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Herbert Edling

Globalisierung

Internationale Rahmenbedingungen für unternehmerisches Handeln

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2022

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-040554-7

E-Book-Formate:

pdf:           ISBN 978-3-17-040555-4

epub:        ISBN 978-3-17-040556-1

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Inhaltsverzeichnis

 

 

  1. Einleitung
  2. Teil 1: Grundlagen zum Verständnis der Globalisierung
  3. 1   Globalisierung
  4. 1.1   Merkmale der Globalisierung
  5. 1.2   Ursachen der Globalisierung
  6. 1.3   Folgen der Globalisierung
  7. 1.3.1   Verbesserung des materiellen Lebensstandards
  8. 1.3.2   Global Externalities: Global Public Goods und Global Public Bads
  9. 1.3.2.1   Wachsende Einkommens- und Vermögensungleichheit
  10. 1.3.2.2   Auswirkungen auf die Umwelt
  11. 1.4   Global (Economic) Governance
  12. 1.4.1   Probleme bei der Bereitstellung globaler öffentlicher Güter
  13. 1.4.2   Global Governance: Strukturen und Instrumente
  14. 1.4.2.1   Die globale Akteurslandschaft
  15. 1.4.2.2   Die Vereinten Nationen (UN)
  16. 1.4.2.3   Der Internationale Währungsfonds (IWF)
  17. 1.4.2.4   Die Weltbankgruppe
  18. 1.4.2.5   Die Welthandelsorganisation (WTO)
  19. 1.4.2.6   Nationalstaaten
  20. 1.4.2.7   Die Gruppe der G7 und G20
  21. 1.4.2.8   Zentralbanken
  22. 1.4.2.9   Organization for Economic Co-operation and Development (OECD)
  23. 1.4.2.10 Internationale Finanzmärkte
  24. 1.4.2.11 Staatsfonds
  25. 1.4.2.12 Ratingagenturen
  26. 1.4.2.13 Multinationale Unternehmen (MNU)
  27. 1.4.2.14 Internationale Nichtregierungsorganisationen (INGO)
  28. 1.5   Globale Globalisierungskritik
  29. Literatur zu Kapitel 1
  30. Teil 2: Ausgewählte internationale Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns
  31. 2   Unternehmen in Verantwortung
  32. 2.1   Anmerkungen zur Unternehmensethik
  33. 2.2   Corporate Social Responsibility (CSR)
  34. 2.3   Internationale Instrumente zur Förderung von CSR
  35. 2.3.1   Global Compact (GC)
  36. 2.3.2   UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte
  37. 2.3.3   OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen
  38. 2.3.4   MNU-Erklärung der International Labor Organization (ILO)
  39. 2.3.5   Norm ISO 26000 und DIN ISO 26000
  40. 2.3.6   Sustainable Development Goals (SDG)
  41. 2.4   Corporate Social Responsibility als »Business Case«
  42. 2.5   Fazit
  43. Literatur zu Kapitel 2
  44. 3   Wettbewerbspolitik in Zeiten der Globalisierung
  45. 3.1   Wettbewerbspolitische Leitbilder
  46. 3.1.1   Das Leitbild der vollständigen Konkurrenz
  47. 3.1.2   Das Leitbild des funktionsfähigen Wettbewerbs
  48. 3.1.3   Das Leitbild der Chicago School
  49. 3.1.4   Schlussfolgerungen für die Wettbewerbspolitik
  50. 3.2   Motive und Auswirkungen wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen
  51. 3.3   Wettbewerbspolitik in Europa
  52. 3.3.1   Kartellverbot
  53. 3.3.2   Fusionskontrollverordnung
  54. 3.3.3   Missbrauchsaufsicht
  55. 3.3.4   Beihilfekontrolle
  56. 3.4   Ein Blick über Europa hinaus
  57. 3.5   Industriepolitik als Wettbewerbspolitik
  58. Literatur zu Kapitel 3
  59. 4   Global Public Bad: Steuervermeidung international tätiger Unternehmen
  60. 4.1   Steuervermeidung versus Steuerhinterziehung
  61. 4.2   Gesellschaftliche Folgen von Steuervermeidung durch Unternehmen
  62. 4.3   Ursachen der Steuervermeidung von Unternehmen
  63. 4.4   Steuervermeidungspraktiken international tätiger Unternehmen
  64. 4.5   Internationale Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung
  65. Literatur zu Kapitel 4
  66. 5   Global Public Bad: Korruption
  67. 5.1   Risiken für Unternehmen durch Korruption
  68. 5.2   Gesellschaftliche Folgen von Korruption
  69. 5.3   Formen von Korruption
  70. 5.4   Ursachen von Korruption
  71. 5.5   Internationale Bestrebungen zur Eindämmung von Korruption
  72. 5.6   Unternehmerische Maßnahmen zur Eindämmung von Korruption
  73. Literatur zu Kapitel 5
  74. Teil 3: Internationalisierung von Unternehmen
  75. 6   Internationalisierung von Unternehmen
  76. 6.1   International tätige Unternehmen
  77. 6.2   Nationale und unternehmerische Einflussfaktoren auf die Internationalisierung
  78. 6.2.1   Porters »Diamond Model«
  79. 6.2.2   Das eklektische Paradigma (»OLI-Paradigma«) von Dunning
  80. 6.3   Internationalisierung: Erfolgsfaktoren – Hindernisse – Risiken
  81. 6.4   Motive der Internationalisierung
  82. 6.5   Umfeld- und Standortanalyse
  83. 6.6   Internationale Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien
  84. Literatur zu Kapitel 6
  85. 7   Kulturverständnis als Erfolgsfaktor für Internationalisierung
  86. 7.1   Kulturbegriff
  87. 7.2   Kulturdimensionen im Vergleich
  88. 7.2.1   Individualistische und kollektivistische Kulturen
  89. 7.2.2   Kontextorientierung (Direktheit der Kommunikation)
  90. 7.2.3   Zeitorientierung
  91. 7.2.4   Akzeptanz von Machtdistanz
  92. 7.2.5   Maskuline und feminine Orientierung
  93. 7.2.6   Unsicherheitsvermeidung
  94. 7.3   Bedeutung der Kulturdimensionen
  95. Literatur zu Kapitel 7

Einleitung

 

 

International tätige Unternehmen sind die treibenden Kräfte der weltwirtschaftlichen Integration. Aufgrund ihres wirtschaftlichen Gewichts, aber auch aufgrund ihrer grenzüberschreitenden Produktions- und Vertriebsmethoden sind sie der »Motor der Globalisierung«. Ihre Bedeutung macht sie einerseits zu zentralen Akteuren bei der Bewältigung der komplexen Herausforderungen, die der Globalisierungsprozess mit sich bringt. Andererseits unterliegen sie in ihrem Handeln zunehmend globalen geopolitischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, gesetzt von nationalen, internationalen und supranationalen Organisationen. Die Einwirkung auf Unternehmen geschieht dabei mehr oder weniger direkt beispielsweise über Gesetze, Normen, Regeln, Leitlinien, Verhaltenskodizes sowie Absprachen formeller und/oder informeller Natur.

