Die Autorin

Sarah Stankewitz lebt mit ihrem Freund in einer kleinen Stadt am Rande von Brandenburg. Seit ihrem Debütroman im Januar 2015 lässt sie ihrer Fantasie freien Lauf und ist immer wieder auf der Suche nach neuen Inspirationsquellen. Musik, Kerzen und ein bequemer Arbeitsplatz dürfen im Hause der Autorin ebensowenig fehlen wie eine leckere Tasse Kaffee. Ihre Geschichten spiegeln das wider, was sie sich stets von einem guten Roman erhofft: Liebe, Leidenschaft und eine Prise Humor.

Das Buch

Wenn ich traurig bin, bringt er mich zum Lachen. Wenn ich glücklich bin, potenziert er mein Glück. Sein ganzes Universum dreht sich um mich, er hat es mir selbst gesagt. Du bist meine verdammte Sonne, Sky ... In diesem Moment habe ich Angst davor, seine Sonne zu sein. Weil eine Sonne explodieren kann und ich weiss, dass er diese Explosion niemals überleben würde.

Sarah Stankewitz

Rise and Fall

Roman

Forever by Ullstein
forever.ullstein.de

Originalausgabe bei Forever
Forever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
1. Auflage Mai 2021
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © FinePic®, München
Autorenfoto: © Patrick Thomas
E-Book powered by pepyrus
ISBN 978-3-95818-667-5

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Einleitung

Widmung

An alle starken Herzen dieser Welt:
Ihr dürft auch mal schwach sein.

Prolog

Skylar


Vergangenheit


Sozialwaise.
Dieses Wort kreiste durch meine Gedanken wie das Einhorn, auf dem ich immer saß, wenn Mommy und ich auf den Jahrmarkt gingen. Es war rosafarben, hatte einen blauen Schweif und ein riesiges Horn mitten auf der Stirn. Es glitzerte. Auf Beauty fühlte ich mich immer wie eine Superheldin – das Karussell war schnell, und ich wollte nie nach Hause. Weil zu Hause alles kalt war. Vor allem Mommy. Irgendwann wollte sie nicht mehr mit mir auf den Jahrmarkt gehen. Irgendwann wollte sie gar nichts mehr machen, was mit mir zu tun hatte.

Seitdem blieb mir nur noch mein Kuscheltier, das ich ebenfalls Beauty getauft hatte und das jetzt auf meinem Schoß lag und mich aus einem traurigen Auge ansah. Das andere hatte Beauty in der Waschmaschine verloren.

Seit zwei Tagen war ich in diesem gigantischen Haus, bei diesen fremden Erwachsenen mit völlig fremden Kindern, von denen keines mit mir sprach. Als hätte ich eine ansteckende Krankheit. Nun war ich keine Superheldin mehr, sondern eine Außenseiterin. Eine Sozialwaise.

Als ich am Morgen über den warmen Flur geschlichen bin, habe ich das Wort heimlich in der Küche aufgeschnappt. Die Frau mit den tiefen Fältchen an den Augen und dem schönen Lächeln hatte es gesagt. Ihre Stimme klang dabei so traurig.

Ich war auch traurig, seit Mommy mich hierhergebracht hatte. Wann würde sie mich endlich wieder abholen? Ich wollte nach Hause.

»Skylar ist so ein kluges und wundervolles Mädchen. Dass sie eine Sozialwaise ist, bricht mir das Herz, Charles. Aber wir werden ihr ein gutes Zuhause geben. Wie allen Kindern.« Charles war der Mann mit den grauen Haaren, die er lustig von einer Seite zur anderen kämmte. Ob sie im Wind nach oben fliegen würden?

Während ich die beiden belauschte und mein Kuscheltier an mich presste, versuchte ich zu verstehen, was sie mit diesem Begriff meinten. Wenn es bedeutete, dass ich Weihnachten ohne meine Mommy verbringen musste, dann wollte ich keine Sozialwaise sein. Hatte es etwas damit zu tun, dass sie mich hergebracht hatte? Ich vermisste Mommy. Ich vermisste sogar mein Zimmer, obwohl dieses hier dreimal so groß war und ein eigenes Fenster hatte, durch das man die Vögel beobachten konnte.

Das hier war nicht mein Zuhause, und selbst die große Holzkiste mit den Spielsachen auf dem dunkelblauen Teppich neben der Tür konnte mich nicht dazu bewegen, vom Bett aufzustehen. Ein Bett, das viel weicher und bequemer war als meins, in dem ich von dem Jahrmarkt geträumt und in dem Mommy mir früher meine Gutenachtgeschichten vorgelesen hatte. Die letzte Geschichte war schon lange her.

