Cover-Bild von Fabula - Eine Braut für den Prinzen

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© Piper Verlag GmbH, München 2022

Redaktion: Ulla Mothes

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: Emily Bähr, www.emilybaehr.de

Covermotiv: Freepik (freepik; biefreepik; user6096278; starline via Freepik); Shutterstock (Peratek)

 

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Prophezeiungen

Es war einmal vor langer Zeit, als das Wünschen noch geholfen hat, eine Königin, die endlich das ersehnte Kind erwartete. Und wie es damals Brauch war, wurde eine weise Frau ins Schloss bestellt, um dem Kind die Zukunft weissagen zu lassen.

Als der Tag der Geburt endlich gekommen war, erwartete König und Königin eine Überraschung: Sie gebar nicht nur einen Sohn, sondern zwei. Sie nannten den Erstgeborenen Leander und den zweiten Gunther.

Die weise Frau beugte sich zuerst über Leander und sprach:

 

Dann wandte sie sich Gunther zu:

 

Leander wuchs im Schloss auf und erhielt eine höfische Ausbildung. Gunther jedoch wurde schon in jungen Jahren fortgeschickt, um das Kriegshandwerk zu erlernen.

Die Jahre gingen ins Land, und die beiden Königssöhne wuchsen zu stattlichen jungen Männern heran.

Von Bösen Hexen

Evelyne

»Das ist deine Gelegenheit, dich zu beweisen, Evelyne! Prinz Leander verdient es, verflucht zu werden!« Meine Mutter schwang bedrohlich einen Finger in der Luft und hatte die andere Hand in die Taille gestemmt. Das allein wäre schon furchteinflößend genug gewesen, doch um es noch schlimmer zu machen, hatte sie die Verwandtschaft zur Unterstützung herbeordert. Die Frauen um sie herum nickten grimmig, und ich sah zu Boden. Meine Familie war unmöglich. Ich hatte mich in den letzten Jahren redlich bemüht, diesen Umstand zu ignorieren. Doch wenn sie so vor einem standen, war das alles andere als leicht. Da fiel es selbst mir schwer, die bittere Wahrheit zu ignorieren: Sie waren allesamt Böse Hexen. Die Meerhexe, die der kleinen Meerjungfrau ihre Stimme nahm? Meine Großmutter. Die Hexe, die sieben Königssöhne in Raben verwandelte? Meine Großtante. Die Knusperhexe, die von Hänsel und Gretel in den Ofen geschubst wurde? Meine Tante. Wobei die Gerüchte über ihre Verbrennung deutlich übertrieben waren. Meines Wissens hatte sie sich bei der Episode lediglich ein paar Haare angesengt.

Aber die berühmteste Böse Hexe der Familie war wohl meine Mutter. Ihr Meisterwerk sollte die Übernahme des Königreichs Farway werden. Ihre Gründe dafür waren durchaus nachvollziehbar, denn Böse Hexen sind nicht unbedingt schlechte Menschen. Wenn es so wäre, hätte ich schon vor Jahren den Kontakt abgebrochen. König Angulus von Farway hingegen war ein Tyrann, der das Volk unterdrückte und seine hart arbeitenden Untertanen gnadenlos ausbeutete. Dem wollte Mutter ein Ende setzen. Doch leider war ihr die Königstochter, Schneewittchen, auf die Schliche gekommen. Mutter sah sich genötigt, ihre Pläne zu beschleunigen und Schneewittchen mit einer fadenscheinigen Begründung aus dem Reich zu verbannen. Als Schneewittchen dann aus der Verbannung heraus einen Aufstand der Minenarbeiter anzettelte, stellte Mutter sie mit einem Schlafzauber ruhig und dachte, das Problem hätte sich damit erledigt.

Doch dank eines jungen Prinzen aus dem Nachbarkönigreich Asha war Schneewittchen vorzeitig aus ihrem todesähnlichen Schlaf erwacht. Der Name dieses Prinzen war Leander. Man konnte ihm seine Tat eigentlich nicht vorwerfen, denn es war nun einmal die Pflicht eines jeden Prinzen, Jungfrauen in Not zu retten.

Leider hatte er damit den Zorn meiner Mutter auf sich gezogen, die nun einmal mehr bewies, dass in einer Bösen Hexe eben manchmal doch nur eine Böse Hexe steckte, gute Absichten hin oder her. Sie wollte ein Exempel statuieren und zeigen, was passierte, wenn man sich einer Bösen Hexe in den Weg stellte. Die Tatsache, dass dieser junge Mann ihre lang gehegten Pläne durcheinandergebracht hatte, würde ihm einen Fluch einbringen – und mir meine Hexenmacht.