Vor diesem Hintergrund erfasst das modular aufgebaute Lehrbuch Globalisierung als interdisziplinäres Phänomen und integriert dabei betriebs- und volkswirtschaftliche Inhalte, um das Verständnis für die Notwendigkeit, Möglichkeit und Grenzen der internationalen Wirtschaftstätigkeit von Unternehmen zu wecken.

Teil 1 beschäftigt sich mit der Globalisierung im Allgemeinen. Neben den Ursachen der Globalisierung stehen vor allem die Folgen der Globalisierung im Fokus der Betrachtung und hier insbesondere die sog. »Global Public Externalities«. Der Globalisierungsprozess hat nämlich nicht nur für viele Menschen weltweit zu einer Verbesserung des materiellen Lebensstandards geführt, sondern auch dazu, dass sich bestimmte Konsequenzen wirtschaftlichen Handelns zunehmend zu globalen Problemen ausweiteten und zunehmend ausweiten, die nicht nur die Verursacher, sondern – im Extremfall – die gesamte Menschheit betreffen (sog. »Global Public bads«).

In diesem Teil des Buches wird speziell auf die zunehmende Ungleichheit im Einkommen und Vermögen sowie auf die Auswirkungen auf die Umwelt eingegangen. Ungleichheit und das Entstehen von dauerhaften Verlierern fördern politische Unruhen, verschärfen die Fragilität von Staaten und ist Auslöser für internationale Flüchtlingsbewegungen. Die Umwelt wurde lange Zeit nur als kostenloses Rohstoffvorkommen und Mülldeponie angesehen. Die Globalisierung hat dazu beigetragen, die großen Umweltschäden, mit denen wir heute konfrontiert sind, zu verschärfen, selbst wenn sie nur indirekt dafür verantwortlich ist. So lässt das Wachstum der internationalen Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalströme, die weltweite Vernetzung der Unternehmen sowie das durch die Globalisierung induzierte zusätzliche Wirtschaftswachstum die Umweltbelastung zweifelsfrei ansteigen. Obgleich die konkreten Auswirkungen generell noch schwer zu beurteilen sind, sind sie in einigen Bereichen offensichtlich.

Üblicherweise wird die Bereitstellung öffentlicher Güter (»Public Goods«) und das Verhindern bzw. Eindämmen von öffentlichen Übeln (»Public Bads«) bzw. die Internalisierung externer Effekte traditionell als nationale Aufgabe verstanden. Im nationalen Kontext kann der Staat, basierend auf seinem Machtmonopol, bspw. mittels Steuern, intervenieren. Bei »Global Public Externalities« funktioniert das so nicht, da es keine Weltregierung mit einem Machtmonopol gibt, das zur Durchsetzung geeigneter Maßnahmen erforderlich ist.

Staaten, die nicht bereit sind, Maßnahmen zur Begrenzung der Klimaerwärmung zu ergreifen, profitieren trotzdem von den Anstrengungen anderer Länder. Sie haben daher wenig Anreize, sich selbst aktiv für den Klimaschutz einzusetzen, sie agieren als Trittbrettfahrer. So kommt es zu einer unzureichenden Korrektur von »Global Public Bads« bzw. es wird zu wenig für »Global Public Goods« getan. Es geschieht etwas, aber niemand hat es getan oder es geschieht etwas und niemand tut etwas dagegen.

Global Governance, ein Regieren jenseits der Nationalstaaten, soll dem Abhilfe schaffen. Des Weiteren werden daher neben den Strukturen und Instrumenten von Global Governance die damit verbundenen Probleme beleuchtet. Hierfür wird in einer weitergehenden Analyse auf die globale Akteurslandschaft eingegangen. Am Ende des ersten Teiles wird auf eine generelle Kritik an der Globalisierung eingegangen und ein kurzer Ausblick auf mögliche weiteren Entwicklungen im Globalisierungsprozess gewagt.

In Teil 2 werden beispielhaft Themen diskutiert, deren globaler Kontext das unternehmerische Handeln mitbestimmt. Durch das Konzept der Corporate Social Responsibility (CSR) gewinnt die Verantwortung von Unternehmen und ihre Wirkungen auf die Gesellschaft zunehmend Bedeutung im gesellschaftlichen Diskurs. Es wird erwartet, dass Unternehmen Verfahren entwickeln, mit denen soziale, ökologische, ethische sowie Menschenrechts- und Verbaucherbelange in enger Zusammenarbeit mit den Stakeholdern in ihre Kernstrategie integriert werden. Dabei geht es idealtypisch nicht darum, wie Unternehmen ihre Gewinne verwenden, sondern wie Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften. Die Übernahme »gesellschaftlicher Verantwortung« ist so gesehen ein Innovationstreiber und kann zu einer sozialen und ökologischen Gestaltung der Globalisierung beitragen. Übergeordnete Gründe, welche die Forderung nach sozialer und ökologischer Verantwortung von Unternehmen immer dringlicher erscheinen lassen, sind vor allem die Zunahme der sog. »Global Public Bads« wie beispielsweise die Umweltverschmutzung und der Klimawandel, mit deren Bekämpfung die Nationalstaaten mitunter überfordert sind.

Es ist aber auch im eigenen Interesse von Unternehmen, sich stärker in die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen einzubringen. Gerade in einer digital vernetzten Welt führen falsche Entscheidungen und mangelnde Transparenz zu einem Vertrauens- und Reputationsverlust, da Unternehmen über alle Kanäle hinweg in Echtzeit beurteilt werden können. Unternehmen sind auch auf eine intakte Gesellschaft angewiesen. Gute gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie sozialer Frieden und Klimaschutz sind für eine nachhaltige Unternehmenssicherung unabdingbar. Unternehmen können zur gesellschaftlichen Verantwortung vor allem über ihre Wertschöpfungsprozesse beitragen. In diesem Sinne sind alle Unternehmen auf allen Stufen der Wertschöpfungskette in der Verantwortung. Gesellschaftliche Verantwortung ist mithin keine Frage der Unternehmensgröße.

Das Kapitel »Unternehmen in Verantwortung« erläutert die bedeutendsten internationalen Instrumente zur Förderung von Corporate Social Responsibility und wie CSR als Teil des Geschäftsmodells in das Unternehmen integriert werden sollte. Konkret geht es darum, auf welche vielfältige Weise Nachhaltigkeitsmaßnahmen in die Wertschöpfungskette und das Unternehmensmanagement sowie in die verschiedenen Unternehmensbereiche integriert werden können.

Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sehen vor, dass zum Schutz des Wettbewerbs von MNU die Regeln des fairen Wettbewerbs beachtet und keine wettbewerbswidrigen Kartelle errichtet werden. Zudem sollen die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen der jeweiligen Länder beachtet werden. Der globale Wettbewerb führt jedoch eher zu einer Zunahme grenzüberschreitender Kooperationen, strategischen Allianzen und internationalen Fusionen. Zwar kann es dadurch zu einer Erhöhung der Wettbewerbsintensität kommen, gleichzeitig wächst aber das Risiko, dass die so entstehende zunehmende Marktmacht eine systematische Umgehung existierender Regeln mit sich bringt. Auch der Druck auf weitere Unternehmen wächst Fusionen mit anderen Unternehmen oder zur Übernahme anderer Unternehmen, um wettbewerbsfähige Größenordnungen zu erreichen. Nachteilig wirkt sich das vor allem auf kleinere und mittlere Unternehmen aus, die sich in einer deutlich schwächeren Marktposition befinden. So können bspw. multinationale Unternehmen Steuerschlupflöcher nutzen, kleinere Unternehmen dagegen eher nicht.

Im Kapitel »Wettbewerbspolitik in Zeiten der Globalisierung« werden zunächst verschiedene wettbewerbspolitische Leitbilder sowie mögliche Motive und Auswirkungen wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen. Die europäische Wettbewerbspolitik und ein Blick über Europa hinaus bilden den Schwerpunkt dieses Kapitels. Zudem wird das Spannungsfeld zwischen Industrie- und Wettbewerbspolitik thematisiert.

Multinationale Unternehmen sollen im Rahmen der geltenden Gesetze und Bestimmungen auch ihren Beitrag zu den öffentlichen Finanzen gemäß der Steuernormen der Gastländer leisten und mit den Steuerbehörden zusammenarbeiten. Trotz jahrelanger Bemühungen der UN, der OECD und der EU, das Problem der Steuervermeidung einzudämmen, ist dies noch nicht in nennenswerter Weise gelungen. Da die gängigen Steuervermeidungspraktiken nicht allen Unternehmen in gleichem Maße möglich sind, kommt es auf diese Weise ebenfalls – wie bei korruptiven Handeln – zu Wettbewerbsverzerrungen auf den Güter- und Kapitalmärkten. Zudem sind kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) durch die Steuerstrategien internationaler Konzerne massiv benachteiligt. Sie haben oftmals nicht die geografische Reichweite bzw. finanziellen Ressourcen, mit Hilfe von großen Beraterfirmen globale Steuervermeidungsmodelle zu installieren. Dadurch steigen die Markteintrittsbarrieren und die Monopolisierung wird gefördert. Vielen Ländern gehen (Steuer-)Einnahmen verloren, die sie zur Finanzierung notwendiger Infrastrukturprojekte und Sozialleistungen benötigen.

Im Kapitel »Global Public Bad: Steuervermeidung international tätiger Unternehmen« werden zunächst die gesellschaftlichen Folgen der Steuervermeidung aufgezeigt und dargelegt, was die Ursachen bzw. welche institutionelle Gegebenheiten Steuervermeidung ermöglichen. Nach der Darstellung diverser Steuervermeidungspraktiken werden verschiedene internationale Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung diskutiert.

MNU sollen für Aufträge weder direkt noch indirekt Bestechungsgelder anbieten, versprechen, gewähren oder fordern. Sie sollen Forderungen von Bestechungsgeldern zurückweisen und ihre Aktivitäten zur Bekämpfung von Korruption transparent machen (OECD-Leitlinien für MNU). Der im Zuge der Globalisierung zunehmende Wettbewerb unter den international agierenden Unternehmen lässt Korruption als Mittel zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit aber zunehmend attraktiv erscheinen. Beispielsweise stehen Manager dieser Unternehmen vor erheblichen Herausforderungen. Wenn sie sich an die geltenden Regeln und Gesetze halten, entgehen ihnen teilweise Geschäfte, mögliche Umsatzziele und damit verbundene Erfolgsboni. Insbesondere bei der Vergabe öffentlicher Aufträge spielt Korruption eine erhebliche Rolle. Mitunter wird in der Literatur erwähnt, dass sich Korruption und eine positive gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht unbedingt ausschließen. »Schmiergeld«, also Zahlungen mit dem Ziel der Korruption, scheinen Dinge, die sich in der öffentlichen Verwaltung im Stillstand befinden, wieder auf den rechten Weg zu bringen. Somit könnte man meinen, dass Korruption das Wachstum einer Volkswirtschaft fördern kann, da sie die Realisierung von Investitionen und Projekten beschleunigt. Diese Betrachtungsweise ist jedoch verkürzt. Korruption bringt erhebliche negative Auswirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung, die Gesellschaft und die Politik mit sich.

Im Kapitel »Global Public Bad: Korruption« werden die Formen, Ursachen und Risiken korruptiven Verhaltens für Unternehmen sowie die gesellschaftlichen Folgen von Korruption behandelt. Abgerundet wird das Kapitel mit einer Beschreibung internationaler Bestrebungen zur Eindämmung von Korruption und etwaiger unternehmerischer Maßnahmen.

Teil 3 ermöglicht im Kapitel »Internationalisierung von Unternehmen« einen generellen Überblick über nationale und unternehmerische Einflussfaktoren auf die Internationalisierung von Unternehmen, den Erfolgsfaktoren sowie möglichen Hindernissen und Risiken. Diverse Motive werden ebenso erläutert, wie die Vielfalt internationaler Markteintritts- und Marktbearbeitungsstrategien.

Ob in Verhandlungen mit ausländischen Geschäftspartnern, der Zusammenarbeit in Joint Venture, Auslandsniederlassungen oder multikulturell besetzten Arbeitsgruppen in Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit länderübergreifend ausrichten, haben die jeweils handelnden Personen sehr wahrscheinlich einen unterschiedlichen kulturellen Hintergrund. Bedingt durch die unterschiedliche kulturelle Prägung der Unternehmensmitarbeiter sind Verhandlungsstil, die Form der Zusammenarbeit sowie Konfliktlösungsmechanismen entsprechend vielschichtiger. Damit dürfte klar sein, dass Kultur bzw. Kulturunterschiede einen Einfluss auf die Geschäftsaktivitäten eines Unternehmens im Ausland haben. Im Besonderen besteht auch die Notwendigkeit bei Unternehmen verschiedene kulturelle Kontexte bei der Implementierung von CSR-Strategien zu berücksichtigen, da Kulturunterschiede ein anderes Verständnis und andere Erwartungen an CSR mit sich bringen.