Ich zupfte an dem Kleid, das die Frau – Heather war ihr Name – mir heute Morgen herausgelegt hatte. Es war blau mit weißen Punkten, die mich an Schneeflocken erinnerten. Als es an der Tür klopfte, wischte ich mir eilig die Tränen weg. Heather kam rein und lächelte mich an, doch sie sah dabei immer noch traurig aus. Ob sie auch auf ihre Mommy wartete? Wenn ja, musste ihre Mommy schon sehr, sehr alt sein.

»Hey, meine Kleine.« Sie setzte sich zu mir aufs Bett und strich mir meine blonden Locken hinter das Ohr. Anschließend stupste sie das Kuscheltier in meiner Hand an.

»Wer ist denn das, hm?«

»Beauty«, erklärte ich stolz.

»Beauty ist wirklich wunderschön«, flüsterte Heather. Sie war eine alte Frau mit weißblonden Haaren und blauen Augen, genau wie ich sie hatte. Mommy sagte immer, sie erinnerten sie an einen Ozean. Ich wusste nicht, was genau sie damit meinte, weil ich noch nie einen Ozean gesehen hatte, aber ich freute mich jedes Mal, wenn sie es zu mir sagte, weil ich mich dann besonders fühlte.

Nicht jeder hatte Ozeanaugen.

»Hey, Süße.« Heather rückte näher an mich heran und flüsterte mir ein Geheimnis zu. »Weißt du, dass in einer Woche schon der Weihnachtsmann kommt?«

Ich nickte so heftig, dass es fast wehtat. »Natürlich. Der Weihnachtsmann ist mein Freund!« Zumindest war er das immer gewesen. Aber hier war alles anders.

»Oh, das ist er auf jeden Fall. Und weißt du, was das Schöne an der Zeit vor Weihnachten ist? Dass wir uns mit ganz vielen Plätzchen vollstopfen können. Die anderen Kinder sind alle schon in der Küche und bereiten den Teig vor. Komm doch mit runter, wir haben ganz tolle Formen. Ich glaube sogar, dass wir ein Einhorn haben!«

Im ersten Moment freute ich mich, weil ich die Vorstellung von Einhornplätzchen so schön fand. Doch dann dachte ich an die letzten Tage und daran, dass die Kinder nicht mit mir redeten. Ich spürte ihre Blicke, und ich wusste, dass sie mich nicht mochten. Heather strich meinem Kuscheltier die Mähne glatt und deutete zur Tür. »Also, was meinst du, Skylar? Lust auf Plätzchen?« Kurz überlegte ich, ihr zu folgen, aber das Schweigen der anderen Kinder machte mir zu viel Angst, also schüttelte ich den Kopf.

»Nein.«

Heathers Stirn wurde ganz faltig, und sie sah noch trauriger aus. Ob ich sie traurig machte? Ich wollte niemanden traurig machen. Am allerwenigsten Mommy. Doch sie war nicht hier, und das musste bedeuten, dass ich etwas falsch gemacht hatte, sonst hätte sie mich nicht hier vergessen. Sie wäre bei mir geblieben, wenn ich brav gewesen wäre.

»Bist du dir sicher? Der Teig schmeckt köstlich.«

»Ich will aber nicht. Ich will zu Mommy«, protestierte ich und wandte mich von ihr ab, damit sie mich in Ruhe ließ. Sie seufzte, tätschelte meinen Rücken und drückte mir einen Kuss aufs Haar. »Deine Mommy muss ein paar Dinge klären, bevor sie dich zurück nach Hause holen kann, Süße.«

Ich glaubte ihr kein Wort.

»Wenn du es dir anders überlegst, weißt du ja, wo die Küche ist. Charles und ich würden uns sehr freuen.« Charles war ihr Mann, das hatte ich mittlerweile verstanden. Sie waren nett zu allen Kindern, aber sie waren nicht meine Eltern. Das Bett quietschte, als Heather aufstand und leise das Zimmer verließ. Die Tür hatte sie offen gelassen. Ich hüpfte vom Bett herunter und stellte mich dicht an die Fensterscheibe, damit ich die Vögel im Garten beobachten konnte. Vögel waren meine Lieblingstiere, weil sie fliegen konnten und ich auch fliegen wollte. Mommy hat gesagt, dass ich in meiner Fantasie fliegen kann, aber ich glaube, sie wollte mich nur trösten.

»Du bist neu.« Die Stimme eines Jungen schreckte mich auf. Ich ließ Beauty zu Boden fallen und drehte mich um. Er stand im Flur vor meinem Zimmer und sah mich mit einem breiten Grinsen an. Seine Haare waren blond und hingen ihm in die Stirn. Er war viel größer als ich, vermutlich auch älter. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Er war der erste Junge hier, der mit mir sprach.