Prinz Leander hatte mein Interesse geweckt, weil er es geschafft hatte, Schneewittchen aufzuwecken. Nur wenige Menschen wären dazu in der Lage gewesen. Eigentlich nur solche, die in Magie oder der Heilkunst bewandert waren. Auch deshalb stand ich in der Küche und hörte mir an, was meine Verwandtschaft zu sagen hatte. Dieser junge Mann war vielleicht einen zweiten Blick wert. Wahrscheinlich hatte er einfach nur Glück gehabt, aber man wusste ja nie. Merkwürdig war auch, dass er Schneewittchen nach ihrer Rettung nicht geheiratet hatte, wie es sich gehörte. Stattdessen hatte sie einen anderen Prinzen geheiratet. Man stelle sich das vor.

»Es wird mindestens eine Woche dauern, bis ich wieder ohne Schmerzen gehen kann«, ereiferte sich meine Mutter. »Ihr hättet sie sehen sollen auf dieser Hochzeit. Schneewittchen mit ihrem Engelslächeln und neben ihr Prinz Florian in seiner Uniform. Keine Miene haben sie verzogen, während ich in glühenden Schuhen tanzen musste. Und dieser Prinz Leander hat die Frechheit besessen, während meines Tanzes das Fest zu verlassen. Als ob ich schlecht getanzt hätte!« Ein Raunen der Empörung ging durch die Küche. »Und was noch schlimmer ist: Meine ganze Arbeit, an einem Tag dahin. Jetzt wird das Volk von Farway niemals frei sein.« Diesmal nickten alle zustimmend, ich eingeschlossen.

Denn auch wenn ich die Methoden meiner Mutter nicht guthieß, verstand ich dennoch ihre Ziele. Sie hatte das Wohl der Menschen im Blick. Nicht das des Einzelnen, sondern das von vielen. Um vielen zu helfen, mussten wenige geopfert werden, so ihr Credo. Auf die leicht verdrehte Denkweise, die den meisten Bösen Hexen eigen war, ergab das für sie Sinn. Der Leitspruch unserer Familie lautet: Was die vielen üblen Geschichten über Böse Hexen erklärte, die im Umlauf waren. Für mich stand eine Sache fest: Sobald ich über die vollständige Macht einer Bösen Hexe verfügte, würde ich anders handeln. Ich würde Gutes tun; auf die richtige Art und Weise. Dazu musste ich diese ein böse Tat begehen. Jemanden verfluchen. Dieses eine Opfer bringen, um danach Gutes tun zu können.

Und da kam Prinz Leander wieder ins Spiel. Meine Mutter wollte sich an ihm rächen. Mir fiel die Aufgabe zu, den Prinzen zu verfluchen, mir meinen Hut zu verdienen, und damit den letzten Schritt auf meinem Weg zur Bösen Hexe zu tun. Denn das war es, was Hexen taten: Sie verfluchten Leute. Nur durch diese Tat würde ich meinen Zauberfokus bekommen, in diesem Fall einen Hexenhut, mit dessen Hilfe ich mein volles Potenzial nutzen konnte.

Unauffällig musterte ich die vier Frauen in unserer Küche. Sie machten den Eindruck einer völlig normalen Familie. Keine sah aus, wie die meisten Leute sich Böse Hexen vorstellten: alt, bucklig und mit Warzen bedeckt. Dieses Auftreten war eine traditionelle Verkleidung aus alten Zeiten, die nach wie vor manchmal zum Einsatz kam. Tarnung war ein wichtiger Bestandteil unseres Handwerks.

»Sie braucht eine gute Verkleidung, um ins Schloss zu gelangen.« Meine Großmutter rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Wie wäre es als Küchenhilfe?«, schlug Tante Ottilia vor.

»Kommt nicht infrage«, unterbrach Mutter sie sofort. »Da hat sie überhaupt keine Chance, an die notwendigen Ingredienzien zu kommen.«

»Vielleicht können wir sie als Zimmermädchen unterbringen?« Meine Großtante schaute fragend in die Runde.

»Ach komm schon, Tante Adlaine!« Mutter schnaubte. »Wir haben einen Ruf zu wahren. Wie wäre es …«

Und so passierte, was immer bei solchen Gelegenheiten geschah: Sie steckten die Köpfe zusammen und übertrumpften sich gegenseitig mit finsteren Plänen. Ich musste den Tatsachen ins Auge sehen: Den Prinzen zu verfluchen war zwar meine Abschlussprüfung, doch ich würde bei der Diskussion trotzdem kein Mitspracherecht haben.

Also beschloss ich, mich unauffällig zu entfernen. Ganz langsam wich ich Schritt um Schritt zurück, bis zur Küchentür. Das war der Moment, in dem meine Großmutter vorschlug, mich als Leibwächterin für den Prinzen anstellen zu lassen. Völlig lächerlich. Ich war zwar recht groß, aber eher schlaksig und ganz sicher keine Kämpferin. Meine Verwandtschaft wog nichtsdestotrotz lautstark das Für und Wider ab. Ich nutzte die Gelegenheit und schlüpfte unauffällig aus der Tür.