Der Prozess der Globalisierung prägt damit die Rahmenbedingungen des Interkulturellen Managements sehr nachhaltig und stellt besondere Anforderungen an Auswahl, Entwicklung und Einsatz von Führungskräften und Experten im globalen Umfeld sowie an die Führung multikultureller Belegschaften und Kooperationen. Im Kapitel »Kulturverständnis als Erfolgsfaktor für Internationalisierung« liegt der Schwerpunkt auf einem Vergleich unterschiedlicher Kulturdimensionen und deren Einfluss auf das Arbeitsleben.

Teil 1: Grundlagen zum Verständnis der Globalisierung

1          Globalisierung

 

 

»Der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Tornado in Texas auslösen. Und das ist nicht nur abstrakte Theorie. Die globalisierte Wirtschaft von heute (…) ist so ein komplexes System geworden, in dem nicht vorhersagbare Dinge passieren, z. B. Finanzkrisen und eben Pandemien.«1

1.1       Merkmale der Globalisierung2

Globalisierung bezeichnet einen »Prozess zunehmender Verbindungen zwischen Gesellschaften und Problembereichen dergestalt (…), dass Ereignisse in einem Teil der Welt in zunehmendem Maße Gesellschaften und Problembereiche in anderen Teilen der Welt berühren. Bei diesen Verbindungen ist erstens eine quantitative Zunahme, zweitens eine qualitative Intensivierung und drittens eine räumliche Ausdehnung feststellbar.«3 Ähnlich definiert Giddens Globalisierung als »Intensivierung weltweiter sozialer Beziehungen, durch die entfernte Orte durch Vorgänge geprägt werden, die sich an einem viele Kilometer entfernten Ort abspielen, und umgekehrt.«4 Zürn beschreibt Globalisierung als »das Entstehen einer Welt, deren Mitglieder durch unterschiedlichste Handlungszusammenhänge miteinander verbunden sind wobei die Bedeutung nationaler Grenzen abnimmt«5, wobei allerdings der Umfang grenzüberschreitender Transaktionen immer noch erheblich zwischen den Bereichen und auch im Hinblick auf verschiedene Staaten und Regionen variiert.

Der KOF Globalisierungsindex ist der am weitesten verbreitete Index zur Messung der Globalisierung. Er misst die ökonomische, soziale und politische Dimension der Globalisierung6, basierend auf folgender Definition: »Globalization describes the process of creating networks of connections among actors at intra- or multi-continental distances, mediated through a variety of flows including people, information and ideas, capital, and goods. Globalization is a process that erodes national boundaries, integrates national economies, cultures, technologies and governance, and produces complex relations of mutual interdependence.«7 Alle Dimensionen werden bei der Berechnung des Gesamtindex gleich gewichtet. Die nachfolgende Abbildung informiert über die Struktur des Globalisierungsindex. Rechts der Index, in dem die jeweiligen Subindikatoren in ihrer tatsächlichen Entwicklung (»de facto« also nach »Lage der Dinge«) gemessen werden (bspw. Ausländische Direktinvestitionen) und auf der linken Seite jener Index, für den die jeweiligen Subindikatoren nach den rechtlichen bzw. amtlichen Veränderungen (»de jure«), also Politikmaßnahmen und Bedingungen, die im Prinzip internationale Handelsströme und finanzielle Ströme sowie Aktivitäten erleichtern oder erschweren, bestimmt werden.

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Globalization Index, de factoWeightsGlobalization Index, de jureWeights

Abb. 1.1: Struktur des KOF Globalisierungsindex8

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Entwicklung seit 1970. Deutlich sichtbar ist die rasante Zunahme der Globalisierung zwischen den Jahren 1990 und 2007. Nach der Weltfinanzkrise und der darauffolgenden Rezession 2008/09 hat die Dynamik tendenziell nachgelassen.

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Abb. 1.2: Entwicklung der Globalisierung anhand des KOF Globalisierungsindex‘9

Die Schweiz, die Niederlande und Belgien, Schweden, das Vereinigte Königreich und Dänemark sind die insgesamt am stärksten globalisierten Länder weltweit (Stand 2017). Obgleich in die Festlegung der Dimensionen und ihrer Subindikatoren subjektive Elemente einfließen, zeigt der Maastrichter Globalisierungsindex ein ähnliches Ergebnis. An erster Stelle rangiert hier Belgien, vor den Niederlanden, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und Österreich (Stand 2012).

Die ökonomische Globalisierung kommt seit der Finanzkrise 2008 kaum noch voran, was vor allem an der Abschwächung des Handels liegt. Die internationalen Finanzflüsse haben dagegen bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen seit einigen Jahren wieder zugenommen. Auch die soziale Globalisierung stagniert seit einigen Jahren. Die Informationsflüsse gemessen etwa durch Patentanmeldungen oder Hochtechnologiehandel nahmen zu, bei der kulturellen Globalisierung zeigt sich hingegen ein leichter Abwärtstrend. Der Grad der politischen Globalisierung nimmt derweil weiter zu. Bei der ökonomischen Globalisierung liegt Singapur vor den Niederlanden und Belgien. Das Ranking der sozialen Globalisierung führt Luxemburg vor Monaco, Norwegen und der Schweiz an und der politische Globalisierungsindex sieht Frankreich vor Italien, Deutschland und Spanien.10

Schumann bezieht sich auf bestimmte Institutionen, wenn er unter Globalisierung vereinfacht die Verschmelzung von Märkten und Unternehmen versteht.11 Im wirtschaftlichen Bereich zeigt sich die Globalisierung vor allem in der Internationalisierung der Märkte für Güter und Dienstleistungen, der Entstehung international integrierter Kapitalmärkte und Arbeitsmärkte sowie der Internationalisierung der Produktion.12

Internationalisierung der Märkte für Güter und Dienstleistungen

Kaum etwas veranschaulicht die Globalisierung so deutlich wie die steigende ökonomische Bedeutung des Außenhandels. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Veränderung des Verhältnisses von Warenhandel und Weltwarenproduktion in den letzten Jahrzehnten. Demnach erhöhte sich der Welthandel, gemessen an den Warenexporten zu konstanten Preisen, seit 1960 um den Faktor 20,0 und die Weltwarenproduktion um den Faktor 7,5. Von den weltweit produzierten Waren ist auch ein immer größerer Teil für den Export bestimmt. Der Anteil des Warenexports am Welt-BIP lag 2019 bei mehr als einem Fünftel (21,5 %).

