Christian Antz / Karin Berkemann (Hg.)

REISEN ZU CHRISTLICHEN ZIELEN

Impressum

Titel der Originalausgabe: 100 spirituelle Tankstellen

Reisen zu christlichen Zielen

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2013

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: excogito, Freiburg im Breisgau

Umschlagmotiv: © Christa Eder / Fotolia.com

E-Book-Konvertierung: Integra Software Services Pvt. Ltd, Indien

ISBN (E-Book): 978-3-451-80067-2

ISBN (Buch): 978-3-451-31088-1

Grußwort

Es gibt ganz unterschiedliche Wege, dem Alltag zu entfliehen und die eigenen Kraftreserven aufzufüllen. Die einen suchen Unterhaltung auf einer Ferieninsel oder einem Kreuzfahrtschiff. Sie lassen sich von Frühbucher-Rabatten oder Last-Minute-Schnäppchen umwerben und genießen die Vollverpflegung. Andere bleiben lieber zu Hause. Sie erholen sich im eigenen Garten – mit einem Buch oder möglichst viel Schlaf. Und wieder andere begeben sich auf christliche Wallfahrt. Sie hoffen auf die Stärkung des eigenen Glaubens, auf religiöse Läuterung oder auch auf Hilfe in persönlichen Notlagen.

Die Sehnsucht nach Orten, an denen wir Stille erfahren und Kraft tanken können, wächst und wächst. Menschen bedürfen nämlich der Sinnstiftung und gewiss auch der Spiritualität, der Selbstvergewisserung und des Gesprächs mit anderen – über unsere Hoffnungen und Erfahrungen, über unsere Zweifel und Fragen. Das gilt erst recht für gläubige Menschen. Der deutschsprachige Raum ist mit spirituell anregenden Orten reich gesegnet – darauf macht dieses Buch in erhellender Weise aufmerksam. Die hier vorgestellten Klöster, Kirchen und Kapellen wurden von Gläubigen für Gläubige errichtet, sie haben sich ihre Offenheit und Gastlichkeit bewahrt. Sie laden ein zu stillem Gebet, zu religiöser Inspiration, zur Festigung des eigenen Glaubens – und zum Austausch mit anderen. Dieses Buch macht neugierig auf spirituelle Kraftquellen – auch in Ihrer Nähe.

Wolfgang Thierse
Vizepräsident des Deutschen Bundestags

Inhalt

Vorwort

»Atemräume des Glaubens«

Gespräch über das geistliche Reisen mit Monsignore Georg Austen (Bonifatiuswerk) und Dr. Georg Hofmeister (Akademie der »Versicherer im Raum der Kirchen«)