Am Ende würde sich alles fügen, davon war ich überzeugt. Schließlich war das nicht die erste Diskussion dieser Art. Die alten Hexen mussten erst einmal ihre wilden und hanebüchenen Ideen loswerden, damit sie später bereit waren für meinen Plan. Denn natürlich hatte ich mir längst meine eigenen Gedanken gemacht, wie ich diese Prüfung bestehen konnte.

Auch Prinzen haben es nicht leicht

Leander

»Wir haben es fast geschafft! Ich kann Ashera sehen!«

Dieser Ausruf der Vorhut hellte die Stimmung der Reitergruppe um mich herum merklich auf. Mit Ausnahme meiner Wenigkeit. Ich blickte weiterhin missmutig nach vorn, wo man durch die tiefhängenden Wolken die Silhouette der Hauptstadt erahnen konnte. An diesem düsteren Frühlingstag vermittelte das glorreiche Kleinod unseres Königreiches Asha mehr den Eindruck einer tristen und heruntergekommenen Hafenstadt. Himmel und Meer verschmolzen am Horizont, und selbst das Schloss, welches majestätisch seine weißen Türme in den regendurchtränkten Himmel reckte, verstärkte diesen Eindruck.

Nässe und Kälte hatten sich bereits vor Stunden ihren Weg durch meinen dicken Mantel gefressen. Doch das war nur ein Grund, warum sich meine Laune mit jedem Meter verschlechterte. Während meine Männer Heim und Weib entgegenfieberten, bedeutete die Heimkehr für mich lediglich das Eingeständnis meines Versagens. Und was fast noch schlimmer war, eine Rückkehr zur Eintönigkeit des Palastlebens. Ich hatte eigentlich alles richtig gemacht, dennoch kehrte ich ohne Prinzessin nach Hause zurück.

»Macht Euch Eure Entscheidung zu schaffen, Herr?«, fragte Heinrich, mein treuer Diener. Er ritt inzwischen neben mir, und eine Welle der Dankbarkeit durchflutete mich.

Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Heinrich der Einzige war, der die Zerrissenheit verstand, welche mich schon ein Leben lang begleitete. Vielleicht lag es daran, dass wir seit Kindestagen Freunde waren. Fest stand, dass uns mehr verband als ein simples Dienstverhältnis. Heinrich war zwar nur der Sohn meiner Amme und damit von niederer Geburt, dennoch hätte ich mir keinen treueren Diener und Freund wünschen können. Wir waren uns so nah wie Brüder. Näher, wenn man bedachte, dass mein Bruder Gunther und ich so gut wie nichts gemeinsam hatten.

Mit einem Seufzen sah ich zu ihm und antwortete: »Mir macht eher zu schaffen, wie ich meinen Eltern erklären soll, dass Schneewittchen Prinz Florian geheiratet hat.«

»Eure Eltern werden es sicher verstehen, wenn Ihr es erläutert. Ich kann bezeugen, dass Prinz Florian sich unsterblich in die Prinzessin im Glassarg verliebt hatte und mit Sicherheit vor Liebeskummer gestorben wäre, hätte sie einen anderen geheiratet.«

Er war wirklich der Einzige, der mich verstand. Seufzend antwortete ich: »Das weiß ich zu schätzen, alter Freund. Ich fürchte nur, dass diese Erklärung meinen Vater kaum zufriedenstellen wird.«

»Es war Eure Pflicht als rechtschaffener Prinz, Eurem Freund zu helfen und die schlafende Schönheit aus ihrem todesähnlichen Zustand zu erwecken, Herr. Das werden Eure Eltern verstehen.«

Dieser Satz entlockte mir ein erneutes Seufzen. » als Entschuldigung für mein Versagen wird nicht zählen, fürchte ich.«

Heinrich schüttelte missbilligend den Kopf. »Ihr müsst das anders sehen, mein Prinz. Ihr habt mitnichten versagt. Ihr habt euer Wissen über den menschlichen Körper und die Heilkunst angewandt und damit zwei Menschen sehr glücklich gemacht. Es wäre Euch ein Leichtes gewesen, Schneewittchens Gunst zu gewinnen, indem Ihr Euch als ihr Retter in den Vordergrund stellt. Aber Ihr könntet niemals einem Mann die Frau wegnehmen, die er liebt. Noch dazu einem alten Freund. Stattdessen helft Ihr ihm, sie zu erobern. Kann es etwas Nobleres geben?«

