Hunderttausende folgen den Kanälen »Jurafakten« auf Facebook und Instagram. Dort werden regelmäßig Neuigkeiten und Kuriositäten, aber auch Ärgernisse und Irrtümer aus dem Reich der Justiz gepostet. Wussten Sie, dass Bier in Russland erst seit 2011 als alkoholisches Getränk zählt? Dass die Flucht aus dem Gefängnis in Deutschland straffrei ist? Dass Sie DM-Scheine seit Einführung des Euro bedenkenlos fälschen dürfen? Dieses Buch versammelt all diese Jurafakten, geprüft und kommentiert von Richter Dr. Patrick Burow.
Verbotene Süßigkeiten, erlaubte Morde und andere Kuriositäten aus Recht und Gesetz
Ullstein
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Die zitierten englischen Gesetzestexte wurden von Patrick Burow übersetzt. Der Großteil der Einträge ist mit den entsprechenden Quellenhinweisen (Gesetzestexte, Medienberichte o. Ä.) versehen. Bei den restlichen Einträgen basieren die Informationen auf Patrick Burows Erkenntnissen aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Richter.
Aus Gründen der Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt. Nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter.
Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage Mai 2022
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2012
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München Titelabbildung: © Jurafakten 2019 (Logo); © FinePic®, München
Autorenfoto (Patrick Burow): ©Jennifer Becker
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ISBN 978-3-8437-2740-2
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100 000 Follower in den ersten zehn Stunden, fast eine Million in nur einem Jahr – Jurafakten hat sich innerhalb kürzester Zeit zu einer der größten Jura-Seiten Deutschlands in den sozialen Medien entwickelt. Sie widmet sich skurrilen Gesetzen, kuriosen Urteilen und Rechtslücken aus dem Alltag.
Der Umgang mit Gesetzen gilt zu Unrecht als trocken. Wer so etwas sagt, liest die falschen Gesetze. Denn im täglichen Gesetzeswahnsinn gibt es jede Menge Witz und Humor zu entdecken. Wussten Sie etwa, dass
Dieses fröhliche Buch gibt die kuriosesten und seltsamsten Normen der Welt wieder. Darüber hinaus bietet die Rechtsprechung einen reichen Fundus erstaunlicher und kurioser Entscheidungen. Hinter dem ernsten Gesicht mit der schwarzen Robe stecken manchmal unerkannte Komiker:
Mancher fühlt sich durch das Strafgesetzbuch in seiner Lebensgestaltung erheblich eingeschränkt. Doch zu Unrecht – wir alle dürfen viel mehr, als wir glauben. Wer die Gesetzeslücken kennt, hat es leichter im Leben:
Höher, schneller, weiter – Rekorde sind beliebt. Nicht nur Sport und Technik haben interessante Superlative zu bieten, sondern auch das Recht:
Das sind nur ein paar Jurafakten, die Sie auf den folgenden Seiten erfahren.
Die meisten Leser werden in ihrem Leben maximal ein paar Verkehrsstraftaten, zwei Ladendiebstähle und einen Schwiegermuttermord begehen. Wie langweilig! Dabei lassen sich den Strafgesetzbüchern der Welt Anregungen für wirklich originelle Straftaten entnehmen. Versuchen Sie es doch mal mit der Störung von Gottesdiensten, dem Töten von Pandabären oder dem Auslösen einer Atomexplosion.
Das Gesetz betreffend die Bestrafung des Sklavenraubes und des Sklavenhandels von 1895 ist weiterhin in Kraft, obwohl die Zeiten des Sklavenhandels längst passé sind. Der Wortlaut von § 2:
Wer Sklavenhandel betreibt oder bei der diesem Handel dienenden Beförderung von Sklaven vorsätzlich mitwirkt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Auf das Verursachen einer nuklearen Explosion steht Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe, § 328 Abs. 2 Nr. 3 StGB. Der Besitz von Betäubungsmitteln wird gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG ebenfalls mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Cannabis ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers damit genauso gefährlich wie eine Atombombe.
Die Ski-Unfallflucht ist nach Art. 24 VI Nr. 4 des bayerischen Landesstraf- und Verordnungsgesetzes als Ordnungswidrigkeit verfolgbar.