»Du auch, oder?«, fragte ich und hob mein Kuscheltier vom Boden auf, um es gegen meine Brust zu drücken. Beau­ty beschützte mich vor all den Monstern, denen ich tagsüber und nachts begegnete. Ob sie mich auch vor den anderen Kindern beschützen konnte?

»Nein, ich bin schon länger hier …« Mit diesen Worten kam er in mein Zimmer und sah sich um. Er trug ein graues Shirt, eine schwarze Hose und war sicher schon acht oder neun Jahre alt. Ich musste den Kopf in den Nacken legen, um sein Gesicht zu sehen. Seine Augen waren blau. Er hatte auch Ozeanaugen, genau wie ich! Hatte er auch eine Mommy, die ihm das sagte?

»Aber ich war in der letzten Woche krank und musste im Bett bleiben.« Der Junge trat näher an mich heran. »Mein Zimmer ist das neben deinem. Ich habe schon gehört, dass jemand Neues da ist. Gefällt es dir hier?« Seine Mundwinkel breiteten sich zu einem Lächeln aus. Er war netter als alle Kinder, denen ich bis jetzt hier begegnet war, zusammen.

»Nein. Die anderen reden nicht mit mir«, schniefte ich, weil ich immer noch traurig war. Seit Daddy uns verlassen hatte, war ich das oft. Der Junge vor mir hingegen sah glücklich aus. Gefiel es ihm hier wirklich?

»Das liegt nicht an dir. Am Anfang ist es immer schwer, wenn jemand Neues dazukommt. Sie wissen nicht, wie sie mit dir umgehen sollen.«

Ich zuckte mit den Schultern, weil ich ja auch nicht wusste, wie ich mit ihnen umgehen sollte. Anstatt den Jungen anzusehen, blickte ich zum Boden und drückte meine Zehen in der gepunkteten Strumpfhose gegen das alte Holz.

»Heute ist Plätzchentag. Den solltest du nicht verpassen. Charles und Heather machen den besten Teig der Welt, versprochen.«

»Ich habe Angst«, gestand ich ihm und merkte, wie meine Lippen bebten. Als er seinen Arm um meine Schulter legte, fühlte ich mich sofort sicherer. »Du brauchst keine Angst haben. Ich pass auf dich auf. Und wenn dich jemand ärgert, dann kriegt er es mit mir zu tun.« Er knuffte mir in den Oberarm, und ich musste grinsen. »Außerdem brauche ich deine Hilfe beim Backen. Ich kann mich nie für die beste Plätzchenform entscheiden. Wie heißt du?«

»Skylar«, antwortete ich schüchtern und spürte, dass er mich noch dichter an seine Seite drückte. »Okay, SkySky. Dann lass uns nach unten gehen und den anderen zeigen, wer die coolsten Plätzchen backen kann!«

SkySky.

Ich hatte noch nie einen Spitznamen gehabt!

»Aber nur, wenn wir Einhornkekse machen«, fiepte ich und wurde aufgeregt. Er nickte. »Klar. Einhörner sind cool.« Gemeinsam gingen wir aus dem Zimmer und nahmen die Treppe nach unten zur großen Küche, in der wir jeden Abend beim Essen zusammensaßen. Und während wir Stufe für Stufe hinabstiegen, nahm der Junge seinen Arm nicht von meiner Schulter. Auch dann nicht, als wir in der Küche ankamen und alle Blicke auf uns gerichtet waren. Die Kinder starrten uns an, als wären wir Aliens, während Heather und Charles uns angrinsten. Heather fasste sich ans Herz und flüsterte etwas, das ich nicht hören konnte. Ich glaube, sie sagte: »Danke.« Es war an den Jungen gerichtet, der mich noch immer nicht losließ.

»Ach und übrigens. Ich bin Carter«, stellte er sich grinsend vor. Das war also Carter. Der erste Freund, den ich hier hatte. Der erste Freund, den ich jemals hatte. Es fühlte sich gut an, einen Freund zu haben.

»Macht mal Platz«, befahl er den braunhaarigen Zwillingsmädchen. Sobald sie zur Seite rutschten, zog Carter mich zum Tisch heran und griff nach den Ausstechformen in der Mitte der großen Platte.

»Siehst du? Einhörner.« Strahlend reichte er mir die silberne Form, und ich begann, sie in den ausgerollten Teig zu stechen. Hin und wieder spürte ich die Blicke der anderen Kinder auf mir, und am liebsten wollte ich davonrennen, mich in meinem Zimmer verstecken und nie wieder herauskommen, bis Mommy die »Dinge« geklärt hatte und mich abholte. Doch jetzt war ich nicht mehr allein. Jetzt hatte ich Carter, und ich wusste, dass er auf mich aufpassen würde. Ich musste lächeln, während wir so viele Plätzchen ausstachen, dass der halbe Tisch voller Einhörner war.


