Inhaltsverzeichnis
 
Widmung
Einleitung
 
1. Eitle Liebe
 
2. Was sind narzisstische Beziehungen?
A. Menschen, deren Liebesbeziehungen scheitern
B. Personen, die beruflich mit narzisstischen Menschen zu tun haben
C. Menschen, die unter einer narzisstischen Problematik leiden, und deren Angehörige
 
3. Narzissmus zwischen Normalität und Persönlichkeitsstörung
Fragen zur Selbstreflexion
 
4. Narzisst und Komplementärnarzisst
 
5. Narziss und Athene – die Protagonisten
 
6. Liebe ist …
 
7. Wer gibt sich für wen auf?
 
8. Beziehung auf Augenhöhe – geht das?
 
9. Wer hat recht?
 
10. Macht und Unterwerfung
 
11. Im Bann des fremden Selbst
 
12. Ein kleiner Leitfaden zum Aufspüren narzisstischer Verstrickungen
 
13. Unausgesprochene Erwartungen
 
14. Die Partnerwahl
 
15. Zwei verletzte innere Kinder
 
16. Die Arbeit mit dem inneren Kind
 
17. Das Kind als Schmuckstück
 
18. Die Eisprinzessin und der »emotionale Analphabet«
 
19. Bindung und Kompetenz
 
20. Die zwei Erfolgreichen
 
21. Die Pygmalion-Dynamik
 
22. Die Schöne und der Anspruchsvolle
 
23. Liebe, die ins Leere läuft
 
24. Narziss und Echo
 
25. Verführung und Ausbeutung
 
26. Narzissmus in Therapie und Coaching
 
27. Was hilft?
Ko-evolution
Psychotherapeutische Unterstützung
Dialogbereitschaft
Das Zauberwort
Der liebende Blick ist nicht eitel
Miteinander sein statt fliehen
Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden
Lebendigkeit
Ein Spiel zum Abschluss
 
Danksagung
Anmerkungen
Diagnosekriterien der Narzisstischen Persönlichkeitsstörung nach DSM-IV
George Bernard Shaw: Pygmalion
Die Geschichte von Pygmalion nach Ovid
Literatur
Copyright

