A la mémoire de Jean Hory,
raconteur et ami
Die Welt ist tausend Schritte lang.
Wenn Du kämst (aber Du kommst ja nicht), müsstest Du die Hauptstraße verlassen, Du erkennst die Abbiegung leicht, sie haben dort die Strecke begradigt, und der Stumpf der alten Fahrspur verlandet im Unkraut, Du würdest aussteigen und Du würdest mir folgen, tausend Schritte lang, eine Welt lang.
Zuerst steht da das Schild »Courtillon 0,1«. Gemeinsam würden wir schmunzeln über die liebenswerte bürokratische Sturheit, die darauf besteht, hundert Meter Distanz zu einem Dorf anzukündigen, in dem man sich schon befindet, denn das erste Haus ist direkt an die Straße gebaut, blinzelt mit kleinen Fenstern in den Verkehr, Spinnweben an den Rahmen wie die verklebten Wimpern eines Langschläfers. Die alte Frau, die hier wohnt, hört mich nicht, wenn ich sie grüße; sie spricht mit niemandem, nur – »putt, putt, putt« und »so, so, so« – mit ihren Hühnern, die ihr folgen wie Schoßhündchen. Manchmal läuft eins auf die Straße und wird überfahren, aber die Hühnerfrau, ich habe es schon zweimal beobachtet, zeigt dann keinerlei Emotion, sie nimmt nur einen Henkelkorb, für den sie neben der Tür eigens eine Befestigung in die Hauswand getrieben hat, einen langen Haken, wie man ihn hier sonst braucht, um Blumentöpfe aufzuhängen, und mit dem Korb über dem Arm, als ob sie mal eben zum Einkaufen ginge, spaziert sie auf die Straße hinaus, ohne auf den Verkehr zu achten, ohne Eile, sammelt das tote Tier auf, packt es in den Korb und trägt es ins Haus. Ihre Hühner, eine kleine, altweibisch schwarze Rasse mit zerzausten Kopffedern, trippeln in hektischer Prozession hinter ihr her, auf eine Handvoll Mais hoffend wie auf einen hingestreuten Segen, bis die Frau die Haustür hinter sich schließt, den Schlüssel im Schloss dreht und mehrere Riegel vorschiebt. Drei, vier Minuten später kommt sie wieder heraus und hängt den frisch gewaschenen, noch tropfenden Korb an den Haken zurück. Sie redet weiter mit ihren Hühnern, die durch den Unfall nicht weniger geworden sind (sag nichts, ich weiß, dass das nicht stimmen kann, aber es passt zu der Welt hier im Dorf, wo immer alles gleich bleibt), sie redet auf die Hennen ein, die in unveränderter Zahl um ihre Beine wuseln, als ob sie Angst hätten, ein Wort zu versäumen von ihrem endlosen Monolog.
Zur Rechten dann (wir wären weitergegangen, nicht Hand in Hand, das hast Du nie gemocht, nur nebeneinander, ohne Berührung, aber wenn Du den Kopf drehst, streifen Deine Haare über meine Schulter), zur Rechten in dem Haus wohnt ein Ehepaar, mit dem ich schon manches Glas Wein getrunken habe, die Brossards. Du würdest sie mögen, wenn Du sie kennen dürftest, und sie würden Dich lieben, wie jeder Dich lieben muss, Monsieur würde Dir die Hand küssen, und Du würdest lachen, weil die elegante Geste nicht zu seinen geflickten Hosen passt und zu dem verwaschenen Hemd, das sich über seinem Bauch spannt. Madame würde Dich in die Arme nehmen, in ihre immer offenen Arme, sie würde ihre Wange an die Deine legen, links und rechts, und Du würdest den fond de teint riechen, den sie sich immer noch aus Paris schicken lässt; man war mal Dame und hatte Dienstmädchen. Monsieur Brossard war Richter, »im neunzehnten Jahrhundert«, sagt er kokett, dabei ist er gerade mal siebzig geworden, wir haben zusammen darauf angestoßen, und er war vor lauter Betrunkenheit so vornehm wie nie. Im Dorf nennen sie ihn le juge, und wenn einer ein Problem hat, mit einer Behörde oder überhaupt, dann kommt er vorbei mit einer guten Flasche Wein, sie setzen sich in den Garten unter einen Baum, und dann wird das besprochen und geregelt.
Das Haus der Brossards ist ganz unter Weinlaub versteckt, vigne vierge, ein Wein, der keine Trauben trägt, nur kleine, harte Samen, es klingt wie Regen, wenn sie zu Boden rieseln, spät im Sommer. (Ja, ich kenne schon die Geräusche aller Jahreszeiten, so lange bin ich schon hier, ein Herbst, ein Winter, ein Frühling, ein Sommer, und jetzt ist wieder Herbst und ich denke immer noch an Dich.)