Erschreckend viele Wege führen in China zum Schafott. Nicht weniger als 55 (!) Straftatbestände sehen die Todesstrafe vor – von Gewalttaten wie Mord, Raub und Vergewaltigung über exotische Delikte wie Tötung von Pandabären und Plünderung archäologischer Stätten bis zu gewaltfreien Vergehen wie Diebstahl von Benzin, Steuerflucht und Veruntreuung. Andere todeswürdige Taten sind u. a. Kreditkartenbetrug, der Verkauf schädlicher Lebensmittel, die Herstellung pornografischen Materials und schwerer Gemüsediebstahl.1
Ein Gesetz schreibt vor, dass jeder, der einen falschen Wetterbericht herausgibt und behauptet, er sei vom Wetteramt, bis zu neunzig Tage inhaftiert werden kann. Bloß schlecht in seinem Meteorologie-Job zu sein gilt jedoch nicht als Fälschung.2
Das könnte als Ausspähen von Daten (§ 202a StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden.
Der neue § 323c Abs. 2 StGB stellt die Behinderung von hilfeleistenden Personen unter Strafe. Wer Einsatzkräfte durch Gaffen behindert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Eine weitere Straftat begeht, wer mit dem Handy Aufnahmen der Verletzten macht.
Ein Kissen kann als Schutzwaffe i. S. d. § 17a Versammlungsgesetz betrachtet werden. Wenn man sich auf einer Demo ein Kissen unter die Kleidung steckt, damit man nicht von der Polizei die Knochen gebrochen bekommt, gilt das also als passive Bewaffnung.
Die Belohnung und Billigung von Straftaten steht gemäß § 140 StGB unter Strafe.
Die Störung der Religionsausübung steht gemäß § 167 StGB unter Strafe. Ein bekanntes Beispiel ist die damalige Femen-Aktivistin Josephine Witt, die während eines Weihnachtsgottesdienstes im Kölner Dom 2013 nur mit einem Lendenschurz bekleidet auf den Altar gesprungen ist, während die Worte »I am God« auf ihren Oberkörper geschrieben waren. Sie wurde wegen Störung der Religionsausübung zu einer Geldstrafe von 600 Euro verurteilt.
Abgeordnete des Deutschen Bundestages genießen parlamentarische Immunität, die sie vor Strafverfolgung schützt (Art. 46 Abs. 2 GG). Sie schützt aber nicht den Abgeordneten selbst vor Strafe, sondern soll die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sicherstellen. Die Immunität kann daher auch vom Bundestag aufgehoben werden.
Der 29-jährige Mark Meechan wurde zum YouTube-Star, weil sein Hund die Pfote hebt, sobald man »Sieg Heil« sagt. In dem Zweieinhalb-Minuten-Clip ließ er den Mops neunmal die rechte Pfote zum Hitlergruß heben. Der Hundebesitzer beteuerte, dass es sich um einen Spaß gehandelt habe. Sein Video erzielte mehr als eine Million Aufrufe. Der Richter fand das Video nicht spaßig, sondern grob beleidigend und verurteilte Meechan zu einer Geldstrafe von 800 Pfund Sterling.3
Larry Nassar ist ein US-amerikanischer Arzt und Serien-Sexualstraftäter. Nassar arbeitete jahrzehntelang als Arzt des US-amerikanischen Turnverbands USA Gymnastics, viermal gehörte er zum Olympiateam der USA. In dieser Zeit missbrauchte er über 250 Mädchen und Frauen, darunter einige Olympiasiegerinnen. Im Januar 2018 wurde er von Richterin Rosemarie Aquilina wegen des massenhaften sexuellen Missbrauchs von Frauen und Mädchen zu 175 Jahren Haft verurteilt.4
Täter einer Straftat nach § 183 StGB kann nur ein Mann sein; verfassungsrechtliche Bedenken ergeben sich daraus nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nicht. Grund für die Beschränkung auf Männer ist laut den Gesetzgebungsmaterialien, dass exhibitionistische Handlungen von Frauen extrem selten seien.5
Das ungewollte Haareschneiden ist eine Körperverletzung gemäß § 223 StGB, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann.
Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, wie viele glauben. Der Straftatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB gilt hier genauso wie im »richtigen Leben«. Juristisch unterscheidet sich eine Beleidigung in einem Internetforum, auf Twitter oder Facebook nicht von einer Beleidigung im wirklichen Leben.