Für meinen Vater

Einleitung
Das tanzende Paar der eitlen Liebe wiegt sich selbstverliebt im gemeinsamen Rhythmus. Es zeigt bildlich, wie sich Partner in narzisstischen Beziehungen erleben: Sie liegen sich in den Armen, sind sich körperlich nah, aber sie sehen sich nicht. Gerade der enge körperliche Kontakt verhindert den Blick auf den anderen, denn um jemanden sehen zu können, brauchen wir etwas Abstand. Auch scheint es, als sei jeder mehr mit sich selbst beschäftigt und brauche den anderen nur, um den Tanz zu vollführen.
Die Begegnung wird dadurch zum Vehikel der Selbstdarstellung. Solange der Mann der Frau das Gefühl gibt, besonders und unwiderstehlich zu sein, fühlt sie sich begehrt und geliebt. Sie ihrerseits vermittelt dem Mann Besitzerstolz, denn womit schmückt sich ein Mann lieber als mit einer schönen Frau – das Auto einmal ausgenommen?
Dieses Szenario ist an sich nicht ungewöhnlich, denn jede Begegnung kann einen narzisstischen Nutzen haben, indem das Gegenüber das eigene Selbstwertgefühl stärkt. Das finden wir in Zweierbeziehungen ebenso wie in Freundschaften oder Nachbarschafts- und Arbeitsbeziehungen. Lob, Anerkennung und Zuwendung bestätigen uns als Person, verbessern unser Selbstbild und machen Lust auf mehr Kontakt. Diese Form der narzisstischen Dynamik ist positiv und daher erstrebenswert: Personen, die uns zugewandt sind, suchen wir auf, da wir uns durch sie geachtet und wohl fühlen, Menschen, von denen wir uns abgelehnt fühlen, meiden wir.
Wie stark ein Mensch nun in seiner Selbsteinschätzung von der Bestätigung anderer abhängt, entscheidet über die Art und Weise der Beziehung. Ein Mensch mit einem eher stabilen Selbstwertgefühl, der um seinen Wert weiß, wird die Zuwendung und Anerkennung positiv nutzen können und sich darüber freuen. Ein Mensch mit einem geschwächten oder instabilen Selbstwertgefühl dagegen wird die Zuwendung notwendig brauchen, um sich nicht abwerten zu müssen und ein Minimum an Selbstwertgefühl aufzubauen. Er ist in größerem Maße abhängig von der positiven Einschätzung der anderen, um seine Selbstzweifel zumindest vorübergehend in Schach zu halten. Das hat Konsequenzen für die Beziehung, denn er wird sich entweder anpassen, um geliebt zu werden, oder sich großartig darstellen, um bewundert und verehrt zu werden. Diese beiden Varianten sind zwei grundlegende narzisstische Reaktionsmuster: die minderwertige oder depressive und die grandiose Form.
Natürlich haben auch Menschen mit einem stabilen Selbstwertgefühl Selbstzweifel, wenn ihnen etwas nicht gelingt oder sie sich zurückgewiesen fühlen, sie besitzen jedoch genügend »seelisches Handwerkszeug«, um nicht in eine Minderwertigkeitsdepression zu verfallen. Auch bei Misserfolg und Verlassenheit bleibt ihnen ein ausreichendes Quantum an Selbstwertgefühl und Selbstliebe erhalten.
Anders stellt sich die Situation bei Menschen dar, die ein schlechtes Selbstwertgefühl besitzen und sich permanent beweisen müssen, gut zu sein. Sie haben ein narzisstisches Defizit, das sie durch Zuwendung, Anerkennung, Erfolg, Beliebtheit, Statussymbole oder besondere Leistungen auszugleichen versuchen. Auch wenn sie geliebt und geschätzt werden, bleibt der Selbstzweifel, ob der andere es auch ehrlich meint. Ihre Selbsteinschätzung ist so schlecht, dass sie sich gar nicht vorstellen können, dass jemand sie wertschätzen könnte. Das sind die sogenannten depressiv-narzisstischen Menschen, die überall Ablehnung vermuten und das Positive nicht für sich gelten lassen können, außer sie erfüllen übersteigerte Erwartungen an sich. Nur, wenn sie besser sind als alle anderen, sind sie in Ordnung. Erfüllbar ist diese Idealvorstellung nicht, weshalb sie immer hinter ihren Erwartungen zurückbleiben und sich als Versager fühlen. Ihr Selbstwertgefühl wird dadurch immer instabiler.