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 führte zum stärksten Rückgang des Warenhandels seit 1950 (real um 12,1 %). Dieser krisenbedingte Rückgang wurde inzwischen ausgeglichen. Die Außenhandelsquote, der prozentuale Anteil der Warenexporte und -importe am weltweiten BIP stieg von 19,0 % im Jahr 1970 bis zum Jahr 2019 auf über 43,5 %.13

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Abb. 1.3: Entwicklung des weltweiten Warenexports und der Warenproduktion (1960-2019)14

Die Entstehung international integrierter Kapitalmärkte

Traditionell waren die Finanz- bzw. Kapitalmärkte eng an die realökonomischen Vorgänge auf den Güter- und Dienstleistungsmärkten gekoppelt. Dies hatte zu einer weitgehend parallelen Entwicklung der Märkte geführt. Inzwischen hat sich aber die Geldsphäre von der Gütersphäre abgekoppelt.15 Die Finanz- bzw. Kapitalmärkte haben das größte Ausmaß der Globalisierung angenommen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Die rasante Verflechtung der Finanz- und Kapitalmärkte kann auf die Liberalisierung des Kapitalverkehrs,16 den verstärkten Technologieeinsatz und die steigende Bedeutung institutioneller Anleger zurückgeführt werden. Die zunehmende Staatsverschuldung vieler Länder und der große Finanzierungsbedarf vieler Unternehmen trugen ebenfalls dazu bei. Besonders explosionsartig ist zudem der weltweite Handel mit Finanzderivaten gewachsen. Sie werden sowohl als Absicherungsinstrumente als auch als Spekulationsinstrumente eingesetzt.17 Was den Kapitalmarkt betrifft, ist einer Studie der Beratungsfirma Ernst & Young zufolge jede zweite Aktie (55 %) der 30 Dax-Konzerne im Depot eines ausländischen Investors. Damit haben Internationale Investoren (insbesondere amerikanische Pensionsfonds) die Mehrheit an den DAX-Konzernen übernommen.

Internationalisierung der Produktion durch die Zunahme von ausländischen Direktinvestitionen

Die durchschnittlich pro Jahr getätigten Ausländischen Direktinvestitionen (ADI) haben sich bei einem Vergleich der Jahre 1970 bis 1979 mit den Jahren 2010 bis 2014 nahezu verfünfzigfacht. Dabei hat die relative Bedeutung der ökonomisch entwickelten Staaten deutlich abgenommen. Von diesen Entwicklungen profitierten die ökonomisch sich entwickelnden Staaten sowie die Staaten Süd-Osteuropas und der GUS, wobei insbesondere Asien (ohne Japan) hervorzuheben ist. Unter den einzelnen Staaten sind die USA und China die wichtigsten Ursprungs- und Zielländer von ADI.

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Abb. 1.4: Ausländische Direktinvestitionen nach Regionen18

Rund 37 % aller weltweiten Exporte wurden 2015 durch ausländische Töchter internationaler Unternehmen realisiert. Die Aktivitäten der Direktinvestitionen sind mithin überdurchschnittlich stark auf den Weltmarkt ausgerichtet. Internalisiert werden in besonderem Maße grenzüberschreitende Transaktionen. Die Exporte können einen Absatzkanal darstellen oder sich auf innerbetriebliche Leistungen beziehen, die zu anderen Unternehmensstandorten zugeliefert werden.19

Entscheidend für die Internationalisierung sind die Produktion war bzw. ist die Herausbildung globaler Waren- und Produktionsketten.20 Vor allem der große Fortschritt im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglicht es den Unternehmen, komplexe Produktions- und Dienstleistungsaktivitäten über weite Entfernungen mit deutlich geringeren Kosten als zuvor zu koordinieren und zu steuern. Große, vertikal integrierte Unternehmen konnten sich so auf ihre wertschöpfungsintensiven Kernkompetenzen konzentrieren und kosten- bzw. Know-how-intensive Teilaktivitäten an spezialisierte Zulieferer auslagern.21

Globale Warenketten (Global Commodity Chains) sind grenzüberschreitende vertikale Netzwerke, (Abnehmer-Zulieferer-Beziehungen), die sich um eine Ware oder ein Produkt herum gruppieren und die sich zwischen großen und kleinen Unternehmen sowie zwischen Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern spannen.22 In vereinfachter Unterscheidung lassen sich neben 1 herstellergesteuerten Warenketten (producer-driven commodity chains) zudem käufergesteuerte Warenketten (buyer-driven commodity chains) unterscheiden.

Herstellergesteuerte Warenketten finden sich häufig in kapital- und technologieintensiven Bereichen. Meist werden diese Ketten von oligopolistischen Unternehmen auf der Stufe der Produktion gesteuert und kontrolliert. Aufgrund ihrer dominierenden Machtposition kontrollieren diese Unternehmen (z. B. Volkswagen) sowohl Unternehmen auf vorgelagerten Ebenen (bspw. Rohstoff- und Vorleistungslieferanten), als auch Unternehmen auf nachgelagerten Wertschöpfungsstufen (Distribution und Handel).23

Käufergesteuerte Warenketten finden sich häufig in arbeitsintensiven Konsumgüterindustrien. Käufer sind hier große Einzelhandelsketten (z. B. Wal-Mart oder Aldi) und Markenproduzenten (z. B. Nike) aus den Industrieländern. Sie verfügen kaum noch über eigene Produktionskapazitäten, sondern entwerfen und vermarkten nur noch ihre Produkte.

Werden die globalen Wertschöpfungsketten nicht nur von der Unternehmensstrategie bestimmt, sondern berücksichtigt man auch die Einbindung der Unternehmen in Strukturen und Institutionen der Wirtschaft und Gesellschaft, handelt es sich um globale Produktionsketten bzw. Produktionsnetzwerke. Dabei umfasst der Begriff »Institutionen« nicht nur formale Organisationen mit Akteursqualität (Welthandelsorganisation, Nationalstaaten, Internationale Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften usw.), sondern auch normgeleitete, regelgebundene Handlungsmuster bis hin zu kulturell bedingten Gewohnheitsrechten.24

Beispiel: Staatliche Beeinflussung globaler Netzwerke

Ein Beispiel für eine gelungene staatliche Beeinflussung globaler Produktionsnetzwerke zugunsten heimischer Wirtschaft stellt die chinesische Automobilindustrie dar. Der chinesische Staat verfügt über eine starke Verhandlungsposition gegenüber ausländischen Investoren, da er den Zugang zu einem enorm großen, wachsenden Markt kontrolliert. Local-Content-Vorschriften und Joint-Venture-Regelungen führten dazu, dass ausländische Automobilhersteller bei einem Engagement in China gezwungen waren (werden), mit lokalen Unternehmen zusammenzuarbeiten und Zuliefernetzwerke vor Ort aufzubauen.25

