…das kolonisierte Ding wird Mensch gerade in dem Prozess, durch den es sich befreit.
Frantz Fanon
»Die Verdammten dieser Erde«
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© 2022 Jürgen Leskien
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Foto Seite → aus Zimmerer / Zeller
„Völkermord in Deutsch Südwestafrika“,
Christoph Links Verlag 2003
ISBN: 978-3-7557-1772-0
Alfons Kaukamundu (85)
Herero, Mitbegründer des Wiedergutmachungskomitees
Traditioneller Häuptling, umstrittener Paramount Chief der Ovaherero
Mitglied des Namibischen Parlaments.
Für die entschädigungslose Enteignung der deutschen Farmer, als Mittel zur Klärung des Konflikts. Befürwortet spontane Landbesetzung »Weißer Farmen«.
Michael Zareus (55)
Mbanderu, Sprecher des Wiedergutmachungskomitees Vorstandsvorsitzender des MECoop – Fleischkonzern MECoop – Windhoek
Parteiunabhängig, in keiner Wahlfunktion.
Er ist für die Zahlung von 6 Milliarden Dollar Reparationen durch Deutschland an die Herero- und Nama-Gemeinschaft.
Hilde Karamanda (50)
Nama, Mitglied des Wiedergutmachungskomitees, Frauenrechtlerin
Krankenschwester, seit acht Jahren freigestellt, radikale politische Aktivistin.
Mitglied des Zentralkomitees der Regierungspartei, Mitglied des Namibischen Parlaments
Organisatorin des »Occupied Day« (Besetzung der deutschen Botschaft in Windhoek).
Sie ist für die Enteignung »Weißer Farmer« und für die Zahlung von einmalig 200 Millionen Dollar Reparationen durch Deutschland an die Ovaherero- und Nama-Gemeinschaft.
Franz Naubahua (50)
Familie gilt als Omutjimba (Einzahl Tjimba – ursprüngliche Bedeutung »verarmter Herero«), soll aus strategischen Gründen in das Wiedergutmachungskomitee aufgenommen werden.
Parteiunabhängig, in keiner Wahlfunktion.
Er ist »ein Schwarzer auf weißem Grund«, er kennt die Deutschen, ihre Art zu denken, so Karamanda.
Naubahuas Großvater, 1904 geboren, ist der Sohn der jungen Hererofrau Maria und des Reiters der Deutschen Schutztruppe Alfons Bitterwasser aus Potsdam-Novalis. Schwarz-weiß. Ein Kind der Zuneigung, nicht einer Vergewaltigung, wie die schmalen, aufgefundenen Briefe erzählen.
F. N. hat vor zehn Jahren im Zuge der Landreform die Farm »Alte Erde« übernommen (Rinder, nun als Nebenzweig Ökoanbau – Gemüse), die er erfolgreich betreibt.
Er steht für eine Aussöhnung auf der Basis der Zivilgesellschaft unter Ausschluss der »großen Politik«. (»Wir sind alle Brüder und Schwestern gleichen Blutes«). Die Deutschen (NGO?) und die Herero / Nama beraten über gemeinsame Projekte (Schulen, Wasserversorgung, Landwirtschaft u.a.), die Deutschland (transparent) finanziert. So seine Idee von Versöhnung. Kein Geld in die Hände von Politikern und Häuptlingsfamilien!
Ausdrücklich ist er gegen jede Art von Landbesetzung, das würde, seiner Erfahrung nach, das Land ins Chaos stürzen.
Betty Naubahua-Scholz (40)
Ehefrau von Franz Naubahua, ausgebildete Landwirtin, »deutschsprachige Afrikanerin weißer Haut« , Farmerin auf »Alte Erde«. Nahe dem Waterberg, auf der deutschen Farm »Regenstein«, geboren. Vertreterin des »Versöhnungskomitee(s) Hand in Hand«, in dem landesweit in Namibia nur Frauen (aller Ethnien) organisiert sind. Sie setzen sich für einen fairen Ausgleich zwischen Schwarz und Weiß ein.
Parteiunabhängig, in keiner Wahlfunktion.