Spirituelles Reisen

Kirchen und Tourismus gemeinsam auf neuen Wegen

Eine Navigationshilfe für Sinnsucher

Am Wasser –
spirituelle Angebote an Meer, See und Fluss

1 Die Aufblasbare Kirche am Strand

2 Gottesdienste am Bostalsee

3 Das Kirchenschiff in St. Peter-Ording

4 Die Kirchenstraße an den Flüssen »Elbe-Elster«

5 Der Nordseelauf

6 Die Wegekapelle »Wasser und Glaube« in Kürnach

7 Die »Kirche am Meer« Schillig

8 Die Hamburger Flussschifferkirche

9 Die Inselfeiertage auf der Reichenau im Bodensee

10 Der »Freizeithelfer-Laden« auf Föhr

Im Grünen –
spirituelle Angebote in Natur, Park und Garten

11 Geistliche Angebote im Bergpark Kassel

12 Der Garten am Niederdeutschen Bibelzentrum Barth

13 Die Campingkirche des Erzbistums Freiburg

14 Der ökumenische Pfarrgarten in Holte

15 Die Baumkirche des Diakoniewerks Neues Ufer in Rampe

16 Bergmessen in Bayern

17 »Gartenträume« in Kloster Drübeck

18 Die Hüttenkirche Walldorf

19 »Kirche im Grünen« in Württemberg

20 Die Umweltstation Kloster Waldsassen

Auf Kur –
spirituelle Angebote für Gesundheit und Wellness

21 Katholische Kirche auf Norderney

22 Das »Brennende Herz« in den Ammergauer Alpen

23 Wellness im Kloster Arenberg

24 Der »eigenZeit«-Kurort Königsfeld

25 Die Ökumenische Kurseelsorge in Bad Krozingen

26 »Wege zum Ich« in Bad Bevensen

27 Fastenwochen im Kloster St. Marienthal

28 Der »Weg der Heilung« in Bad Säckingen

29 Autofasten Thüringen

30 Das Kneipp- und Gesundheitsresort in Bad Wörishofen

Im Kloster –
spirituelle Angebote zwischen Rückzug und Bildung

31 Das Benediktinerkloster Nütschau an der Trave

32 Das Klösterreich

33 Das Berliner Stadtkloster Segen

34 Das »Haus St. Elisabeth« bei Kloster Hegne

35 Klöster in und um Mühlhausen

36 Die Abtei St. Hildegard in Eibingen

37 Das »Pilger-Kloster« Tempzin

38 Die Benediktinerabtei Plankstetten

39 Das »Zentrum Kloster Lehnin«

40 Das Haus der Stille in Meschede

Auf dem Weg –
spirituelle Angebote zum Pilgern und Wallfahren

41 Der Randschleider Pfad in Luxemburg

42 Der europäische Hugenotten- und Waldenserpfad

43 Die »honeymoon-pilgrimage« auf dem Lutherweg

44 Die Bonifatius-Route durch Südhessen

45 »Wege zum Leben« in Südwestfalen

46 Pilgern zum Heiligen Grab in Görlitz

47 Der Kapellenweg im Hochschwarzwald

48 Der Leonhardi-Ritt in Bad Toelz

49 »Pilgern in Begleitung« vor der Haustür

50 Die Hungertuchwallfahrt von Misereor

In der Kirche –
spirituelle Angebote zwischen Liturgie und Musik

51 Nachtführungen durch Rothenburgs Kirchen

52 Die KunstKulturKirche Allerheiligen in Frankfurt am Main

53 »Kinder für Kunst und Kirche« im Greifswalder Dom

54 Das »Saarbrücker Stundengebet«

55 Die »Kirche der Kulturen« in Bochum

56 »10 Minuten an der Krippe« in Schönstatt

57 Der Liturgische Kreis in Seelow

58 Das Projekt Kinderorgel

59 Die Offene Kirche St. Klara in Nürnberg

60 Die Hamburger »Kirchenführer für Kinder und andere Interessierte«

Auf der Rast –
spirituelle Angebote zum Verweilen

61 Die »Dank- und Tankstelle« in Untermarchtal

62 Die Autobahnkapelle Hamm

63 Das Fränkische Bildstockzentrum Egenhausen

64 Die Kontaktstelle Orientierung in Leipzig

65 Das »Informationszentrum Spiritueller Tourismus« in Thüringen

66 Die Flughafenseelsorge München

67 Das »Café Komma« in Barmen

68 Die Marienkapelle in Püttlingen

69 Der »MOGO Hamburg«

70 Der Raum der Stille im Brandenburger Tor

In der Ausstellung –
spirituelle Angebote zu Kunst und Museum

71 Das Museum für Sepulkralkultur in Kassel

72 Der Bibelturm im Gartenreich Dessau-Wörlitz

73 Das Diözesanmuseum Kolumba in Köln

74 Das »Museum Kirche in Franken«

75 Das Westfälische Glockenmuseum in Gescher

76 Die Ausstellung »Wurzeln und Flügel« in Torgau

77 Die Gedenkstätte Französische Kapelle Soest

78 Der Halberstädter Dom und Domschatz

79 »Kirche und Kultur« in Wiesbaden

80 Das Pflegemuseum Kaiserswerth

Auf dem Markt –
spirituelle Angebote für Stadt und Event

81 »Cross Roads« durch Berlin

82 Kirche im Europa-Park

83 Spielenachmittag vor einem Gothaer Supermarkt

84 »Kirche auf dem Markt« in Leipzig

85 Die Kunstinitiative »Yot« in Brügge

86 Die Messekapelle Hannover

87 Geocaching zu Orten der Reformation

88 »Folge dem Stern!« rund um den Erfurter Weihnachtsmarkt

89 Die Offene Kirche Elisabethen in Basel

90 Das Ökumenische Kirchenzentrum im »CentrO Oberhausen«

In die Ferne –
spirituelle Angebote für die weite Welt

91 Chor-Studienreisen

92 Die Jugendwallfahrt nach Lourdes

93 Die Deutschsprachige Evangelische Gemeinde auf den Balearen

94 Pilgern auf Franziskus Spuren

95 Kreuzfahrtseelsorge

96 Global Kids

97 Literatur an Ort und Stelle

98 Auf den Spuren der unbekannten Reformatoren

99 Bergexerzitien

100 Die »Flotte« auf dem Ijsselmeer

Literaturverzeichnis

Online-Adressenverzeichnis

Bilderverzeichnis

Vorwort

Aus einer Tankstelle bei Hamm wurde 2009 eine Autobahnkapelle. Statt Benzin finden Reisende hier nun geistliche Stärkung. Immer mehr Menschen suchen unterwegs nach dem Sinn und dem Wesentlichem. Zu diesem Thema erstellten wir im Jahr 2006 die bundesweit erste Studie »Spiritueller Tourismus in Sachsen-Anhalt«, die weite Kreise gezogen hat. Heute ist die Angebotsvielfalt zwischen Reisen und Religion bereits riesig. Theologen und Laien, Gruppen und Einzelne haben erkannt, welche Chancen der Spirituelle Tourismus birgt. Damit nicht jeder das Rad neu erfinden muss, stellt dieses Buch 100 gute Beispiele vor: von Kirche bis Tourismus, von der Nord- bis zum Bodensee, vom Pilgerweg bis zum Projekt Kinderorgel. Zudem führen Fachbeiträge ins Thema ein und bündelt der Anhang hilfreiche Literatur.