Die andere Variante sind die sogenannten grandiosen Narzissten, die im Grunde auch nicht viel von sich halten, ihr Mangelgefühl aber durch Großspurigkeit überdecken und sich vormachen, die Größten zu sein. Sie erlauben sich ihre Selbstzweifel gar nicht, sondern projizieren sie auf die anderen. Die sind dumm und unzulänglich, sie selbst unübertroffen gut.
In Zweierbeziehungen entpuppt sich ein grandios narzisstischer Mensch häufig als eitel, egozentrisch und selbstbezogen, verbunden mit viel Leid für den Partner oder die Partnerin. Das anfänglich überwältigende Gefühl, das beide füreinander haben, wird getrübt und die Hoffnung auf gegenseitige Liebe und Einfühlung zerplatzt. Und trotzdem können sie sich nicht trennen, weil ihnen dann der andere fehlt, um ihr eigenes Selbstwertgefühl zu stärken. Häufig haben nämlich beide Partner ein narzisstisches Defizit, der eine lebt es grandios überhöht, der andere depressiv minderwertig. Sie brauchen sich gegenseitig, um sich zu bestätigen.
Das führt zur eitlen Liebe, die in erster Linie den Liebenden selbst und der Erhöhung ihres Selbstwertes dient und erst in zweiter Linie, wenn überhaupt, ihren Partnern. Diese defizitäre narzisstische Dynamik bedeutet, dass Begegnungen primär zum eigenen Nutzen gestaltet werden, manchmal sogar auf Kosten des Gegenübers. Das geschieht nicht nur in Zweierbeziehungen, sondern auch in Freundschaften, in der Familie, in der Therapie und in beruflichen Zusammenhängen. Daraus entstehen große Spannungen, Verletzungen, Manipulationen und Kränkungen bis hin zum Abbruch der Beziehung.
Nachdem ich in meinem Buch »Weiblicher Narzissmus – Der Hunger nach Anerkennung« schwerpunktmäßig die weibliche Form der narzisstischen Persönlichkeit beleuchtet habe, möchte ich mich in diesem Buch der narzisstischen Dynamik in Beziehungen widmen. Denn es kommen immer wieder Frauen und Männer in meine Praxis, die darunter leiden, dass sie sich in ihrer Partnerschaft/Freundschaft oder im Beruf nicht gesehen und wertgeschätzt fühlen. Oder sie fragen, wie sie mit ihrem narzisstischen Partner, ihrer Partnerin, ihrem Freund oder Angehörigen umgehen sollen.
Zum Verständnis der narzisstischen Dynamik in Beziehungen habe ich dieses Buch geschrieben. Ich möchte erklären, was Menschen motiviert, sich über die Maßen selbstbezogen zu verhalten und wie das Gegenüber sich gegen daraus resultierende destruktive Verhaltensweisen wappnen kann. Denn häufig suchen sich narzisstische Menschen ein Umfeld, das ihr Verhalten sogar noch unterstützt. Eine mögliche Lösung liegt darin, seinen persönlichen Wert vom narzisstischen Gegenüber loszulösen und zur eigenen Lebendigkeit und Autonomie zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund kann sich der liebende Blick für den Partner, die Partnerin, für Freunde oder Geschwister entwickeln. Der liebende Blick bedeutet nicht nur die grundlegende Bejahung der anderen Menschen, sondern auch des eigenen Seins und der eigenen Person. Statt nach narzisstischer Manier allein im Außen Bewunderung und Anerkennung zu suchen, können sie ihre Selbstliebe, ihren positiven Narzissmus stärken.
Mein Anliegen ist es, ein Verständnis zu entwickeln sowohl für dysfunktionale Beziehungsmuster, die aus narzisstischen Motiven heraus entstehen, als auch für die seelischen Nöte der Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitszügen.
Was die Begriffe Narzissmus und narzisstisch bedeuten, versuche ich in einem eigenen Kapitel zu erläutern, da sie auch in Fachkreisen zum Teil kontrovers diskutiert werden.