Franz Naubahua hat seine Mitarbeit im Komitee von der Teilnahme seiner Frau an den Gesprächen abhängig gemacht.
Vorsitzender (Vorsitzender Richter)
Jury – sechs Geschworene
Anwältin der Klage, Frau Dr. Sofia Thomson
Die Repräsentanten der Sammelklage, Kaukamundu,
Zareus, Karamanda, Naubahua , Naubahua-Scholz.
Der Beklagte, der Offizielle aus Deutschland, Dr. Falkner
Anwalt des Beklagten, Dr. Freudenberg
Dr. Moyo, Gutachter
Prozessbeobachter aus Kamerun (Kelly Tawala), Togo,
Tansania (Sam Akinola), Neuguinea, Samoa
Mitarbeiter (2) von Smith & Smith
Frau Petrowski, Putzfrau
Herr Wang, Schneidermeister
Gerichtsdiener
Krankenschwester
Früher Abend.
Michael Zareus Büro. Stilvoll, mit Stahlrohrmöbeln, gläsernem Schreibtisch ausgestattet.
Espressomaschine, Kühlschrank mit Eisspender. Innen, vor dem Fenster, durch das Aufblitzen der Leuchtreklame golden aufleuchtend, auf einer Säule gut sichtbar, die Büste von D. Trump.
Auf einem Beistelltisch, an der gegenüberliegenden Seite des Raumes, eine Büste in Terrakotta – »Madiba«, Nelson Mandela, bedeckt, wie auf einer Hutablage, von einem breiten Sonnenhut (Wahlwerbegeschenk) in den Farben der Regierungspartei – Grün-Rot-Blau.
Seitlich, auf einem Kleiderständer drapiert, ein Uniformrock – er sieht der Uniform der Deutschen Schutztruppe sehr ähnlich (diese Uniformen werden heute in den Umzügen »otruppa«, zu den jährlichen Herero-Tagen als Zeichen des Sieges über den Gegner getragen). Auf dem Ständer eine moderne Militärschirmmütze.
Außen, hinter einem angedeuteten Fenster, Leuchtschrift mit rotgerahmten dreihörnigem Stierkopf MECoop – Windhoek.
Frau Petrowski, eine blasse, schlanke, gut aussehende Frau, in der Mitte des Lebens, bearbeitet mit einem Staubsauger konzentriert den Fußboden. Wischt behutsam den Staub von der Mandela-Büste.
PETROWSKI
Madiba, mein schwarzer Freund, ich höre jede Nacht, wie du dich im Grabe wälzt…
Von der Seite tritt ein Mann – Herr Wang – mit einer Schneiderpuppe ins Bild. Die Puppe trägt ein »viktorianisches Kleid« mit weit ausgestelltem Rock, wie es von den Hererofrauen getragen wird. Dazu die Kopfbedeckung in Form stilisierten Rindergehörns.
Die Putzfrau fährt – wie bei ungehörigen Gedanken ertappt – angesichts des Schneiders zusammen.
PETROWSKI
Herr Wang! Haben Sie mich erschreckt!
WANG
Frau Petrowski, das tut mir Leid….
Beide verlegen.
PETROWSKI
Julia. Sagen Sie ruhig Julia…
Zupft überrascht, entzückt am Kleid der Puppe.
WANG
Also Julia, verzeihen Sie, arbeiten Sie nicht hinter der Fleischtheke bei SPAR? Gestern, den frischen Kudumagen, erinnern Sie sich, zwei Kilo…
PETROWSKI
Ja, richtig. Musste in den Kühlraum. Magen, ja, Leckerbissen ihrer chinesischen Küche… Das hier, das hier ist mein Zweitjob. Mein Jüngster kommt in die Schule.
Hebt das Kleid an den Schultern ein wenig an.
Schöner Stoff! Wirklich, so weich, ach, so fließend! So gut verarbeitet!
Will die Kopfbedeckung von der Puppe heben.
WANG
Oh bitte nicht! Herr Zareus ist da sehr genau. Hoher Anspruch… Eine Überraschung für seine Frau, für die
Tage in New York, wenn sie sich das Geld von den Deutschen holen.