»So, Kinder. Die Bleche sind alle im Ofen, jetzt müssen wir warten. Wer weiß noch, wie lange sie brauchen?«, fragte Hea­ther und klatschte freudig in die Hände.

»Fünfzehn Minuten!«, riefen die Zwillinge Mary und Monica im Chor.

»Genau. Und wer weiß, was wir in der Zwischenzeit machen?« Nun war es Charles, der sprach. Seine Stimme war kratzig und erinnerte mich an die Stimme von Daddy, auch wenn ich sie schon so lange nicht mehr gehört hatte. Sie war auch kratzig, weil er so viele Zigaretten rauchte. Mommy hatte deshalb oft mit ihm gemeckert. Ob er deshalb gegangen war? Den Geruch nach Rauch vermisste ich nicht.

»Wir tanzen!«, riefen die Kinder lebhaft. Fragend sah ich zu Carter hinüber, der sich gerade die Hände gewaschen hatte und seine nassen Hände an den Jeans trocknete. Er zwinkerte mir zu, während ich wieder Angst bekam. Warum sollten wir tanzen? Sobald er neben mir stand, krallte ich mich an seinem Arm fest.

»Wir tanzen?«, hauchte ich und wollte wieder fliehen. Die Vorstellung, vor den anderen zu tanzen, machte mich nervös. »Ja. Das machen wir immer, wenn das Essen im Ofen ist. Komm mit.« Gemeinsam mit Carter und den anderen Kindern lief ich in das große, helle Wohnzimmer. Charles nahm die Fernbedienung vom Couchtisch und drückte einen Knopf. Im nächsten Moment wurde Musik gespielt. Sie klang nicht fröhlich, sondern irgendwie traurig.

»Ihr wisst ja, Kinder, tanzt einfach drauflos. Wenn ihr traurig seid, dann tanzt zu eurer Traurigkeit. Wenn ihr fröhlich seid, lacht. Tanzt einfach alles raus!« Heather fing an, sich zu bewegen. Sie drehte sich wild im Kreis, hob die Arme über den Kopf und wiegte sich zur Musik. Die anderen Kinder begannen zu hüpfen, sich ebenfalls zu drehen und zu klatschen. Auch Carter. Er sprang auf zwei Beinen, warf seinen Kopf von einer Seite zur anderen und schloss die Augen. Charles sah seiner Frau beim Tanzen zu, während ich am Boden festwuchs und mich in Luft auflösen wollte.

Ich konnte nicht tanzen. So stand ich eine Weile rum, bis jemand nach meiner Hand griff und mich mit sich zog.

Carter drehte mich im Kreis, und langsam machte es Spaß. Die Musik war immer noch traurig, genau wie ich. Aber die Traurigkeit ließ nach, je länger Carter mit mir tanzte. Er sah aus wie ein kleiner Rockstar, und seine blonde Mähne verdeckte seine Ozeanaugen komplett.

Meine Wangen wurden wieder feucht, weil ich an meine Mommy dachte. An die Plätzchen, die ich früher immer mit ihr gebacken hatte, bevor diese fremde Frau vor unserer Tür gestanden und sie mit komischen Fragen gelöchert hatte. Unsere Nachbarin Mrs Wallice hatte sich in letzter Zeit viele Sorgen um mich gemacht – ob ich deshalb hier war? Hatte sie diese Frau vielleicht zu uns geschickt?

Als das Lied schließlich verstummte und der Backofen piepsend ankündigte, dass die Kekse fertig waren, stürmten alle Kinder in die Küche. Alle bis auf Carter und mich. Wir drehten uns weiter im Kreis, obwohl die Musik schon aus war. Das ganze Haus duftete nach Plätzchen. Nach Weihnachten. Nach Familie. Würde das hier meine neue Familie werden?

Damals verstand ich nicht, wieso wir tanzten, obwohl wir traurig waren. Heute schon. Wir bewegten uns zur Melodie unserer Ängste und tanzten unsere Sorgen fort. Zumindest für den Augenblick.

Teil 1

1

Skylar


Fünfzehn Jahre später


Wenn es einen Wettbewerb für den schlimmsten und zugleich schönsten Valentinstag in der Geschichte der Menschheit geben würde, würde ich ihn gewinnen. Daran gibt es keinen Zweifel. Der Abend fing voller Vorfreude an, weil mein erstes Date mit Owen bevorstand. Wir hatten uns vor vier Wochen über eine Datingapp kennengelernt und uns wirklich gut verstanden. Umso mehr freute es mich, dass wir uns an diesem Tag zum ersten Mal treffen wollten passend zum Valentinstag. Dafür habe ich mich ordentlich in Schale geworfen, ein neues Kleid gekauft und meine blonde Lockenmähne gezähmt, indem ich sie zu einem eleganten Dutt gebunden habe.

