedrichs II. von Preußen nach St. Petersburg verheiratet wurde, hatte das Pech, die Schwiegertochter Katharinas der Großen und die Frau Pauls I. zu sein. Katharina II., die ihren Mann, den Kaiser Peter III., im Sommer 1762 abgesetzt hatte, liebte ihren Sohn nicht, und Paul hasste seine Mutter. Er hielt sie für mitschuldig am Tod seines Vaters, der kurz nach seinem Thronverzicht von einem ihrer Günstlinge ermordet worden war, und seine bloße Existenz erinnerte sie ständig daran, dass er der rechtmäßige Thronerbe und sie eine Usurpatorin war.
Obwohl Paul Petrowitsch, der seit seinem 8. Lebensjahr den Titel eines General-Admirals der russischen Flotte trug, entsprechend auf sein hohes Amt vorbereitet worden war und als gebildet und vielseitig interessiert galt, hielt Katharina ihn auch nach Eintritt der Volljährigkeit auf erniedrigende Weise von den Regierungsgeschäften fern. Das hatte Folgen für seinen Gemütszustand: Der Thronfolger, ein Mann mit ausgeprägt ritterlich-romantischen Zügen, dem die Zeitgenossen auch eine heitere Art, Charme und ausgesuchte Manieren, Edelmut und Güte bescheinigten, war zugleich launisch und unausgeglichen, sprunghaft und jähzornig, hochmütig und uneinsichtig, ein Mann also, in dem sich vernünftige Urteile und Handlungen auf bizarre Weise mit willkürlichen Entschlüssen und sinnlosen Entscheidungen mischten. Von früher Jugend an litt er unter Angst, mit zunehmendem Alter unter Verfolgungswahn. Das komplizierte Mutter-Sohn-Verhältnis war an den europäischen Höfen bekannt, Paul galt als russischer Hamlet.
Davon wusste die junge Sophie Dorothea vermutlich nichts, als sie im Mai 1776 erfuhr, wen sie heiraten sollte. Die russische Heirat war die beste Partie, die eine kleine Prinzessin aus einem der vielen deutschen Fürstenhäuser machen konnte, und wahrscheinlich haben alle anderen Prinzessinnen im heiratsfähigen Alter, die außer ihr für diese Ehe in Frage gekommen wären, sie beneidet. Sophie Dorothea konnte sich glücklich schätzen. Eines Tages würde sie Kaiserin jenes fernen Riesenreiches sein, in das schon so viele ihrer Landsleute ausgewandert waren, und in dieser prächtigen neuen Hauptstadt leben, die in den Zeitungen als „russisches Amsterdam“ und „nördliches Venedig“ bezeichnet wurde. Vor ihr lag eine glanzvolle Zukunft, und auch ihre Familie würde von ihrer Standeserhöhung profitieren.
Anders als ihr künftiger Gatte, der Zesarewitsch, war die Prinzessin behütet und umsorgt im Kreise einer intakten Großfamilie aufgewachsen und relativ bescheiden, sittenstreng und naturverbunden erzogen worden. Sie war ein großes Mädchen mit blauen Augen und prachtvollem blondem Haar. In der Familie wurde sie „Dortel“ gerufen. Im Französischen klingt das wie „d’or tel“, also „golden“ oder „aus Gold“. Und das war sie: ein Goldmädchen, ein gutes Kind im wahrsten Sinne des Wortes, fröhlicher Mittelpunkt der kleinen, französisch geprägten Hofgesellschaft von Mömpelgard (Montbéliard), jener linksrheinisch gelegenen Grafschaft südlich der Vogesen, die seit Jahrhunderten zum Herzogtum Württemberg gehörte und im Oktober 1793 an Frankreich fiel.
Als Dortel herangewachsen war, galt sie als gute Partie, nicht, weil sie reich war, sondern weil sich an den Höfen Europas herumgesprochen hatte, dass sie nicht nur liebenswürdig, gebildet und vielseitig interessiert war, sondern auch ausnehmend hübsch. Glaubt man den viel gelesenen Memoiren der Baronin d’Oberkirch, ihrer besten Freundin aus Kinder- und Jugendtagen, so war sie „schön wie der Tag, groß für eine Frau, geschaffen, um gemalt zu werden“. Ihr Glück habe Dortel darin gesehen, Gutes zu tun und den Menschen, die sie „ehrlich liebt, Freundschaft zu inspirieren“. Diese Eigenschaft hat sich die Prinzessin offenbar bewahrt, denn die häufigsten Beinamen, die die Zeitgenossen ihr später gaben, waren: die „gute Kaiserin“, „Mutter der Armen“ und sogar „Mutter des Vaterlandes“.
Welten lagen zwischen dem einfachen Hofleben von Mömpelgard, wo das Geld stets knapp war und jeder jeden kannte, und dem luxuriösen Lotterleben am Hofe Katharinas II., an dem jeder gegen jeden intrigierte und berühmte Besucher und Diplomaten sich ein Stelldichein gaben, die oft genug auch begabte Intriganten und Heuchler waren. Insofern konnte sich die junge Frau, die seit dem Konfessionswechsel Maria Fjodorowna hieß, sogar glücklich schätzen, dass sie die ersten zwanzig (Lehr-)Jahre an der Seite ihres Mannes überwiegend fern vom Großen Hof in den großfürstlichen Residenzen Pawlowsk und Gattschina außerhalb von St. Petersburg verbringen musste. Ihre Hauptaufgabe war, den Fortbestand der Dynastie Romanow-Holstein-Gottorp zu sichern. Eine andere Aufgabe hatte Katharina die Große für ihre Schwiegertochter nicht vorgesehen, und in dieser Hinsicht hat Maria ihr Soll erfüllt: Sie bekam vier Söhne und sechs Töchter. „Bravo, gnädige Frau, Sie sind eine Meisterin im Kinderkriegen“, schreibt Katharina der „lieben Tochter“ mit der ihr eigenen Ironie einmal Ende der 1780er-Jahre, nachdem sie zum sechsten Mal Großmutter geworden war, „entschuldigen Sie diesen Überschwang, aber das ist wahr.“ Sie mochte die „liebe Tochter“ nicht sonderlich.