Stellt die Puppe seitlich ab, geht einen Schritt zurück, zufrieden.
Sie schließen ab, wenn Sie gehen? Ich meine auch das Fenster… wegen… Streift die Puppe mit einer zärtlichen Geste.
…Einfach nur abgeben, meinte Herr Zareus. Es wäre schon jemand da.
Sie sind es Julia, welch eine Überraschung… Ein letzter prüfender Blick.
Also dann, Julia!
Julia tritt den Staubsauger an.
Michael Zareus, helles Hemd, dunkle Hose, sportliche, sympathische Erscheinung, tritt flott, heiter in die Szene, zieht den Stecker des Staubsaugers.
ZAREUS
Schluss für heute! Habe noch zuarbeiten. Schenk‘ Dir die Stunde!
Wirft gut gelaunt seinen breitkrempigen, dunklen Hut auf den Tisch. Geht zum Kühlschrank. Entnimmt ihm eine Cola-Flasche, reicht sie gönnerhaft Julia, für sich selbst eine Büchse Bier.
Einfach `mal früher Feierabend!
Entdeckt das Kleid.
Hat der alte Gauner den Termin gehalten, schau an… mal anprobieren?
Lockt mit der Hand.
PETROWSKI
Weicht einen Schritt zurück, entzieht sich seiner Hand.
Das steht ihrer Frau sicher sehr, sehr gut…also ich gehe dann…wenn Sie meinen…
Julia greift energisch den Staubsauger und ab, während Zareus mit der Büchse Bier in der Hand die Puppe mit dem Kleid umkreist.
Über einen imaginären Flur nähern sich von der Seite Stimmen, ruhig, angenehm. Ein Mann, eine Frau. Unklar, worüber sie sprechen.
… darüber muss im Parlament gesprochen werden…
sind nur wenige…..mit ihm zu reden macht keinen
Sinn…man muss alles versuchen… Hilde Karamanda betritt zügigen Schrittes, im Gehen sprechend, gestikulierend, von Alfons Kaukamundu gefolgt, seitlich die Bühne.
Karamanda, ein wenig füllig, im Stadtkleid, dass dem der traditionellen Kleider der Hererofrauen sehr ähnlich ist, aber ohne »gehörnter« Haube als Kopfbedeckung, stattdessen ein kunstvoll um den Kopf gebundenes Tuch. Kaukamundu im grauen Dreiteiler.
KARAMANDA
Ach…. sind wir zu früh?
Ohne Zareus direkt zu begrüßen, steuert sie sofort die Schneiderpuppe an.
Das ist ja wunderbar! Zauberhaft!
Kaukamundu berührt im Vorbeigehen Zareus freundschaftlich an der Schulter, lässt sich in einen der Sessel fallen.
KARAMANDA
Befummelt das Kleid.
Damit verglichen, läuft man ja selbst in Lumpen herum…
KAUKAMUNDU
Interveniert mit einem Seufzer.
Aber Hilde, Du siehst doch phantastisch aus!
Hilde, den Rock des Kleides mit beiden Händen anhebend, knetet verzückt den Stoff.
Lass mich raten, Mike, Arthur Arbesser, Wien…stimmt’s,
Du Schlingel?
Mike – Michael Zareus – steht hinter dem Schreibtisch, verlegen, ordnet Papiere.
ZAREUS
Ja… Arbesser…. Aber woher kennst du…
KAMARANDA
Ein wenig kokett, dabei elegant platznehmend.
Im vergangenen Monat – wie ihr vielleicht nicht wisst – war unser Umwelt-Ausschuss in Wien. Wiener Atombehörde, wegen unseres Uranexports…
Kaukamundu, lehnt sich zurück, ungeduldig.
KAUKAMUNDU
Also. Kommen wir zu Franz Naubahua. Mike, was meinst du?
Ein Servierwagen wird von einem Angestellten in die Szene geschoben, mit einer angedeuteten Verbeugung abgestellt.
ZAREUS
Probiert! Unsere neue Boerewors. Nicht so fett wie üblich. Viel, viel gesunde Kräuter. Rezept von Drüben. Sachsen. Nennen sie dort Die Kamenzer. Greift zu!