1. Eitle Liebe
Narzisstische Liebesbeziehungen sind wie ein Feuerwerk, das, wenn es abgebrannt ist, »dicke« Luft und Brandgeruch hinterlässt. Doch das nimmt jeder Betrachter gerne in Kauf, denn er bekommt dafür eine märchenhafte Darbietung, wenn auch leider nur für eine kurze Zeit. Verliebtheit, sich gegenseitig verführen, verschmelzen in der gemeinsamen Grandiosität, gleichen einem Feuerwerk. Die Gefühle sind heiß, die Begierde ist groß, das Erlöschen folgt auf dem Fuß. Das ist eitle Liebe!
»Meine Beziehungen sind wie ein Lauffeuer. Das Feuer meiner Verliebtheit brennt so stark, dass es immer wieder zum Flächenbrand kommt. Meine Sehnsucht, Leidenschaft und Erwartungen sind so heftig, dass sie den anderen in die Flucht schlagen. Und dann bleibe ich in meinem Elend allein zurück und weiß, dass ich viel zu schnell viel zu viel wollte. Doch immer wieder falle ich drauf rein.«
In narzisstischen Beziehungen dreht sich alles um den eigenen Vorteil, alles steht im Dienste des eigenen Selbst: die Wahl des Menschen, auf den ich mich einlasse, die Art, wie ich mit ihm umgehe, die Entscheidung, was ich von mir zeige und was nicht, sowie die Erwartung, was der andere für mich erfüllen soll. Es geht weniger um den anderen Menschen an sich, als mehr um die Funktion, die er für mich, und das heißt in diesem Fall, für mein Selbsterleben hat.
Narzisstische Beziehungen sind selten dauerhaft befriedigend, erfüllend, nährend oder glücklich. Oft enden sie, bevor sie wirklich begonnen haben, und hinterlassen das unangenehme Gefühl des eigenen Versagens oder der Unzulänglichkeit des Beziehungspartners. Oder sie verlieren im Lauf der Jahre ihren Glanz und das, was als Anziehung einmal da war: die Idealvorstellung eines untrüglichen, gemeinsamen Glücks. Verbunden ist damit ein persönliches Leid, da die betroffenen Menschen unzufrieden, ängstlich oder frustriert zurückbleiben. So, als wenn sie ein Feuerwerk mit einem Kerzenleuchter verwechseln. Das Feuerwerk ist die »heiße« Anfangsphase vieler Beziehungen, doch damit kann man sich keine gemütliche Atmosphäre im Wohnzimmer schaffen. Dazu brauchen wir beständiges Kerzenlicht, das nicht so aufregend, dafür aber stetig brennt.
Kernberg schrieb über die reife Liebe: »Die anfängliche Leidenschaft mag von kurzer Dauer sein, doch die Fähigkeit beider Partner, eine tiefe Beziehung einzugehen, hilft ihnen, die heiße Flamme der Leidenschaft in ein sanftes Glimmen der Partnerschaft umzuwandeln.«1
Das gelingt in narzisstischen Beziehungen kaum, denn dort begegnen sich in der Regel zwei Menschen mit einem verletzten Selbst. Daraus entstehen die charakteristischen Konflikte wie Entwertung und Erhöhung des anderen und der eigenen Person, die Angst vor Nähe und zugleich vor Einsamkeit, der Wunsch zu verschmelzen und die Furcht, sich darin zu verlieren, das Gerangel um Macht, das Ungleichgewicht in der Begegnung und das Streben nach einem idealen Bild von sich und seinem Gegenüber.
Das narzisstische Thema finden wir nicht nur in Zweierbeziehungen, sondern in jedweder Form von Aufeinanderbezogensein, sei es im Beruf, zwischen Freunden, in der Familie, in der Nachbarschaft oder in der Psychotherapie. Überall, wo Menschen zusammenkommen, kann es geschehen, dass sie ihre narzisstischen Anteile ausagieren und sich dadurch in Konflikte verstricken. In Zweierbeziehungen ist die Dynamik aufgrund der Nähe jedoch besonders stark.
Ich werde in diesem Buch Beziehungen unter den charakteristischen Aspekten des narzisstischen Themas beschreiben und erklären:
• Was passiert, wenn zwei Menschen mit einem verletzten Selbst aufeinander treffen?
• Welche Gefühle und Verhaltensweisen lassen die narzisstische Beziehung gelingen oder scheitern?
• Kann man mit einem narzisstischen Menschen leben, ohne zu sehr zu leiden?
• Wie lernt man mit dem eigenen verletzten Selbst umzugehen?
• Was sollte man in der Begegnung mit einem narzisstischen Menschen bedenken?
• Wie gewinnt man die Verantwortung für sich selbst wieder?
• Welche persönliche Problematik steht hinter den Beziehungsschwierigkeiten?
• Warum wurde genau dieser Partner/diese Partnerin gewählt?
Ich lasse viele Betroffene zu Wort kommen und möchte dadurch zum Verständnis narzisstischer Beziehungen sowie der Menschen, die sie eingehen, beitragen.