Jetzt hat sich dieser Dutt in ein Vogelnest verwandelt, und mein Make-up ist mittlerweile völlig aufgelöst. Genau wie ich, denn Owen – dieser Mistkerl – hat mich einfach sitzen gelassen. In der ersten halben Stunde dachte ich noch, dass er sich nur verspäten würde, weil auf Beaumonts Straßen sicher die Hölle los war und zahlreiche Turteltauben auf dem Weg zu ihren Dates sein dürften. Aber er kam nicht. Und so wurden aus dreißig Minuten zwei endlose Stunden, in denen ich am Fenster saß und immer wütender wurde.

Und das an einem Tag, der ohnehin schwer für mich war. In wenigen Stunden würde der wichtigste Mensch meines Lebens weg sein.

Er wird für sechs Monate das Land verlassen.

Sechs.

Verdammte.

Monate.

Nachdem Owen mich versetzt hat, simste ich Carter, dass ich ihn sehen musste. Er antwortete, dass er auf mich warten würde. Also schwang ich mich direkt auf meinen alten Drahtesel und fuhr zu seiner Wohnung herüber.

Sie war nur wenige Straßen von unserem Haus entfernt, und ich wollte keine Zeit mehr verschwenden, also behielt ich mein tannengrünes Cocktailkleid an. Vermutlich sah ich irre witzig aus in diesem schicken Paillettenkleid auf einem rostigen Fahrrad, das bei jedem Tritt in die Pedale fast auseinanderfiel.

Jetzt – fünf Stunden später – spüre ich seine warme Brust an meinem nackten Rücken und würde gern die letzten Stunden aus meinem Gedächtnis löschen. Nicht, weil sie nicht gut gewesen waren. Eher im Gegenteil. Die letzten Stunden waren die wohl schönsten meines Lebens, aber es war nicht richtig. Sie konnten alles ruinieren. Sie konnten mir den wichtigsten Menschen in meinem Leben nicht nur für ein halbes Jahr, sondern für immer entreißen. Ich rolle mich an den Rand des Bettes, taste im Dunkeln nach meinem Kleid am Boden und fluche leise vor mich hin, weil ich es nicht finden kann.

»Scheiße!«, murmele ich und schnappe mir anstatt meines Kleides sein schwarzes Shirt, das ich ihm vorhin im Eifer des Gefechts vom Körper gerissen habe. Noch immer flimmert mein Herz beim Gedanken daran, wie er mich angesehen hat. Der Valentinstag fing schrecklich an, doch er wurde wunderschön, weil er in seinen Armen endete. In den Armen des Mannes, dem ich mein Leben anvertraue. Blind. In den letzten Jahren haben wir uns oft ein Bett geteilt, haben sogar gekuschelt, aber wir sind nie weiter gegangen. Es war unendlich nah und vertraut, aber nie sexuell. Bis heute.

Sein warmer Atem streift meinen Nacken, während ich seinen muskulösen Arm anhebe und mich von ihm befreie. Schnell und möglichst leise schlüpfe ich in sein Shirt und werde sofort von seinem alles einnehmenden Duft eingehüllt.

Eine Mischung aus Patschuli und Sandelholz. Sein Duft ist mein Zuhause.

Durch die offenen Vorhänge in seinem Schlafzimmer fällt schwaches Mondlicht in den Raum, und als ich mich zu ihm umdrehe, verschlägt es mir die Sprache. Sein tätowierter Oberkörper sieht so makellos im silbrigen Licht aus. Das Sixpack, die breiten Schultern, die in beschützende Arme übergehen, das V, das unter der dünnen Decke verschwindet, unter der er splitterfasernackt ist. Seine blonden Haare fallen ihm wild in die Stirn, sein verführerischer Mund steht leicht offen, und seine Wimpern werfen Schatten auf seine markanten Wangen.

Carter Davis ist der schönste Mann, den ich kenne. Und vor allem ist er mein bester Freund! Mit dem ich in den letzten Stunden dreimal geschlafen habe. Was zur Hölle habe ich mir dabei eigentlich gedacht? Hey, es ist Valentinstag, und ich wurde von meinem Date versetzt. Da schlafe ich doch einfach mal mit dem einzigen Menschen, mit dem ich niemals hätte schlafen sollen! Grandiose Idee, Sky. Grandios grenzüberschreitend. Heute Nacht haben wir beide eine Grenze überschritten.