Das ländlich geprägte Leben in Pawlowsk und Gattschina entsprach Marias Naturell vollkommen. Intrigen und Machtkämpfe lagen ihr fern, Kunst und Literatur, Theater und Musik, Botanik und Gartenbau haben sie zeit ihres Lebens wesentlich mehr interessiert. Denn Maria war eine künstlerisch hochbegabte Frau und erreichte insbesondere als Stein- und Stempelschneiderin eine solche Fertigkeit, dass ihre Porträtkameen und Medaillen in die Kaiserliche Ermitage aufgenommen wurden. Das Schlosspark-Ensemble Pawlowsk, eines der herausragenden Denkmäler der russischen Kultur des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, ist ihr „Kind“, das sie ihr Leben lang hegte und pflegte.
Paul Petrowitsch kam erst am 17. November 1796 im Alter von 42 Jahren auf den Thron. Sechs Tage später übertrug er seiner Frau die Aufsicht über die „Erziehungsgesellschaft adliger Mädchen“ im Smolnyj Kloster. Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Frauenbildung in Russland. Am 13. Mai 1797 unterstellte Paul I. seiner Frau ferner die beiden großen Findelhäuser in Moskau und St. Petersburg. Das war der Anfang, Maria hatte ihre Berufung gefunden. Die rastlose karitative und bildungspolitische Tätigkeit, die sie nun entfaltete, ging weit über das hinaus, was Fürstinnen normalerweise in diesen Bereichen leisteten. Ihr unermüdlicher Einsatz war ein Segen für Russland und ein Vorbild für Europa. Modern gesprochen war Maria Fjodorowna von dem Augenblick an, in dem sie die Aufsicht über die genannten Erziehungs- und Wohltätigkeitseinrichtungen übernahm, Russlands erste „Sozialministerin“, eine „Managerin“ auf dem Zarenthron, an die keine ihrer Nachfolgerinnen heranreichte. Maria Fjodorowna hat das Wort „Wohltätigkeit“ in Russland im wahrsten Sinne des Wortes salonfähig gemacht. Als Gründerin der ersten Gehörlosenschule in Pawlowsk (1806) ist sie auch als Pionierin der Behindertenbildung in Russland anzusehen.
Die von ihr beaufsichtigten und gegründeten Findelhäuser, Stifte, Schulen, Sonderschulen, Witwenheime, Hospize und Krankenhäuser, die sie einmal die „verschiedenen Gouvernements meines Reiches“ nannte, bildeten ab 1854 das „Ressort der Einrichtungen der Kaiserin Maria“, das weiter wuchs und gegen Ende der Monarchie knapp 1200 Bildungs- und Wohlfahrtsanstalten umfasste, in denen mehr als 700.000 Kinder und Erwachsene beiderlei Geschlechts unterrichtet und betreut wurden. Einige dieser Einrichtungen gibt es heute noch, darunter das Marienkrankenhaus und die Internatsschule Nr. 1 für Gehörlose in St. Petersburg und die Internatsschule für Waisen und Kinder aus sozial benachteiligten Familien in Gattschina. Die Pädagogische Herzen-Universität, die sich auf das Findelhaus an der Mojka 48 zurückführt, hat ihre Bibliothek zu Beginn des neuen Jahrtausends nach Maria Fjodorowna benannt.
Ihre Ehe war an die zwanzig Jahre einigen Krisen zum Trotz recht gut gewesen, doch Ende der 1790er-Jahre hatte sich Paul – offenbar genervt von der permanenten Fürsorge seiner Frau – von ihr abgewandt. Die Folgen waren fatal, wie Dmitrij F. Kobeko, Pauls erster Biograf, hervorhebt: „Die Tätigkeit Marias auf dem Felde der Aufklärung und des Wohlthuns ist hinreichend bekannt; weniger bekannt aber ist ihr rettender und beruhigender Einfluss auf ihren Gemahl. Solange dieser Einfluss währte, hielt er die Ausbrüche von Reizbarkeit und Zorn des Kaisers zurück; als aber, in der Hälfte seiner Regierung (Herbst 1798), dieser Einfluss schwächer wurde, erfolgte im Charakter der Politik und Handlungsweise Pauls ein entschiedener, verderblicher Umschwung.“ Sein Verhalten war nicht mehr normal, und selbst Maria hatte nun Angst vor ihm. In der Nacht vom 23. auf den 24. März 1801 fiel Paul I. einem Mordkomplott zum Opfer.
Der Hauptgrund für Pauls Ermordung war – außer seiner gefährlichen Unberechenbarkeit und seinem repressiven Regierungsstil – sein Versuch, die Privilegien des Adels zu beschneiden. Aber auch die Einführung preußischer Uniformen, preußischen Drills und preußischer Disziplin in Garde und Armee hatte ihn unbeliebt und verhasst gemacht. Einerseits ausgestattet mit unbeschränkter Macht, andererseits erfüllt von panischer Angst um sein Leben, war Paul I. eine tragische Gestalt auch insofern, als er glaubte, die Gefahr gehe von seiner Frau und seinem ältesten Sohn aus.
Aber wollte sich Maria in den Stunden nach Pauls Tod tatsächlich des Thrones bemächtigen und selbst herrschen, wie die Verschwörer behaupteten? Die Tragödie dieses exzentrischen Herrschers, den Alexander S. Puschkin „unseren romantischen Kaiser“ und Napoleon einen „Don Quijote“ nannten, war auch die Tragödie seiner Frau, sein tragisches Ende ein traumatisches Erlebnis, das sie nie bewältigt hat. Maria war 41 Jahre alt, als sie Witwe wurde.
Andererseits begann nun erst ihre große Zeit. Als Großfürstin und Kaiserin war sie stets im Hintergrund geblieben, als Kaiserinmutter spielte sie die Rolle ihres Lebens. Sie war eine Gegnerin der liberalen Reformansätze Alexanders I. und hat ihren Einfluss auf den weichen und wankelmütigen Sohn wohl zu nutzen gewusst. Die Dichter- und Künstlertreffen, die Maria in Pawlowsk veranstaltete, sind in die russische Literatur- und Kulturgeschichte eingegangen. Ihrem Einfluss hatte Puschkin zu verdanken, dass er im Frühjahr 1820 wegen seiner Freiheitsgedichte nicht auf die Solowki-Inseln im Weißen Meer oder gar nach Sibirien verbannt wurde, sondern „nur“ nach Odessa.