2. Was sind narzisstische Beziehungen?
Narzisstische Beziehungen sind Begegnungen zwischen Menschen, die oft von großer Intensität und Anziehung, jedoch auf Dauer unbefriedigend oder sogar zerstörerisch sein können.
Sie zeigen sich beispielsweise darin, dass Liebesbeziehungen immer wieder scheitern, weil mindestens einer der Beteiligten sich nicht einlässt. Oder das Miteinander in bestehenden Beziehungen wird gestört durch Ausbeutung für die eigenen Interessen, das Übergehen der Bedürfnisse und Gefühle des anderen und einen Umgang, als sei das Gegenüber keine abgegrenzte eigenständige Persönlichkeit. Die Beteiligten fühlen sich alleingelassen, unzufrieden oder verletzt. Auch in beruflichen Kontakten schlägt die narzisstische Dynamik zu Buche, beispielsweise in der Therapie, im Coaching oder in der Supervision mit einem narzisstisch strukturierten Klienten. Ebenso gibt es viele Menschen, die unter ihrer eigenen narzisstischen Selbstwertstörung leiden und ihr Beziehungsverhalten als unangemessen erleben.
Daraus ergeben sich drei große Gruppen von Ratsuchenden:

A. Menschen, deren Liebesbeziehungen scheitern

1. Männer, die sich in eine Frau verlieben, nach kurzer Zeit aber abgewiesen werden. Doch statt Trennung gibt es immer wieder Annäherungen, die Frauen lehnen aber eine »richtige« Beziehung ab. Sie kommen nicht zusammen, aber auch nicht auseinander. Die Männer fragen mich dann, wie sie mit einer solchen Frau umgehen sollen, weil sie sie so lieben, dass sie sich nicht trennen wollen, es aber auch schwer aushalten, so hingehalten zu werden.
2. Frauen, die darunter leiden, dass sie sich abgelehnt und unverstanden fühlen, wo sie doch alles für den Mann tun. Sie geben sich auf, verlieren dadurch jedoch den Kontakt zu sich selbst und natürlich auch zum Partner. Sie glauben, an ihnen sei etwas falsch, und sie wollen das in der Therapie ändern, um die Beziehung zu retten.
3. Frauen und Männer, die bisher negative Beziehungserfahrungen gemacht haben, weil entweder sie die Beziehung plötzlich aufkündigten oder vom anderen verlassen wurden. Sie scheitern regelmäßig mit ihrem Wunsch nach einer erfüllten Zweisamkeit und wollen erfahren, was sie falsch machen und wie sie einen Partner/eine Partnerin finden.
Alle drei Gruppen haben im Wesentlichen dasselbe Problem: Sie wählen sich immer wieder einen Partner/eine Partnerin, der/die sich nicht wirklich auf die Beziehung einlassen kann, und versuchen ihrerseits, alles zu tun, damit eine Beziehung doch noch möglich wird. Sei es, dass sich die Frau aufgibt oder der Mann mit allen Tricks versucht, dass sich die Frau auf ihn einlässt.
Wenn wir uns diese Art von Beziehungen etwas näher ansehen, finden wir in vielen Fällen einen gemeinsamen Grundkonflikt: den der narzisstischen Selbstwertproblematik, der sich einerseits in einer unsicheren Bindung und Ängsten vor Nähe, andererseits in der Sehnsucht nach Geborgenheit und Verschmelzung mit dem anderen niederschlägt. Häufig haben in einer solchen Konstellation beide Partner eine narzisstische Struktur, zumindest viele narzisstische Anteile, die zum Tragen kommen.

B. Personen, die beruflich mit narzisstischen Menschen zu tun haben

1. Für Psychotherapeuten, Supervisoren oder Coaches sind narzisstisch strukturierte Klienten häufig eine Herausforderung an den eigenen Narzissmus. Der selbstabwertende Typus überträgt den Behandlern die Macht und Verantwortung für seine Genesung oder sein Weiterkommen und imponiert eher mit einer depressiven Abwehr. Der grandiose Typus geht schnell in einen Machtkampf um die Vormachtstellung in der Beziehung, indem er den Spieß umdreht und versucht, den Behandler zu behandeln. Somit sind die Therapeuten, Supervisoren und Coaches sowohl in ihrer eigenen Grandiosität als auch in ihren Minderwertigkeitsgefühlen angesprochen.
2. Viele Menschen müssen sich im Beruf mit narzisstischen Kollegen oder Vorgesetzten auseinandersetzen, was zum Problem werden kann, weil Räume für eine konstruktive Auseinandersetzung fehlen. Narzisstische Menschen können in der Zusammenarbeit sehr schwierig, teilweise sogar teamunfähig sein, da sie jeden Erfolg auf ihrem eigenen Konto verbuchen wollen und sich schwertun, andere neben sich gelten zu lassen, ohne sie entweder zu vergöttern oder abzuwerten. Rampenlicht und Macht oder zumindest die Teilhabe daran sind für den grandiosen Typus wie die Luft zum Atmen.