Unser Dank gilt allen, die dieses Buch unterstützt haben: Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken und die Akademie der »Versicherer im Raum der Kirchen« haben das Projekt großzügig gefördert. Viele Fachkundige aus Kirche und Tourismus halfen mit Tipps und Material. Der Verlag Herder hat die Veröffentlichung fachkundig begleitet. Und nicht zuletzt danken wir den zahlreichen»Kümmerern« vor Ort, die uns immer wieder aufs Neue »begeistern«. Die breite Unterstützung und die Vielzahl der Projekte zeigen: Das geistliche Reisen hat Zukunft! Damit bleibt uns nur noch, Ihnen viel Vergnügen beim Stöbern zu wünschen. Auf Sie warten 100 überraschende Ideen zum Hinfahren und Selbermachen – Sie werden staunen!

Prof. Dr. Christian Antz, Fachhochschule Westküste, Heide / Holstein
Dr. Karin Berkemann, Büro kirchenkunst.info, Frankfurt am Main

»Atemräume des Glaubens«

Gespräch über das geistliche Reisen mit Monsignore Georg Austen (Bonifatiuswerk) und Dr. Georg Hofmeister (Akademie der »Versicherer im Raum der Kirchen«)

Dr. Georg Hofmeister, geboren 1966 in Kassel, studierte evangelische Theologie in Marburg, Göttingen und Heidelberg. Nach seiner Promotion wirkte er als Vikar und Pfarrer in der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Seit 2003 Studienleiter an der Evangelischen Akademie Hofgeismar, trat Hofmeister 2012 in die Geschäftsführung der Akademie der »Versicherer im Raum der Kirchen Bruderhilfe-Pax-Familienfürsorge« ein. Hofmeister ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Monsignore Georg Austen, geboren 1958 in Salzkotten, studierte katholische Theologie in Paderborn und München. Im Anschluss an seine Priesterweihe wirkte er im Erzbistum Paderborn u. a. als Diözesanseelsorger des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend. Nach seiner Tätigkeit als Sekretär des XX. Weltjugendtages wurde Austen 2008 zum Sekretär des Diaspora-Kommissariats der deutschen Bischöfe und zum Generalsekretär des Bonifatiuswerks der deutschen Katholiken berufen. Austen erhielt 2008 den Titel eines Päpstlichen Ehrenkaplans.

Herr Dr. Hofmeister, immer mehr Reisende wünschen sich nicht nur Sonne und Kultur, sondern auch Ruhe und Sinn. Haben Sie in Ihrem letzten Urlaub eine Kirche besucht?

G. Hofmeister: Unser letzter Familienurlaub führte uns in die St. Clemens-Kirche auf der Insel Amrum. Diese prägt in wunderbarer Weise die Silhouette des Inseldorfes Nebel. In der Kirche selbst kann man regelrecht spüren, wie die Menschen über Generationen hinweg ihr Leben in Freud und Leid mit Gott geteilt haben. So ist beispielsweise das Altarbild von 1634 aus Dankbarkeit für die Bewahrung in der Sturmflut von den Insulanern gestiftet worden. Aber nicht nur die Mauern und Balken sind getränkt von diesen Glaubensgeschichten. Die Kirche ist außerdem umgeben von alten historischen Grabsteinen, in die die unterschiedlichen Lebensgeschichten und die Kraft des Glaubens quasi in Stein gemeißelt sind. Nachzuspüren, wie Menschen früherer Zeit ihr Leben mit dem Glauben verknüpft haben, ist auch für Kinder attraktiv.

Monsignore Austen, waren Sie auch schon als »spiritueller Tourist« unterwegs?

G. Austen: Klöster und Kirchen sind stets auch ein fester Bestandteil meiner Reisen. Beeindruckend finde ich Pilgerstätten, an denen sich Menschen ihrem ureigensten Bedürfnis nach Spiritualität stellen, egal wie religiös sie sonst sind. Beispielsweise im norwegischen Trondheim. Auf den Olav-Pilgerwegen steigt die Zahl der Fußpilger. In Trondheim trifft man zum Olavstag Christen aller Konfessionen.

Im Urlaub scheinen beide Konfessionen eine Sehnsucht zu teilen.

G. Austen: Selbstverständlich. Ich denke, in Trondheim besuchen den lutherischen Nidaros-Dom alle Christen, egal welcher Konfession, mit Ehrfurcht. Das Bedürfnis, in sich zu gehen, nach dem eigenen Lebenssinn zu forschen und einen Ort der Gottesbegegnung zu finden, ist in unserer individualisierten Gesellschaft überkonfessionell vertreten. Für die Kirchen gilt es deshalb, entsprechende Angebote zu machen, mit christlicher Seelsorge und aus dem eigenen Glauben heraus. Menschen brauchen Orte, Atemräume des Glaubens, die den Horizont weiten und dem Alltag neue Tiefe geben.

Nidaros-Dom in Trondheim in Norwegen

Warum besuchen dann viele Menschen lieber im Urlaub eine Kirche als zu Hause den Gottesdienst?

G. Austen: Viele nutzen den Urlaub, um aus touristischer Sicht Kirchen und sakrale Orte zu besichtigen. Oftmals sind ja auch Kirchen die einzigen Sehenswürdigkeiten vor Ort. Andere sehen sich im Urlaub stärker mit ihrem eigenen Selbst konfrontiert, da sie mehr Zeit für sich haben. Ihre Suche nach Sinn und Spiritualität öffnet sie für sakrale Orte, Gottesdienste, Klosteraufenthalte. Eine dritte Gruppe nutzt einen Teil des Jahresurlaubs für spirituelle Angebote. Was sie aufgrund ihres Berufs und ihrer Familie nicht jeden Sonntag erfahren können, erleben sie im Urlaub mit mehr Ruhe.