Ohne Zögern nehmen Kaukamundu und Kamaranda die an Zahnstochern aufgespießten Wurststücken von der garnierten Wurst / Brot – Platte.
KARAMANDA
Schaut sinnend an die Decke, kaut.
Ganz anders! Das ist…ja, natürlich! Thymian oder so, Oregano? Passt gut zu unserem großen Buffet. …Parteikonferenz. In drei Wochen. Kleines Sponsoring…
Zareus!? Hey…war nicht so gemeint… «
Tupft sich die Lippen ab, legt die Serviette zur Seite.
Also der Franz. Deutsches Blut. Ein wenig, jedenfalls. Schwarz auf weißem Grund. Das zeigt doch unser Entgegenkommen…«
ZAREUS
Nickt zustimmend.
… Er weiß am besten, wie sie ticken. Hat eine ziemlich scharfe Zunge…und er ist gut…
Fährt mit einer Fernbedienung eine Wandblende auf, auf dem Bildschirm dahinter TV- Sequenzen aus der Landwirtschaft.
Ihr erinnert euch. Die Fernsehreportage, NBC . Franz Naubahua, »Farmer des Jahres« . »Alte Erde« die Zeitungen waren voll davon…
Karamanda zeigt Unmut.
ZAREUS
Ja, ja Hilde… Pfeif auf den Namen! Die Message ist wichtig: Wir Herero können das! Wir können hervorragend wirtschaften! Wenn man uns das Land zurückgibt…
KAUKAMUNDU
Mit Bedacht.
An Naubahuas Farm »Alte Erde« grenzt »Dornbusch«. Sechstausend Hektar. Noch von den alten Falkenbergs bewirtschaftet. Noch. Ich meine man gerade so bewirtschaftet… Keine Kinder, die Leute. Gute Weide. Fünf Viehposten. Franz soll sich bei der Landbank danach erkundigt haben.
KARAMANDA
Elektrisiert.
Da haben wir ihn! Der will größer werden, hey, der will wachsen! Der bleibt in der Spur, der hüpft nicht vom goldenen Gleis! Nur – was ist mit der Frau? Wie heißt sie? Betty? Ich meine…auch die noch…aus einer der ganz alten deutschen Familien…
ZAREUS
Sie ist aktiv im Komitee für Frauengerechtigkeit. Hilde, sie stärkt Deine Flanke! Hat wirklich gute Presse!
Hebt eine Zeitung an.
Eine weiße Frau – das zeigt der Öffentlichkeit, wie sagen sie – wie breit wir aufgestellt sind … Ich habe mit ihm letztens, bei der Rinderauktion in Otavi, gesprochen. Kurz gesagt: Er macht nur mit, wenn sie dabei ist…immerhin…moderne Ehe, nenne ich das…
KAUKAMUNDU
Windet sich im Sessel, brummelt, mit kurzem Blick auf Zareus.
Unter euren letzten Oberhäuptlingen, Mike, gab es immer wieder solche Gestalten wie diesen Franz. Kirri aus weichem Holz unter dem Kopfkissen und in der
Brust ein Hasenherz…
Seitlich der Bühne macht sich ein Hüne in der dunkelroten Uniform des Betriebsschutzes von MECoop durch räuspern bemerkbar.
WACHMANN
devot
Herr Zareus… Herr Naubahua ist da, er sagt…
Franz Naubahua, selbstbewusst am Wachmann vorbei; eingestaubt, in Arbeitskluft. Khaki Hemd, kurze Hose, die Füße strumpflos, in knöchelhohen Stiefeln.
Betty Naubahua-Scholz, einen Schritt hinter ihrem Mann. Offenes Gesicht, zurückhaltend. Sie trägt ein einfaches, halblanges Kleid, das im Schnitt denen der Hererofrauen sehr ähnlich ist, allerdings ohne die dazugehörige Kopfbedeckung. Zeitungen meinen:
»…modegewordener Opportunismus der »Weißen« in Zeiten des Umbruchs.
Zareus eilt dem Farmerehepaar mit offenen Armen entgegen.
ZAREUS
Schön dass ihr da seid!