Heinrichs Worte beruhigten mich nur wenig, denn auch wenn es stimmte, würde es mir nicht helfen. Ich sah die Angelegenheit deutlich negativer als mein Freund. Heinrich nannte es eine Tugend, dass ich niemals meinen eigenen Vorteil in den Vordergrund stellte. Meine Eltern kritisierten es als mangelnden Ehrgeiz und fehlende Durchsetzungskraft. Tief in mir drinnen wusste ich allerdings, was es wirklich war: Gleichmut. Ich hatte mich damit abgefunden, irgendwann eine Prinzessin zu heiraten, die ich kaum kannte. Als echter Prinz hatte man keine Wahl. Entweder eine politische Ehe oder eine Jungfrau in Nöten retten und heiraten. Bei anderen schien das so einfach und selbstverständlich. Aber ich hatte genug davon. Doch das wollte ich nicht einmal Heinrich gegenüber zugeben. »Ich kann nur hoffen, dass sie ein Einsehen haben, alter Freund.«

Diesmal nickte er. »Und was Eure Eltern angeht: Es hat gewiss noch Zeit mit einer Vermählung, wozu die Eile?«

Wenn es nach mir ginge, war das mit dem Heiraten wirklich nicht dringend. Aus dynastischer Sicht verstand ich natürlich, warum eine frühe Hochzeit wünschenswert war.

Andererseits sah ich, im Gegensatz zu meinen Eltern, keinen Anlass zur Sorge. Die Prophezeiung war eindeutig: Ich würde die Königin meines Herzens finden. Was konnte da schon schiefgehen?

»Euer Schicksal wird sich erfüllen, Herr. Schließlich seid Ihr ein Prinz«, sagte Heinrich im Brustton der Überzeugung.

Ich nickte langsam und versuchte, bei diesem Gedanken Trost zu finden. Es würde sich alles fügen. Musste einfach. Das Erlebnis mit Schneewittchen hatte im Grunde eine Sache verdeutlicht: Die große Liebe war nichts, was man erzwingen konnte. Prinz Florian war ein junger Thronerbe, genau wie ich. Von Kindheit an hatte man uns darauf vorbereitet, später einmal zum Wohl unseres Reiches zu heiraten. Und doch hatte das Schicksal ihn zur richtigen Frau geführt.

Vielleicht dachte ich einfach zu viel nach. Für mich würde es eines Tages genauso sein wie bei meinem Freund. Die größte Schwierigkeit bestand nach wie vor darin, diese Tatsache meinen Eltern begreiflich zu machen. Ich schenkte Heinrich ein dankbares Lächeln. »Du hast natürlich recht. Was passiert ist, ist passiert, und ich werde für jede meiner Entscheidungen geradestehen.«

»Das ist die richtige Einstellung, mein Prinz.«

In der Zwischenzeit hatten wir die Stadttore passiert und ritten durch die äußeren Bezirke. Vorbei am momentan verwaisten Festplatz, immer tiefer in die engen Gassen der Stadt. Normalerweise herrschte überall geschäftiges Treiben, doch der Dauerregen der letzten Tage hatte dafür gesorgt, dass kaum eine Menschenseele den Schutz der Häuser verließ. Die wenigen Passanten, die es dennoch nach draußen verschlug, grüßten mich und meine Reiter mit großem Respekt, was mir jedes Mal ein wenig unangenehm war.

Dank meines weißen Mantels war ich leicht zu erkennen. Diese Art, mich zu kleiden, hatte mir beim Volk den Spitznamen eingebracht. Auch wenn es echte Ritter mit Rüstung und Lanze schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gab, wurden mein Bruder und ich als solche bezeichnet. So war es schon immer gewesen. Ich trug Weiß und mein Bruder Gunther Schwarz. Immer. Selbst an Tagen wie diesem, an denen der weiße, zweireihige Mantel mit Schlamm bespritzt war und mir die Kapuze schwer vom Regen ins Gesicht fiel.

Schließlich erreichten wir die breite Straße, die zum Schloss führte. Wir passierten den weitläufigen Ehrenhof, bis wir schließlich am kleinen Innenhof mit den Ställen ankamen.

Ein ungewohntes Kribbeln machte sich in mir breit. Irgendetwas war ungewöhnlich. Suchend schaute ich mich um, doch alles schien wie immer. In der Schmiede flackerte das Feuer, der Schmied stand über seinen Amboss gebeugt, und das stetige Hämmern durchdrang die Stille. Der Übungsplatz lag aufgeweicht und verlassen da. Niemand hatte die mit Stroh ausgestopften Puppen in den Unterstand gebracht, sodass sie sich traurig zur Seite neigten. Das würde Gunther gar nicht gefallen. Es bedeutete allerdings auch, dass mein Bruder abwesend war. Ihm wäre so ein Versäumnis niemals unterlaufen.