Hektisch greife ich nach meinem Slip, schlüpfe hinein und ziehe mir anschließend eine von Carters Jogginghosen an, auch wenn sie mir um Dimensionen zu groß ist, weil mein bester Freund ein verdammter Riese ist. Und jetzt weiß ich, dass er auch in anderer Hinsicht riesig ist.

Scheiße. Scheiße. Scheiße.

Ich werde niemals diesen Anblick vergessen können. Niemals vergessen, mit wie viel Feuer und Leidenschaft er mich angesehen hat. Wie viel Verlangen in seinen blauen Augen glühte. Der Ozean stand in Flammen und ich habe mich noch nie so begehrt gefühlt.

Beim Gedanken daran, dass er morgen früh fort sein wird, fängt meine Unterlippe an zu beben. Für sechs Monate wird er das Land verlassen, und dieser Gedanke überschattet all den Spaß, den wir heute Nacht zusammen hatten.

Leise tapse ich zu meiner Handtasche, und gerade, als ich das Schlafzimmer verlassen will, wird der Raum in ein gedämpftes, warmes Licht getaucht. Ertappt drehe ich mich um und sehe Carter an, der die Nachttischlampe angeknipst hat und sich nun müde aufrappelt.

»Schlaf weiter«, bitte ich ihn, meine Hand verharrt an der Türklinke. Er sieht sich prüfend im Raum um, und als er schließlich aufsteht, halte ich die Luft an. Jetzt bloß nicht in Richtung … zu spät. Mein Blick haftet an seinem besten Stück, das sich so perfekt in mir angefühlt hat. Ich beiße mir auf die Unterlippe, um nichts Falsches zu sagen. Wie wäre es mit: Bitte nimm mich mit nach Europa, und mach das, was du vorhin mit mir gemacht hast, noch mal?

»Du solltest dir etwas anziehen, Carter«, sage ich und verdrehe die Augen dabei. Er streicht sich die Haare aus den Augen, stemmt die Hände in die Hüften und sieht mich mit diesem kessen, verschlafenen Grinsen an, das jede Frau um den Verstand bringen würde.

»Würde ich ja, aber du hast meine Sachen an«, antwortet er schmunzelnd, während ich vehement versuche, ihm ins Gesicht zu sehen. Als wäre das weniger schön …

»Ich will nicht schon wieder in dem Cocktailkleid auf meinem Omafahrrad durch die Gegend fahren. Nachher werde ich noch weggesperrt, weil die Leute mich für verrückt halten. Du hast doch noch andere Sachen!«, dränge ich. Als ich ihn vorhin ausgezogen habe, war er unter seiner Jogginghose nackt. Dieselbe Hose, die jetzt meine Beine wärmt.

Mein bester Freund schlendert genüsslich zu seiner Kommode, zieht eine Shorts heraus und streift sie sich über. Dass er halb erregt ist, ist mir nicht entgangen. Sein definierter Oberkörper bleibt frei.

»Wolltest du dich echt wie ein One-Night-Stand aus meinem Bett schleichen? Das trifft mich tief, SkySky.«

»Ich wollte dich nicht wecken. Du musst früh aufstehen.«

Carter runzelt die Stirn, weil meine Worte absurd sind. Er ist eine Nachteule, wie sie im Buche steht. Meistens geht er nicht vor drei Uhr am Morgen ins Bett und steht nicht vor zehn Uhr auf. Angeblich erwacht seine Kreativität erst abends zum Leben, und diese Zeit nutzt er meistens für seine Texte.

»Dein Flug? Schon vergessen?« Meine Kehle wird trocken, und Tränen treten in meine Augen. In den letzten fünfzehn Jahren waren wir unzertrennlich, und jetzt soll bald ein ganzer Ozean zwischen uns liegen? Ich liebe den Ozean, vor allem den in seinen Augen, aber heute verfluche ich ihn.

»Wie könnte ich den vergessen.« Er senkt den Blick, wischt sich mit den Händen über das Gesicht und kommt auf mich zu. Als Carter vor mir steht, muss ich den Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Wie damals. Er war schon immer ein Riese im Vergleich zu mir.

»Wie geht es dir?«, fragt er einfühlsam, und am liebsten würde ich meine Handtasche fallen lassen, mich in seine Arme werfen und ihn nicht mehr loslassen. Oder noch besser: Ihn an dieses Bett fesseln, damit er seinen Flug verpasst. Er wird mit der Maschine BA0195 um sieben Uhr morgens in Beaumont starten und neunzehn Stunden plus zwei Umstiege später in London landen. Ich bin bestens vorbereitet, um später im Netz das Flugzeug zu verfolgen und dafür zu beten, dass er heile landet.

»Was glaubst du?«, hauche ich.

»Ich glaube, dass du traurig bist.«

Carter weiß immer, wie es mir geht.

