Gudrun Mebs
»Oma«, schreit der Frieder, »ich hab meine Lehrerin lieber!«
Mit Illustrationen von Cathrin Westphal
FISCHER E-Books
Gudrun Mebs arbeitete zunächst als Schauspielerin, ehe sie spontan mit dem Schreiben begann. Entstanden sind seitdem viele Bücher, Fernsehdrehbücher, Radiosendungen und Hörspiele. Ihre Lesereisen führten sie in über dreißig Länder, dorthin, wo ihre Bücher erschienen sind. Zudem wurde sie ausgezeichnet mit zahlreichen Ehrungen, unter anderem mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, der Janusz Korczak-Medaille in Polen, dem Bundesverdienstkreuz und dem Bayerischen Verdienstorden.
Sie lebt nach langen Jahren in Italien wieder in München und scheibt nach wie vor am Küchentisch auf ihrer Schreibmaschine.
Catharina Westphal studierte Design mit Schwerpunkt Illustration und widmet sich ganz der Illustration von Kinderbüchern. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster.
Weitere Informationen zum Kinder- und Jugendbuchprogramm der S. Fischer Verlage finden Sie unter www.fischerverlage.de
Alle Bände von Oma und Frieder:
Das dicke Buch von Oma und Frieder (enthält die Bände 1 bis 3)
»Oma!«, schreit der Frieder (Band 1)
Und wieder schreit der Frieder: »Oma!« (Band 2)
Oma und Frieder – Jetzt schreien sie wieder (Band 3)
»Schule!«, schreit der Frieder, und die Oma, die kommt mit (Band 4)
»Super«, schreit der Frieder, und die Oma kichert wieder (Band 5)
»Oma«, schreit der Frieder, »ich hab meine Lehrerin lieber!« (Band 6)
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2022 Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: Dahlhaus & Blommel Media Design GmbH, unter Verwendung einer Illustration von Catharina Westphal
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-7336-0464-6
»Oma!«, schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. »Oma, ich will einen Hund haben, Oma! Bloß einen klitzekleinen. Jetzt gleich!«
»Ja, lässt du mich gleich los, Rotzbub!«, zetert die Oma. Sie sitzt im Sessel in der Küche, Brille auf der Nase, Zeitung vor der Nase. »Kommt nicht in Frage! Mit dir hab ich schon Arbeit genug. Du und ein Hund dazu, das wär zu viel, dass du’s nur weißt!«
»Aber Oma!« Und jetzt zupft der Frieder an der Zeitung. »Oma, der Hund, das wär doch meiner. Ich pass doch auf ihn auf, das kann ich gut!«
»Das glaub ich nie und nimmer!«, sagt die Oma und ruckelt an ihrer Brille. »Und was ist, wenn du in der Schul’ bist? So ein Vormittag ist lang, das weißt du selber. So, und jetzt Finger weg von meiner Zeitung und Schluss und aus. Geh spielen, Bub. Kuscheltiere hast du ja genug. Die sind grad so nett wie ein Hund und machen keinen Lärm und machen keine Arbeit. Und Gassi gehen wollen die auch nicht!«
Und damit blättert die Oma wieder in ihrer Zeitung, und Frieder vor Omas Sessel steht und überlegt und geht nicht spielen. Wie schafft er’s bloß, dass die Oma sich genau so freut über einen Hund wie er! Hunde sind doch so toll! Wie die bellen können, wie die flitzen können! Männchen machen können die und Pfötchen geben. Und mit dem Schwanz wedeln die so doll vor Freude, die wedeln glatt die Kaffeetassen vom Tisch.
Der Mario in seiner Klasse, der hat’s erzählt, der muss es wissen. Der hat nämlich einen Hund, Bello heißt der, und alle in der Klasse sind neidisch und ganz besonders er, der Frieder.
Und schmusen tut der auch, und wie! Also, der Bello, nicht der Mario. Und wenn man dem Bello Stöckchen hinschmeißt, bringt er sie sofort zurück. Und wenn er schläft, schnarcht er, beinah so wie die Oma. Und immer hockt er vor der Haustür und wartet, bis der Mario von der Schule heimkommt. Und dann bellt er ganz laut und sabbert dabei vor Freude!
Seine Oma macht das nicht.