Dann – wir sind erst fünfzig Schritte gegangen, oder vielleicht siebzig – kommt das Haus mit der Hecke, die Hecke mit dem Haus. Ein Gebäude aus den sechziger Jahren, nicht besonders schön, nicht besonders hässlich, der Besitzer, Deschamps heißt er, war zur Bauzeit ganz neu bei der Gendarmerie, unterdessen hat er Karriere gemacht und leitet den Posten in Montigny, unserer Mini-Metropole. Das Haus steht zu nahe an der Dorfstraße, es müsste nach hinten versetzt sein, um eine Perspektive zu kriegen, und weil vor dem Eingang kein Platz dafür war, haben sie die Hecke neben das Haus gepflanzt, Buchsbaum, halbkreisförmig geschwungen wie in der Auffahrt eines Schlosses. Bloß dass da kein Schloss ist und keine Auffahrt, nur diese alleinstehende, einsame Hecke, die ihnen über den Kopf gewachsen ist; sie nimmt schon den Fenstern des oberen Stockwerks das Licht. Ich habe Monsieur Deschamps noch nie mit einer Baumschere hantieren sehen, auch nicht seine kleine, übereifrige Frau, aber der Buchsbaum ist immer so perfekt in Form gedrillt, dass er aussieht wie aus Versailles hierher versetzt. (Weißt Du noch?) Es ist eine Hecke, vor der müssten Reifröcke aus einer Kutsche steigen, aber da steht keine Kutsche, nur eine ausgeleierte, mit Geranien bepflanzte Schubkarre. Du würdest lachen, wenn Du die Hecke sähest, dieses kluge, stille Lachen, das so viel älter ist als Du.
Dann kommt der Hof des Pferdebauern, er ist ein alter dicker Mann, den man von weitem kommen hört, sein Atem rasselt bei jedem Schritt, metallisch und schartig. Er bleibt stehen, wenn man ihn grüßt, nicht aus Höflichkeit, sondern weil er gern stehen bleibt, um nach neuem Atem zu suchen, es blubbert in ihm, die Worte lang schon ertrunken in dem Wasser, an dem er irgendwann selber ersticken wird. Man sagt, er sei Pferdehändler, aber das ist nur noch ein Etikett, so wie der Richter immer noch Richter heißt und der Bahnwärter immer noch Bahnwärter, obwohl hier seit dreißig Jahren kein Zug mehr gehalten hat. Zwei Pferde sind noch übrig, eine schwere, träge Rasse, gezüchtet, um Pflüge zu schleppen, geduldig und ausdauernd; jetzt haben sie die Wiese für sich und die leeren Tage. Wenn der Pferdebauer sich auf der Straße heranquält, warten sie schon am Zaun, lassen sich mit Mohrrüben füttern oder mit Äpfeln, und wenn ein Traktor vorbeifährt, auf dem Weg zum Feld, dann heben sie die Köpfe und schnauben.
Sie sind überflüssig geworden wie ich.
(Nein, ich will mich nicht beklagen. Ich will Dir keine Jammerepistel schreiben. Wenn Du meine Briefe schon nicht beantwortest, will ich mir wenigstens vorstellen können, dass sie Dich amüsieren.)
Wenn man sich der Dorfmitte nähert, rücken die Häuser näher zusammen, sie haben sich auf städtisch herausgeputzt und ihre Gärten hinter sich versteckt, als ob sie sich der Tomatenstauden schämten und der wuchernden Gurken. Wer zu den Beeten will, muss zuerst durch die Garage, die früher mal eine Scheune war, und bevor er wieder auf die Straße hinausgeht, wechselt er die Schuhe. Die Grundstücke sind durch immer neue Erbteilungen verwinkelt und verzahnt; man kennt seine Nachbarn, wenn man hier wohnt, hat ihnen seit Generationen in die Fenster gesehen und in die Geschichten.
Man hat mir zum Beispiel (das wird Dir gefallen) von einem Mann erzählt, der konnte sich zwischen zwei Schwestern nicht entscheiden, heiratete schließlich die eine und nahm die andere mit ins Haus, und immer, wenn die ledige schwanger war, musste sich die verheiratete den Bauch ausstopfen, um das Kind später als ihr eigenes ausgeben zu können. Ich habe die Geschichte gehört, als ob sie sich gestern ereignet hätte oder vorgestern, aber als ich Genaueres wissen wollte, stellte sich heraus, dass sie im letzten Jahrhundert spielt. Wie der Mann geheißen hat und seine zwei Frauen, das wusste man nicht mehr zu sagen, aber das Haus, in dem die beiden immer abwechselnd ihre Kinder geboren haben, das konnte man mir noch zeigen.
