Das Buch

Mary Beard nimmt uns mit auf eine Reise durch zwei Jahrtausende Kunst- und Kulturgeschichte: Ausgehend von den kaiserlichen Porträts und Skulpturen der römischen Politik, erzählt sie von fluiden Identitäten, beabsichtigten und unbeabsichtigten Verwechslungen und grotesken Fälschungen. Sie rekonstruiert Tizians verlorenes Kaiserzimmer und erkundet die berühmten Cäsarenteppiche Heinrichs VIII. Sie macht sichtbar, wie die römischen Kaiser in den Kunstwerken der Renaissance fortleben und in welcher Form sie in den Arbeiten einer afroamerikanischen Bildhauerin im 19. Jahrhundert auftauchen. Beards Reise führt bis in die Gegenwart: Warum gilt der Lorbeerkranz siegreicher Cäsaren noch immer als Erfolgssymbol? Wieso werden glücklose Herrscher als Neros karikiert, die fiedeln, während Rom darnieder brennt?

»Was studieren wir, wenn wir die antike Welt erkunden? Wir studieren uns selbst. Die Antike liefert uns eine Metapher für die Gegenwart.« MARY BEARD

Die Autorin

MARY BEARD, geboren 1955 in Much Wenlock/Shropshire, lehrt an der Cambridge University Alte Geschichte. Sie ist Herausgeberin des Bereichs Altertumswissenschaften für das Times Literary Supplement sowie Autorin und Moderatorin der berühmten BBC-Serie Meet the Romans. Für ihre große Geschichte Pompejis erhielt sie den Wolfson History Prize. Sie ist Fellow of the British Academy und gilt in der angelsächsischen Welt als bekannteste lebende Althistorikerin, zugleich ist sie eine der streitbarsten. Zuletzt erschienen von ihr die Bestseller SPQR. Die tausendjährige Geschichte Roms und Frauen und Macht.

Der Verlag

Propyläen wurde 1919 durch die Verlegerfamilie Ullstein als Verlag für hochwertige Editionen gegründet. Der Verlagsname geht zurück auf den monumentalen Torbau zum heiligen Bezirk der Athener Akropolis aus dem 5. Jh. v. Chr. Heute steht der Propyläen-Verlag für anspruchsvolle und fundierte Bücher aus Geschichte, Zeitgeschichte, Politik und Kultur.

Mary Beard

ZWÖLF CÄSAREN

Gesichter der Macht von der Antike bis in die Moderne

Aus dem Englischen
von Ulrike Bischoff

Propyläen

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel Twelve Caesars
bei Princeton University Press, Princeton und Oxford.

Besuchen Sie uns im Internet:
www.ullstein.de

Wir wählen unsere Bücher sorgfältig aus, lektorieren sie gründlich mit Autoren und Übersetzern und produzieren sie in bester Qualität.

Hinweis zu Urheberrechten
Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten.
Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.

In diesem Buch befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.

ISBN: 978-3-8437-2749-5

© 2021 by Board of Trustees, National Gallery of Art, Washington
© der deutschsprachigen Ausgabe
2022 Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Rothfos & Gabler, Hamburg
Umschlagmotive: ANSA Xll 823 Unbek. Meister / Jan Vermeyen, Kameo, zwölf römische lmperatoren, Julius Cäsar: KHM-Museumsverband
Shutterstock / Crista Verona; Shutterstock / Putthipong Wiriya-apa
E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

In Dankbarkeit und erfüllt von schönen Erinnerungen der American Academy of Rome gewidmet

DIE ZWÖLF CÄSAREN

INHALTSVERZEICHNIS

Über das Buch, die Autorin und den Verlag

Titelseite

Impressum

Widmung

Die zwölf Cäsaren

Vorwort

Kapitel 1

Ein römischer Kaiser und ein amerikanischer Präsident

Vom Sarg zu Porträts

Eine Welt voller Cäsaren

Antik-modern

Imperiale Verknüpfungen:
von Napoleon und seiner Mutter
bis zum letzten Abendmahl

Sueton und seine zwölf Cäsaren

Der Blickwinkel der römischen Kaiserzeit

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 2

»Es ist Cäsar!«

Julius Cäsar und seine Statuen

Für und Wider

Cäsars »Aussehen«

Vorausplanung

Cäsar Augustus und die Kunst
der Dynastie

Der Schädel des Vitellius

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 3

Münzen im Bild

Münzporträts

Kaiser darstellen

Die Römer und wir

Die Renaissance und die Römer

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 4

Silberne Cäsaren

Das perfekte Set?