Die steht dann immer in der Küche und kocht. So, wie es sich für eine Oma gehört. Ob er lieber einen Bello hätte als seine Oma? Geht doch gar nicht. Hunde können nicht kochen.
Aber am allerliebsten hätte er seine Oma und einen Bello, das ist mal klar.
Aber die Oma will das ja nicht, das ist leider auch klar.
Die liest Zeitung, und der Frieder stört.
Frieder seufzt tief auf und marschiert ab in sein Kinderzimmer. Aber nicht zu seinen Kuscheltieren, ist er ein Baby oder was? Die braucht er doch bloß in der Nacht zum Schlafen, und jetzt ist heller Tag, und kein Hund ist da und spielt mit ihm.
Was soll er denn jetzt machen? Nichts fällt ihm ein, gar nichts. Oder doch? Doch! Wenn er schon keinen Bello haben kann, dann ist er eben selber einer. Er weiß ja, wie das geht.
So Bellos sieht er doch alle Tage. Auf den Straßen, im Park und vor dem Supermarkt.
Also, so ein Bello ist er jetzt. Und sofort krabbelt der Frieder auf allen vieren im Kinderzimmer rundherum und bellt dazu: Wauwauwau! Wauwau. Und weil das so gut geht, bellt er immer lauter. Bis die Oma aus der Küche ruft: »Spiel leiser, Bub! Das Haus stürzt ja ein!«
»Hier ist kein Bub, hier ist ein Bello!«, schreit der Frieder zurück und wauwaut noch mal von vorne und noch mal von vorne. Und auf allen vieren geht’s rund um den Tisch und um den Stuhl. Und raus geht’s vierbeinig auf den Flur und rein geht’s vierbeinig in die Küche. Und hätte er einen langen Hundeschwanz gehabt, den er leider nicht hat, dann hätte er dazu mächtig gewedelt.
Die Oma in ihrem Sessel lässt die Zeitung fallen.
»Ja, bist du denn vom wilden Watz gebissen? Kriecht der doch auf dem Boden herum und macht einen Krach, dass die Wände wackeln! Jetzt stehst du sofort auf und hältst den Schnabel, und zweimal sag ich’s nicht!«
»Hunde haben keinen Schnabel!«, schreit der Frieder, nein, wauwaut der Frieder. »Und Bellos können doch nicht stehen! Die haben doch vier Beine und nicht bloß zwei!«
Und statt zu bellen, kichert der Frieder los und hebt von den vieren hinten ein Bein hoch am Sesselbein und … die Oma kreischt los: »Lauser, was machst du denn da!«
»Pipi!«, kichert der Frieder, »das siehst du doch!«
Und wenn auch hier jetzt kein Pipi plätschert, so sieht’s doch genauso aus! Und vor lauter Kichern kippt der Bello um und zappelt mit allen vieren hoch in die Luft.
Und was macht jetzt die Oma? Sie kichert mit! Und tätschelt Frieders Bauch, nein, Bellos Bauch, und sagt:
»Und jetzt bist du ein braver Wauwau und gehst zurück in dein Zimmer und spielst was Leises. Meinetwegen auf allen vieren!«
»Nee, Oma!«, schreit der Frieder und ist schon wieder auf den Beinen. »Zusammen spielen, Oma! Stöckchen schmeißen!«
Und damit schnappt er, genau wie ein richtiger Bello, nach Omas Hand und beißt zu. Nicht fest, aber doch!
»Lausebengel!«, kreischt die Oma. »Beißt der doch seine Oma, na warte!« Und Bello-Frieder kriegt einen tüchtigen, aber wirklich sehr tüchtigen Klaps auf den Po!
Aber dann steht sie auf und holt eine Tüte Gummibärchen, und eins nach dem anderen wirft sie hoch in der Küche herum und ruft dazu: »Bello, fang!«
Genau so wie Hundeherrchen im Park. Nur fliegen da Stöckchen und keine Gummibärchen. Und Frieder-Bello krabbelt blitzschnell hin und her und fängt kein einziges mit seinem Mund, nein, seiner Schnauze.
Die Oma kichert, und ehe der Bello wieder zum Frieder werden kann mit Grapschehändchen, hat sie alle Gummibärchen wieder blitzschnell eingesammelt.
Also, Stöckchen schmeißen, das ging daneben. Die Gummibärchen sind verschwunden in Omas Schürzentasche. Und statt zu bellen, muss der Frieder-Bello seufzen.