G. Hofmeister: Der Urlaub ist immer eine besondere Unterbrechung des Alltags. Wir sind offen für neue Begegnungen – auch mit Gott und dem Glauben. Daher ist es wichtig, dass es attraktive kirchliche Urlaubsangebote gibt, bei denen die Menschen eine Auszeit und Stärkung für ihr Leben daheim finden können. Das Schöne ist ja, dass wir – im Gegensatz zu vielen anderen Urlaubsangeboten – Stärkung, Gemeinschaft und Unterbrechung auch zu Hause erfahren können.

G. Austen: Richtig. Wir sollten die große Zahl der Gläubigen nicht kleinreden, die regelmäßig den Gottesdienst zu Hause besuchen.

G. Hofmeister: Deshalb wird es für die »Gemeinden zu Hause« zunehmend wichtiger, dass sie auch andere Gottesdienstformen anbieten, die unterschiedliche Lebenssituationen kreativ aufnehmen.

Monsignore Austen, das Bonifatiuswerk hilft und fördert dort, wo Katholiken in der Minderheit sind. Warum engagiert sich das katholische Hilfswerk für den Spirituellen Tourismus?

G. Austen: Das Bonifatiuswerk sieht im Spirituellen Tourismus die Möglichkeit, Menschen im Glauben jenseits des Alltags zu begegnen. Glaube wird auf diese Weise noch einmal anders erlebbar und bietet die Chance, den Glauben neu zu entdecken. Wir nehmen damit den Menschen in seiner heutigen Lebenswirklichkeit wahr und bieten für jeden Einzelnen neue Anknüpfungspunkte.

Zisterzienserinnenkloster auf der norwegischen Halbinsel Tautra

Herr Dr. Hofmeister, was reizt die »Versicherer im Raum der Kirchen« am geistlichen Reisen?

G. Hofmeister: Als Spezialversicherer für Menschen in Kirchen, Caritas und Diakonie sind wir den christlichen Werten besonders verpflichtet. Deshalb engagiert sich unsere Akademie im Schnittfeld von Kirche und Gesellschaft. Das Arbeitsfeld der Freizeit- und Tourismusseelsorge ist für diese Verknüpfung geradezu exemplarisch.

Welche touristischen Projekte fördern Sie konkret?

G. Austen: Das Bonifatiuswerk fördert die katholische Kirche in Ost- und Norddeutschland sowie in Nordeuropa – einer Region, die durch ihre fantastische Natur eine zutiefst spirituelle Umgebung für die Pilger bietet. Allein die Olav-Pilgerwege, die sich durch ganz Nordeuropa ziehen, begeistern viele Menschen. An ihrem Zielort Trondheim unterstützt das Bonifatiuswerk eine neue katholische Kathedrale. Direkt gegenüber dem altehrwürdigen, heute lutherischen Nidaros-Dom bildet sie künftig einen wertvollen Anlaufort für katholische Pilger. Wir haben aber auch den Bau des Zisterzienserinnenklosters auf Tautra, einer Halbinsel im Trondheimfjord, gefördert. Allein die besondere Architektur dieses neuen Klosters bietet ein beeindruckendes Zusammenspiel von katholischer Spiritualität und nordischer Natur. Gemeinsam mit dem Anbieter »Biblische Reisen« organisieren wir Touren, um Nordeuropa als attraktives Pilgerziel vorzustellen.

Titelbild der Ausstellung »Unterwegs zum Seelenheil?!«

G. Hofmeister: Mit kirchlichen Partnern führt die Akademie der »Versicherer im Raum der Kirchen« Veranstaltungen zur Freizeit- und Tourismusseelsorge durch. So hat unser letztes Symposium zum Thema »Radwegekirchen« den Trend zum Radtourismus in Deutschland aufgenommen. Gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland haben wir Konzepte entwickelt: Kirchliche Angebote sollen mit dem Tourismus angemessen und vernetzt auf die Zunahme der Radreisen reagieren. Für alle Reisenden auf den Autobahnen engagieren wir uns seit vielen Jahren für Autobahnkirchen, die eine Rast für Leib und Seele bieten. Darüber hinaus haben wir mit dem Verkehrszentrum des Deutschen Museums eine erfolgreiche Wanderausstellung zum »Pilgern« ins Leben gerufen und engagieren uns mit der Deutschen Bischofkonferenz bei der seelsorgerlichen Pilgerbegleitung.

Hinweisschild für eine Autobahnkirche

Und gemeinsam haben das Bonifatiuswerk und die Akademie der »Versicherer im Raum der Kirchen« dieses Buch möglich gemacht. Ist der Spirituelle Tourismus ein Vorreiter für die ökumenische Zusammenarbeit?

G. Hofmeister: Selbstverständlich. Es ist geradezu ein besonders schönes Kennzeichen, dass die Freizeit- und Tourismusseelsorge an vielen Orten bereits jetzt ökumenisch durchgeführt wird. Die Menschen wollen im Urlaub die Kirche und den christlichen Glauben als Stärkung und Kraftquelle erleben. Der Spirituelle Tourismus ist Ausdruck dieser Suche.