BETTY
Entschuldigt unseren Aufzug…die Rinderauktion… es hat gedauert…
Franz in ehrerbietender Haltung vor Kaukamundu, dem Paramount Chief, begrüßt den Alten mit einer aufrichtigen Verbeugung, dann reicht er Hilde die Hand, sie nickt huldvoll, bleibt sitzen.
Betty verteilt neutral Küsschen rechts, Küsschen links.
FRANZ
Munter, nimmt im Sessel Platz.
Tadeus Otaka, der Sturkopf von Oppi Koppi, ist wütend…
Er gießt sich ein Glas Wasser ein und schaut Kaukamundu belustigt an.
…hat Rinder wieder mitnehmen müssen. Weit ausladendes Gehörn! Tradition hin, Tradition her! Aber kein südafrikanischer Maststall kauft solche Tiere!
Mit solchen Waffen! Schon der Transport auf der Lorry ist ein Problem, die spießen sich bis Kapstadt gegenseitig auf. Ganz zu schweigen vom Einstellen in die engen Mastanlagen. Immer wieder diese Geschichte,…Otaka aber schimpft auf die weißen Auktionäre – … für die sind wir immer noch die dummen Schwarzen… röhrt er über den Platz, dass alle spitze Ohren kriegen… Gut. Nein, nicht gut…Also…kommen wir zur Sache…
Er schaut erwartungsvoll in die Runde.
KARAMANDA
Mit unruhigen Händen.
Also. Wir glauben, dass wir mit Dir, Franz, ein…
ZAREUS
Und mit Betty…
KARAMANDA
Ja, mit Dir Franz und ….und mit Betty, nun ein gutes Team sind, um in New York zu gewinnen…
FRANZ
Sehr ernst, erhebt sich aus dem Sessel.
Ja, Hilde, lasst uns dieses unglückliche Kapitel in Würde abschließen….nach all den Jahren! Ihr sollt wissen, es bedeutet auch uns sehr, sehr viel…
Schaut Betty an, Betty nickt.
Und es ist uns ein Ehre, daran mitzuarbeiten. Endlich nach vorne schauen…
BETTY
Müssen wir da `rüber fliegen…ich meine, längerer Zeit…nach Amerika… auch wegen der Kinder mag ich nicht so lange fort sein…
KARAMANDA
Ignoriert Bettys Frage.
Gerechtigkeit, Franz. Wiedergutmachung historischen Unrechts. Reparationen. Um unser Land, darum geht es! Wir haben unsere Forderungen.
Kommt in Fahrt.
Du kennst sie! Nach den Demütigungen der Vergangenheit, nun sind wir dran – kein Ovambo, kein Damara, endlich wir…ja!
ZAREUS
Nickt Kamaranda zu, sachlich.
Eine Woche höchstens. Betty. Eine Woche, denke ich…
Wir werden uns gut vorbereiten…Sehr gut sogar!
Das Licht fällt langsam in sich zusammen, bis es völlig erlischt.
Theatersaal.
Vorbühne.
Herr Smith, der Projektmanager von Smith & Smith im soliden Businessdress.
SMITH
Sachlich, offen, will verstanden werden.
Wir von Smith & Smith aus Jackson / Mississippi, wir haben diesen Auftrag gern übernommen.
Sehr gern, es ehrt uns.
Unsere Partner aus Namibia waren in den vergangen fünfzehn Jahren in den Staaten, in vier Prozessen gegen die Deutschen, sagen wir…. in nicht so guten
Händen.
Wechselnde Anwälte. New York, gewechselt, wieder New York.
Zu viel Verständnis für die deutschen Interessen.
Die namibischen Freunde – bitter, bitter enttäuscht! 200 000 Dollar Anwaltskosten sind aufgelaufen. eindringlich
Es muss endlich `was geschehen!
denkt einen Augenblick nach
….Aber das wissen Sie natürlich alles.
Das Problem bisher: Viel guter Wille, hoher persönlicher Einsatz. Wirklich. Aber im Grunde keine in sich stimmige Strategie. Rechtsprechung ist immer auch Inszenierung. Auf die Performance kommt es an. Ich gestehe – die Performance meines Präsidenten fasziniert mich…. Dieser Prozess, meine Damen und Herren, er hat Pioniercharakter! Wir schaffen neues internationales Recht. Ja, das schaffen wir! Und die bisher
Rechtlosen werden es uns danken!
