Zeitenbruch

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Fußnoten

  1. »Schließlich kam die Erde zur Ruhe und trat in die von Geologen so genannte Epoche des Holozäns (aus dem Griechischen: ›das völlig Neue‹) ein, eine der regelmäßig zwischen Eiszeiten auftretenden Warmzeiten. Wir bezeichnen sie als Garten-Eden-Epoche oder Goldlöckchen-Epoche [nach dem engl. Märchen Goldilocks and the Three Bears, Anm. d. Übers.], weil sie nicht zu warm und nicht zu kalt war. Die prägenden Merkmale des Holozäns waren ein ungewöhnlich stabiles Klima, selbst im Vergleich zu anderen Warmzeiten, sowie die Empfindlichkeit dieser Stabilität. […] Das Holozän ist die Geschichte einer Spezies, die ihren Planeten zu dominieren beginnt und die lebenserhaltenden Systeme überfordert, die diesen Planeten in seinem verblüffenden, relativ stabilen Zustand halten.« Johan Rockström, Owen Gaffney, Breaking Boundaries. The Science of Our Planet, London, 2021, S. 48.

  2. »Auf unserem Planeten wirken drei riesige Systeme, die bekannte Kipppunkte haben und den Zustand des gesamten Planeten regulieren. Es handelt sich um (1) das Klimasystem, (2) die Ozonschicht und (3) die Ozeane.« Rockström/Gaffney, a.a.O., S. 77.

  3. Siehe dazu den Essay von Burkhard Müller »Von wegen Anthropozän«, in der Zeitschrift MERKUR Nr. 865, 75. Jahrgang, Juni 2021, Nr. 865, S. 5f., 75: »Die Welt ist älter und tiefer, so alt und tief, dass wir, wenn wir uns auch ihres irdischen Raums zur Gänze bemächtigen, ihre eigentliche Dimension noch nicht einmal geritzt haben. Jeder Stein, den wir in die Hand nehmen, sollte uns zum Verstummen bringen. Er liegt einfach so auf dem Feld herum und ist doch, je nachdem, zehn Millionen Jahre alt, hundert Millionen oder eine halbe Milliarde; und er wird da leicht noch ebenso lang in der Zukunft liegen.«

  4. »Die industrielle Revolution war erst der Anfang einer Revolution, so extrem und radikal, wie sie nur je den Geist von Sektierern befeuerte, aber dieses neue Glaubensbekenntnis war durch und durch materialistisch und vermeinte, alle menschlichen Probleme könnten durch das Vorhandensein einer unbeschränkten Menge materieller Güter gelöst werden.« Karl Polanyi, The Great Transformation, Frankfurt/M 1978, S. 68.

  5. »Im Laufe der letzten paar Jahrzehnte haben Wissenschaftler vieler Disziplinen ihre Kräfte gebündelt und ein höchst umfassendes Bild davon gezeichnet, was zum Teufel da eigentlich gerade passiert ist. Ursprünglich hielten sie den Beginn der industriellen Revolution für den Moment, in dem die Menschheit zu einer planetarischen Kraft wurde. Doch diese Sichtweise hat sich kürzlich geändert. Mittlerweile liegen erdrückende Beweise vor, dass die Menschheit in Wahrheit in den 1950er-Jahren damit begonnen hat, das Lebenserhaltungssystem der Erde zu überlasten. Die Verhältnisse nach dem Zweiten Weltkrieg begünstigten eines der einschneidendsten Ereignisse nicht nur in der Geschichte der Menschheit, sondern in der Geschichte unseres Planeten. Der Beginn dieser Periode ist als ›Nachkriegsboom‹, Golden Age of Capitalism oder Les Trente Glorieuses (›die dreißig glorreichen Jahre‹) bezeichnet worden. Treffender allerdings ist ›Große Beschleunigung‹ (Great Acceleration), und diese hält bis heute an. Die Daten hinter der Großen Beschleunigung führten zu der Einsicht, dass die Erde das Holozän, also unsere Goldlöckchen-Epoche, verlassen hat. Innerhalb nur eines Menschenalters ist die Erde in eine weit ungewissere Epoche eingetreten: das Anthropozän.« Rockström/Gaffney, a.a.O., S. 59f.

  6. »Krieg ist Vater von allen und König von allen. Die einen erweist er als Götter, die anderen als Menschen, die einen macht er zu Sklaven, die anderen zu Freien«, aus: Die Vorsokratiker, Bd. 1, Düsseldorf 2007, S. 307.