Das Gespräch führte Karin Berkemann.

Spirituelles Reisen

Kirchen und Tourismus gemeinsam auf neuen Wegen Christian Antz

Aus einer kaum überschaubaren Menge ausgewählt, sprechen die 100 hier versammelten Beispiele für sich: Viele Mitteleuropäer sind wieder auf dem Weg zu sich selbst und zu Gott. Wie lassen sich diese spirituellen Strömungen im deutschsprachigen Raum in einer globalisierten und virtualisierten Welt interpretieren? Stehen sie für die »Wiederkehr der Religion« oder doch nur für eine esoterische »Wiederverzauberung der Welt«? Wünscht sich der säkulare Mensch in Krisenzeiten heute zuallererst die Geborgenheit zurück oder sind es doch tiefer gehende Sehnsüchte – ein Ruf nach Gott?

Turm der Kaiser-Friedrich-Gedächtnis-Kirche in Berlin

Rückkehr zu sich selbst und zu Gott

Die Trendforscher gehen davon aus, dass sich die Spaß- zur Sinngesellschaft wandelt. Überall leidet man an der Globalisierung, Individualisierung und Beliebigkeit, so dass die Sinnsuche keine Modeerscheinung ist. Bei den Deutschen stehen Themen wie Wohlfühlen und Geborgenheit laut dem Freizeitforscher Horst Opaschowski seit über zehn Jahren ganz oben, weshalb sich im Reiseverhalten aus der Wellness- eine »Sinnorientierung« entwickelt hat. So empfiehlt Opaschowski der Reisebranche, auf ein breites Nischenmarketing zu setzen. Der Zukunftsforscher Matthias Horx spricht vom »Selfness-Trend«: »Reisen, um sich selbst zu finden«. Dabei werden Erfahrung, Engagement und Spiritualität immer wichtiger. Selbst die Kirchen, die sich mit einer »Ich-mach-mir-meine-Religion-selbst-Spiritualität« schwer tun, haben vielfach die Zeichen der Zeit erkannt.

Auf der einen Seite gilt die Jugend als immer kommerzialisierter und werteferner, auf der anderen Seite keimt bei ihr eine neue Sehnsucht nach Sinn und Sinnlichkeit. Auf der einen Seite verlieren die Kirchen kontinuierlich ihre Mitglieder, auf der anderen Seite werden Traditionen und Rituale, Gottes- und Nächstenliebe stärker nachgefragt. Liefern die 2000 Jahre alten Regeln des Christentums wieder Antworten auf unsere heutigen Fragen? Lassen sich daraus in Freizeit und Tourismus entsprechende Angebote entwickeln? Die Fakten sprechen dafür: Die vom Hamburger Pastor Hinrich Westphal 1997 gegründete, nunmehr ökumenische Aktion »Andere Zeiten« will »einer kommerzialisierten Gesellschaft etwas Spirituelles entgegensetzen«. Auf der einen Seite soll das Leben durch das Christentum, durch Sonn- und Festtage, wieder Rhythmus und Ritualität bekommen, auf der anderen Seite bietet das Christentum konzentrierte Mystik und Sinnlichkeit. Ohne Werbung wurden 2000 bis 2009 von Hamburg aus eine Million kleiner, im Benediktinerkloster Maria Laach hergestellte, Bronzeengel verkauft – es scheinen eben »Andere Zeiten« zu sein und zu kommen.

Partnerschaft von Spiritualität und Reisen

Zwischen den Kirchen und Wissenschaften gibt es keine einheitliche Deutung von Spiritualität. Der Wortkern »Geist« meinte biblisch-frühchristlich die Ausrichtung auf den Heiligen Geist. Heute ist Spiritualität gerade für seine verheißungsvolle Unbestimmtheit ohne religiöse Bindung beliebt. Der Spirituelle Tourismus bündelt scheinbar widersprüchliche Strömungen: Geist und Materie, Religion und Wirtschaft, Kirche und Welt. Damit taugt der Spirituelle Tourismus als »Containerbegriff« für Tendenzen auf dem Reisemarkt. Ohne den Trend zur Sinnsuche zu berücksichtigen, wurden spirituelle Reiseformen bislang in die »Schublade« des Religionstourismus gepackt. Während dieser die (Volks-)Frömmigkeit und den Bezug nach außen betont, sind es beim Spirituellen Tourismus eher die Gegenwelt und der Bezug nach innen. Während die Themen des Spirituellen Reisens noch 2006 dem Kulturtourismus zuzuordnen waren, haben sie sich bis heute als Mischformen von Kultur-, Natur-, Aktiv- oder Gesundheitstourismus entfaltet. Im Marketing hat der unemotionale Terminus technicus »Spiritueller Tourismus« jedoch nichts zu suchen, er umreißt die Phänomene nur »backstage« für Wissenschaft, Theologie oder Wirtschaft.