Kritische Urteile über die „gute Kaiserin“ sind, wie nicht anders zu erwarten, zu ihren Lebzeiten nicht öffentlich geworden. Vor dem gewaltigen Arbeitspensum der Monarchin und ihrer imposanten Haltung traten negative Züge in den Hintergrund. Selbst Goethe konnte sich dem Eindruck von Energie und Tatkraft, den diese Frau noch als knapp Sechzigjährige vermittelte, nicht entziehen. „Ihro Majestät der Kaiserin hatte ich einigemal im besonderen aufzuwarten das Glück und bin über die zweifache Gesundheit des Leibes und der Seele dieser hohen Dame erstaunt“, gesteht er seinem Freund Karl Ludwig von Knebel kurz nach Marias Besuch in Weimar im Dezember 1818.
In jedem ihrer Institute wurden unter ihrer Aufsicht drei Generationen beiderlei Geschlechts erzogen, vor allem aber Tausende junger Frauen, denen eine Vorbildfunktion in der russischen Gesellschaft zufiel. Und es war dieser Aspekt ihrer Arbeit, der Alexander Puschkin bewog, der „Unvergessenen“ ein literarisches Denkmal zu setzen. „In der Geschichte gibt es keine Persönlichkeit, die man in jeder Beziehung mit der verstorbenen Kaiserin vergleichen könnte“, schreibt er 1836 in der ersten Ausgabe seiner Zeitschrift Sowremennik (Der Zeitgenosse). „Und so wird man diesen geheiligten Namen wieder mit Tränen der Rührung grüßen, an den stillen heimischen Herden ebenso wie während fröhlicher Feiern, diesen Namen, der bei uns seit 40 Jahren Gewähr für die sittliche Reinheit und außergewöhnliche Kultiviertheit des schönen Geschlechts ist […] In Ihre unmittelbare Zuständigkeit nahm Sie nur den Teil der Leitung, der nicht kaltes Administrieren, sondern herzliche Anteilnahme und zarteste Fürsorge erforderte, in dem alles von Engelsgeduld abhing: unter drei Herrschern war Sie nur Wohlfahrtsministerin.“ Der Beitrag „Kaiserin Maria“ erschien zum 40. Jahrestag der Übernahme dieses „Amtes“ am 23. November 1796.
Doch wie aus der umfangreichen Memoirenliteratur und der später veröffentlichten Korrespondenz hofnaher Kreise hervorgeht, war die „hohe Dame“ durchaus nicht fehlerfrei. Allerdings beziehen sich kritische Äußerungen vor allem auf die zweite Lebenshälfte Marias, in der sie nach Jahrzehnten der Demut und der Anpassung tatsächlich betont selbstbewusst auftrat. Ihre Briefe an Alexander I. weisen sie als Patriarchin aus, die auch politisch mitreden wollte. Darunter litt wiederum die Harmonie in der Familie. So beobachtete Ludwig von Wolzogen, der ehemalige Erzieher ihres Lieblingsneffen Eugen von Württemberg, der im Oktober 1807 in russische Dienste getreten war und „öfters nach ihrem vier Meilen von der Hauptstadt entfernten Lustschlosse Pawlowsk eingeladen und stets gnädig empfangen“ wurde, dass die Kaiserinmutter sich „gern in Dinge mischte“, die der Kaiser für sich behalten wollte. „Aeußerlich zeigte sich der Kaiser jedoch stets außerordentlich respektvoll gegen seine Mutter, welche wirklich sehr viel gute Eigenschaften hatte und namentlich ausnehmend wohlthätig und theilnehmend, dabei aber freilich auch herrschsüchtig, stolz und eitel war, und, obwohl sie gerne die Kaiserin Katharine copiren wollte, bei weitem nicht den Verstand und die glänzenden Mittel dieser großen Frau hatte.“ Eugen selbst pries die Tante als „Muster von Edelsinn“, unterstrich ihren „großen Eifer für das Gute und Gerechte“ und schrieb ihr eine „immer bis zur Selbstverleugnung gesteigerte Tugend“ zu, sprach sie aber „durchaus nicht frei von einer Menge weiblicher Schwächen und Vorurteile …“
Als Charlotte von Preußen im Juni 1817 nach St. Petersburg aufbrach, um den Großfürsten Nikolaus Pawlowitsch, Marias zweitjüngsten Sohn, zu heiraten, hatte man am Berliner Hof „keinen sehr gemütlichen Begriff von den dortigen Familienverhältnissen“ und kannte „nur den herrschsüchtigen Charakter der Kaiserin-Mutter, die es liebte, ihre Familie so viel wie möglich in Abhängigkeit zu erhalten“ (Karoline von Rochow). Nichts fürchtete die junge Charlotte so sehr wie die erste Begegnung mit der künftigen Schwiegermutter, die sich dann jedoch als ausgesprochen liebenswürdig erweisen sollte und ihre preußische Schwiegertochter geradezu hätschelte. Hingegen wissen wir aus den Briefen der Kaiserin Elisabeth an ihre Mutter, die Markgräfin von Baden, dass Maria auch garstig und taktlos sein, Fassung und Haltung verlieren und hysterisch reagieren konnte. Alexander I. nannte seine Mutter „indiskret“, Nikolaus I. fand ihren Charakter „gusseisern“, und beide Kaiser hatten Mühe, sich ihrer Bevormundung zu entziehen.