Die Leute in diesen Häusern sind anders als die am Rande des Dorfes, obwohl es nur ein paar Schritte dahin sind, bürgerlicher, sie haben Jobs irgendwo in der Umgebung, oder sie ziehen sich zumindest an, als ob sie Arbeit haben würden, wenn sich nur welche finden ließe. Am Morgen fahren sie mit ihren Autos weg, lassen die grün lackierten Scheunentore offen stehen, so dass man die Stapel mit den Mineralwasserkisten sehen kann und die sauber aufgeräumte Werkbank, am Abend kommen sie wieder zurück, aus ihren Küchen riecht es nach Zwiebeln und Knoblauch, und wenn man später noch einmal vorbeigeht, flackern die Fernsehschirme hinter den Fenstern. In diesem Teil des Dorfes kann ich die Menschen nicht unterscheiden, ich bin noch nicht lange genug da, obwohl ich schon viel zu lange da bin, ich gehöre nicht dazu, ich habe an ihren Beerdigungen nicht geweint und an ihren Hochzeiten nicht den pot de l’amitié getrunken, und überhaupt lernt man die alltäglichen Menschen sehr viel schwerer kennen als die Verrückten.
Jojo zum Beispiel, der gutmütige dicke Jojo, der hundert Kilo wiegt oder hundertzwanzig, weil er beim Essen nicht aufhören kann. Man muss ihm sagen: »Jojo, du hast genug gehabt«, dann schaut er sich den Bissen an, den er in der Hand hält, auf halbem Weg zum Mund, ganz überrascht schaut er ihn an, vorwurfsvoll geradezu, als ob der sich eingeschlichen hätte bei ihm, und legt ihn weg mit einer fast graziösen Geste. »Ich habe damit nichts zu tun«, sagt die Geste, »ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte.« Auch Jojo hat seine Geschichte, eine Mutter kommt darin vor, die sich zu Tode gesoffen hat, aber eigentlich ist er geschichtslos, ohne Vergangenheit, ohne Zukunft, er kennt nur die Gegenwart, in der er durch das Dorf geht, vom Morgen bis zum Abend, in die Fenster schaut und in die Gärten. Ich weiß nicht einmal, wo er wohnt. Wenn irgendwo Musik erklingt, aus einem Radio, aus einem Fernseher, dann beginnt Jojo zu tanzen, kleine, stampfende Schrittchen, sein Gesicht, das sonst immer voller Falten ist, weil das Denken ihn so anstrengt, sein ernsthaftes Altmännergesicht entspannt sich, er hört etwas, das sonst keiner hört in dem dummen Schlager, und er ist glücklich.
Wir begegnen uns bei unseren Spaziergängen, zwei-, dreimal am Tag, und wir führen immer dasselbe Gespräch. Ich sage »Hallo, Jojo«, er sagt »Hallo«, ich sage »Schönes Wetter« oder »Es ist kalt heute«, und er nickt weise und antwortet: »So muss es sein, das Wetter, so muss es sein.« Dann gehen wir unserer Wege, unserer ähnlichen Wege, denn auch ich habe nichts anderes zu tun, als den Leuten in die Fenster zu schauen und in die Gärten.
Wenn Du hier wärst und Jojo glücklich machen wolltest, dann hättest Du eine Schachtel Streichhölzer für ihn in der Tasche, wie man Zucker bereithält für ein Pferd, Du würdest ihn eins anzünden lassen, und er würde es zwischen den Fingern halten, immer neu fasziniert vom Wunder des Feuers, er würde es abbrennen lassen und nicht zucken, wenn die Flamme bei seinen Fingern ankommt.
Vielleicht würde in diesem Moment der Bürgermeister vorbeikommen, eilig, wie er es immer eilig hat, er würde sein väterliches Bürgermeisterlächeln aufsetzen und Jojos Kopf tätscheln; er muss sich recken dazu, sich auf die Zehenspitzen stellen in seinen frisch geputzten Schuhen, und Jojo würde zusammenzucken, er mag es nicht, wenn man ihn anfasst. Unser Bürgermeister (merkst Du, dass ich »unser« schreibe, als ob ich hierher gehörte, als ob ich irgendwo hingehörte?), unser Bürgermeister, Ravallet heißt er, hat immer einen Rasierapparat in seinem Schreibtisch, das haben mir schon mehrere Leute erzählt; er hat einen starken Bartwuchs, und mit dunkeln Schatten im Gesicht sieht er aus wie auf einem Fahndungsfoto. Wenn man einen Termin bei ihm hat, erzählt man im Dorf, hört man immer erst das Apparätchen summen in seinem Büro, und wenn er dann »Entrez!« ruft, und man tritt ein, riecht er nach Rasierwasser. Er würde Dich sehr höflich begrüßen, unser Bürgermeister, er hat so eine Art, einen Diener zu machen, mehr deutsch als französisch, er würde Dir die Hand reichen und sich dabei überlegen, wer Du wohl sein könntest. Ein oder zwei Tage später würde er sich dann bei mir erkundigen, quasi zufällig: »Gefällt es ihr hier bei uns, Ihrer Freundin?« Man fragt nicht direkt, wenn man etwas wissen will in Courtillon, und das ist auch gut so, denn wie sollte ich ihm erklären, wer Du bist und was Du mir bedeutest?
