Judentum für Dummies by Gerhard Langer

Judentum für Dummies

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Über den Autor

Prof. Dr. Gerhard Langer ist Professor für Judaistik am Institut für Judaistik in Wien. Er studierte Katholische Theologie, Judaistik und Altorientalistik in Salzburg und Wien. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen im Judentum in der Antike, in der rabbinischen Literatur, in der jüdischen Bibelinterpretation und in der deutsch-jüdischen Literatur. Langer war lange Zeit im jüdisch-christlichen Dialog tätig und engagiert sich im interreligiösen Gespräch. Er ist Teil eines Forschungszentrums zu Religion und Transformation an der Universität Wien. Wann immer er dazu Zeit findet, schreibt er auch Krimis.

Einführung

Jedes Jahr wird am jüdischen Pessachfest aus einem Büchlein gelesen, der sogenannten Haggada. Darin wird unter anderem die Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten nacherzählt. In der Haggada werden auch vier Kinder vorgestellt, die Fragen stellen. Man kann sie vielleicht so darstellen:

Eine mögliche Erklärung für die vier Typen von fragenden Kindern ist, dass es sich dabei um Anteile handelt, die wir alle in uns tragen, nicht zuletzt den Dummy. Dieses Buch richtet sich daher an alle vier »inneren Kinder«, an das wissende und rebellische genauso wie an das, das einfach nur zuhören und bereitwillig lernen will.

Als Autor dieses Buches entstamme ich einer säkularen Arbeiterfamilie aus dem Salzburger Land, die politisch sozialdemokratisch orientiert war und den Nationalsozialismus stark ablehnte. Ich bin selbst kein Jude, aber ich beschäftige mich seit meinem 15. Lebensjahr intensiv mit dem Judentum, weil es mich, ohne genau erklären zu können, womit es begann, stets fasziniert hat. Ich habe schließlich das Interesse zum Beruf gemacht und vermittle Wissen über das Judentum an der Universität, aber auch in der Erwachsenenbildung.

Ich gebrauche für meine Beziehung zum Judentum gern einen Vergleich. Ich gehöre zwar nicht zur Familie, aber ich bin sozusagen einer ihrer besten Freunde. Als Freund betrachte ich die Familienmitglieder einerseits von außen, andererseits aber niemals neutral oder gar distanziert. Die Familie besteht aus vielen Mitgliedern. Mit manchen verstehe ich mich bestens, mit anderen etwas weniger. Als Freund vermeide ich tunlichst, einem der Familienmitglieder Ratschläge zu erteilen, aber ich bin bereit, die Sorgen genauso zu teilen wie bei freudigen Anlässen dabei zu sein. Ich bin für jedes Gespräch offen. Ich sage meine Meinung frei heraus, aber mit Respekt und Rücksichtnahme auf die Gefühle des anderen. In gewisser Weise gilt ebenso, dass ich die Freunde meiner Freunde auch als meine Freunde betrachte und umgekehrt ihre Gegner ebenso als meine Gegner. Dies nenne ich schlicht Solidarität.

Über dieses Buch

Es gibt viele Bücher über das Judentum, sowohl einführende als auch spezialisierte. Manche sind aus einem gewissen Blickwinkel geschrieben, andere konzentrieren sich auf eine Zeitepoche oder eine bestimmte Richtung. Zu jedem thematischen Kapitel, das in diesem Band behandelt wird, werden Sie viele und umfassende weitere Informationen bekommen. Wer also Lust hat, gleich weiterzulesen und sich zu vertiefen, wird sicherlich bald fündig werden.

Ich habe keine Ahnung, warum Sie das Buch aufschlagen, was Ihre Motivation ist, ob Sie Vorwissen haben oder nicht. Judentum für Dummies versucht nichts anderes, als Ihnen Informationen zum Judentum zu geben, wer auch immer Sie sind und was immer Ihre Motivation sein mag, sich für Judentum zu interessieren. Das Buch will niemanden von einer Sache überzeugen, es ist weder ein Glaubensbuch noch ein Lehrbuch. Aber es ist auch nicht einfach eine Ansammlung von Fakten. Ich hätte nämlich dieses Buch nicht schreiben können, wenn ich nicht von dem überzeugt wäre, was ich schreibe. In ihm steckt also Herzblut.