Die Entstehung internationaler Arbeitsmärkte

Auch die Arbeit ist im Zuge der Internationalisierungsprozesse und des Ausbaus weltumspannender Netzwerke mobiler geworden. Dies ist u. a. eine Antwort darauf, dass Arbeit von gleicher Qualität in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich entlohnt wird. Unter den Bedingungen der Globalisierung wird das Wissen um die Einkommensunterschiede auch überall verbreitet und zudem haben sich die Mobilitätskosten verbilligt. Zum anderen führte und führt der Fachkräftemangel in einigen Ländern zu einer erhöhten Mobilität von qualifizierten Arbeitskräften und Führungsnachwuchs weltweit.26 Allerdings ist die Migration von Arbeitskräften in ihrem quantitativen Ausmaß bislang hinter den Entwicklungen anderer Märkte zurückgeblieben.27

1.2       Ursachen der Globalisierung

Ursächlich für die zunehmende internationale Verflechtung sind hauptsächlich der technologische Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie die Reduzierung der Transportkosten.28 Der technologische Fortschritt in der Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglicht es, dass alle Informationen jederzeit für alle – zumindest theoretisch – verfügbar sind und dadurch der weltweite Austausch von Ressourcen zwischen Unternehmen sowie innerhalb von Unternehmen erleichtert wird. Die Digitalisierung bringt nicht nur eine zunehmende Vernetzung von Mensch und Maschine sowie von Herstellern und Kunden mit sich, sondern macht auch die Logistik entlang weltweiter Lieferketten effizienter. Sämtliche für die Produktion und den Handel relevanten Daten können elektronisch gesammelt und allen Teilnehmern gleichzeitig zur Verfügung gestellt werden. Maschinen erkennen selbständig den Bedarf an zu verarbeitenden Komponenten, an Containern angebrachte Sensoren liefern wichtige Informationen zum Transportverlauf.

Vor allem auch die enormen internationalen Kapitalströme wären ohne die neuen Kommunikationstechniken nicht denkbar. Die Reduzierung der Transportkosten wirkt sich vor allem auf die für den Welthandel bedeutende Luft- und Schifffahrt aus. Erwähnenswert ist hier insbesondere auch die Erfindung der Container als Transportmittel.29 Container schützen die Waren besser – wodurch die Versicherungskosten sanken – und sie ermöglichen eine schnellere Verladung sowie große Einsparungen bei Abfertigung, Lagerung und Verpackung.

Der Abbau von Handelsbeschränkungen sowie die umfassende Etablierung von regionalen Wirtschaftsräumen gelten als weitere Treiber der Globalisierung. So fanden vor allem über die letzten Jahrzehnte hinweg unter der Ägide des GATT bzw. seit 1994 der Welthandelsorganisation (WTO) zahlreiche Aktivitäten statt, um den Abbau von Handelsbeschränkungen zu fördern. Über insgesamt acht Verhandlungsrunden – wobei der sog. Uruguay Runde (1986-1994) besondere Bedeutung zukommt – kam es zu einem massiven Abbau der Zölle. Beispielsweise wurden die durchschnittlich deutlich zweistelligen Zölle der Nachkriegszeit mit der Uruguay-Runde schrittweise auf weniger als 4 % reduziert. Dies senkte die Kosten und machte ausländische Beschaffungs- und Absatzmärkte für die Unternehmen leichter zugänglich. Bedeutsamer einzuschätzen ist jedoch, dass die internationalen Vereinbarungen auf multinationaler Ebene »Spielregeln« und deren Überwachung formulierten, die von nahezu allen Ländern akzeptiert wurden und so den internationalen Handel möglichst frei von Beschränkungen hielten. Die nachfolgende Abbildung fasst die Verhandlungsrunden zusammen. Wie aus der Abbildung ersichtlich stieg die Verhandlungsdauer mit der Anzahl der teilnehmenden Länder und der Themenvielfalt. Die Doha-Runde wurde zwischenzeitlich als gescheitert erklärt.

Von den diversen Erklärungsansätzen für Handel bieten sich vor allem die neueren Ansätze an, um die Motive des beschleunigten Abbaus der Handelsbeschränkungen zu verstehen. Traditionelle Ansätze erklären im Wesentlichen den interindustriellen Handel. Dieser Handel wird zwischen Ländern abgewickelt, die sich vor allem darin unterscheiden, dass sie unterschiedliche Waren zum Tausch anbieten und/oder aufgrund von Kostenunterschieden bei der Herstellung der Güter eine (Teil-)Spezialisierung sinnvoll erscheinen lassen. Klare Unterschiede gibt es zwischen Industrieländern und den weniger entwickelten Ländern. Hier werden komplexe Industriegüter gegen Rohstoffe, Halbfabrikate und einfache Industriegüter gehandelt.

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Abb. 1.5: Verhandlungsrunden GATT/WTO

Neuere Erklärungsansätze beziehen sich auf den Handel gleichartiger Güter zwischen den Industrieländern (sog. intraindustrieller Handel). Der Handel von gleichartigen Produkten zwischen industrialisierten Ländern wird u. a. erklärt durch die Ausnutzung steigender Skalenerträge bei gleichzeitigem Auftreten von monopolistischer Konkurrenz als dominierender Marktform sowie der gewünschten Produktvielfalt der Konsumenten.

Ein Grund für Handel ist die Nichtverfügbarkeit von Gütern und Produktionsfaktoren. Ursächlich hierfür können natürliche Gegebenheiten sein, wie bspw. das Klima, mangelnder Zugang zu Rohstoffen oder das Fehlen von Know-how. Kostendifferenzen bei der Herstellung der Güter sind ein weiteres wesentliches Argument für Handel zwischen den Staaten. Bei absoluten Kostenvorteilen ein Land kann ein Gut mit geringeren Kosten produzieren als die Konkurrenz – soll sich jedes Land auf die Produktion derjenigen Güter und Dienstleistungen spezialisieren, die es am preiswertesten herstellen kann.

Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigte David Ricardo in einem Zwei-Güter-Zwei-Länder-Modell auf, dass sich Handel zwischen zwei Ländern auch dann lohnt, wenn ein Land bei beiden Gütern absolute Kostenvorteile besitzt. Das mit diesem Theorem der komparativen Kostenvorteile begründet bis heute noch größtenteils den Handel. Voraussetzung ist, dass sich das Land mit den absoluten Kostennachteilen bei beiden Gütern auf die Produktion und den Export desjenigen Gutes spezialisiert, das es mit dem kleinsten absoluten Nachteil (dem vergleichsweisen Kostenvorteil) herstellen kann. Der reale Wohlfahrtseffekt liegt dann in einer Erhöhung der Produktivität für die beiden Länder insgesamt.30

Während Ricardo die Kostendifferenzen in erster Linie auf das Klima und die geologischen Verhältnisse in den jeweiligen Ländern zurückführte, begründeten die beiden Ökonomen Heckscher und Ohlin diese primär mit einer unterschiedlichen Ausstattung der Länder mit den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital.