Kerzentisch in der Autobahnkapelle Hamm

Dabei sollte man den weiten Begriff des Spirituellen Tourismus nicht überfordern. Mittlerweile wurde er zum Vehikel gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen, die spirituelle und religiöse Inhalte mit anderen Methoden vermitteln. Spirituelles Reisen – nach der in Sachsen-Anhalt 2000/2006 entstandenen Definition – reicht von einer gesamtgesellschaftlichen Reise ins Ich bis zu einer speziell touristischen Reise an die eigenen Grenzen. Deshalb lässt sich dieses Phänomen auch zwischen Theologie und Tourismus, Soziologie und Ethnologie, Geografie und Philosophie sowie weiteren Wissenschaften erschließen. Allein mit der Religionsgeografie sind die Kundenfragen nicht zu beantworten. Die Tourismuswissenschaft und -wirtschaft unterschätzen das ökonomische Potenzial des Spirituellen Tourismus. Theologie und Kirche hingegen beargwöhnen die wirtschaftliche und religionsunabhängige Ausrichtung des geistlichen Reisens. Damit könnten jedoch Tourismus wie Kirche, eine wichtige Chance verpassen, denn die Menschen sind schon auf der Reise zu sich selbst oder / und zu Gott: Die Partnerschaft zwischen Reisen / Freizeit und spirituellen Suchern / Urlaubern ist bereits Realität geworden.

Spiritueller Tourismusmarkt

Während sich die Spiritualität in anderen Bereichen bereits etabliert hat, wird sie spätestens seit Hape Kerkelings Bestseller »Ich bin dann mal weg« 2006 auch in der Reisebranche nicht mehr belächelt. Ob sie nun ein Nischenmarkt oder Megatrend wird, hängt auch davon ab, wie der Markt inhaltlich und räumlich definiert wird. »Überall ist Wallfahrt«, so formuliert 2007 der Volkskundler Helmut Eberhart. Bislang ist wenig über den Markt des Spirituellen Tourismus bekannt, da die Weltreligionen und -regionen sehr unterschiedliche Angebots- und Nachfrageparameter besitzen. Esoterische Strömungen profitieren ebenfalls vom Trend. Und nicht zuletzt entwickelt sich das spirituelle Reisen am Rande und in den Zwischenräumen der Haupttrends. Aus all diesen Gründen ist eine Beschränkung sinnvoll. Die Kirchen sollten sich im Spirituellen Tourismus auf Mitteleuropa und das Christentum beschränken, um den Suchenden eindeutige Antworten geben zu können.

Pilger auf dem Jakobsweg im Vorharz

Das Spirituelle Reisen ist gepaart mit vier Tourismusarten: erstens mit dem Kulturtourismus von Kirchenbesichtigungen oder Klosterreisen, zweitens mit dem Natur-, Aktiv- und Gesundheitstourismus von Pilgern und Wallfahrern, drittens mit den Pilger- und Studienreisen auf den Spuren von Paulus oder Bonifatius, viertens mit einem Klosterurlaub mit Manager-, Fasten-, Exerzitien- oder Stille-Schwerpunkt, fünftens mit dem Besuch religiös-historischer Stätten und Feste. Zunächst lassen sich diese verästelten Phänomene nicht einem einzigen Markt zuordnen. Doch grübeln etwa die großen Konzerne schon lange, wie sie immer differenzierter werdende Kundengruppen immer ausgefeilter bedienen können. Dies sollte Ansporn für die traditionsreichen Kirchen sein. Es liegt im Christentum nur eine Wahrheit, die sich jedoch in der globalisierten Welt immer facettenreicher entfalten kann.

Klöster- und Pilgerreisen

Selbst die Schwerpunkte des christlich geprägten Spirituellen Tourismus, das Pilgern und das Kloster, bedienen unterschiedliche Zielgruppen und bringen deshalb unterschiedliche Angebote hervor. Es fällt schwer, das Pilgern vom Wandern abzugrenzen: Pilgern ist Wandern plus Sinn- und / oder Gottessuche, »Beten mit den Füßen«. Während das traditionelle Pilgern körperlich mit der Anstrengung des Wanderns und geistig mit der Religion verbunden war, bietet sich heute ein differenzierteres Bild. Der Begriff »Spirituelles Wandern« trifft eher den Kern des Markts. Damit geht es nicht mehr so sehr um die Reise weg zu einem Ziel, sondern hin zu sich selbst. Auch der Klosterurlaub wird davon geprägt, dass sich der Reisende auf sich selbst ausrichtet: Unter dem Slogan »Atem holen« fassen die deutschen Orden deshalb ihre Gästeangebote zusammen. An traditioneller Stelle rangiert Klosterkultur vor -tagungen und -exerzitien. Es folgen der Klosteraufenthalt für Manager, die Klostermeditation, der chancenreiche Gesundheitsurlaub im Kloster und die klassische Auszeit.