Die mairie, wo der Bürgermeister residiert – zweimal in der Woche, jeweils eine halbe Stunde, er hat noch andere, wichtigere Ämter –, ist kein imposantes Gebäude, auch nicht, wenn an Feiertagen die beiden Fahnen vor dem Mittelfenster hängen. Um dem Eindruck von Staatsmacht ein bisschen nachzuhelfen, hat man die Umrisse von mächtigen Steinquadern auf die Fassade gepinselt, aber das muss auch schon wieder viele Jahre her sein; unter dem bröckelnden Verputz, vom Regen freigewaschen, wird der Schriftzug École wieder sichtbar. Als es noch keine Schulbusse gab, um die wenigen Kinder am Morgen einzusammeln und am Abend wieder abzuliefern, wurde hier unterrichtet.
Wir sind jetzt mitten im Dorf, fünfhundert Schritte zum einen Ende, fünfhundert zum anderen, die Straße macht eine kleine Biegung, und genau am Scheitelpunkt steht das Haus von Mademoiselle Millotte. Stell Dir ein Puppenhaus vor, vollgestopft mit Möbelchen und Erinnerungsstückchen, und dazu eine gebrechliche alte Dame, eine kokette Greisin, immer mit einem großen, silbernen Kreuz um den Hals; sie schäkert mit dem lieben Gott, wie sie früher mit den Männern geschäkert hat, ein langes Leben lang. Ihr Haus muss früher das Pfarrhaus gewesen sein, es hat einen kleinen Vorbau, in dem man Vaganten und Bettler abfertigen konnte, ohne dass sie einem beim Essen störten, und in diesem Vorbau sitzt nun Mademoiselle Millotte in ihrem Rollstuhl, vom Morgen bis zum Abend, vom Frühjahr bis zum Winter, und überwacht das Geschehen, die halbe Dorfstraße links und die halbe Dorfstraße rechts. Wenn es kalt wird, hüllt sie sich in Decken und Schals, immer noch einen und noch einen, es sieht aus, als ob im Haus eine Party stattfände und die Gäste hätten ihre Mäntel auf dem Rollstuhl abgelegt, achtlos, und mittendrin in dem Kleiderberg lauert ein altersfleckiges Vogelgesichtchen mit hellwachen Augen.
Vieles, was ich von Courtillon weiß und von seinen Bewohnern, hat mir Mademoiselle Millotte erzählt; sie sieht alles und vergisst nichts. Sie hat mir exakt den Pelzmantel beschrieben, den eine Dorfbewohnerin aus Paris mitgebracht hatte, vor mehr als vierzig Jahren, und bei dessen Anblick ihr sofort klar gewesen war, dass die Sache ein böses Ende nehmen würde. »Man trägt keine Pelzmäntel hier im Dorf, das können Sie nicht wissen, Monsieur, Sie sind nicht von hier; man kann sich auch keinen Pelzmantel leisten, wenn man in einem Büro arbeitet, nicht einmal in Paris, man konnte sich denken, wie sie dazu gekommen war, und als sie dann diesen Mann geheiratet hat, er war Lastwagenfahrer und viel unterwegs, da hat sie ihn natürlich betrogen, bis er einmal früher nach Hause kam, es war eine traurige Geschichte, sie wollte den Pelzmantel verkaufen, um den Arzt zu bezahlen, und da stellte sich heraus, dass er nur zweite Qualität war, zusammengesetzt aus lauter kleinen Stücken.«
Es ist nicht der Klatsch, der sie am Leben erhält, sie könnte darauf verzichten, ungern, aber doch, wie sie aufs Gehen verzichten gelernt hat und auf die Süßigkeiten, die sie nicht mehr verträgt. Aber ihre Welt will sie ordentlich haben, übersichtlich wie die Dorfstraße, nicht sauber, aber in allen Punkten erklärbar. Es stört sie, wenn etwas unlogisch ist, nicht so, wie es sein müsste, dann spielt sie daran herum, wie man mit der Zunge an einem wackligen Zahn herumspielt, tagelang, denkt nach und kombiniert und wird wieder ein paar Jahre jünger dabei.
Was sie sich wohl zusammenreimen würde, wenn sie uns beide zusammen sähe? Mich hat sie eingeordnet ins System des Dorfes: unverheiratet, vorzeitig pensioniert, aus gesundheitlichen Gründen, hat sich nach Frankreich zurückgezogen, weil man hier billiger leben kann – das passt alles zusammen. Aber wenn Du plötzlich da wärst (ach, wenn Du doch da wärst!), wenn wir an ihrem Ausguck vorbeigingen, freundlich grüßend, wenn wir vielleicht sogar stehen blieben, um uns die Fassade der Kirche anzusehen, gleich nebenan, das wäre ein Rätsel, das könnte nicht einmal Mademoiselle Millotte durchschauen. Ich durchschaue es ja selber nicht, und ich habe es gelebt.