Das Geschäftsfeld von Smith & Smith : Prozessvorbereitung bei Verfahren die über das Zivilrecht hinaus reichen. Praktisches Training – als Simulation.
Harte Arbeit. Bis an die Grenze.
Psychologisch aufbereitet. Mit Soziologen, ja auch mit Ethnologen. Vorab durchgearbeitet. Faktengestützt.
Und Sie sind mit dabei! Wir wollen unbedingt Ihre Meinung hören, wir wollen sie wirklich hören!
Denn: Wir werden gewinnen!
Abgang in der Art eines Entertainers.
Kommt nach zwei Schritten zurück, schon die Jacke über der Schulter.
Wir zeichnen das Training natürlich auf. Für die Analyse. Zur Dokumentation…
Er schaut, die Stimmung prüfend, in den Zuschauerraum.
Um auf die Frage eines Journalisten noch einmal öffentlich einzugehen – warum können die namibischen Freunde vor einem amerikanischen Gericht gegen Deutschland klagen?
Sie können das selbstverständlich, die amerikanische Rechtsprechung sieht diese Möglichkeit – 28 USCode, Paragraph 1332 – ausdrücklich vor, ich danke Ihnen!
Das Licht auf ihn wird schwächer.
Für Sekunden absolute Dunkelheit. Stille.
Rechts und links der Bühne hängen, in den Zuschauerraum hinein, nach völliger Dunkelheit, nun Banner von der Decke.
Gut wahrzunehmen, Fotos aus deutscher Kolonialzeit in Deutsch-Südwestafrika.
Die Banner eins bis fünf sind Faksimiles realer, deutscher Feldpost-Karten (1904 – 1910)
Das Gericht, das auf der Bühne agiert, ist in seiner personellen Zusammensetzung und in seinem Äußeren dem »US District Court« nachempfunden.
Im Gegensatz zu den Klägern /Zeugen treten die Obengenannten namenlos, nur in ihrer amtlichen Entsprechung, auf.
Die Anzahl (6 bis 12) und die Zusammensetzung der Geschworenen (die Jury wurde von beiden Seiten ausdrücklich gewünscht), alle sind sie Bürger der USA, wurden seitens der Klage und des Beklagten geprüft und letzten Endes beiderseits akzeptiert.
Da, nach Auffassung des Richters, in diesem Verfahren juristische und »ethnologische« Fragen auf besondere Weise miteinander verschränkt sind, hat er beiden Parteien empfohlen, diesen Umstand, im Sinne eines fairen Prozesses, bei der Auswahl der Geschworenen zu berücksichtigen.
Dem wurde entsprochen und so ergibt sich folgende Zusammensetzung der Geschworenen – der Jury:
Sie sind unvoreingenommene, in der Verhandlung »namenlose« US-Bürger, deren persönlicher Hintergrund bei der Urteilsfindung keine Rolle spielen soll. Ihr Urteil muss am Ende allerdings einstimmig ausfallen, so sieht es die amerikanische Rechtsprechung vor.
Rechts und links neben dem Vorsitzenden nehmen die Geschworenen Platz. Links vom Vorsitzenden die Anwältin. Rechts der Angeklagte, davor dessen Anwalt. Vor dem Richter, ihm zugewandt, Tisch /Stuhl für den aufgerufenen Beklagten / Zeugen, eingerahmt von einem nach drei Seiten geschlossenen, feingliedrigen Geländer, Die Repräsentanten der Sammelklage (Kläger) sitzen rechts und links der Anwältin. Neben dem Richtertisch der Arbeitsplatz des Protokollführers. Rechts der Szenerie eine statische Kamera, im Verhandlungssaal ein herumwieselnder Kameramann, dessen Bilder (Großaufnahmen, mitunter verwackelt) für den Zuschauer auf Bildschirmen zu sehen sind. Die Person, die das Wort hat, ist in Großaufnahme zu sehen.