Mein Blick wanderte weiter, und ich wurde gewahr, was nicht stimmte. Mein Vater stand unter dem kleinen Dach an der Tür zu den Ställen. Offensichtlich erwartete er mich. So etwas war noch nie zuvor geschehen. Schon gar nicht bei so einem Wetter. Mein Vater verabscheute es, nass zu werden, und war dafür bekannt, sich bei Regen nicht aus seinem Arbeitszimmer fortzubewegen. Glücklicherweise überwogen in Asha die Sonnentage. Umso erstaunlicher, dass er an solch einem verregneten Tag draußen auf meine Rückkehr wartete. Seine stattliche Gestalt war kaum zu übersehen. In jungen Jahren war König Ailig ein gefürchteter Kämpfer gewesen, mit dessen Kraft es kaum jemand hatte aufnehmen können. Auch heute sah man ihm seine Kraft noch an, selbst wenn er ein wenig aus der Form geraten war. Das hätte ich ihm natürlich nie ins Gesicht gesagt.

»Leander«, empfing er mich überschwänglich. »Wie ich vernommen habe, ist Prinzessin Schneewittchen wohlauf, dank deiner Hilfe vermute ich?«

Die Kunde von Schneewittchens Errettung hatte sich offensichtlich wie ein Lauffeuer in allen Königreichen verbreitet.

Irritiert sah ich zu meinem Vater. Er klang gut gelaunt und freundlich. Das Mindeste, was ich erwartet hatte, war ein schwerer Tadel. Sollte mir das Glück gewogen sein? Nahmen meine Eltern etwa klaglos hin, was geschehen war? Ich zuckte mit den Schultern und hoffte auf das Beste. Was sollte ich auch sonst tun?

»So ist es«, antwortete ich also und fügte sicherheitshalber hinzu: »Ihr habt immer gesagt, dass das Studium der Kräuter und der Anatomie unnütz und eines Prinzen unwürdig sei, doch dieser Prinzessin hat es das Leben gerettet.«

»Dann habe ich mich wohl geirrt, mein Sohn«, antwortete Vater mit einem gönnerhaften Unterton in der Stimme, der dafür sorgte, dass sich meine Nackenhaare aufstellten. Irgendetwas führte Vater im Schilde, da war ich mir sicher. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn er einfach akzeptiert hätte, was passiert war.

Ich beeilte mich, vom Pferd zu steigen, und übergab die Zügel an Heinrich.

»Lass uns ins Schloss gehen, Junge. Deine Mutter und ich haben etwas Wichtiges mit dir zu besprechen.«

Diese Worte, sanft und mit einem Lächeln gesprochen, sorgten dafür, dass sich diesmal sämtliche Härchen aufstellten. Das letzte Mal, dass beide Eltern etwas mit mir hatten wollen, war Jahre her. An jenem Tag hatte ich mich davongeschlichen, um meinen Bruder Gunther in der Kriegerakademie zu besuchen. Leider war ich nicht weit gekommen, bevor man mich, verkleidet als Straßenjunge, aufgegriffen hatte. Das darauffolgende Gespräch war alles andere als erbaulich gewesen und hatte dazu geführt, dass ich mich in den Folgejahren nie wieder hatte erwischen lassen. Natürlich hatte ich auch bei vielen anderen Gelegenheiten Vaters Unmut auf mich gezogen. Aber so schlimm, dass ich zu einem Gespräch mit Elternteilen gebeten wurde, war es nie wieder gewesen.

Allerdings fehlten Anzeichen von Zorn oder Enttäuschung im Verhalten meines Vaters. Nicht einmal über das Wetter beschwerte er sich, obwohl wir ein paar Schritte quer über den Hof gehen mussten. Stattdessen schwieg er, und im Schloss angekommen, bedeutete er mir lediglich, den nassen Mantel abzulegen. Meine Kleidung darunter war leidlich trocken, allerdings wenig geeignet für einen Besuch bei meiner Mutter. Doch daran war nichts zu ändern. Das inzwischen schon wieder viel zu lange Haar hing mir feucht in die Augen, was meinem Vater zwar ein Kopfschütteln, aber keinen Kommentar entlockte. Auch das war ungewöhnlich. Normalerweise ließ er keine Gelegenheit aus, mich zurechtzuweisen, wenn mein Haar wieder einmal zu lang oder, Gott bewahre, schlecht frisiert war.

Doch an diesem Nachmittag wurde die Miene meines Vaters mit jedem Schritt selbstzufriedener und mir mulmiger zumute. Zorn war etwas, womit ich umgehen konnte. Ganz anders verhielt es sich mit der fast freudigen Erregung, die den König ergriffen zu haben schien. So sah man ihn selten. Eigentlich immer nur dann, wenn ihm ein besonders gewiefter diplomatischer Schachzug gelungen war. Das ließ nur einen Rückschluss zu: Er plante irgendetwas, und ich hatte keine Ahnung, was. Ich befürchtete allerdings, dass es mir nicht gefallen würde.