Neuerfindungen, unscharfe Ränder und in Arbeit befindliche Werke

Neue Kleider für die Kaiser von Rom bis Oxford

Die umgruppierten silbernen Cäsaren

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 5

Glücksfunde?

Das »Cäsarenkabinett«

Offene Fragen, Erklärungen und das Erbe der römischen Kaiserzeit

Von Mantua nach London und Madrid

Die Kunst der Replikation

Die Schrift an der Wand

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 6

Die Cäsaren auf der Treppe

Mantegnas Cäsar

Die gewebten Cäsaren in Hampton Court

Lukan auf Tapisserien

Negative Reaktionen

Laster und Geschichte der Cäsaren

Vitellius 1847

Mord

Das Ende Neros

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 7

Agrippina und die Asche

Frauen und Macht?

Große und kleine Skulpturen

Mütter, Matriarchinnen, Opfer und Huren

Die Agrippinas

Agrippina die Dritte

Anmerkungen zum Kapitel

Kapitel 8

Rückblick

Cäsarenbildnisse heute

Anmerkungen zum Kapitel

Danksagung

Anhang

Die Verse unter Aegidius Sadelers Kupferstichreihe der Kaiser und Kaiserinnen von Rom

Bibliografie

Liste der Illustrationen

Feedback an den Verlag

Empfehlugnen

VORWORT

Noch immer sind wir von römischen Herrschern umgeben. Seit annähernd zweitausend Jahren ist Rom nicht mehr die Hauptstadt eines Imperiums, aber noch heute kennt – zumindest im Westen – fast jeder den Namen und manchmal sogar das Bild Cäsars oder Neros. Ihre Gesichter begegnen uns nicht nur in Museen und Galerien, sondern auch in Filmen, Werbung und Zeitungskarikaturen. Ein Karikaturist braucht sehr wenig (einen Lorbeerkranz, Toga, Lyra und ein paar Flammen im Hintergrund), um aus einem modernen Politiker einen »Nero, der fiedelt, während Rom brennt«, zu machen, und die meisten von uns verstehen die Pointe. In den vergangenen gut fünfhundert Jahren wurden diese Kaiser und manche ihrer Ehefrauen, Mütter, Söhne und Töchter unzählige Male in Gemälden, Tapisserien, Silberzeug, Keramiken, Marmor und Bronze abgebildet. Nach meiner Einschätzung gab es vor dem »Zeitalter der mechanischen Reproduktion« in der westlichen Kunst mehr Darstellungen römischer Kaiser als von allen anderen Persönlichkeiten, abgesehen von Jesus, der Jungfrau Maria und einer Handvoll Heiliger. Caligula und Claudius finden über die Jahrhunderte und die Kontinente hinweg mehr Resonanz als Karl V. oder Heinrich VIII. Ihr Einfluss reicht weit über die Bibliothek oder den Hörsaal hinaus.

Mit diesen antiken Herrschern habe ich mich in meinem Leben mehr befasst als die meisten Menschen. Seit nunmehr vierzig Jahren machen sie einen wesentlichen Teil meiner beruflichen Tätigkeit aus. Ich habe ihre Äußerungen von ihren Rechtsurteilen bis hin zu ihren Scherzen genauestens studiert. Ich habe ihre Machtbasis analysiert, ihre Nachfolgeregelungen (oder deren Fehlen) zerpflückt und oft genug ihre Dominanz bedauert. Ich habe mir ihre Köpfe auf Kameen und Münzen angesehen, und ich habe Studenten beigebracht, sich an dem zu erfreuen, was römische Schriftsteller über sie zu sagen hatten, es aber auch eingehend zu hinterfragen. Die Schauergeschichten über Tiberius’ Eskapaden in seinem Swimmingpool auf Capri, die Gerüchte über Neros Begierde nach seiner Mutter und über Domitians Umgang mit Fliegen (die er mit seinem Schreibgriffel quälte) kommen in der modernen Vorstellungswelt gut an und verraten uns sicher eine Menge über die Ängste und Fantasien der alten Römer. Aber wie ich allen, die solche Berichte gern für bare Münze nehmen, immer wieder sage, sind sie nicht unbedingt »wahr« im üblichen Sinne des Wortes. Ich bin von Beruf Altertumsforscherin, Historikerin, Professorin, Skeptikerin und gelegentlich Spaßverderberin.

In diesem Buch richte ich meine Aufmerksamkeit auf die modernen Kaiserbilder, die uns umgeben, und stelle einige der grundlegendsten Fragen dazu, wie und warum sie produziert wurden. Warum haben Künstler seit der Renaissance diese antiken Charaktere in so großen Mengen und auf so vielfältige Weise dargestellt? Warum haben Kunden diese Werke gekauft, seien es nun aufwendige Skulpturen oder billige Plaketten oder Drucke? Was bedeuten die Gesichter längst verstorbener Autokraten, von denen weitaus mehr für ihre Schurkereien als für ihr Heldentum berühmt sind, einem modernen Publikum?