Vielleicht würden wir auch nicht stehen bleiben vor der Kirche; sie hat nichts Betrachtenswertes. Der graue, bröselige Stein, aus dem hier so vieles gebaut ist, gewinnt mit den Jahrzehnten nicht an Würde, so wie manche Menschen nur älter werden, aber nicht klüger. Das Muster aus verschiedenfarbigen Ziegelsteinen, oben auf dem Dach, ist ausgefranst, hat Löcher; man hat sich nach einem Sturm nicht die Mühe gemacht, die richtigen Ziegel zu suchen.
Die Tür der Kirche ist an Wochentagen versperrt, seit ein heimlicher Besucher der »Muttergottes im Wald« auf dem großen Gemälde einen Schnurrbart appliziert hat, elegant nach oben gekringelt, mit Lackfarbe aus der Spraydose. Man vermutet die Täter zwei Dörfer weiter, in Saint-Loup, wo es ein Erziehungsheim gibt, mit straffälligen Minderjährigen, die man für jeden Diebstahl in der Region verantwortlich macht und für jeden platten Reifen; sie stammen aus den Vorstädten von Paris, den quartiers chauds, und wenn einer von dort kommt, sagt Volkes Stimme, ist ihm alles zuzutrauen. Bei der Messe – nur alle sechs Wochen; der Pfarrer hat ein halbes Dutzend Dörfer zu betreuen und kommt nicht öfter nach Courtillon – stehen jetzt immer Blumen vor dem Marienporträt, strategisch platziert, aber die Kinder kichern trotzdem, vor allem, weil auf dem Bild zwei Engel ein Spruchband tragen, und auf dem steht: »Von keinem Mann berührt ihr Leben lang«.
Ich gehe nicht zur Messe, aber in Courtillon weiß man auch die Dinge, bei denen man selber nicht dabei gewesen ist.
Vor der Kirche steht das Kriegerdenkmal, mit Namen, die man immer noch hört im Dorf, ein Millotte ist dabei und ein Brossard; ein Name, Orchampt, kommt sogar zweimal vor: einmal oben auf dem Stein, wo die Gefallenen des Ersten Weltkriegs viel Platz für sich haben, und einmal unten auf dem Sockel, wo sich die nachgetragenen Opfer des Zweiten zusammendrängen.
Wenn wir weitergingen, die zweite Hälfte der tausend Schritte, würde Dir zuerst das neue Haus auffallen, das einzige im Dorf, ein Fertighaus aus dem Katalog, wo es rustique geheißen haben muss oder champêtre. Mit seinen hölzernen Fensterstürzen steht es zwischen den steinernen Nachbarn wie ein Städter, der sich im Urlaub einen Tirolerhut aufsetzt. Es gehört Bertrand, der sich jetzt als Weinhändler versucht, nachdem er, wie fast alle im Dorf, die ererbten Felder an den jungen Simonin verpachtet hat, den Sohn vom alten Simonin, der gleich gegenüber wohnt. Die allerletzten selber eingebrachten Heuballen haben sich in Bertrands Scheune entzündet und das Bauernanwesen eingeäschert, so dass ihm die Versicherung ein neues bezahlen musste, ein Weinhändlerhaus, gediegen und proper. Jojo, so hat man mir erzählt, hat die ganze Nacht vor der Brandstätte gestanden, staunend und strahlend und von einem Bein aufs andere hüpfend, und zu Bertrand hat er gesagt: »So ein schönes Feuer, ein schönes Feuer, Sie sind ja ein richtiger Glückspilz!« Er soll furchtbar erschrocken sein, als die Umstehenden alle so laut lachten.
Simonin, den sie den alten Simonin nennen, obwohl er erst knapp sechzig ist, hat auf der anderen Straßenseite den schönsten Garten, den Du Dir vorstellen kannst, Dahlien wie ein Feuerwerk und Rosen, die nie zu verblühen scheinen. Er hat sich mit seinem Sohn verkracht, der die Landwirtschaft als Industrie betreibt, mit immer mehr zugepachtetem Land und immer größeren Maschinen, er betritt den Stall nicht mehr und geht nicht mehr auf die Felder, und die ganze überschüssige Bauernenergie, die ihn um fünf aus dem Bett treibt und mit dem Eindunkeln noch lange nicht zur Ruhe kommen lässt, die steckt er jetzt in seine Blumen und seine Sträucher. Wann immer man vorbeigeht, ist er am Jäten oder am Umgraben, eimerweise schleppt er Dünger zu seinen Beeten, jede perfekte Blüte ein weiteres Argument gegen den Sohn, der alles besser wissen will und nicht mehr auf den Vater hören. Dabei bin ich mir nicht einmal sicher, ob er Blumen mag; wenn man mit ihm darüber plaudern will, antwortet er einsilbig und gereizt.
Seine Frau (bei der Du den Schlüssel zur Kirche holen könntest, wenn Dich die Maria mit ihrem Schnurrbart interessierte) hat im Garten nichts zu suchen, und auch im Stall ist sie nicht mehr willkommen; sie ist zwischen die Fronten geraten in einem Krieg zwischen zwei hartschädligen Männern, und jetzt lacht sie immer, damit keiner merkt, wie unglücklich sie ist.