Im Zuge des wiedererwachten Interesses der Russen an der vorrevolutionären Geschichte ihres Landes ist auch die Regierungszeit Pauls I. einer Revision unterzogen worden, und die Urteile über den „armen Paul“ fallen nun milder aus. Russland verdankt ihm ein auch von Maria unterzeichnetes Thronfolgegesetz, das nach den Palastrevolutionen und der „Weiberherrschaft“ des 18. Jahrhunderts die männliche Primogenitur wieder einführte, und die fantastische Idee, Kriege durch Turniere ihrer Initiatoren zu beenden – als lebte die Welt noch im Mittelalter. Die Leser der einflussreichen Staatsund Gelehrten Zeitung des Hamburgischen Unpartheyischen Correspondenten und der französischsprachigen Gazette de Hambourg dürften am 16. Januar 1801 jedenfalls nicht schlecht gestaunt haben, als sie lasen, „Se. Majestät, der Kayser“ wünsche, den Krieg, der seit der Französischen Revolution in Europa wütete, durch ein Turnier zu beenden. Zu diesem Zweck gedenke er, „alle die andern Potentaten“ einzuladen, „um mit ihnen in geschlossenen Schranken zu kämpfen, zu welchem Behuf sie ihre aufgeklärtesten Minister und geschicktesten Generale als Knappen, Kampfrichter und Herolde mit sich bringen sollen […]“ Die sensationelle kleine Meldung hatte der Schriftsteller August von Kotzebue, Direktor des Deutschen Theaters in St. Petersburg, den Hamburger Redaktionen übermittelt, und wie Kotzebue schreibt, hatte Paul den Text selbst verfasst, wohl wissend, dass er in Europa nicht ernst genommen wurde. Keiner der „andern Potentaten“ reagierte auf die originelle Einladung, schien sie doch die „Verrücktheit“ des Kaisers zu belegen …
Auch die „gute Kaiserin“ erlebt seit den 1990er-Jahren ein bemerkenswertes Comeback. Im Mittelpunkt des Interesses steht – neben Pawlowsk – ihre Wohltätigkeit, an der es im modernen Russland mangelt. Puschkins Beitrag aus dem Sowremennik, der in den sowjetischen Puschkin-Ausgaben fehlte, weil eine wohltätige Kaiserin nicht in das Bild passte, das sowjetische Historiker von der zaristischen Vergangenheit Russlands zeichneten, wird nun gern zitiert. Für herausragende Wohltätigkeit wird seit ein paar Jahren der Orden „Kaiserin Maria Fjodorowna“ verliehen, der wohl an das „Marien-Abzeichen“ anknüpfen soll, das Nikolaus I. zur Erinnerung an seine Mutter stiftete.
Die Begabung Marias als Zeichnerin, Malerin, Stein- und Stempelschneiderin hat zuerst die Königlich Preußische Akademie der Künste in Berlin gewürdigt, indem sie die kaiserliche „Medailleurin“ im Dezember 1818 als Mitglied aufnahm und gleichzeitig als Ehrenmitglied berief. Damit war sie öffentlich über den Rang einer Dilettantin hinausgehoben. Wenige Jahre nach ihrem Tod wurde die „kunstfertige Fürstin“ in Naglers Neues allgemeines Künstler-Lexikon aufgenommen. Heute werden ihre Arbeiten – Aquarelle, Gemälde, Zeichnungen, geschnittene Steine, Medaillen, Stickereien, Lampen, Kaminschirme, Kirchengerät u.a. – die in der Sowjetzeit ihren Lehrern zugeschrieben wurden, vor allem in den Museen von Pawlowsk und Gattschina, aber auch in der Ermitage, im Russischen Museum und in den Museen des Moskauer Kreml gezeigt, und gelegentlich gelangt ein Stück in den Handel.
In jüngster Zeit haben Russen und Deutsche auch durch große Ausstellungen an die gekrönte Künstlerin erinnert, darunter Krieg und Frieden. Eine deutsche Zarin in Schloss Pawlowsk, München 2001, und Das Vermächtnis der Kaiserin, Pawlowsk 2009. Die „Pawlowsker Lesungen“, wissenschaftliche Konferenzen, die auch immer Maria Fjodorowna gelten, sind wohlbekannte Ereignisse in der russischen Museumswelt.
Ein authentisches Urteil über diese Herrscherin ist gleichwohl nicht einfach, zumal die Ansichten über sie sehr gegensätzlich waren. Zwar kann sie nach ihrer Wohltätigkeit und nach ihrem künstlerischen Schaffen beurteilt werden. Doch Selbstzeugnisse, die Aufschluss über ihre intimen Gefühle und Empfindungen geben könnten, stehen kaum zur Verfügung. Aus Gründen, über die man nur rätseln kann, hat Maria testamentarisch verfügt, ihre Tagebücher und einen großen Teil ihrer außergewöhnlich umfangreichen privaten Korrespondenz ungelesen zu verbrennen. Der offizielle Briefwechsel der Kaiserin ist weitgehend formalisiert und nur bei der Faktensuche hilfreich. Da die russische Post auch die Korrespondenz der kaiserlichen Familie perlustrierte, handeln die privaten Briefe überwiegend von der Gesundheit, vom Wetter und von der Verwandtschaft. Nur wenn es gelang, Briefe mit einem Vertrauten oder einem Kurier zu schicken, konnte Maria offen sein, bat die Adressaten dann aber häufig, ihre Briefe zu verbrennen. Manche Fragen zur Biografie dieser Frau müssen daher unbeantwortet bleiben, ein Umstand, den schon Puschkin, der auch Historiker war, beklagte.
Immerhin lässt sich aus den erhaltenen Quellen herausfiltern, dass Maria ihr Leben lang früh aufstand, im Sommer um sechs, im Winter um sieben Uhr, und sich jeden Morgen mit kaltem Wasser übergoss, dass sie stark kurzsichtig war und mit Ende 30 unter Hämorrhoiden litt (gegen die sie Gurkensaft mit Essig trank), dass sie Blumen, besonders Rosen, über alles liebte und gern im Garten arbeitete, dass sie stets ein enganliegendes Korsett trug und immer der neuesten Mode folgte, dabei helle lebensfrohe Farbtöne bevorzugte, dass sie sehr musikalisch war, Sonaten und Opern mochte, ziemlich gut Cembalo und auch Harfe spielte, aber ungern tanzte, dass sie „wie ein Mann“ (also im Herrensitz) ritt und gelegentlich auf Hasenjagd ging, dass sie mit einem Gewehr umzugehen verstand und dass sie ungewöhnlich belesen war. Auf der Grand Tour, die sie 1781/1782 mit ihrem Mann durch Westeuropa unternahm, hat sie bei einem Halt in Graz einmal Auszüge aus Plinius’ des Jüngeren Lobrede auf den Kaiser Trajan so ausdrucksvoll auf Lateinisch vorgelesen, dass es den anwesenden Österreichern die Sprache verschlug. Von Augusta von Preußen wissen wir, dass ihre „Großmama“ am liebsten Kaffee mit „ein wenig Muskatblüte“ trank, von einem Generaladjutanten ihres ältesten Sohnes, dass sie geradezu süchtig nach Parmesankäse war. Sie aß gern Kirschen und bevorzugte russisches Schwarzbrot. Auch in ihrer Familie achtete sie peinlichst auf Einhaltung der Etikette, und sie liebte große Zeremonien. Wenn im Winter der Schnee länger als eine Woche lag, wurde sie depressiv. Wohl war sie mit der Zeit eine gute Orthodoxe geworden, doch wie sie in ihrem Testament schreibt, las sie jeden Abend in ihrer deutschen Bibel. Sie neigte dazu, Träume und Vorahnungen ernst zu nehmen.