Judentum für Dummies führt durch drei Jahrtausende und durch eine Vielzahl von Themen. Dies verlangt auch von mir, dass ich die Wahl treffen muss, worauf ich näher eingehen will und welchen Bereich ich eher ein wenig stiefmütterlich behandeln muss. Wenn etwas nicht oder nur oberflächlich behandelt wird, so liegt es selten daran, dass es mir nicht wichtig erscheint. Viel öfter ist der Fall, dass ich mit gewisser Wehmut darauf verzichtet habe, um den Umfang des Buches nicht zu sprengen.

Konventionen in diesem Buch

Es gibt einige wenige Besonderheiten in diesem Buch. Dazu gehört, dass ich Zeitangaben nicht mit vor/nach Christus versehe. In der jüdischen Tradition ist eine andere Zeitrechnung üblich, die von der (aus den religiösen Quellen) errechneten Schöpfung der Welt ausgeht. Im Alltag verwendet man jedoch auch die »christliche« Zeitrechnung. Um die Zeit vor der Geburt und nach der Geburt Jesu zu unterscheiden, sagt man zum Beispiel, wie in diesem Buch üblich, vor/nach allgemeiner Zeitrechnung.

Die Umschrift des Hebräischen

Ich verwende eine einfache Umschrift des Hebräischen. Aufpassen muss man bei folgenden Buchstaben:

  • Ein hebräisches Bet wird im Inneren eines Wortes als w gesprochen. Aber auch ein Waw wird als w gesprochen. Um beides zu unterscheiden, wird in Worten mit Bet im Wortinneren mit einem v umschrieben, also zum Beispiel erev (Abend) und nicht erew. Genauso nicht Schewarim (Bruchteile, ein Schofarton), wie man oft lesen kann, sondern Schevarim.
  • Ein Zajin wird mit z geschrieben, aber als stimmhaftes s ausgesprochen, also wie bei »Rose«.
  • Samech ist stimmlich ein ß, wird als ss geschrieben, also Pessach und nicht Pesach.
  • Ein F existiert im Hebräischen so nicht, aber ein Pe wird im Inneren oder am Ende eines Wortes als f gesprochen, daher auch mit f dargestellt.
  • Tzade entspricht in der Aussprache dem deutschen z. Er wird aber mit tz geschrieben, um es vom Zajin, als stimmhaftes s gesprochen, zu unterscheiden.
  • Ein Schin wird als sch wiedergegeben, nicht wie oft üblich mit sh. Daher auch Schoah und nicht Shoah.

Die Aussprache des Hebräischen

Wichtig: Wörter werden in der Regel auf der letzten Silbe betont, also nicht Tóra, sondern Torá, nicht Tálmud, sondern Talmúd, nicht Mídrasch, sondern Midrásch.

  • Zwei Vokale/Selbstlaute nacheinander werden getrennt, nicht wie im Deutschen – etwa Au oder Eule – zusammengezogen. Daher nicht Reuven, sondern Re-uven (natürlich auf dem zweiten e betont).
  • Hebräisch wird in der Regel ohne Vokale geschrieben. Die Vokale muss man sich ergänzen. Bei den Vokalen gibt es zudem solche (Schwa genannt), die in einer bestimmten Wortstellung im modernen Hebräisch nicht gesprochen, bei Umschriften aber üblicherweise geschrieben werden. So schreibt man normalerweise berit für Bund, spricht aber brit.

Diese Regeln gelten für die heute auch in Israel übliche sefardische Betonung. Im aschkenasischen (mitteleuropäischen) Raum ist häufig auch heute noch eine andere Betonung und Aussprache (analog zum Jiddischen) üblich. Man liest hier zum Beispiel ein (unbetontes) Taw als s. Also etwa nicht b(e)rit (Bund), sondern bris. In diesem Buch wird in der Regel jedoch die sefardische Betonung verwendet. Ausnahmen beziehen sich auf bestimmte Redensarten, wie etwa Mazel tov (viel Glück) gesprochen Másel tov, statt dem sefardisch richtigen Mazál tov.