Gleich danach zweigt eine Straße nach rechts ab – ja, wir haben zwei Straßen in Courtillon. Von der Grande rue geht es in die Rue de la gare, an der nur zwei Gebäude stehen, der Kuhstall des jungen Simonin und der alte Bahnhof. Wir können uns den Abstecher sparen; der Kuhstall ist nichts als ein rechteckiger, fabrikmäßig hingeklotzter Kasten, als Neubau schon verwittert, für den sich, sagt man im Dorf, der junge Simonin über beide Ohren verschuldet hat; um die Zinsen zu zahlen, muss er zu viele Kühe halten, und wenn er sie füttert, jeden Tag gegen fünf, zieht eine Wolke von Silagegestank über das Dorf.
Das Bahnhöfchen wäre interessanter. Es sieht aus wie aus einem alten Bildwörterbuch abgezeichnet, Stichwort »Bahnhof«, komplett mit Hauptbau, Schalterhalle, Seitenflügel, aber alles eingeschrumpft auf Dorfmaße, nicht größer als ein Einfamilienhaus. Früher hat hier auch wirklich ein Zug gehalten, zweimal am Tag, in die Stadt und aus der Stadt, später sind noch Güterzüge durchgerattert, der Bahnwärter konnte seine Dienstmütze aufsetzen und die Schranke schließen, dann hat man die Strecke stillgelegt, vorläufig, wie es heißt, aber nichts ist so endgültig wie die vorläufigen Lösungen.
Charbonnier, der Bahnwärter, wohnt immer noch da, als Mieter jetzt, mit seiner Frau, die sie greluche nennen, ich dachte erst, es wäre ihr Name, aber es muss ein Schimpfwort sein, wenn ich es auch in meinem kleinen Wörterbuch nicht finde. Eine Tochter haben die beiden, fünfzehn oder sechzehn, immer mit einer Zigarette im Mund und mit einem Gesicht wie ein Engel.
Lassen wir die Rue de la gare, sie ist morastig, auch bei trockenem Wetter, das liegt an den schweren Maschinen, die der junge Simonin hinter seinem Traktor auf die Felder schleppt; wenn er über die Gleise holpert beim Bahnhöfchen, hört man das Scheppern bis zu mir. Denn jetzt käme mein Haus.
Mein Haus.
Es sieht nicht so aus, wie ich es Dir beschrieben habe. Es sollte so aussehen, es hätte so aussehen können, wenn ich die Zeit gehabt hätte, die man mir weggenommen hat, die man mir nicht mehr gegönnt hat. Ich wollte es umbauen, eigenhändig (ich weiß, ich bin ungeschickt, ein Kopfmensch, aber man kann alles lernen, man kann sich verändern, glaub es mir), ich hab mir Bücher gekauft und Pläne gezeichnet, ich hab sogar schon angefangen, mit der groben Arbeit, die jeder machen kann, auch ein Kopfmensch. Ich habe eine Zwischenwand eingerissen, so richtig mit dem Vorschlaghammer, Du hättest gelacht, wenn Du mich gesehen hättest (ach, Dein Lachen!), mit nacktem Oberkörper stand ich da, ein Geschirrtuch vors Gesicht gebunden gegen den Staub, grau eingepudert, ein schmächtiger Herkules. Ich habe einen Anfang gemacht, es war Frühjahr, das letzte Frühjahr, in dem die Welt noch in Ordnung war, das Frühjahr vor dem Sommer, in dem passiert ist, was passiert ist.
Es sollte ein großer, heller Raum werden, auch eine Terrasse hatte ich geplant, ins Grüne hinaus, jetzt sind da nur zwei Zimmer mit einem Loch dazwischen; durch die Plastikfolie, die ich hingehängt habe und nie richtig befestigt, sieht man die kleinen Brocken, Kiesel teilweise nur, aus denen sie damals die Mauer gemacht haben, nicht die behauenen Steine der Reichen, eine Arme-Leute-Mauer, man nimmt, was man hat. Wo die Terrassentür hinkommen sollte – Sonnenlicht hatte ich mir vorgestellt und den Duft von frisch geschnittenem Gras –, ist nur ein kleines Fenster, das ich selten öffne. Ich brauche keine Aussicht.
Das Haus passt zu mir. Nicht nur weil die vergilbten Tapeten von der Wand blättern, eine Erinnerungsschicht nach der anderen, sondern weil es nicht fertig geworden ist. Es ist stehen geblieben, mitten in der Veränderung, auf halbem Wege zum Wieder-neu-Werden, es ist nicht mehr das, was es war, und es wird nie werden, was es hätte werden können. Nicht ohne Dich.
Lass uns vorbeigehen an dem Haus, lass uns so tun, als ob wir den Mann nicht kennten, der da haust, es lohnt nicht, ihn kennenzulernen, nicht mehr. Lass ihn fremd sein, jedes Dorf braucht seinen Fremden, von dem man nichts weiß und nichts wissen will, schau an ihm vorbei, wenn er in seinem Gehege auf und ab tappt, tausend Schritte her, tausend Schritte hin, hör nicht hin, wenn er sich mit Jojo unterhält und mit Mademoiselle Millotte, diese endlosen Gespräche von Leuten, die nichts zu sagen haben. Vergiss ihn.