»Das bin ich auch. Aber das wird schon, richtig? Es sind ja nur sechs Monate.« Ich versuche, das Ausmaß dieser Katastrophe herunterzuspielen, aber ich bin wahnsinnig schlecht darin. Sechs Monate sind eine viel zu lange Zeit. Ich halte es ja kaum einen Tag ohne ihn aus. Wie soll ich dann mehr als zweihundert Tage überstehen?

»Ja«, sagt er mit geschürzten Lippen und zieht die Stirn kraus. Carter legt seine Hand unter mein Kinn und hebt es an, weil ich mittlerweile Löcher in den Dielenboden starre.

»Wir werden jeden Tag telefonieren, okay, Sky?« Er atmet tief ein und laut aus. »Und ich werde dir aus allen Ländern die hässlichsten Postkarten schicken, die ich finden kann. Und damit meine ich die richtig hässlichen. Die, bei denen man Augenkrebs bekommt und sich vor lauter Touri-Blues fast übergeben muss.«

Sein Daumen streichelt über meine Wange, und als er meine Tränen bemerkt, greift er nach der Kette um seinen Hals. Es ist ein silbernes Kreuz, das er schon getragen hat, als ich ihn kennengelernt habe. Er hat es von seiner drogenabhängigen Mutter bekommen, bevor er von einer Sozialarbeiterin aus den schlechten Verhältnissen herausgeholt und zu Heather und Charles gebracht worden war wie ein Hund, den keiner wollte. So wie ich. Wir waren beide ungewollte Hunde. Nur, dass meine Mutter kein Problem mit Drogen hatte, sondern sich nicht mehr um mich kümmern konnte, als mein Vater sie verlassen hat.

Heather und Charles haben nicht nur mir ein Zuhause geschenkt, sondern auch meinem besten Freund. Carter betrachtet das Kreuz in seiner Hand einen Augenblick lang, bevor er die Kette über meinen Kopf streift, den Kragen meines Shirts zu sich zieht und den Anhänger darunter verschwinden lässt. Das Silber fühlt sich kühl auf meiner Haut an. Darunter pocht mein Herz schneller, weil ich immer noch nicht glauben kann, dass ich mit Carter geschlafen habe.

»Hey, Sky.« Jetzt zieht er mich an sich, und ich schlinge meine Arme um seinen Oberkörper. Vergrabe mein Gesicht an seiner nackten Brust, die mit all den Tattoos wie ein buntes Gemälde aussieht. Es gibt kaum eine Stelle, die nicht mit Tinte bedeckt ist. Lediglich seine rechte Brust ist noch frei, aber so wie ich ihn kenne, wird er die Stelle in London füllen lassen.

»Wir schaffen das. Wir schaffen alles.« Er nimmt meine Hände, legt sie auf seine Brust und streichelt über das Semikolon unter der dünnen und empfindlichen Haut meines rechten Handgelenks. Und ich verstehe, was er mir mit dieser schlichten Geste sagen will. Unsere Freundschaft endet heute Nacht nicht, nur, weil er geht. Genau dafür steht dieses Tattoo. Für unsere Geschichte, die noch lange nicht zu Ende erzählt ist.

»Ich weiß«, antworte ich leise. Mir brennen so viele Fragen auf der Zunge. Wieso haben wir miteinander geschlafen? Was wird sich zwischen uns ändern? Wird sich überhaupt etwas verändern? Aber ich spreche keine davon aus, weil ich dieses Gespräch jetzt nicht führen kann.

Ich bin müde, ich bin erschöpft und völlig durch den Wind. Das, was hier passiert ist, muss ich erst einmal verarbeiten. Ich muss verstehen, was es bedeutet, dass meine Herzfrequenz seinetwegen einen neuen Rekord aufstellt.

»Ich fahre jetzt nach Hause. Schreib mir, wenn du am Flughafen bist, okay?«

»Klar. Ich werde dich mit Nachrichten überschütten. Du wirst nicht mal merken, dass ich weg bin.«

Ich wünschte, es wäre so.

»Ich nagle dich drauf fest.«

»Habe ich meine Versprechen jemals gebrochen?« Seine raue Stimme löst ein Beben in mir aus.

»Nein.« Ich vergrabe das Gesicht an seiner Brust und spüre sein Lachen in jeder Faser seines Körpers. Seine Schultern beben. Diese Schultern, an die ich mich immer habe anlehnen können, wenn es mir schlecht ging. An wessen Schulter werde ich mich in den nächsten Monaten anlehnen?

»Siehst du, SkySky.«

Eilig wische ich mir die Tränen von den Wangen, gebe Carter einen Kuss auf den Mundwinkel und verharre mit meinen Lippen einen Moment zu lang auf seinen Bartstoppeln. Bei der Erinnerung daran, wie sie kratzig über meine Innenschenkel gewandert sind und jeden Zentimeter meiner empfindlichen Haut bedeckt haben, prickelt mein Unterleib wie eine frisch geöffnete Flasche Champagner.