Wie dieses Buch aufgebaut ist

Judentum für Dummies ist in sechs Teile, fünf große und einen kurzen Top-Ten-Teil, gegliedert. Jeder Teil besteht aus mehreren Kapiteln. Jedes Kapitel ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen gelesen werden. Im Grunde genommen können Sie also anfangen, wo Sie wollen oder von hinten nach vorn lesen, Kapitel auslassen. Natürlich würde ich mich freuen, wenn Sie das ganze Buch lesen.

Teil I: Jüdische Identität

Dieser Teil besteht aus vier Kapiteln. In Kapitel 1 geht es um eine Annäherung an das Judentum, seine verschiedenen Strömungen und um zentrale Themen, die in den weiteren Kapiteln aufgearbeitet werden sollen. Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen des Judentums in der Geschichte beschrieben und die Frage zu beantworten versucht, was überhaupt ein Jude ist. Das dritte Kapitel beschreibt die Bedeutung von Religion für das Judentum und geht auch auf die unterschiedlichen religiösen Strömungen ein. Kapitel 4 erklärt ausgewählte Symbole des Judentums, von der Kleidung bis zum Davidstern.

Teil II: Alles hat seine Zeit

Dieser Teil ist in vier größere Kapitel (5 bis 8) gegliedert und widmet sich ausführlich der Lebenspraxis im Jahresablauf, den Speisegeboten, dem Schabbat und den jüdischen Festen.

Teil III: Ein Leben in Raum und Zeit

In zwei Kapiteln (9 und 10) werden die verschiedenen Lebensphasen des Menschen (von der Geburt bis über den Tod hinaus) und die damit verbundenen Vorstellungen, Riten und Symbole beschrieben. In Kapitel 11 erfahren Sie etwas über die Bedeutung des Tempels in Jerusalem, die Synagogen und die religiöse Praxis im »Haus«. Themen sind hier auch die Stellung der Frau und die Verantwortung der Menschen füreinander, die sich etwa in sozialer Solidarität ausdrückt.

Teil IV: Ewiges Lernen

Kapitel 12 beschäftigt sich mit dem Lernen, einer der zentralen Säulen jüdischer Identität, und bietet auch einen Überblick über die klassischen Lernstoffe. Kapitel 13 widmet sich den Sprachen, die für Juden besondere Bedeutung erlangt haben. In Kapitel 14 wird besonderes Augenmerk auf die verschiedenen Wege gelegt, Wissen und Erkenntnis zu erlangen. Prophetie, Philosophie und nicht zuletzt die Mystik, die einen Einblick in die verborgenen Elemente des Universums und des Göttlichen erhalten möchte, werden hier behandelt.

Teil V: Zentrum und Peripherie

Dieser letzte große Teil bietet in zwei Kapiteln (15 und 16) einen Überblick über die jüdische Geschichte und Geschichtsschreibung. In Kapitel 17 wird die jahrhundertelange Erfahrung von Antijudaismus und Antisemitismus thematisiert. Hier muss auch über die Schoah / den Holocaust gehandelt werden. Kapitel 18 wiederum widmet sich einerseits dem Staat Israel, andererseits auch allgemein der Frage nach der Bedeutung des Landes Israel sowie dem Verhältnis zwischen Juden im Land und in der Diaspora.

Teil VI: Der Top-Ten-Teil

Darin werden zehn häufig gestellte Fragen beantwortet. Dazu werden zehn besonders bedeutende jüdische Menschen kurz vorgestellt.

Symbole, die in diesem Buch verwendet werden

Dieses Symbol ist das am häufigsten verwendete und betont innerhalb des Textes Bereiche, die es wert sind, besonders beachtet zu werden, oder es verdienen, dass auf sie aufmerksam gemacht wird.

Dieses Symbol kommt selten vor, warnt aber vor Missverständnissen oder Vorurteilen.

Manchmal lohnt es, auf etwas aufmerksam zu machen, das nicht vergessen werden sollte.

Gelegentlich muss eine Sache definiert, das heißt sehr genau beschrieben und abgegrenzt werden.

Selten, aber doch gibt es einen Tipp.

Beispiele sind notwendig, damit Erklärungen nicht trocken oder langweilig wirken.

Ohne Anekdoten oder humorvolle Beiträge wäre ein solches Buch langweilig.

Teil I

Jüdische Identität