Bis zu ihrem Tod 1828 behielt Maria Fjodorowna in allen Familienangelegenheiten, insbesondere aber bei der Verehelichung ihrer Söhne, Töchter und auch mancher Enkel das letzte Wort. Sie war die Stammmutter der großen Romanow-Familie des 19. Jahrhunderts, infolge dieser Ehen aber auch Schwiegermutter, Großmutter und Tante vieler europäischer Fürsten und Fürstinnen, sodass die günstige Verheiratung ihrer Kinder als ihre Art, Politik zu machen und Russland an Europa zu binden, bezeichnet werden kann. Wohl war sie nicht als württembergische Prinzessin nach St. Petersburg verheiratet worden, sondern als Großnichte des Preußenkönigs, doch ihre Familie profitierte enorm von dieser Heirat: Vier Brüder, darunter Herzog Alexander, der Stammvater des heutigen Hauses Württemberg, und mehrere Neffen, darunter der schriftstellernde Eugen, traten in russische Dienste und bekleideten hohe Stellungen.
Die Ehe der Prinzessin Sophie Dorothea mit Großfürst Paul Petrowitsch war die erste von fünf Verbindungen in vier aufeinander folgenden Generationen, die das Haus Romanow mit dem Haus Württemberg einging. Ihre Tochter Katharina Pawlowna wurde 1816 Königin von Württemberg, und ihren Sohn Michael Pawlowitsch verheiratete sie 1824 mit ihrer Nichte Friederike Charlotte von Württemberg, die als Großfürstin Jelena Pawlowna beträchtlichen Einfluss auf die Reformpolitik Alexanders II. nahm. Ihre Enkelin Olga Nikolajewna heiratete 1846 den Kronprinzen Karl und wurde 1862 Königin von Württemberg, und ihre Urenkelin Wera Konstantinowna, die von Olga und Karl adoptiert wurde, ehelichte 1874 den Herzog Eugen von Württemberg.
Kaiserin Maria war das große Vorbild dieser Fürstinnen. Auch sie haben sich um die öffentliche Fürsorge in ihrer neuen Heimat verdient gemacht und hohes Ansehen erworben. An das soziale Engagement Katharinas, Olgas und Weras erinnern zahlreiche von ihnen gegründete und teilweise auch nach ihnen benannte Einrichtungen in Baden-Württemberg, darunter das Katharinenhospital („KH“), das Königin-Katharina-Stift und das Kinderkrankenhaus Olgahospital („Olgäle“) in Stuttgart, die Weraheime für Mutter und Kind in Stuttgart und Hebsack sowie die Heilandskirche im Stuttgarter Osten. Hingegen ist das Andenken an die Kaiserin in ihrer Heimat fast erloschen. Sie hat sie wohl zu früh verlassen und zu selten besucht, und längst ist vergessen, dass die Marienstraße in Stuttgart, ehemals die Leimen-Gruben, schon seit 1811 ihren Namen trägt.
In der russischen Memoirenliteratur wird Maria Fjodorowna bisweilen vorgeworfen, zu viele Deutsche an den Petersburger Hof geholt zu haben, und überhaupt sei sie „eine Deutsche bis in die Knochen“ gewesen (Nikolaj I. Gretsch). Sie habe Russisch mit starkem deutschem Akzent gesprochen und es nicht richtig schreiben können. Doch auch ohne perfekte Russischkenntnisse war die Württembergerin auf dem Zarenthron eine der bedeutendsten Herrscherinnen des Hauses Romanow und mit Sicherheit Russlands fleißigste und sparsamste Kaiserin.
I In Russland gehört der Vatersname zum Namen: Anna Pawlowna = Anna, Tochter Pawels (Pauls); Maria Fjodorowna = Maria, Tochter Fjodors (Kaiserin Maria erhielt den Vatersnamen jedoch zu Ehren der wundertätigen Ikone „Fjodorowskaja“); Paul Petrowitsch = Paul, Sohn Peters
II Kaiserinmutter, französisch in der Urfassung und in der deutschen Übersetzung
Anmerkung: Aus Gründen der Verständlichkeit werden alle russischen Namen und Begriffe im Fließtext phonetisch transkribiert; die Daten folgen dem Gregorianischen Kalender bzw. Kalender neuen Stils, der erst im Februar 1918 in Russland eingeführt wurde. Bis dahin galt der Julianische Kalender bzw. Kalender alten Stils, der im 18. Jahrhundert elf Tage und im 19. Jahrhundert zwölf Tage hinter dem Gregorianischen zurück war. Nur in den russischen Quellenangaben bleiben hier die Daten alten Stils erhalten.
Stettin – Friedrich Eugen und Friederike Dorothea von Württemberg – Treptow an der Rega – Friedrich von Maucler – Johann Georg Schlosser – Katharina II. auf Brautschau – Achatz von der Asseburg – Mömpelgard – Henriette Louise de Waldner – Charakterisierung Dortels (1775) – Étupes – erste Ehe Pauls – Familienleben – Interesse an Russland – Verlobung mit Ludwig von Hessen-Darmstadt – Post von Friedrich II.
1759–1776
Sophie Dorothea Auguste Luise war die älteste Tochter des Herzogs Friedrich Eugen von Württemberg und der Prinzessin Friederike Sophie Dorothea von Brandenburg-Schwedt, einer Nichte Friedrichs des Großen. Sie wurde am 25. Oktober 1759, mitten im Siebenjährigen Krieg, in Stettin geboren – genau dreißig Jahre nachdem dort schon einmal eine Prinzessin Sophie zur Welt gekommen war, die nach Russland geheiratet hatte: Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst, genannt „Fike“, die spätere Kaiserin Katharina II. und erste „Stettiner Zarin“.
Von Katharina persönlich wissen wir, dass sie „in Greifenheims Haus auf dem Marien-Kirchhof“ in der späteren Großen Domstraße geboren und im „linken Flügel des Schlosses“ erzogen wurde. Ihr Vater, Fürst Christian August, war preußischer Generalmajor und Stadtkommandant von Stettin, und das Schloss der pommerschen Herzöge, in dem die Prinzessin „drei gewölbte Stuben neben der Kirche innehatte“, war sein Amtssitz.1 Im Herbst 1742 war die fürstliche Familie nach Zerbst gezogen.