Am rechten Bühnenrand, im Halbdunkel, eine Krankenschwester in Schwesternkluft mit »Erste Hilfe Koffer«. Schon ein wenig in den Zuschauerraum hinein wurden die Prozessbeobachter auf einer Art Tribüne platziert. Sie kommen aus den ehemaligen deutschen Kolonien
Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika (heute Tansania), Deutsch-Neuguinea (heute Neuguinea), Deutsch-Samoa (heute Samoa), Kiautschou (heute wie damals China).
Nach völliger Dunkelheit und Stille dämmert das Licht im Zuschauerraum langsam auf, bis zu einer Helligkeit, in der die nun von der Decke herabgelassenen Banner/ Fotos in angemessener Zeit gut wahrzunehmen sind.
Mit einem Schlaglicht wird der Gerichtssaal grell ausgeleuchtet. Das Licht im Zuschauerraum verblasst, das Licht im Gerichtssaal erreicht eine erträgliche Helligkeit, während der Vorsitzende mit den Geschworenen aus dem Bühnenhintergrund erscheint.
Das Hohe Gericht begibt sich hinter die Stühle. Ebenso Anwältin, Beklagter, dessen Anwalt, Protokollführer.
VORSITZENDER
Ich eröffne die Sitzung des US District Court, »District East-New York«,
des Bezirksgerichts des Stadtbezirkes New York-Ost.
Ich bitte Sie, Platz zu nehmen.
Der Vorsitzende schüttelt seine Robe wie ein Gefieder zurecht, setzt sich ein wenig umständlich, alle anderen nehmen zurückhaltend, geräuschlos Platz.
Die Zuständigkeit des Gerichts für das Verfahren ergibt sich aus US-Recht, dem »Civil Produce« und hier speziell dem »28 U.S.C. § 1331« und folgende.
Zur Verhandlung stehen heute
Exzellenz, Herr Alfons Kaukamundu , Pensionär – 85
Paramount Chief der Herero, genauer der Ovaherero…
Mitbegründer des »Wiedergutmachungskomitees Gerechtigkeit und Land«
Michael Zareus, Unternehmer – 55
Sprecher des »Wiedergutmachungskomitees Gerechtigkeit und Land«
Hilde Karamanda, Krankenschwester – 50
Frauenvertreterin im »Wiedergutmachungskomitee Gerechtigkeit und Land«
Franz Naubahua, Farmer – 50
Urenkel von Chief Maximilian Naubahua
gegen
Bundesrepublik Deutschland
vertreten durch
Herrn Dr. Falkner
und den
Anwalt
Rechtsanwalt Dr. Freudenberg
Es ist die zweite Sitzung zum vorliegenden Sachverhalt.
Der Vollständigkeit halber und für die Aufzeichnung stelle ich fest: Als Vertreterin der Klage ist auch heute erschienen Frau Dr. Sofia Thomson vom Anwaltsbüro Thomson & Partner. Das Gericht hat ferner entschieden, als Repräsentanten der Sammelklage drei der hier anwesenden Damen und Herren in der heutigen Verhandlung anzuhören. Damit ist die Gruppe der Kläger vor Gericht wohl angemessen vertreten.
Angeklagt ist die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Kaiserreiches. Sie wird vertreten durch Dr. Kurt Falkner. Als Anwalt
Rechtsanwalt Herr Dr. Hans Freudenberg. Schaut in den Zuschauerraum.
Dr. Falkner, wenn Sie bitte hinter Herrn Freudenberg Platz nehmen würden? Danke!
Falkner betritt aus dem Zuschauerraum kommend, zügigen Schrittes den Gerichtssaal, deutet eine Verbeugung gegenüber dem Vorsitzenden an, nimmt hinter dem Anwalt Platz.
Die Zusammensetzung des Gerichts ist ihnen bekannt.
Wie festzustellen ist, haben die Parteien besondere Sorgfalt bei der Auswahl der Geschworenen walten lassen, sich der Expertise ganz unterschiedlicher Jurymitglieder versichert.
Weiter mit Härte und Klarheit.