Aber vergiss mich nicht. Bitte.
Das nächste Haus, von meinem Schlafzimmer aus kann man in seinen Hof blicken, gehört Jean Perrin, den sie alle nur Saint Jean nennen, weil er am 24. Juni geboren ist, am Johannistag. Er würde es Dir selber erzählen, schon bei der ersten Begegnung, Du müsstest gebührend staunen, und dann würde er sagen: »Ich musste mir einen der längsten Tage des Jahres aussuchen, weil ich immer so viel zu tun habe.« Wenn er lacht, ist er ein Schuljunge.
Mein Nachbar Jean hat keinen Beruf, aber tausend Beschäftigungen, er tanzt – in seinem Fall darfst Du das wörtlich nehmen – auf allen Hochzeiten; wenn ein Garten umgegraben werden muss oder eine Wand frisch verputzt, wenn es einen Obstbaum zurückzustutzen gibt oder einen Rasenmäher wieder in Gang zu bringen, dann ruft man Jean an, oder, noch besser, man wartet einfach, bis man ihn im Dorf antrifft, es kann nicht lange dauern. Jean akzeptiert keine Aufträge, er macht nur Gefälligkeiten, erstens weil er ein hilfsbereiter Mensch ist und zweitens wegen der Steuer. Man bezahlt en espèces, bar auf die Hand, aber wichtiger als das Geld ist ihm das Glas, das man hinterher zusammen trinkt, oder die Gläser, es bleibt nicht bei einem.
Sein Haus ist all das, was meins nie werden wird, ein selbstrenoviertes Prachtstück, in dem jeder Balken eine Geschichte hat und jedes Möbelstück einen Stammbaum; wenn er davon zu erzählen beginnt, stöhnt seine Frau. Als er es gekauft hat, vor elf Jahren, war es eine Ruine, immer zerfallener, je öfter er davon berichtet; er hat eine ganze Schachtel Bilder – das Dach mit den großen Löchern, der überwucherte Vorplatz –, die stellt er auf den Tisch, zusammen mit dem selbstgebrannten Mirabellenschnaps, und dann weiß ich, dass es wieder spät wird.
»Fünf Tonnen Steine habe ich aus dem Haus herausgeschleppt, Eimer für Eimer, mit meinen eigenen Händen.« Er sagt es, als ob er sie gewogen hätte, Brocken für Brocken, die fünf Tonnen, es ist eine magische Zahl für ihn, mit der er alles beweist. »Ob ich weiß, wie man eine Zentralheizung repariert? Fünf Tonnen Steine habe ich aus meinem Haus herausgeschleppt, und da soll ich Angst haben vor einer Zentralheizung?«
Er sammelt alles, was sich sammeln lässt, nicht aus antiquarischem Interesse, sondern um es weiterzuverwerten, es seinem Haus einzuverleiben; sogar seine Werkzeuge, das hat er mir einmal stolz gezeigt, hängen nicht einfach an Haken, sondern an handgeschmiedeten Ringen, an denen früher mal Kühe festgebunden waren, in einem längst abgerissenen Stall. Sein Holz, drei Winter würde es reichen, und es dürften kalte Winter sein, hat er akkurat aufgeschichtet, die sauber gesägten Enden wie poliert. Er liebt es, den Kniffen alter Handwerker auf die Spur zu kommen, sich ihre Techniken anzueignen, sich mit ihnen zu unterhalten über die Jahrhunderte hinweg. Einmal, als er auf ein Mosaik stieß, ließ ihm das so lange keine Ruhe, bis er selber eins angefertigt hatte, aus farbigen Steinen, die man hier nicht findet, und die er trotzdem gefunden hat. Er denkt immer praktisch, der heilige Johann, und darum ist sein Mosaik nicht einfach ein hübscher Wandschmuck geworden, sondern ein Namensschild, das prächtigste des ganzen Dorfes: M. et Mme. Perrin et leur fille Elodie.
Madame Perrin, Geneviève, spricht nur wenig, man weiß nicht, ob aus Neigung oder aus Mangel an Gelegenheit. Die Sorgen, die sich ihr Mann nicht macht, haben sich ihr ins Gesicht gegraben; wenn sie ins Rechnen kommt, und das tut sie oft, nimmt sie die Unterlippe zwischen die Zähne und kaut darauf herum. An einem Schneidezahn ist die Ecke abgesplittert, aber Zahnärzte sind teuer und es gibt Dringenderes. Ich weiß nicht, ob ihr Mann sie wegen des Zahns »mon lapin« nennt oder wegen ihrer geröteten Augen, eine chronische Entzündung, es sieht aus, als ob sie immer weint. Das wenige Geld, das regelmäßig ins Haus kommt, verdient Geneviève, sie fährt den Schulbus, steht jeden Morgen um fünf auf, um über die Dörfer zu ruckeln. Am Tisch schläft sie deshalb immer mal wieder ein, wenn Jean und ich noch spät zusammensitzen; das ist häufig in der letzten Zeit, denn die Nächte werden schon wieder länger, und er ist froh, jemanden gefunden zu haben, der die Geschichte von der Siebenschläferfalle noch nicht kennt, auch nicht die von der römischen Münze, die er mit dem Metalldetektor gefunden hat, dort, wo das Graben verboten ist, »eigentlich sollten die Archäologen kommen, aber dann ist ihnen mal wieder das Geld ausgegangen in Paris«.