Hingegen stand die Wiege der zweiten „Stettiner Zarin“ ein paar hundert Meter weiter im Grumbkow’schen Palais am Rossmarkt, der zu den vornehmsten Adressen der alten Hansestadt zählte. Das Palais mit seiner prächtigen Fassade, das größte Gebäude am Platz, war nach Philipp Otto von Grumbkow benannt, dem ersten Oberpräsidenten der erst 1720 aus schwedischem in preußischen Besitz übergegangenen Provinz Pommern.
Doch wie kam die herzogliche Familie aus dem fernen Südwesten Deutschlands nach Hinterpommern? Wie Christian August von Anhalt-Zerbst, der in preußische Dienste getreten war, weil er ein Fürst ohne Land war, musste sich auch Friedrich Eugen, der dritte Sohn des Herzogs Karl Alexander von Württemberg, bei fremden Herren verdingen. Von seiner Apanage in Höhe von 10.000 Gulden konnte er in Württemberg jedenfalls nicht standesgemäß leben. Sein Vater hatte ihn zunächst für die geistliche Laufbahn vorgesehen, und als 18-Jähriger hatte er auch schon die Tonsur empfangen und ein Kanonikat zunächst in Salzburg, später in Konstanz erhalten.
Aber dann hatte sich der junge Mann doch für die Offizierslaufbahn entschieden und war im Sommer 1749 als Oberst der Reiterei in den Dienst Friedrichs II. getreten, an dessen Hof er und seine Brüder erzogen worden waren. Anfang 1750 ernannte der König ihn zum Chef des Dragonerregiments „Alt-Württemberg“, das seine Mutter, die Herzoginwitwe Maria Auguste, ein paar Jahre zuvor Preußen „überlassen“, d.h. an Preußen verkauft hatte. Das Regiment, das fortan den Namen „Herzog von Württemberg“ trug, stand seit 1749 in Hinterpommern, Stab und Leibschwadron waren in Treptow an der Rega, die anderen vier Schwadronen in der Umgebung stationiert. Am 1. Mai 1750 hatte Friedrich Eugen, ein Mann von „lebhaftem und ungeduldigem Naturell“, den Dienst in Treptow angetreten.2
Die Ehe mit der Nichte Friedrichs II. hatte seine Mutter betrieben, aber auch dem preußischen König lag an dieser Verbindung, weil er in der drohenden Auseinandersetzung mit Österreich ein ihm wohlgesonnenes Württemberg brauchte. Im April 1753 übertrug der König dem Herzog durch Kabinettsorder das Treptower Schloss zur Nutzung auf Lebenszeit. Die Hochzeit mit Friederike Sophie Dorothea, die in der Schwedter Kleinresidenz ihres Vaters und am Berliner Hof aufgewachsen war, fand am 29. November 1753 in Schwedt statt. Im Ehevertrag hatte Friedrich Eugen zugestanden, dass seine Kinder evangelisch-lutherisch erzogen wurden. Daraufhin hatten die württembergischen Landstände ihm eine zusätzliche jährliche Unterstützung bewilligt, so dass er nun über 43.500 Gulden Apanage verfügte, während das Wittum für seine Frau auf 18.000 Gulden erhöht wurde. Von der Apanage und den Zinsen aus der großzügigen Mitgift seiner Frau, die von ihrem Onkel 36.000 Reichstaler erhalten hatte, konnte Friedrich Eugen nun in Treptow standesgemäß Hof halten.3
Zum Zeitpunkt der Eheschließung war das Schloss zwar bewohnbar, jedoch für ein fürstliches Familienleben nicht geeignet, so dass Friedrich Eugen es unter beträchtlichen Kosten renovieren lassen musste. Um die Inneneinrichtung kümmerte sich die 17jährige Schlossherrin persönlich. Sie war eine gesellschaftlich anspruchsvolle, geistig interessierte junge Frau, besaß aber auch haushälterische Fähigkeiten und achtete streng auf Ordnung und Sparsamkeit.4 Schon 1753 begann Friedrich Eugen vor dem Kolberger Tor mit der Anlage eines Lustgartens „in der damals beliebten altfranzösischen, kunstreichen Manier, mit Taxus-Pyramiden, Lauben und bedeckten Gängen“.5 Im Sommer wurde zwischen den Pyramiden und in den Laubengängen gespeist und musiziert.
Im November 1754 kam der erste Sohn des Paares zur Welt: Friedrich Wilhelm, der künftige erste König von Württemberg, der seinen Namen zu Ehren Friedrich Wilhelms I., des „Soldatenkönigs“, erhielt. Ihm folgte Ludwig Friedrich, der Ende August 1756 – zu Beginn des Siebenjährigen Krieges – noch in Treptow geboren wurde. Doch nach der verlorenen Schlacht bei Groß-Jägersdorf in der Nähe von Insterburg im Juli 1757 fühlte sich Friederike Dorothea in Treptow nicht mehr sicher, weil mit einem weiteren Vordringen der Russen nach Pommern gerechnet werden musste, und zog mit den beiden Jungen und dem Hofstaat ins hundert Kilometer weiter westlich gelegene Stettin. Das schöne Barockpalais am Rossmarkt war für die junge Familie bestens geeignet. Allerdings kam Eugen Friedrich, der dritte Sohn, kurz nach der siegreichen Schlacht bei Zorndorf Ende 1758 im großelterlichen Schloss in Schwedt zur Welt. Nach der Geburt kehrte Friederike Dorothea mit den Söhnen nach Stettin zurück.