»Leckerli gibt’s später, wenn du brav bist!«, sagt die Oma. »Wir gehen jetzt erst mal Gassi!«
Und der Wauwau kriegt einen Schal umgebunden, das ist sein Halsband, und an dem Halsband baumelt eine lange Schnur, das ist die Hundeleine. Und mit der Schnur in der Hand zieht die Oma den Bello vorwärts.
Raus geht’s in den Flur und raus geht’s, die Treppe runter und wieder rauf geht’s, die Treppe hoch.
Und die Oma schnauft und der Bello auch.
Und rein geht’s in Omas Schlafzimmer und wieder raus geht’s, in Frieders Kinderzimmer, und zurück in den Flur und wieder rein in die Küche.
Und so schnell kann der Bello gar nicht krabbeln, wie er Gassi gehen, nein, flitzen muss.
Bis die Oma wieder bei ihrem Sessel angekommen ist und schnauft und sich in den Sessel plumpsen lässt. Der Bello-Wauwau liegt platt am Boden, und auch er muss schnaufen. Und wäre jetzt eigentlich ganz gerne wieder der Frieder.
Stöckchen fangen hat nicht geklappt. Auf allen vieren ganz schnell krabbeln, er hat nicht gewusst, dass Gassigehen so anstrengend ist. Die echten Bellos, die können’s besser.
»Oma!«, schnauft der Frieder und zerrt an seinem Halsband. »Ich will jetzt wieder der Frieder sein. Kann ich trotzdem Leckerli kriegen?«
»Da bin ich aber froh!«, schnauft die Oma und greift in ihre Schürzentasche. »Die Leckerli, die teilen wir uns. Die haben wir uns jetzt verdient.«
Und Gummibärchen auf Gummibärchen wandert hin zum Frieder und wandert hin zur Oma, bis die Knistertüte leer ist. Mit echten Stöckchen hätte das nicht geklappt!
»Oma!«, schreit der Frieder und zupft an Omas Rock. »Wann krieg ich denn endlich Kakao und Kuchen! Du hast’s versprochen!«
»Ja, lässt du mich gleich los, Rotzbub«, zetert die Oma. Sie steht im Flur und greift nach ihrem Hut und greift nach ihrer Tasche. »Eine alte Frau ist doch kein D-Zug! Ich geh und hol den Kuchen, und du bleibst hübsch artig, brav und fromm, bis nach Haus ich wiederkomm. Haben wir uns verstanden?«
Frieder nickt und seufzt. Den Spruch kennt er doch schon lange. Den sagt die Oma immer, wenn sie weggeht und er nicht mit darf.
Im Struwwelpeter-Buch steht der drin, der blöde Spruch. Die Oma hat’s ihm vorgelesen, als er noch so’n Zwerg war, der noch nicht lesen konnte. Jetzt kann er’s längst selber. Na ja, nicht alles … Aber das Struwwelpeter-Buch, das will er sowieso nicht lesen. Da stehen so grausige Sachen drin, und immer geht’s da den Kindern schlecht. Das hat dem Frieder nicht gefallen. Aber jetzt nicht mitgehen dürfen zur netten Bäckerin, die ihm immer einen Bonbon schenkt oder zwei, das gefällt ihm auch nicht. Aber was soll er machen, die Oma ist die Bestimmerin.
»Schau, Bub«, sagt die Oma und greift nach dem Schlüssel.
»Ich spute mich, und du deckst derweil den Tisch für uns zwei. Dann machen wir’s uns gemütlich und damit Schluss!«
Und raus ist die Oma, und Frieder steht drin und seufzt. Den Tisch soll er decken, das kann er längst, und es ist langweilig. Teller raus aus dem Schrank, das Schemelchen hilft ihm dabei. Frieders Beine sind zu kurz. Kuchenlöffel raus aus der Schublade, das geht auch ohne Schemelchen. Kaffeebecher für die Oma, Kakaobecher für den Frieder, einer grau, einer blau, die hängen am Küchenbrett, Schemelchen wieder her.
Fertig ist die Tischdeckerei, und die Oma ist noch nicht da. Was soll er denn jetzt machen?
Warten und brav sein, das hat die Oma am liebsten. Er aber nicht. Stinkelangweilig ist das, das weiß doch jeder.