Handel entsteht demzufolge aufgrund unterschiedlicher Ausstattung an Produktionsfaktoren. Angenommen, der in einem Land relativ reichlich zur Verfügung stehende Faktor wird gering entlohnt, folgt daraus das sog. Heckscher-Ohlin-Theorem (Faktorproportionentheorem): Jedes Land wird diejenigen Güter exportieren, bei deren Produktion jener Faktor relativ intensiv verwendet wird, mit dem das Land relativ reichlich ausgestattet ist und die Güter deswegen entsprechend günstig angeboten werden können.31

Nach Vernon ist bei der Ausstattung der Länder nicht nur nach der Quantität, sondern auch nach der Qualität zu differenzieren. Nicht alle Länder verfügen über dieselbe Technologie und Humankapital. Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnis kombinierte er das Heckscher-Ohlin-Modell mit dem Produktlebenszyklustheorem und erreichte somit eine dynamische Erweiterung. Betont wird dabei vor allem die Rolle des Humankapitals und Wissen als Ursache zeitlich begrenzter komparativer Kostenvorteile.32

Generell ist zu beobachten, dass Länder sich hinsichtlich ihrer Exporte immer weniger spezialisieren. Die Verbesserungen in den Bereichen Transport, Telekommunikation, Informationstechnologie auf der einen Seite und die steigende ökonomische Integration sowie die generelle Öffnung der Märkte auf der anderen, führen zu einer verbesserten Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Wissen. Daraus folgt, dass die komparativen Kostenvorteile für viele Länder immer mehr an Bedeutung verlieren.33

Auch Krugman verweist darauf, dass Außenhandel nicht unbedingt auf komparative Kostenvorteile zurückgehen muss. Außenhandel kann auch durch zunehmende Skalenerträge verursacht werden – d. h. durch das tendenzielle Sinken der Kosten pro Einheit mit wachsender Produktionsmenge aufgrund der Tatsache, dass sich die Fixkosten auf immer mehr Einheiten verteilen. Skalenerträge bieten Ländern den Anreiz, sich zu spezialisieren und auch mit denjenigen Ländern zu handeln, die über die gleichen Ressourcen und Technologien verfügen. Die Skalenerträge können intern (mit zunehmender Unternehmensgröße) oder extern (mit zunehmender Größe der Branche) anfallen.34

Nach Linder wird ein Gut erst dann zum Exportgut, wenn eine repräsentative Binnennachfrage vorhanden ist (Theorie der repräsentativen Nachfrage). Die Eroberung der Auslandsmärkte findet erst nach Ausschöpfen der inländischen Marktmöglichkeiten statt.35 Was den Umfang und die Struktur der Handelsgüter angeht, sind diese mithin durch die interne, »repräsentative« Nachfrage determiniert. Der Handel ist dabei umso intensiver, je ausgeglichener das Pro-Kopf-Einkommensniveau – bzw. je ähnlicher die Präferenzen nach bestimmten Produkten – der Handelspartner ist.

Box: Exportgut Autobahn?

Kein anderes Land mit einem ausgebauten Straßennetz ähnlich wie jenes in Deutschland ermöglicht die »freie Fahrt für freie Bürger«, wie der ADAC vor vielen Jahren die Ablehnung eines Tempolimits auf Autobahnen begründete. Die Autobahn ist geradezu ein Alleinstellungsmerkmal Deutschlands auf den Absatzmärkten seiner Autoindustrie und damit ein starkes Verkaufsargument geworden, wie Piper in der Süddeutschen Zeitung formulierte.

Porsche bewarb einst seine Auslandsmärkte mit dem Slogan ›in Deutschland konkurriert Porsche nicht mit Autos, sondern mit Flugzeugen.‹ Und Piper merkt noch an: Als Zyniker, sollte man den deutschen Autobauern wegen des vielen Ärgers auf dem Absatzmarkt Amerika wenigstens nicht auch noch das Verkaufsargument Autobahn wegnehmen.36

Eine weitere Ursache für Handel sind unternehmensstrategische Überlegungen. Ausländische Direktinvestitionen beeinflussen in zunehmendem Maße den Handel von Gütern und Dienstleistungen zwischen den Ländern sowie die Richtung der Handelsströme.37

Die Handelsströme zwischen den verschiedenen, weltweit verteilten Standorten bzw. Wertschöpfungseinheiten multinationaler Unternehmen (Intra-Unternehmenshandel) nehmen ständig zu. Dies mag damit zusammenhängen, dass eine immer stärkere Fragmentierung der Wertschöpfungsketten zu beobachten ist.38 Nur noch sehr wenige Produkte werden an einem Produktionsstandort hergestellt. Gegenwärtig fallen schätzungsweise über 50 % des weltweiten Handels auf den Warenhandel innerhalb multinationaler Konzerne.

Insbesondere sein den 1990er Jahren kam es zudem zu einer Zunahme von regionalen Wirtschaftsräumen. Diese verschaffen ihren Mitgliedern die Möglichkeit, sich gegenseitige Privilegien einzuräumen. Zwar müssen die Abkommen von der WTO genehmigt werden, aber die WTO sieht darin eine Förderung des internationalen Freihandels, da regionale Abkommen Meilensteine auf dem Weg zur weltweiten Verwirklichung dieses Ziels sind. Andere sehen darin einen fruchtbaren Wettbewerb zwischen Regionen. Kritiker wiederum halten diese Entwicklung kaum vereinbar mit der Vorstellung von globalem Freihandel.

Als »regionaler Wirtschaftsraum« haben Teile der EU eine weltweit einzigartige Vertiefung der Integration erreicht. Als Integrationsstufen unterscheidet man:

Freihandelszone

Freihandelszonen entstehen durch Freihandelsabkommen oder sog. Präferenzhandelsabkommen. In erster Linie geht es dabei um den Abbau der Zölle zwischen den Mitgliedstaaten. Neuere Abkommen vereinheitlichen Normen und Standards. Da weiterhin gegenüber Drittstaaten die Mitgliedsländer ihre eigene Handelspolitik betreiben können, bleibt die Souveränität der beteiligten Nationalstaaten gegenüber Drittstaaten weitestgehend erhalten. Um auszuschließen, dass Waren über jenes Mitgliedsland in die Freihandelszone gelangen, das den niedrigsten Außenzoll hat, bedarf es eines sog. Urspruchzeugnisses, das für jede gehandelte Ware mitzuführen ist und als offizielle Bestätigung der Herkunft einer Ware dient.

Zollunion

Auch in der Zollunion sind die Zölle zwischen den Mitgliedstaaten abgeschafft. Im Gegensatz zur Freihandelszone besteht ein gemeinsamer Außenzoll und die Handelspolitik ist weitgehend in der Kompetenz einer supranationalen Organisation. Dadurch ist die handelspolitische Souveränität eines Mitgliedstaates extrem eingeschränkt.