Flur im Haus der Stille in Meschede

Bereits der Wellnesstrend befriedigte Bedürfnisse, die weit über äußerliche Anwendungen hinausgingen. »Man muss sich körperlich und seelisch entschlacken. Das ist auch ein Stück Wellness«, schlussfolgert Pastor Norbert Wilke, dessen Gottesdienste auf der Urlaubsinsel Norderney im Sommer immer besser besucht wurden. Denn der Spirituelle Tourismus lässt sich nicht so einfach herunterrechnen. Zielgruppen sind sowohl »Intensivchristen«, die ganzheitliche Angebote verlangen, als auch »Nichtkirchliche«, die niederschwellige Bausteine suchen. Die Nachfrager des Spirituellen Tourismus werden hybrider und brauchen differenzierte Strategien. In Mitteleuropa steht das Christentum im Fokus des Spirituellen Reisens, da die 2000 Jahre alten Werte, Bräuche und Riten auch unterbewusst unser tägliches Leben prägen. Die handelnden Kirchen müssen die vielen Nischennachfrager nur marktgerecht ansprechen. Mit einem »Ich-erschlagealle-Religions-und-Sinn-Reiseinteressierten-mit-einem-Konfektionsangebot« werden die Anbieter nicht weiter kommen. Auch hier können die folgenden 100 Beispiele eine hilfreiche Anregung sein. Gegen Relativierung und Beliebigkeit kann und muss Kirche ein unverrückbares Angebot setzen, das dann auch gebucht wird. Denn im spirituellen Reisemarkt wie in der Konsumgüterindustrie wird nur das »Original« nachgefragt.

Touristische Gastgeberschaft der Kirchen

Schon im frühen 6. Jahrhundert schreibt die Regel des Heiligen Benedikt von Nursia vor, was das Evangelium verkündet hat und die kirchliche Zukunft ausmachen wird: »Alle Gäste, die zum Kloster kommen, werden wie Christus aufgenommen; denn er wird einst sprechen: ›Ich war fremd, und ihr habt mich beherbergt‹. Allen erweise man die ihnen gebührende Ehre«. Die Kirchen können weiter jammern, dass die Finanznot immer größer wird, die Kirchengemeinden aussterben und sie immer anonymere Dienstleistungsstrukturen bekommen. Aber die Kirche bleibt auch weiterhin im Dorf und selbst in Ostdeutschland kämpfen nicht-christliche Bewohner um »ihren« Kirchenbau. Es wird keinen Weltuntergang geben, sondern eine Weltveränderung. Denn neben den Amtskirchen entwickeln sich Spiritualität und Spiritueller Tourismus zu einem wachsenden Markt. Der evangelische Pfarrer Wolfgang Vorländer hat aus seiner Erfahrung 2007 vom »Geheimnis der Gastfreundschaft« geschrieben: Darin liegt der Kern der christlichen Kirchen und ihrer Botschaften.

Offene Kirche St. Klara in Nürnberg

Die »religio potentialis«, die mögliche Religiosität, von der etwa der katholische Theologe Michael Zulehner spricht, trifft auch auf Freizeit und Tourismus zu. Bedeutet die »Selbstsäkularisierung«, die der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Bischof Wolfgang Huber für die Evangelische Kirche in Deutschland benannte, dass die Kirchen bereits die Wünsche der Menschen nicht mehr verstehen? Die »postsäkulare Gesellschaft« des Philosophen Jürgen Habermas benötigt vielmehr eine »spirituelle Bewirtung«, wie es der Beauftragte der Lutherdekade und evangelische Pfarrer Stefan Dorgerloh 2009 formulierte. Und genau das erwarten die Mitteleuropäer von ihren christlichen Kirchen. Nur wer den Kern des Produktes kennt, kann die Inhalte qualitativ hochwertig formen – und das sind im Spirituellen Tourismus nun mal die Kirchen. Die marktgerechte Gestaltung muss dann mit der Tourismuswirtschaft erfolgen. Denn eine Pilgerstudienreise wird nur perfekt, wenn geistliche Betreuung und touristische Organisation aufeinander abgestimmt sind. Der Spirituelle Tourismus fordert die Kirchen dazu heraus, beliebigen spirituellen Strömungen nun definitive Wahrheiten und Werte entgegenzusetzen und christliche Themen in Reiseangeboten offensiv zu platzieren.

So zeigen die folgenden 100 Angebote, wie Spiritualität, Christentum, Gastgeberschaft, Tourismus und Kirchen zusammen gelebt werden können. Häufig sind es Einzelpersonen und kleine Gruppen, die ohne Auftrag und Rückendeckung ihrer Amtskirche zu begeistern wissen. Beim Spirituellen Tourismus profitieren die Kirchen neben ihrer traditionellen Gastgeberschaft und Ortsgebundenheit auch von ihren kulturellen und rituellen Zeichen. Aber die Kirchen sollten früh an den spirituellen Angeboten mitgestalten. Einer allzu beliebigen Spiritualität können sie unveränderliche Botschaften mit kundenorientierten Mitteln entgegensetzen. Die breiten Zielgruppen des Spirituellen Tourismus werden es zu schätzen wissen, denn die Kirchen besitzen das spirituelle Original – allein die authentische Gastfreundschaft werden die Kirchen vielfach noch einmal erlernen müssen. Die folgenden 100 Beispiele zeigen, was viele Suchende erfragen, was viele Gastgeber anbieten und wie vielfältig die Wege zu Gott und / oder zu sich selbst sein können. Sie sollen beispielgebend und inspirierend für die Kirchen sein.

Eine Navigationshilfe für Sinnsucher

Karin Berkemann

Tief im Wald von Ihlow zeichnet sich die Silhouette einer Kirche ab. Das dort 1228 begründete Zisterzienserkloster wurde mit der Reformation zerstört. Fast 500 Jahre später stellte man 2009 die Klosterkirche als luftiges Gebilde nach. Unterirdisch birgt nun ein »Raum der Spurensuche« außer Ausgrabungsfunden auch einen Altar. Neben kulturellen Angeboten werden hier gerne Andachten gefeiert. Denn Orte geistlicher Tradition ziehen immer wieder Sinnsucher an – wie die folgenden 100 Beispiele belegen.