Elodie, die Zwölfjährige, ist das wohlerzogenste Mädchen, das ich kenne, sie begrüßt einen auf Kommando mit Küsschen links, Küsschen rechts, sie bittet um Erlaubnis, wenn sie vom Essen aufstehen will, ihre Zeugnisse könnte man rahmen, so gut sind sie, dabei hat Elodie nichts Streberhaftes, sie lacht einen an und manchmal auch aus, und wenn sie ins Kichern kommt, mit ihrer besten Freundin, dann kann sie überhaupt nicht mehr aufhören. Ich habe bei ihr immer das seltsame Gefühl (Du kannst es verstehen, niemand besser als Du), dass sie eigentlich schon lange erwachsen ist, das Kind nur spielt, um ihren Eltern Freude zu machen; sie geben sich solche Mühe beim Erziehen, warum sollte man ihnen den Spaß verderben?
Ich hab mich verplaudert bei den Perrins, es geht mir meistens so; wer einmal bei Jean am Tisch sitzt, steht nicht so bald wieder auf.
Aber ich habe Dir noch nicht meine ganze Welt gezeigt, Du hast das Haus des Generals noch nicht gesehen, der natürlich kein General war, der nicht einmal eine Uniform hatte, erst nach dem Krieg haben sie ihm eine geschenkt, der sich nur als ganz junger Mann mit einem Gewehr in den Wäldern versteckte, ein Guerillero, wenn Du so willst, in der Zeit des maquis, aber in den Legenden hat er die deutschen Besatzer ganz allein vertrieben und den Weltkrieg eigenhändig gewonnen. Vielleicht war er wirklich einmal ein Held, das Band der Ehrenlegion hat man ihm verliehen, aber jetzt ist er nur noch ein alter Mann mit einem seltsamen Gesicht, der immer mehr Mühe hat, den Rücken militärisch gerade zu halten, Schriftführer eines Veteranenvereins, dessen Mitglieder immer weniger werden. Sein Haus steht als letztes an der Straße, danach kommt nur noch der Friedhof, und für den General, Monsieur Belpoix heißt er, ist es ein Fort, ein letzter Vorposten der Zivilisation, den er verteidigen muss gegen die anstürmenden Hunnen. Manchmal, wenn er nachts ein Geräusch hört, draußen auf der Straße oder drinnen in seinen Träumen, dann holt er sein Gewehr und beginnt zu schießen. Am nächsten Tag schaut dann der Gendarm Deschamps vorbei, oder der Bürgermeister, sie reden höflich und vernünftig mit ihm, aber sie nehmen ihm sein Gewehr nicht weg, keines seiner vielen Gewehre, er hat ja noch nie jemanden verletzt, und meistens trifft er auch nur die Mauer, die den Friedhof umgibt.
Hier in der Gegend beerdigt man die Toten am Rand des Dorfes, halb noch dazugehörig und halb schon draußen, man wird von der Vergangenheit begrüßt und verabschiedet. Das steinerne Kreuz vor dem Eingang, von den Überlebenden einer Choleraepidemie gestiftet, liegt im Gras; der junge Simonin, wird gemunkelt, soll es umgefahren haben mit einer seiner Maschinen.
Ja, und dann kommt nur noch die Wiese, dort, wo der Fluss dem Dorf am nächsten ist, wo wir baden könnten, Du und ich (wie damals, als wir uns am See trafen, es war heiß noch nachts um zwei, und Dein Körper leuchtete). Wahrscheinlich hätten wir das Ufer für uns allein, nur im Sommer stehen hier manchmal Campingwagen, direkt vor dem Schild »Stationnement interdit aux gens du voyage«, aber sonst ist da nur die Wiese, wo in der Johannisnacht das Feuer brennt, und der Weg, der sich im Feld verläuft. In den Furchen von den Rädern der Traktoren steht Wasser, kleine Larven schwimmen darin, zuckend, vielleicht brauchten sie den Fluss, um weiterzuleben, den freien Weg bis zum Meer, aber sie wissen es nicht, sie wissen nicht, dass sie eingeschlossen sind in einen kleinen Tümpel, der irgendwann austrocknen wird und verschwinden.
Etwas Lustiges soll ich Dir erzählen? Beim nächsten Mal, ich verspreche es Dir. Beim nächsten Mal.