•  Binnenmarkt: In Abgrenzung zur Zollunion geht es hier um die sog. »Vier Freiheiten«: Freiheit des Warenverkehrs, Freiheit im Dienstleistungsverkehr, freier Kapitalverkehr und Freiheit im Personenverkehr.

•  Wirtschaftsunion: In einer Wirtschaftsunion koordinieren die Mitglieder verschiedene, ausgewählte wirtschaftspolitische Bereiche.

•  Währungs- und Wirtschaftsunion: Mit einer Wirtschafts- und Währungsunion gehen die Mitgliedstaaten bei der wirtschaftlichen Integration über die Schaffung eines gemeinsamen Marktes (Binnenmarkt) und einer Koordinierung verschiedener wirtschaftspolitischer Bereiche wie in einer Wirtschaftsunion hinaus. Es ist die engste Form der wirtschaftlichen Integration von selbständigen Staaten. Die teilnehmenden Länder betreiben eine einheitliche gemeinsame Geld- und Währungspolitik. In der Regel wird in den Mitgliedsländern gleichzeitig eine einheitliche Währung eingeführt und die Geldpolitik einer allein verantwortlichen Zentralbank überlassen.

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Abb. 1.6: Wichtige Freihandelszonen der Welt39

Mitunter wird in der Zunahme regionaler Wirtschaftsräume eher tendenziell eine Regionalisierung der Weltwirtschaft gesehen als eine Globalisierung. So wurde im Jahr 2013 mehr als die Hälfte des Weltwarenexports intraregional, also innerhalb der einzelnen Regionen, gehandelt. Weiter entfiel gut ein Fünftel auf den interregionalen Handel zwischen den drei stärksten Wirtschaftsregionen der Welt Europa, Asien und Nordamerika (sog. Triade-Regionen). Der interregionale Handel zwischen den Triade-Regionen und dem Rest der Welt machte knapp ein Viertel des weltweiten Warenexports aus.40

Box: Freihandelszone EU mit Mercosur?

Die EU ist seit 2019 über ein politisches Rahmenabkommen mit den Mercosur-Staaten in Südamerika (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) bestrebt, die größte Freihandelszone der Welt zu schaffen. Durch den Abbau von Zöllen sollen vor allem die Exportindustrie und die Verbraucher profitieren. Allerdings kann dieses Abkommen in der vorliegenden Form noch scheitern, so dass es nicht zu dem erhofften Abbau von Zöllen zwischen den Handelspartnern kommt. Grund hierfür ist die von Kritikern beklagte unzureichende Berücksichtigung von Umwelt und Klimaschutz in eben diesem Rahmenabkommen, obwohl einige europäische Staaten das Pariser Klimaschutzabkommen als ein wesentliches Element in Handelsabkommen aufnehmen wollen. Das Fehlen von Umwelt- und Klimaschutz macht es der EU aber dann kaum möglich, Strafen zu verhängen, wenn ein grob umweltschädliches Verhalten von den Mercosur-Staaten vorliegt. Zum Beispiel wenn Brasilien die Entwaldung des Amazonas durch neue Gesetze erleichtert sollte oder aus dem Pariser-Klimaabkommen austreten würde.41

Die Liberalisierung der Geld- und Kapitalströme wurde vor allem vom Internationalen Währungsfonds (IWF) seit Anfang der 1980er Jahre u. a. über den Abbau von Kapitalverkehrskontrollen vorangetrieben. Der freie Zahlungsverkehr erleichtert sowohl die monetären Transaktionen bei Import- und Exportgeschäften als auch die zahlreichen Transaktionen innerhalb internationaler Unternehmen (bspw. Abrechnung konzerninterner Leistungen, Gewinntransfers). Hinzu kam die schrittweise massive Deregulierung der Finanzmärkte bzw. des Bankenwesens durch Nationalstaaten wie insbesondere den USA und England. Damit war der Weg frei für eine stärkere Konzentration im Bankgewerbe verbunden mit einer wachsenden politischen Macht. Neue Regulierungen konnten dadurch blockiert und weitergehende Deregulierungen durchgesetzt werden.42 Ja, die Finanzmärkte wurden gar zu den Richtern und Geschworenen jeder Wirtschaftspolitik ernannt, da sie über steigende Risikoprämien aufgrund schlechter Wirtschaftspolitik bzw. zu hoher Staatsverschuldung ausgabenfreudige Politiker zu mehr Disziplin zwingen und aufziehende Schuldenkrisen damit im Keim ersticken.

Die Liberalisierung der Kapitalmärkte beruhte im Wesentlichen auf der sog. Effizienzmarkthypothese. Demnach führt Wettbewerb auf den Finanzmärkten zu fairen Preisen, die ihrerseits verlässliche Signale für Investoren und ein effektiver Maßstab für wirtschaftliche Entwicklung sind. Die Preise, die sich auf dem Markt bilden, reflektieren nämlich die Einschätzung der Investoren wider – welche die zuverlässigsten Informationen über Projekte ermitteln und finden – und die Preise selbst stellen damit alle verfügbaren Informationen bereit, so dass auf diese Weise Kapital nur in die profitabelsten Projekte investiert wird.

Als weitere Ursachen der Globalisierung gilt das Ende des Ost-West-Konflikts insbesondere der Zusammenbruch der Sowjetunion und Jugoslawiens sowie die damit verbundene Zunahme der Nationalstaaten. Die meisten dieser Staaten schotteten sich weniger gegenüber dem Ausland ab und öffneten sich zunehmend den Weltmärkten. Aber nicht nur ehemalige Planwirtschaften, sondern auch zunehmend Länder aus Asien (bspw. Indien und China) und Südamerika banden sich mehr und mehr in die Weltwirtschaft ein. Im Zuge dieser Öffnung kam es zu bedeutenden Ausweitungen der Handels- und Investitionsströme.

1.3       Folgen der Globalisierung

1.3.1     Verbesserung des materiellen Lebensstandards

Empirische Studien legen nahe, dass Globalisierung ökonomisches Wachstum fördert.43 Parallel zur Steigerung des Welthandels gelang es, die weltweite Armut deutlich zu senken. Innerhalb von etwas mehr als 30 Jahren sank der Anteil der sehr Armen an der Weltbevölkerung um rund 75 %, wobei nahezu die Hälfte der Armutsreduktion in China erfolgte.44

Die Gründe hierfür sind vielfältiger Natur. Mitentscheidend sind die Spillover-Effekte bei der Wissensverbreitung, erleichtert durch neue Technologien. »International knowledge spillovers will certainly help to increase economic growth. They occur when knowledge acquired in one country may also be used in another country. Citizens exchange knowledge across borders. Knowledge exchange and information flows are facilitated by better infrastructure to do so: in previous decades, fax and telephones were prime examples of such infrastructure; internet access is arguably most important in this regard today.«45