Jeder Besucher ist willkommen

Woran man einen geistlich gesinnten Besucher erkennt, können die für dieses Buch ausgewählten Anbieter kaum in Worte fassen. Gefragt nach ihren »Wunsch-Gästen«, lautet die häufigste Antwort: alle. Keine religiösen oder gesellschaftlichen Hürden sollen abschrecken. Gerade darin will man sich von der klassischen Ortsgemeinde unterscheiden. Alle Räume und Herzen stünden weit offen. Wer die Einladung annimmt, sei willkommen – und damit ein möglicher Sinnsucher und Gesprächspartner.

Klosterstätte Ihlow bei Aurich

Das Bild schärft sich mit der Frage, wer tatsächlich kommt. Eine auffällige Installation am beliebten Ausflugsziel – wie das Kirchenschiff am Strand von St. Peter-Ording – lockt kirchenferne Laufkundschaft. Ein Raum der Stille, in dessen Nähe viele regelmäßig arbeiten und einkaufen, erreicht – wie die Flussschifferkirche im Hamburger Hafen – auch einen festeren Kreis von kirchennahen Ruhesuchern. Und mancher Reiseveranstalter kümmert sich gezielt um die kleine eingeschworene Pilgertruppe.

Tatsächlich meinten die meisten Anbieter von Anfang an beide: Einheimische und Besucher. Nur selten beschränkt man sich dauerhaft auf den reinen Urlauber. Denn was Reisende suchen, mögen auch viele Menschen vor Ort. Und manche lokale geistliche Tradition, ob Wallfahrt oder Kunstschatz, wurde ungeplant zum touristischen Ziel. Je beweglicher die Gesellschaft wird, desto durchlässiger scheint die Grenze zwischen örtlichen Kirchgängern und reisenden Gelegenheitschristen.

Erstmal ins Gespräch kommen

Für viele Initiativen spenden Engagierte gerne Zeit und Geld. Selten fallen Worte wie »missionarisch«. Vielmehr gehe es um das Gespräch mit Menschen, die mit der Religion fremdeln. Dabei werden – wie beim kulturübergreifenden Kunstprojekt »Platz des Europäischen Versprechens« in Bochum – nicht nur konfessionelle Grenzen überschritten. Und ganz handfest wollen manche auch ihre Kirche erhalten, das touristische Profil ihrer Stadt bereichern oder ihre private Leidenschaft zum Beruf machen.

Unterschriftenaktion zum Bochumer »Platz des Europäischen Versprechens«

Gemeinsam haben die vorgestellten Angebote, dass sie aus dem alltäglich Vertrauten herausführen. Im besten Fall schaffen sie Raum, um dem Anderen zu begegnen. Beliebt sind Mischformen: das historische Kloster in idyllischer Landschaft mit angeschlossenem Pilgerweg … Denn zum Glück spricht das geistliche Reisen verschiedene Interessen an, vom Natur- bis zum Kulturtourismus. Doch fehlen, trotz Wellness-Trend, im Gesundheitsbereich noch immer viele gute geistliche Angebote.

Die Herausgeber wandten sich mit einem bundesweiten Aufruf an kirchliche und touristische Stellen, Träger und Verbände. Gesucht wurden gute Beispiele des geistlichen Reisens. Unter den Antworten überwog das Pilgern mit einem Viertel, gefolgt von einem Sechstel zum Klosterurlaub. Die Auswahl fiel den Förderern und Herausgebern schwer. Rund 50 beispielhafte Einsendungen wurden, unterstützt durch Fachkundige, um weitere Angebote für Menschen unterwegs ergänzt. Möglichst konfessionell und regional ausgewogen, sollte die Bandbreite vom Pilgern bis zur gastoffenen Kultur- und Sozialarbeit reichen.

Naturorte, Traditionsräume und Wegstationen

Gliedern ließ sich die Vielfalt, wie sich Reisende orientieren: nach dem Ort. Eine erste Gruppe von Angeboten liegt in der freien Natur. »Am Wasser« und »Im Grünen«, so zwei der folgenden Kapitel, wird man mit den Elementen auch vom Anderen überwältigt. Auch die Fern- und Gesundheitstouristen entfliehen dem Gewohnten. Die Angebote der Kapitel »Auf Kur« und »In die Ferne« verfügen über eine erhol- bis heilsame Umgebung. Ob Kur oder Natur, Körper und Seele sollen zur Ruhe kommen.

Vespergebet in der Abtei St. Hildegard in Eibingen

Mit der zweiten Gruppe von Orten bewegt sich Kirche auf heimischem Terrain. Natürlich besucht der Kulturtourist ein traditionsreiches Kloster. Im Idealfall trifft er hier, wie im Kapitel »Im Kloster«, aber auf eine lebendige (Ordens-)Gemeinschaft. In der Stadt werden auch die kunstreiche Kathedrale oder das weltliche Museum zum geistlichen Erlebnisraum. Hier ergänzt man den faktenreichen Kulturtourismus, wie in den Kapiteln »In der Kirche« und »In der Ausstellung«, gezielt um gastoffene Sinnangebote.