Auf die Verunglimpfung des Bundespräsidenten steht gemäß § 90 Abs. 1 StGB Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Hier eine kurze Auflistung gängiger Polizistenbeleidigungen und der dafür verhängten Strafen:
Beleidigung | Sachverhalt | Strafe |
»Clown« | Fahrausweiskontrolle in U-Bahn | 15 Tagessätze |
»Leck mich am Arsch« | Rechtspopulist beleidigt Polizisten | 20 Tagessätze |
»A.C.A.B.« | = All Cops are Bastards | 25 Tagessätze |
Stinkefinger | in Kamera einer Messstelle | 30 Tagessätze |
»Blöde Fickfotze« | Frau zur Polizistin | 30 Tagessätze |
»Wegelagerer« | zu Polizisten bei Verkehrskontrolle | 30 Tagessätze |
»lächerlich, fett, ranzig« | über Polizistinnen | 30 Tagessätze |
»Dumpfbacke« | bei Verkehrskontrolle | 30 Tagessätze |
»Sie können mich mal« | zu Politesse bei Parkverstoß | 30 Tagessätze |
»Wichser« | zu Polizist bei Verkehrskontrolle | 40 Tagessätze |
Anspucken | Spuckattacke auf Polizisten | 40 Tagessätze |
»Bullenschweine« | Fußballfan beleidigt mehrere Polizisten | 120 Tagessätze |
»Fick dich« | Mann bei Auflösung eines Trinkgelages | 1 Monat |
»Pumuckl« | Vorbestrafter Fußballfan zu Polizistin | 2 Monate auf Bewährung |
»Dreckspack« und »Abschaum« | Vorbestrafter beleidigt auf Facebook | 3 Monate |
»Scheiß Cops« | Rückfall in Bewährungszeit | 5 Monate |
»Wichser« | zu Polizist bei Kontrolle | 5 Monate |
»Idioten« | Vorbestrafter Rockerchef anlässlich Parkverstoß | 6 Monate |
(Tagessatz ist das Nettoeinkommen des Täters, welches er durchschnittlich an einem Tag hat. Dreißig Tagessätze entsprechen also einem Monatsgehalt.) |
Der Fußballer Stefan Effenberg hatte 2003 einen Polizisten nach einer Kontrolle wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung »Arschloch« genannt. Er versuchte sich erfolglos damit rauszureden, »Schön´n Abend noch« gesagt zu haben. Das Amtsgericht Braunschweig erkannte auf zwanzig Tagessätze zu 5000 Euro, das ergibt 100 000 Euro. Der Fußballstar hatte keine Angaben zu seinem Einkommen gemacht. Es war aber allgemein bekannt, dass Effenberg Millionär war, weshalb das Gericht den damals höchstmöglichen Tagessatz von 5000 Euro annahm. Nach einer erfolgreichen Revision wurde die Tagessatzhöhe auf 500 Euro reduziert, weil Effenberg erfolgreich eine erhebliche Reduzierung seines für die Bemessung der Geldstrafe maßgeblichen Einkommens mit dem Argument erreichte, von seinen Millioneneinkünften seien hohe Kosten für seine Berater abzuziehen (ein Profifußballer scheint überwiegend für seine Berater zu arbeiten …). Effenberg musste schließlich nur noch 10 000 Euro Strafe zahlen.7
Vor dem Suicide Act 1961 war es ein Verbrechen, Selbstmord zu begehen. Der erfolglose Selbstmörder konnte verfolgt werden, während die Familien derer, die Erfolg hatten, auch bestraft werden konnten. Zum Teil spiegelte diese Kriminalisierung religiöse und moralische Einwände gegen den Selbstmord wider. Mit dem Suicide Act 1961 wurde die Strafbarkeit des Selbstmordes aufgehoben.8
Verboten ist in diesem US-Staat insbesondere die Verursachung einer Katastrophe durch Explosion, Feuer, Überschwemmung, Lawine, Einsturz eines Gebäudes, Freisetzung von Giftgas und radioaktivem Material.9
Die Strafe für Verstümmelung oder Verkrüppelung wird im
US-Staat Rhode Island folgendermaßen beschrieben:
Jede Person, die freiwillig, böswillig oder aus Absicht ein Auge aussticht, Nase, Ohr oder Lippe aufschlitzt oder eine Gliedmaße eines anderen abschneidet, abbeißt oder verkrüppelt, wird für ein bis zwanzig Jahre inhaftiert.10
Bevor Sie jemanden in Kanada erschrecken, sollten Sie sich vergewissern, ob er gesund ist. Sonst könnten Sie ungewollt zum Mörder werden.11
Paragraf 2C: 39-13 des Strafgesetzbuchs des US-Staats New Jersey: Unerlaubter Gebrauch von Schutzwesten sieht eine zusätzliche Freiheitsstrafe vor, wenn ein Mörder während der Tat eine Schutzweste trägt.