Ein Diener öffnete die Tür zu den Gemächern meiner Mutter, und ich trat bangen Herzens hinter Vater ein. Im Gegensatz zum kühlen Treppenhaus herrschte in den Räumlichkeiten meiner Mutter eine angenehme Wärme. Das Kaminfeuer prasselte, und die Fenster aus Butzenscheiben waren verriegelt. Ich schloss eilig die Tür, um die Kälte auszusperren, und trat so nah an den Kamin, dass dessen Wärme meine klamme Kleidung zumindest ein wenig trocknen konnte.

Wie so oft saß meine Mutter an ihrem Lieblingsplatz am Fenster, den Stickrahmen auf dem Schoß. Immer, wenn ich sie sah, überkam mich das sonderbare Gefühl, in einen leicht verzerrten Spiegel zu blicken. Sie hatte mir ihren schmalen Körperbau und die feinen Gesichtszüge vererbt, was bei den jungen Frauen regelmäßig für Verzückung sorgte. Nur mein Haar war dunkler, wuchs allerdings, genau wie ihres, äußerst schnell.

Auch heute trug sie es zu einer kunstvollen Krone gewickelt. Wenn sie es öffnete, ergoss es sich auch nach all den Jahren noch mehrere Meter über den Boden.

Sie musterte mich mit einem wohlwollend herablassenden, mütterlichen Lächeln, was mich erst recht in Alarmbereitschaft versetzte. Denn soweit ich wusste, hatte ich nichts getan, um dieses Lächeln zu verdienen.

»Da bist du ja, mein über alles geliebter Sohn.«

Die Sache musste schlimmer sein als angenommen. nannte sie mich nur, wenn ich richtig tief in Schwierigkeiten steckte.

Immer noch lächelnd legte sie den Stickrahmen zur Seite und winkte mich zu sich. Widerwillig löste ich mich vom Feuer und trat zu ihr.

»Ich möchte dir natürlich zu deinem Erfolg gratulieren. Schneewittchen ist wohlauf, wie ich höre, und wir alle sind höchst erfreut über ihre Hochzeit mit Prinz Florian.« Ein Lächeln zog über ihr Gesicht, während ihr Blick aus dem Fenster in die Ferne schweifte. »Ich erinnere mich noch gut daran, wie du und der junge Florian hier durch den Garten getollt seid.« Sie seufzte, und das Lächeln verschwand. »Doch diese Tage sind lang vorbei. Die Jugend vergeht, und es ist an der Zeit, erwachsen zu werden.«

Ich schluckte und scheiterte kläglich an dem Versuch, ein neutrales Lächeln aufrechtzuerhalten.

»Dein einundzwanzigster Geburtstag naht, mein Sohn«, fuhr Vater fort und trat neben den Sessel meiner Mutter. »Ein wichtiges Ereignis und genau der passende Tag, um mit deiner Brautschau zu beginnen.«

Meine Gedanken rasten. War es nicht das, was ich die letzten zwei Jahre versucht hatte? Eine Braut zu finden? Ich schluckte den spitzen Kommentar herunter, der mir auf der Zunge lag, und hoffte, dass mein Lächeln nicht allzu gezwungen aussah, während ich Interesse vorzutäuschen versuchte. »Ich soll mich auf Brautschau begeben?«

»Nicht begeben«, antwortete Vater und faltete die Hände über seinem beträchtlichen Bauch. »Wie jedermann weiß, gibt es nur zwei Arten, wie ein Prinz zu seiner Frau kommt. Du hattest deine Chance, eine Jungfer in Nöten zu retten.« Dabei ging sein Blick zu Mutter und dann wieder zurück. »Ich muss dir allerdings zugutehalten, dass nicht jeder so viel Glück haben kann wie ich seinerzeit. In Türmen gefangene Jungfrauen findet man heutzutage kaum noch.« Er seufzte. »Aber wir kommen vom Thema ab. Hier geht es um deine Eheschließung, und da werden wir nun zu Plan B übergehen. Wir veranstalten ein Turnier, bei dem jede Prinzessin willkommen ist, die willens und geeignet ist, um deine Hand zu kämpfen.«

»Zu kämpfen?« Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Die klamme Kleidung und das nasse Haar waren vergessen. »Ich suche mir eine Kriegerin zur Frau?«

»Sei nicht albern, mein Junge«, antwortete Mutter mit sanfter Stimme. »Kämpfen ist hier im metaphorischen Sinne zu verstehen. Die Anforderungen an eine zukünftige Königin sind mannigfaltig. Aus diesem Grund wird der Wettbewerb eine Vielzahl von Aufgaben umfassen, in denen wir die verschiedenen Talente und Tugenden der Bewerberinnen gründlich unter die Lupe nehmen.«

»Dann entscheidet also dieses Turnier darüber, wer meine Königin werden soll?« Ich schloss kurz die Augen. Das war der Grund, warum kein Donnerwetter über mich hereinbrach? Sollte es so einfach sein? Ich rief mir das Gespräch mit Heinrich über prinzliche Bestimmung ins Gedächtnis. Die richtige Frau würde ihren Weg zu mir finden, so war es prophezeit. Ob das nun durch ein Turnier geschah oder anders, war im Prinzip zweitrangig.