Zur Prozessbeobachtung haben sich Exzellenzen aus den ehemaligen deutschen Kolonien eingefunden – ich nenne die gegenwärtigen Namen
Togo, Kamerun, Tansania, Neuguinea, Samoa. Und China, genauer Kiautschou.
Ihm wird von hinten ein Zettel gereicht.
Wie ich eben erfahre, verzichten Togo und China auf eine herausgehobene Prozessbeobachtung. Ja.
Gibt es Fragen, Anträge, Einlassungen?
Die Anwältin schüttelt den Kopf.
Herr Anwalt?
ANWALT
Bitte ergänzen Sie, Herr Vorsitzender, Herr Franz Naubahua ist ebenfalls Mitglied des »Wiedergutmachungskomitees Gerechtigkeit und Land«
VORSITZENDER
Gut, Herr Anwalt, wir fügen das hinzu…
Wendet sich vom Protokollführer ab und Dr. Falkner zu.
Sie waren schon sehr jung Volljurist, Dr. Falkner. Alle Achtung!
Promoviert haben Sie zum Thema »Das Luxemburger Abkommen, dessen völkerrechtliche Relevanz mit dem Blick auf Osteuropa«.
FALKNER
Ja, das ist richtig.
Steht auf.
VORSITZENDER
Ich bitte Sie, ich bitte Sie! Behalten Sie doch Platz!
Dieses Abkommen von 1953 bestimmte eine Entschädigungszahlung der Bundesrepublik Deutschland von 3,5 Milliarden DM an den Staat Israel sowie an die »Jewish Claim Conference«….Wenn ich mich recht erinnere, die Zahlung, eine erste Zahlung….
ANWALT
Herr Vorsitzender, ich kann nicht erkennen, welchen Sinn Ihre Fragen an meinen Mandanten haben. Er steht ja…
VORSITZENDER
Richtig, Dr. Falkner hat nicht sich zu vertreten, er steht
nicht vor Gericht, sondern Ihr Land…Dr. Freudenberg… Wieder an Dr. Falkner.
Später Treuhand, Restitutionsfragen, die DDR und deren Bürger betreffend. Deren ehemalige Bürger natürlich…Und seit fünfzehn Jahren arbeiten Sie im Auswärtigen Amt. Sehr erfolgreich, wie ich lesen konnte.
Die beiden Herren nicken sich in Sympathie zu.
VORSITZENDER
Entschuldigen Sie bitte die Abschweifung… er schaut nach rechts und links zu den Geschworenen.
Keine Fragen? Gut. Frau Dr. Thomson, Frau Anwältin, beginnen Sie mit dem Verlesen der Klage. Bitte!
ANWÄLTIN
erhebt sich Die 92 Seiten der Schrift liegen Ihnen als Sammelklage vor. Angesichts dieser Tatsache und auch angesichts unseres ersten Termins, trage ich heute eine verdichtete Fassung der Klage vor.
Sie schaut den Vorsitzenden an, der blickt zu den Geschworenen, dem Anwalt – Kopfnicken, kein Widerspruch.
VORSITZENDER
Bitte, bitte fahren sie fort!
ANWÄLTIN
Das Deutsche Kaiserreich trat, historisch gesehen, relativ spät als Kolonialmacht in Erscheinung. Auch in Afrika. Dann aber mit kaum zu überbietender Grausamkeit. Besonders furchtbar gelten die Jahre von 1885 bis 1909. Das Deutsche Reich profitierte immens von der Ausbeutung der Kolonien. Betrachten wir die Periode in Deutsch-Südwestafrika von 1904 bis 1908 genauer, dann waren das wohl die schlimmsten Jahre, die afrikanische Völker je erlebten.
1904 – die Deutsche Schutztruppe trieb in der Schlacht am Waterberg das Volk der Herero in das wasserlose Omaheke Sandfeld. Die deutschen Militärs gingen davon aus, dass die Wüste vollenden könnte, was die deutschen Waffen begonnen hatten: »die Vernichtung des Hererovolkes«. Zitiert aus den offiziellen deutschen Kriegsakten. Auf die Flüchtenden aus Sandfeld ließ von Trotha schießen. Ich zitiere seinen Vernichtungsbefehl.
«Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben verwundeten