Dort erhielt sie die Nachricht, dass ihr Mann am 12. August 1759 bei Kunersdorf, wo Friedrich II. einer russisch-österreichischen Übermacht unterlag, am Rücken und am rechten Fuß schwer verwundet worden war. Er war 27 Jahre alt, längst Generalleutnant und ein Kriegsheld, als Sophie Dorothea, seine erste Tochter, während eines Erholungsurlaubs in Stettin geboren wurde. Kaum genesen, nahm Friedrich Eugen bereits wieder am Kampfgeschehen teil und wurde als Befehlshaber eines Entsatzheeres, das sich 1761 vier Monate lang vor dem belagerten Kolberg verschanzt hatte, aber aufgrund einer Hungersnot abziehen musste, noch berühmter. Der nächtliche Marsch über einen schmalen Dammweg ohne Verlust eines einzigen Mannes ist in die preußische Geschichte eingegangen.6 Am 16. Dezember 1761 ergab sich die Festung den überlegenen Russen unter General Pjotr A. Rumjanzew, der die Wege Sophie Dorotheas noch mehrfach kreuzen sollte. Danach übernahm Friedrich Eugen das Kommando über die preußischen Grenzbefestigungen in Pommern und Mecklenburg.
Am 27. Dezember 1761 wurde im Grumbkow’schen Palais noch ein kleiner Prinz geboren, der den Namen Wilhelm Friedrich erhielt. Wenige Tage später trat ein Ereignis von weltpolitischer Bedeutung ein, das auch für die Familie des Herzogs Folgen haben sollte. Am 5. Januar 1762 starb Kaiserin Elisabeth Petrowna, eine Tochter Peters des Großen, in Kolomenskoje bei Moskau, und ihr Neffe Peter Fjodorowitsch, geb. Karl Peter Ulrich von Holstein-Gottorf, trat als Peter III. die Nachfolge an. Damit war Friedrich II. gerettet. Denn der neue Kaiser, ein großer Bewunderer des Königs, rief umgehend sein Heer vom Kriegsschauplatz zurück, räumte die Provinzen Pommern und PreußenI, schloss im Mai einen Sonderfrieden und im Juni 1762 einen Bündnisvertrag mit Preußen. Drei Wochen später aber putschte sich seine Frau Katharina mit Hilfe zweier Garderegimenter an die Macht und ließ sich in der Kirche Unserer Lieben Frau von Kasan am Newskij Prospekt zur Kaiserin und Selbstherrscherin von ganz Russland und ihren Sohn Paul zum Thronfolger ausrufen. Kurz darauf wurde Peter III. vermutlich von Alexej G. Orlow, einem Bruder des Favoriten seiner Frau, in seinem Lustschloss Ropscha westlich von St. Petersburg ermordet. Die massive Kritik an der preußenfreundlichen Politik Peters III. hinderte Katharina II. jedoch nicht daran, die Annäherung an Preußen fortzusetzen und im April 1764 ein Verteidigungsbündnis mit Friedrich II. zu schließen.
Die Friedensverträge, die Preußen im Februar 1763 auf Schloss Hubertusburg im sächsischen Wermsdorf mit Österreich und Sachsen schloss, beendeten den Siebenjährigen Krieg. Preußen hatte sich – nach Österreich, Frankreich, Großbritannien und Russland – als eine der fünf europäischen Großmächte etabliert, und Friedrich II. war fortan der „Alte Fritz“. In der Folge sollte der österreichischpreußische Dualismus nicht nur die deutsche Politik bis ins 19. Jahrhundert prägen, sondern auch in die Lebensgeschichte der Prinzessin Sophie Dorothea hineinwirken.
Ende des Jahres 1763 kehrte die herzogliche Familie nach Treptow zurück, wo Friedrich Eugen und Friederike Dorothea alsbald ein Gesellschafts- und Kulturleben entfalteten, wie es die Stadt noch nicht gekannt hatte. Ihre Hofhaltung war glänzend, ihre Dienerschaft zahlreich. „Zur Unterhaltung der Herzoglichen Familie wechselten Vergnügungen des Hoflebens: Schauspiel, Musik, Ausfahrten und ländliche Feste“, heißt es in einer preußischen Quelle. „Erlaubte es irgend die Witterung, so ließ der Herzog seine Dragoner-Schwadron exerzieren; sie stellte sich auf dem Schlossplatze und machte hier einige Schwenkungen; die weiteren Uebungen, bei welchen die Herzogin mit den Kindern oftmals gegenwärtig war, wurden alsdann bald auf dem größeren Exerzierplatze, bald auf dem kleineren […] ausgeführt.“7 Bei den Ausfahrten über die Dörfer – die Herzogin fuhr gewöhnlich mit sechs Schimmeln, der Herzog mit sechs Braunen – waren die Kinder ebenfalls immer dabei. Das „Maibier“, das der Herzog seinen Soldaten auszugeben pflegte, war alle Jahre wieder eine öffentliche Lustbarkeit, an der die ganze Stadt und die umliegenden Dörfer teilnahmen.8
Es war ein ausgesprochen naturverbundenes und volksnahes Leben, das die spätere Kaiserin von Russland nie vergessen hat. Jenseits der beiden Rega-Arme hatte der Herzog ein großes Gelände von Gräben umziehen lassen, auf dem Hasen und Rebhühner gehegt und von der herzoglichen Familie auf ihren Spaziergängen gefüttert wurden. In einem eingezäunten Teil des Stadtwaldes hielt Friedrich Eugen Wildschweine, die im Winter gefüttert und dann zu großen Hetzjagden freigelassen wurden. Zum Vergnügen der Kinder spazierte auf dem Schlosshof ein Storch herum, und ein alter Hirsch gefiel sich darin, die jungen Obstbäume mit seinem Geweih so lange zu schütteln, bis das Obst fiel.9 Im Sommer wohnte die Herzogin in einem Chalet im Lustgarten und hörte den Nachtigallen zu. Oder sie besuchte die Meierei, die sie in der Nähe hatte einrichten lassen. Die Kinder sahen dann beim Melken und Käsen zu und tranken frische Milch. Die Mutter nahm sie auch gern mit in die Stadt. Die Dienerschaft hatte Anweisung, die herzoglichen Kinder mit dem Taufnamen und nicht mit dem Titel anzureden. Die älteste Tochter wurde „Dörtchen“ gerufen.10
Friedrich Eugen widmete sich nun ganz der Anlage seiner Gärten, und Friederike Dorothea teilte dieses Interesse ihres Mannes. Ihre Ehe war glücklich, ihr Familienleben vorbildlich. Beide legten Wert auf eine sorgfältige Erziehung ihrer Kinder, auch der Töchter, und beide folgten Jean-Jacques Rousseaus Devise „Zurück zur Natur“. Friederike Dorothea, der laut Ehevertrag die Erziehung der Kinder oblag, hielt Rousseaus (in Frankreich verbotenen) Bildungsroman Emile oder Über die Erziehung für die „vorzüglichste Lektüre“ und folgte damit Goethe, der darin das „Naturevangelium der Erziehung“ sah.11 Sie war und blieb eine fromme Frau, während ihr Mann sich zum Freidenker entwickelte.