»So ist es.« Vater nickte mit seinem Diplomatenlächeln. »Und bevor du widersprichst, möchte ich dich noch einmal eindringlich …«

»Einverstanden«, unterbrach ich ihn. Ein Turnier um meine Hand war besser, als weiter durch die Lande zu ziehen, um Jungfrauen in Not zu finden.

Vater stutzte. »Äh, wie? Du bist einverstanden?«

»Ja. Es macht keinen Unterschied, ob ich ausziehe, um Prinzessinnen zu retten, oder ob sie hierherkommen und in einem Wettkampf um meine Hand antreten. Am Ende wird so oder so geheiratet.« Ich zuckte mit den Schultern. »Auf welche Weise man sich findet, ist letzten Endes irrelevant.«

»Nun, mein Sohn«, antwortete mein Vater mit einem beifälligen Lächeln, »es freut mich sehr, dass du ein Einsehen hast.«

Meines Erachtens hatte das nichts mit »Einsehen« zu tun. Es war ja nicht so, als ob ich nie heiraten wollte. Nicht unbedingt sofort, aber wenn es sein musste, würde ich mich fügen. Schon allein, um nicht mehr suchen zu müssen.

Vater schaute zu Mutter. »Rapunzel, Liebling, haben wir schon mit den Vorbereitungen begonnen?«

Sie nickte strahlend und erhob sich. »Ich habe bereits veranlasst, dass heute Nachmittag eine Verlautbarung an alle Königreiche gesandt wird. Das Turnier wird in einhundert Tagen beginnen, und der Preis ist kein geringerer als die Hand des Prinzen.« Jetzt lächelte sie zufrieden. »Es soll ein großes Ereignis für das ganze Volk werden«, führte sie weiter aus. »Wir werden Schausteller aus allen Teilen der Welt einladen und dem Volk ein Spektakel bieten, wie sie es noch nie erlebt haben.«

Auch auf dem Gesicht meines Vaters machte sich Zufriedenheit breit. »Ich bin sehr froh, dass du den Ernst der Lage erkannt hast und dich fügst, mein Sohn. Es steht dir natürlich frei, dich an der Entwicklung passender Aufgaben für dieses Turnier zu beteiligen. Der Beraterstab hat vielerlei Ideen zusammengetragen und erwartet dich im Blauen Salon.«

»Das weiß ich sehr zu schätzen, danke.« Mit einem verbindlichen Lächeln verabschiedete ich mich von meinen Eltern und machte mich auf den Weg. Zuerst würde ich mir trockene Kleidung anziehen und danach dem Beraterstab einen Besuch abstatten. Das war eine Aufgabe, die interessant zu werden versprach.

In meinen Räumen erwartete mich Heinrich. Er hatte sich bereits umgezogen und deutete aufs Bett. »Ich habe Euch frische Kleidung bereitgelegt und ein Bad vorbereitet, Herr.«

Ich erwog kurz, das Bad auszulassen, doch zwei Dinge sprachen dagegen: Ich roch nach Pferd und, was noch viel wichtiger war, das Wasser im Zuber dampfte und versprach angenehme Wärme. Das gab den Ausschlag. Schnell streifte ich die feuchte Kleidung ab und stieg ins heiße Wasser. Mit einem wohligen Seufzen ließ ich mich zurücksinken und brachte Heinrich mit wenigen Worten auf den neusten Stand.

Dieser hörte interessiert zu und sagte schließlich: »Ein rechtschaffener Weg, um an eine Ehefrau zu gelangen. So viele Prinzessinnen auf einmal werdet Ihr an keinem anderen Ort finden, mein Prinz. Ich bin guten Mutes, dass die Richtige dabei sein wird.«

»Wollen wir es hoffen.« Ich seufzte und erhob mich. Das Bad war viel zu kurz gewesen, aber ich wollte den Beraterstab kennenlernen. Wie ich solche Gremien kannte, würden sie meine Abwesenheit nutzen, um die absurdesten Ideen zu beschließen. Also kleidete ich mich rasch an, kämmte mir die Haare aus dem Gesicht und machte mich auf den Weg.