In den folgenden Kapiteln spielen die antiken Kaiser eine herausragende Rolle, besonders die ersten »zwölf Cäsaren«, wie sie häufig genannt werden (siehe Tafel 1) – von Julius Cäsar (ermordet 44 v. Chr.) über Tiberius, Caligula, Nero und weitere bis hin zum Fliegen quälenden Domitian (ermordet 96). Nahezu alle modernen Kunstwerke, die ich bespreche, entstanden im Dialog mit den römischen Darstellungen ihrer Herrscher und mit all den antiken Berichten über deren Taten und Missetaten, so weit hergeholt sie auch sein mögen. In diesem Buch teilen sich die Cäsaren das Rampenlicht jedoch mit einer großen Bandbreite moderner Künstler: Manche wie Mantegna, Tizian oder Alma-Tadema sind in der westlichen Tradition wohlbekannt, andere gehören Generationen von mittlerweile anonymen Webern, Kunsttischlern, Silberschmieden, Druckern und Keramikern an, die einige der beeindruckendsten Bildnisse dieser Cäsaren geschaffen haben. Sie teilen sich das Rampenlicht wiederum mit einer Auswahl von Humanisten der Renaissance, Altertumsforschern, Gelehrten und modernen Archäologen, die viel Energie darauf verwandt haben, diese antiken Gesichter der Macht – richtig oder falsch – zu identifizieren oder zu rekonstruieren, und mit einer noch größeren Bandbreite von Menschen, von Reinigungskräften bis hin zu Höflingen, die von dem, was sie sahen, beeindruckt, aufgebracht, gelangweilt oder verwirrt waren. Mit anderen Worten: Mich interessieren nicht nur die Herrscher und die Künstler, die sie in Bildnissen wieder aufleben ließen, sondern auch wir, die wir sie uns anschauen.

Ich hoffe, dass uns einige Überraschungen und unerwartet »extreme« Aspekte der Kunstgeschichte erwarten. Wir werden Kaiser an äußerst überraschenden Orten begegnen, von Schokolade bis hin zu Tapeten des 16. Jahrhunderts und schrillen Wachsfiguren aus dem 18. Jahrhundert. Wir werden über Statuen rätseln, deren Datierung bis heute so umstritten ist, dass die Experten sich nicht einigen können, ob es sich um antike römische Werke, moderne Pastiches, Fälschungen, Repliken oder kreative Renaissance-Beiträge zur Tradition der römischen Kaiserzeit handelt. Wir werden der Frage nachgehen, warum so viele dieser Bildnisse jahrhundertelang fantasievoll anderen Personen zugeordnet oder durcheinandergebracht wurden: Ein Herrscher wurde für einen anderen gehalten, Mütter und Töchter verwechselt, Frauengestalten der römischen Geschichte als männlich (fehl)gedeutet oder umgekehrt. Und wir werden anhand erhalten gebliebener Kopien und anderer schwacher Hinweise eine verloren gegangene Reihe von Porträts aus dem 16. Jahrhundert rekonstruieren, die Menschen aus der römischen Kaiserzeit zeigten und heute nahezu in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie damals so bekannt waren, dass sie die in ganz Europa gängige Vorstellung der Cäsaren prägten. Mein Ziel ist, aufzuzeigen, warum Bildnisse dieser römischen Kaiser – obwohl sie vielleicht Autokraten und Tyrannen waren – nach wie vor in der Kunst- und Kulturgeschichte eine Rolle spielen.

Die Ursprünge dieses Buches gehen auf die A.W. Mellon Lectures in the Fine Arts zurück, die ich im Frühjahr 2011 in Washington, D. C., gehalten habe. Seitdem habe ich neues Material entdeckt, neue Kontakte geknüpft und einige meiner Fallstudien eingehender (und in unterschiedliche Richtungen) erforscht. Aber das Buch beginnt und endet ebenso wie die Vorlesungen mit einem merkwürdigen Objekt, das früher nur einen Steinwurf vom Vortragssaal der National Gallery of Art entfernt stand, in dem ich meine Vorträge hielt: kein Kaiserporträt, sondern ein großer römischer Marmorsarg oder Sarkophag, der – wie manche glaubten und in einem entsprechenden Hype verbreiteten – einst als letzte Ruhestätte eines Kaiser gedient hatte.