Im April 1765 wurde Friedrich von Maucler, ein junger Offizier französischer Herkunft, der seit 1754 in verschiedenen Funktionen in den Diensten des Herzogs stand, zum Gouverneur der beiden ältesten Prinzen ernannt. Maucler, dessen Großeltern Frankreich wie so viele Protestanten (Hugenotten) aus Glaubensgründen verlassen hatten, stammte aus Stettin, wo sein Vater Konsistorialrat und Inspekteur aller französischen Kirchen Pommerns gewesen war. Wie Maucler in seinen Lebenserinnerungen berichtet, erfreute sich sein Vater auch der Wertschätzung des Fürsten von Anhalt-Zerbst und seiner Frau, die seine Eltern oft zu sich eingeladen hatten, während Fürstin Johanna und ihre Tochter Fike „einige Male meine Mutter mit ihrem Besuch beehrten“.12 Maucler konnte sich also rühmen, als Kind die künftige Kaiserin Katharina gekannt zu haben.
Ab 1766 diente der Frankfurter Jurist Johann Georg Schlosser, ein Freund Goethes und später dessen Schwager, dem Herzog als Geheimsekretär, sollte Goethe zufolge aber „auch der Erziehung seiner Kinder wo nicht vorstehen, doch mit Rat und That willig zu Handen sein“. Schließlich war Schlosser ein Mann, der „durch eine schöne und seltene litterarische Bildung jedermann anzog und das Leben mit ihm erleichterte“.13 Der Württemberger Mathematiker und Schriftsteller Georg Jonathan Holland war als Untererzieher für den wissenschaftlichen Teil der Erziehung zuständig. Gouvernante der Prinzessin (und ihrer Schwestern) war Frau von Borck, die Frau des Kommandeurs der Leibschwadron, die für den Grundschulunterricht zuständig war und Französisch unterrichtete.
Der Zeit entsprechend war Dörtchens Erziehung vom Geistesleben Frankreichs geprägt, und das Französische, die Salonsprache des 18. Jahrhunderts, erlernte sie schnell. Allerdings achtete die Herzogin streng darauf, dass den Töchtern „die Frivolität und der Leichtsinn“ der französischen Sitten und Gebräuche verborgen blieben.14 Dörtchen erhielt Unterricht in Konversation, Musik und Tanz, Zeichnen, Malen und Handarbeit, Geschichte, Geografie und Religion und lernte, wie man sich in der gehobenen Gesellschaft benimmt. Das war ihrer Mutter jedoch zu wenig. Friederike Dorothea ließ Dörtchen auch praktische Fertigkeiten und Kenntnisse in Hauswirtschaft erwerben, so dass sie später nicht nur in der Gesellschaft würde glänzen und repräsentieren können, sondern auch in der Lage wäre, Familien- und Hausfrauenpflichten zu erfüllen und ihre Kinder selbst zu erziehen.15 Diese Philosophie der Frauenerziehung hatte sie womöglich Molières Komödie Die gelehrten Frauen entnommen, die 1762 in Paris uraufgeführt worden war. Jedenfalls fand sich später im Archiv in Pawlowsk ein Heft, das Gedanken der Herzogin zu verschiedenen Themen und Auszüge von ihrer Hand aus bekannten Werken der Weltliteratur enthielt, u.a. folgende Stelle aus dem Zweiten Aufzug der Gelehrten Frauen:
„Es ist nicht recht und kann auch keinen Segen bringen,
Wenn sich die Frau befasst mit abstrakten Dingen.
Dass sie die Kinder lenkt in Sitte und Zucht,
Das Hausgesindel beherrscht und ökonomisch sucht,
Nicht übermäßig im Monat auszugeben,
Das ist die Philosophie in einer Hausfrau Leben.“
Nachdem sich am 21. Oktober 1763 ein weiterer Sohn eingestellt hatte, Ferdinand Friedrich, ein Friedenskind, folgten die Töchter Friederike Elisabeth (1765), Elisabeth Wilhelmine (1767) und Wilhelmine Friederike (1768). Den dritten Vornamen „Katharina“ erhielt diese kleine Prinzessin, die nur vier Monate alt wurde, mit gnädiger Erlaubnis der Kaiserin von Russland.16 Friedrich Eugen hatte darum ersucht. Doch wie kam er dazu? Schließlich konnte nicht jeder kleine deutsche Fürst die Kaiserin von Russland um die Erlaubnis bitten, eine neugeborene Tochter nach ihr zu nennen.
Indessen kam das kaiserliche Einverständnis nicht von ungefähr, denn Katharina II. pflegte vorauszudenken. Zweifellos war ihr der militärische Ruhm Friedrich Eugens bekannt, und möglicherweise hat sie sich für ihn interessiert, weil sie tapfere Offiziere immer brauchen konnte. Aber sie wusste auch, dass der Prinz eine Tochter hatte, die in ein paar Jahren ins heiratsfähige Alter kommen würde, und sie hatte angefangen, sich Gedanken über die Vermählung ihres Sohnes Paul Petrowitsch zu machen, der nun knapp 14 Jahre alt war. Also beauftragte sie den Freiherrn Achatz von der Asseburg, einen preußischen Diplomaten in dänischen Diensten, der sich mehr als zwei Jahre an ihrem Hofe aufgehalten hatte, Deutschland zu bereisen und an den deutschen Höfen nach einer geeigneten Braut für den Thronfolger Ausschau zu halten.
Auf der Liste der in Frage kommenden Häuser Hessen-Darmstadt, Mecklenburg-Schwerin, Nassau-Saarbrücken, Sachsen-Gotha, Sachsen-Meiningen und Sachsen-Saalfeld stand das Haus Württemberg ganz oben. Und so war Treptow an der Rega das erste Reiseziel des kaiserlichen Abgesandten. Anfang 1768 hielt sich Asseburg einige Tage bei der herzoglichen Familie auf. Dörtchen war noch nicht einmal neun Jahre alt, „zog aber, wegen des Anscheins einer zukünftigen Schönheit und ihrer guten Erziehung“, bereits die Aufmerksamkeit des Diplomaten auf sich.17
1819