C. Menschen, die unter einer narzisstischen Problematik leiden, und deren Angehörige

Viele Menschen mit einem verletzten Selbstwert, die entweder unter ihrer Selbstunsicherheit leiden oder sich überheblich verhalten, fühlen sich durch ihre Partner/Partnerinnen oder andere Menschen leicht verunsichert oder unter Druck gesetzt. Die einen reagieren darauf mit dem Muster, immer zu gefallen und alles richtig machen zu wollen, die anderen halten sich für unfehlbar und fordern, dass der andere so sein soll, wie sie es erwarten. Die Erfahrung zeigt, dass Frauen häufig zur ersten Gruppe gehören, Männer eher zur zweiten. Sie werden jedoch sehen, dass die narzisstische Struktur immer beide Seiten in sich vereint: die unterlegene und die überhebliche. Das macht’s nicht unbedingt einfacher, aber spannender.
Eine Selbstwertschwächung hat allerdings nicht nur für die Betroffenen selbst negative Konsequenzen, sondern auch oder sogar in besonderem Maße für ihre Umgebung. Denn je weniger Selbstachtung Menschen besitzen, umso weniger achten sie auch die anderen. Und je weniger sie ihre eigenen Stärken und Schwächen respektieren, umso gnadenloser reagieren sie auf die der anderen. Beziehungen werden dadurch erschwert oder verunmöglicht. Zudem setzen sie ihre Angehörigen unter Druck, sich in allem nach ihnen zu richten und am besten keine eigene Meinung, vor allem keine abweichende, zu haben.
In den Beziehungen der drei Rubriken A, B und C laufen ähnliche Dynamiken ab. Je nachdem, wie viele stabile Beziehungserfahrungen ein Mensch erlebt hat, wird er sich leichter oder schwerer auf einen anderen Menschen einlassen können. Verletzt sind narzisstische Menschen in ihrem Bindungsverhalten entweder schon seit ihrer frühen Kindheit oder durch spätere Trennungen und das Verlassen-worden-Sein von den ersten Partnern/Partnerinnen oder anderen wichtigen Bezugspersonen. Im jeweils aktuellen Partner, in der derzeitigen Partnerin suchen sie die Erlösung und die Erfüllung aller bisher unbefriedigt gebliebenen Beziehungswünsche, schrecken jedoch gleichzeitig vor der Nähe zurück, weil sie Angst haben, auch diesmal wieder fallen gelassen und verletzt zu werden.
Unter diesem Hin und Her, Nah und Fern, Sich-Anziehen und Sich-Abstoßen leiden beide Seiten, bis es entweder zur Trennung kommt oder zum begegnungslosen, unerfüllten Nebeneinander.
Das hat natürlich unterschiedliche Konsequenzen, je nachdem, ob es sich um einen Liebespartner oder einen Chef handelt. Doch auch an Lehrer, Vorgesetzte oder sogar Kollegen werden Erlösungswünsche herangetragen, die aber meist aufgrund der Sachlichkeit dieser Beziehungen frustriert werden. Dadurch entstehen dieselben ambivalenten Gefühle des Hingezogenseins und Weggestoßenwerdens. Beispielsweise kann ein narzisstisch agierender Chef Ihnen auf der einen Seite das Leben mit seiner Selbstdarstellung schwer machen, weil er Sie nicht wahrnimmt und Ihnen das Gefühl vermittelt, unbedeutend und unwichtig zu sein. Auf der anderen Seite kann er Sie mit seinem Einfallsreichtum und seiner Intelligenz bereichern und dadurch eine Gemeinsamkeit in der Arbeit schaffen, die ein einmaliges Gefühl der Zugehörigkeit und Sicherheit vermittelt und selbstwertstärkend wirkt.