»Schlaf noch ein wenig, Carter. Und rocke Europa für mich!« Endlich schaffe ich es, mich von ihm zu lösen, obwohl mich alles zurück in sein Bett zieht. Als ich die Tür geöffnet habe und in den Flur trete, kann ich sein trauriges Lachen hören.

Ich hasse es, wenn sein Lachen traurig klingt.

»Ich liebe dich, Sky«, ruft er mir hinterher, und seine Worte lassen mein Herz Purzelbäume schlagen. »Ich liebe dich auch.« Und ich befürchte, dass diese Liebe nicht mehr dieselbe ist wie vor einigen Stunden noch …


Als ich in die kühle Nachtluft hinaustrete, schließe ich mein Fahrradschloss auf, steige auf das klapperige Teil und fahre los. Ich genieße, wie der Wind mein Gesicht streichelt und die Hitze, die sich in meinem Körper wie ein Lauffeuer ausgebreitet hat, abkühlt. Das Einzige, was der Wind nicht beruhigen kann, sind meine Gedanken.

Fünfzehn Jahre.

So lange sind Carter und ich schon beste Freunde. Seelenverwandte. Ein Herz in zwei Körpern. Und heute Nacht haben wir eine Grenze überschritten, die wir niemals hätten überschreiten sollen.

Da es mitten in der Nacht ist, sind auf den Straßen kaum Autos unterwegs, und als mein Handy eine neue Nachricht ankündigt, ziehe ich es beim Fahren aus der Hosentasche und entsperre das Display.


Fuck, mein ganzes Bett riecht nach dir, Sky. Ich will nicht fliegen. Sechs Monate ohne dich?


Ich starre seine Worte an, trete ruckartig auf die Bremse und steige vom Rad. Sekunden später erreicht mich eine zweite Nachricht.


Die werden scheiße.


Mit zitternden Fingern antworte ich, während ich mit der freien Hand mein Fahrrad neben mir herschiebe.


Das ist deine Chance, Carter. Ich meine, hallo? Crashing December. Das wirst du noch deinen Enkelkindern erzählen!


Seit er 16 ist, schreibt Carter für Musikmagazine. Anfangs nur nebenbei, später hauptberuflich. Vor zwei Monaten hat er das Angebot bekommen, die wohl bekannteste Newcomer-Rockband Englands auf ihrer Europatour zu begleiten, die Promophase des neuen Albums mitzuerleben und über den Sänger und seine Band ein Buch zu schreiben. Niemand wäre für diesen Job besser geeignet als Carter. Er ist ein Mann mit dem Aussehen eines Rockstars und dem Herzen eines Schriftstellers. Einer, dessen großer Traum es immer war, eines Tages ein Buch zu schreiben.

Doch so sehr ich mich für ihn freue, so sehr wünsche ich mir auch, dass er bei mir bleibt und nicht in dieses Flugzeug steigt, das ihn in ein paar Stunden nach London bringen wird.

Wie gebannt blicke ich auf mein Handy, und als ich sehe, dass er mir antwortet, halte ich den Atem an. Die drei Punkte tanzen vor meinen Augen, nur, um dann wieder zu verschwinden. Erneut tippt er, macht jedoch immer wieder kurze Pausen, die mich in den Wahnsinn treiben. Carter weiß sonst immer, was er sagen will, doch jetzt scheint das genaue Gegenteil der Fall zu sein. Als seine nächste Nachricht ankommt, stoße ich die angestaute Luft aus.


Was haben wir getan, Sky?


Ich lese seinen Satz wieder und wieder. Es sind nur fünf Worte, aber für mich sind sie ein ganzer Roman.

Ja, was haben wir getan?

Während mein Daumen über dem Display schwebt, überquere ich die Straße vor meinem Haus. Das Fahrrad schiebe ich nach wie vor, weil ich gerade nicht in der Lage bin, wieder aufzusteigen und das Handy aus den Augen zu lassen.

Ich zucke zusammen, als ich ein lautes Quietschen höre.

Helle Scheinwerfer nähern sich mit bedrohlicher Geschwindigkeit, eine laute Hupe bringt mein Trommelfell beinah zum Platzen.

Als ich mich endlich aus meiner Schockstarre lösen kann, ist es bereits zu spät. Der Jeep erwischt mich, schleudert mein Fahrrad etliche Meter über den Boden und mich mit sich.

Alles geht so schnell.

Viel zu schnell.

Und noch während mir schwarz vor Augen wird, weiß ich, dass sich mein Leben nach dieser Nacht für immer verändern wird.