Der Beraterstab bestand aus sieben Männern und Frauen: Magier, Generäle und Diplomaten. Schon nach wenigen Minuten wurde klar, dass es noch schlimmer war als befürchtet. Bisher gab es kein Thema, bei dem die sieben einer Meinung waren. Dazu scheuten sie keine Diskussion, nahmen jede Idee bis ins kleinste Detail auseinander und ignorierten konsequent meine Kommentare. Die Sitzung dauerte bis tief in die Nacht und führte lediglich dazu, dass die sieben sich in einem Punkt einig waren: Meine Pflicht als Prinz bestand darin, die am Ende gefassten Beschlüsse offiziell abzusegnen – ansonsten war meine Meinung eher nicht gefragt. Die nächsten Wochen würden zermürbend werden.

Gähnend machte ich mich also weit nach Mitternacht auf den Weg zurück zu meinen Gemächern, wo Heinrich mich bereits erwartete. »Du weißt doch, dass du schlafen gehen kannst. Ich bin durchaus in der Lage, ohne Hilfe zu Bett zu gehen.«

»Das weiß ich, mein Prinz«, antwortete Heinrich beflissen. »Allerdings lässt mich die Neugier nicht schlafen. Ihr hattet beim Baden nur wenig Zeit, mich über alles in Kenntnis zu setzen. Vielleicht wollt Ihr das nachholen und nebenbei erfahren, was ich inzwischen gehört habe?«

Ich unterdrückte ein Grinsen. Wenn es um Klatsch und Tratsch ging, konnte es niemand mit Heinrich aufnehmen. Er wusste immer, worüber die Dienerschaft klatschte. »Nun«, begann ich das Gespräch, »die Unterredung mit meinen Eltern ist weit positiver verlaufen, als befürchtet.«

»Vor allem wenn man bedenkt, dass Ihr Eure Zeit viel lieber zu Hause mit der Planung eines Turniers verbringt als auf Reisen, beim Versuch eine verwunschene Prinzessin für Euch zu gewinnen.«

»Wie gut du mich doch kennst, Heinrich«, sagte ich immer noch lächelnd und öffnete die Schnürung an meinem Hemd. »Leider bringt mir das wenig, da ich nicht planen darf. Ich soll nur die Beschlüsse absegnen. Falls diese Leute in der Lage sind, sich jemals auf irgendetwas zu einigen.« Ich seufzte. »Wie soll ich denn später mal ein Königreich regieren, wenn ich nicht lerne, wie man selbst Entscheidungen trifft?« Zugegeben, ich hatte in den letzten Jahren nicht wirklich Mühe darauf verwendet zu lernen, wie man regiert. Doch das war kein mangelndes Interesse meinerseits. Ich hatte irgendwann einfach eingesehen, dass Vater noch nicht bereit war, es mir beizubringen. Wenn ich die Lage richtig einschätzte, war nun die Zeit gekommen, in der sich das ändern würde.

»Auf die Frage weiß ich leider keine Antwort, Herr.«

»Ich weiß, mein Freund. Die kennt wahrscheinlich niemand.« Ich zog das Hemd über den Kopf und warf es Heinrich zu. »Und dabei wäre die Planung eines Volksfestes gar keine so schlechte Beschäftigung.« Seufzend ließ ich mich auf dem Bett nieder, und Heinrich trat vor mich, um beim Ausziehen der Stiefel zu helfen. »Was hast du herausgefunden?«

»Ein wenig über das Volksfest«, antwortete mein Diener und zog fest am rechten Stiefel. »Ich dachte, es würde Euch vielleicht interessieren, dass Eure Eltern für das Fest eine Gruppe Heiler in die Stadt beordert haben.«

»Sehr vernünftig.«

Der Stiefel löste sich, und Heinrich stolperte ein paar Schritte von mir weg. Auf seinem Weg zurück sagte er: »Ich dachte, es wäre hilfreich, Euch so früh wie möglich darüber zu informieren. Vielleicht ist es ja an der Zeit, das von Euch erdachte Heilerprogramm ins Leben zu rufen?«

»Kein schlechter Gedanke. Wenn die Menschen der Hauptstadt ein paar Wochen in den Genuss kostenfreier medizinischer Hilfe kommen, sieht vielleicht auch mein Vater ein, wie sinnvoll eine bessere Krankenversorgung für die Bevölkerung wäre.« Der zweite Stiefel löste sich, und ich lehnte mich mit geschürzten Lippen auf dem Bett zurück. »Wir müssen es nur schaffen, sein Augenmerk darauf zu richten.«

Heinrich nickte und stellte die beiden Stiefel neben den Kamin. »Und Ihr wollt sicher den Heilern einen Besuch abstatten. Ob als Prinz oder inkognito wäre zu überlegen. Ich werde für beide Fälle die passende Kleidung bereithalten.«

Eine Welle der Zuneigung für meinen alten Freund überkam mich. Kein Prinz konnte sich einen treueren Diener wünschen.