3. Narzissmus zwischen Normalität und Persönlichkeitsstörung
»Narzisstisch, na ja, das ist doch jeder irgendwie oder?« ist ein oft gehörter Kommentar zu diesem Thema. Man kann ihn mit Ja und Nein beantworten, je nachdem, welche Bedeutung wir den Begriffen Narzissmus und narzisstisch geben, denn die ist weder in der Alltagssprache noch in der psychologischen Theorie einheitlich.
Narzissmus ist primär keine Krankheit, sondern eine oft sogar sehr kreative Anpassung an bestimmte Lebensumstände. Die Fähigkeit, sich ins beste Licht zu setzen, Macht und Aufmerksamkeit zu erringen und bedeutungsvoll aufzutreten, ist eine hervorragende Stärkung des Selbstwertgefühls. Ist die Selbstliebe jedoch stark geschädigt oder unentwickelt, dient die perfekte äußere Fassade aus Erfolg, Leistung, Status, Attraktivität und Schlankheit als Ersatz für ein positives Selbstgefühl. In beruflichen Zusammenhängen sind narzisstische Menschen daher meist sehr erfolgreich und kompetent, ihr Problem liegt mehr im Umgang mit Menschen und in intimen Beziehungen. Denn Unsicherheiten und Selbstzweifel können zwar hinter der perfekten Fassade versteckt werden, bleiben aber dennoch erhalten und zeigen sich häufig in den Momenten, wo jemand einem anderen Menschen emotional nah kommt. In der Distanz können wir uns besser tarnen als in der wärmenden Nähe.
Narzissmus wird im Wesentlichen in drei Bedeutungen verwendet:
• gesunder oder positiver Narzissmus im Sinne von Eigenliebe und Selbstwert
• Narzissmus als Regulation des Selbstwertgefühls
• Narzissmus als Rückzug auf sich selbst, als Schutz- und Abwehrhaltung gegen das Zusammenbrechen des Selbstwertgefühls, gegen das Gefühl, wertlos zu sein.
Es gibt Autoren, die sprechen vom sogenannten »gesunden Narzissmus« als einem intakten Selbstwertgefühl. Ich möchte ihn positiven Narzissmus nennen. Ein Mensch mit einem positiven Narzissmus hat sowohl zu sich selbst als auch zu anderen Menschen eine gute Beziehung. Ein positiver Narzissmus, im Sinne von Eigenliebe und Selbstwert, berührt daher jeden Menschen.
»Ein gesundes Selbstwertgefühl kommt in erster Linie von innen. Es ist die Fähigkeit, sich als Person sogar im Bewusstsein der eigenen Unzulänglichkeit zu schätzen, nicht nur wegen etwas, was man hat oder kann.«2
Es ist das Vertrauen in sich selbst, in den eigenen Wert als die Person, die man ist, und in seine Fähigkeiten, die man nutzbar anzuwenden versteht. Mit einem positiven Selbstwertgefühl fällt es uns leichter, unsere Grenzen ebenso zu respektieren, wie unsere Stärken zu schätzen. Deshalb brauchen wir uns und den anderen nichts oder nicht so viel vorzumachen. Ein positiver Narzissmus bietet zudem eine gute Basis für stabile, befriedigende Beziehungen.
Zur Entfaltung und zum Erhalt eines positiven Narzissmus brauchen wir die anderen Menschen. Nicht nur der Säugling, sondern auch der Erwachsene ist auf die Anerkennung durch andere angewiesen. Nur dadurch entwickeln wir eine echte Identität und ein stabiles Selbstwertgefühl. Insofern ist jeder Mensch narzisstisch, da er sich nicht der Abhängigkeit von anderen oder dem Wunsch nach Anerkennung entziehen kann. Auch deshalb nicht, weil eines der Grundbedürfnisse des Menschen die Selbstwerterhöhung ist. Das führt dazu, dass wir Situationen und Menschen suchen, die diesen Wunsch erfüllen. Gelingt uns das, resultiert daraus ein idealer Zustand von Wohlbefinden, Sicherheit und Geborgenheit.3
Wir fühlen uns gut und in diesem Sinne positiv narzisstisch. Wohlbefinden stellt sich ein, wenn die positiven Aspekte des Selbstwertgefühls die negativen Aspekte überwiegen. Fühlen wir uns schlecht, minderwertig oder sind wir gekränkt, dann versuchen wir, ein Gleichgewicht unserer Selbstempfindung wiederherzustellen.
Diese Regulation des Selbstwertgefühls ist die zweite Bedeutung von Narzissmus.
»Eine der wichtigsten Funktionen des Selbstsystems ist die Aufrechterhaltung der narzisstischen Homöostase, also die Aufrechterhaltung eines optimalen Niveaus des Selbstwertgefühls.«4
Die Regulation des Selbstwertgefühls ist in hohem Maße abhängig von positiven Erfahrungen oder Begegnungen, die uns wohltun, aufwerten und aufrichten. Erfolg, Lob, Bestätigung oder Liebesbekundungen bedeuten eine sogenannte »narzisstische Zufuhr«, die unser Selbstempfinden ins Gleichgewicht bringt.
Zur Selbstregulation gehört aber auch die Fähigkeit, auf positive Seiten von sich zurückgreifen zu können, um ein bejahendes Gefühl für sich selbst zu mobilisieren. Je besser ein Mensch sich selbst unterstützen kann, sich Mut machen, beruhigen und trösten kann, umso besser kann er sein narzisstisches Gleichgewicht wiederherstellen. Er wird sich auf diese Weise in einer Versagenssituation selber über die narzisstische Durststrecke hinweghelfen können.
Insofern ist jeder Mensch narzisstisch, da er immer wieder auf ein Gleichgewicht seines Selbstsystems achten muss, weil das Leben nicht nur narzisstische Zufuhr, sondern auch Frustrationen bereithält.
Ist die regulative Fähigkeit eingeschränkt, liegt eine narzisstische Beeinträchtigung des Selbstsystems vor. Das bedeutet,