  7. IPCC – Intergovernmental Panel on Climate Change.

  8. »Im meistzitierten Einzeiler des Faches Internationale Beziehungen erklärt der antike griechische Historiker Thukydides: ›Es waren der Aufstieg Athens und die Furcht, die das in Sparta auslöste, die den Krieg unausweichlich machten.‹« Graham Allison, Destined for War, Boston, New York 2017, S. XIV, und weiter: »Dieses Phänomen habe ich als ›Thukydides-Falle‹ bezeichnet: die starke strukturelle Spannung, die entsteht, wenn eine aufstrebende Macht sich anschickt, eine herrschende Macht zu stürzen. Unter solchen Umständen können nicht nur außergewöhnliche, unerwartete Ereignisse, sondern schon gewöhnliche außenpolitische Reibereien einen weitreichenden Konflikt auslösen.« Allison, a.a.O., S. 29f.

  9. »Weltklimarat: Erde erwärmt sich immer schneller. Wissenschaftler warnen vor Anstieg der Temperatur um 1,5 Grad bis 2030 … Schon im Jahr 2030 könne die Erde 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Zeitalter sein. Das wäre zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert.« Der Tagesspiegel vom 10. August 2021.

  10. »Bis Ende 2021, so schätzen die meisten Analysten, wird das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) 71 Prozent des US-amerikanischen BIP entsprechen. Zum Vergleich: In den frühen 1980er-Jahren, während des Kalten Krieges, entsprach das BIP der Sowjetunion weniger als 50 Prozent des BIP der USA.« Wang Jisi, »The Plot Against China? How Beijing Sees the New Washington Consensus«, in: Foreign Affairs, Bd. 100, Nr. 4, Juli/August 2021, S. 48.

  11. »Was aber genau ist ein Kipppunkt? In unserem Kontext ist ein Kipppunkt die Schwelle, an der ein komplexes System, beispielsweise ein Gehirn oder ein Regenwald, einen relativ stabilen Zustand verlässt und in einen neuen Zustand zerfällt. Dies kann durch sehr kleine Veränderungen ausgelöst werden […] Was passiert, wenn wir einen Kipppunkt des Klimasystems überschreiten? Zunächst einmal können wir es uns abschminken, uns dem Klimawandel schrittweise anzupassen. Der Anstieg der Meeresspiegel wird sich beschleunigen und weniger vorhersagbar werden. Die Natur wird massiv Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre ausstoßen, wenn das Erdreich jenseits des Nordpolarkreises auftaut, Feuer in der Arktis wüten und der Amazonasregenwald sich von einem CO2-Speicher in einen CO2-Emittenten verwandelt. Die jetzige Generation sowie Dutzende zukünftiger Generationen werden davon betroffen sein, bis der Planet in ein neues Gleichgewicht findet.« Rockström/Gaffney, a.a.O., S. 71f.

  12. Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 13. August 2021.

  13. Bruno Latour, Das terrestrische Manifest, S. 121–123.

  14. Während ich dies schreibe, breitet sich die neue, zuerst in Südafrika entdeckte Variante des Cov-19-Virus namens »Omikron« in großer Geschwindigkeit weltweit aus, die mutmaßlich noch ansteckender, wenn auch nicht unbedingt gefährlicher ist als ihre Vorgängervarianten.

  15. »Klimawandel erhöht Flutrisiken – Die erste wissenschaftliche Auswertung der tödlichen Juli-Fluten in der Ahr- und Erftregion sowie an der Maas in Belgien hat einen deutlichen Einfluss des Klimawandels auf solche Extremhochwasser festgestellt. Es gebe nun ›eine hohe statistische Sicherheit, dass der menschengemachte Klimawandel die Wahrscheinlichkeit und die Intensität eines solchen Ereignisses erhöht hat und dass sich diese Entwicklung mit einer weiteren Klimaerwärmung fortsetzt‹. So lautet das Fazit einer Analyse der ›World Weather Attribution‹-Initiative, an der sich 39 Wissenschaftler aus 22 internationalen Forschungsinstituten beteiligten.« FAZ vom 25. August 2021, S. 4; siehe auch die Webseite worldweatherattribution.org

  16. »Mehr als eine Milliarde Menschen ohne Strom – Statt mit Strom kochen laut UN-Bericht immer mehr Menschen mit gesundheitsschädlicher Holzkohle oder Dung. Und die Industrieländer senken ihren Energieverbrauch nicht genug. Mehr als eine Milliarde Menschen auf der Welt haben keinen Zugang zur Elektrizität. Das geht aus einem Bericht der UN-Initiative Sustainable Energy for all hervor, den die Weltbank und die Internationale Energieagentur (IEA) in New York vorstellten.« https://www.zeit.de/wirtschaft/2017–04/energie-strom-zugang-gesundheitsschaedliche-brennstoffe-sustainable-energy-for-all?wt_zmc=sm.ext.zonaudev.mail.ref.zeitde.share.link.x.

  17. »Zusammengefasst sind es die folgenden Hauptpunkte, die wir wirklich verstehen müssen. Erstens zeigt uns die Wissenschaft mit überwältigender Klarheit, dass ein Einhalten der planetaren Belastungsgrenze von 1,5 °C uns Menschen eine Zukunft gewähren wird, die wir bewältigen können. Bei 2 °C werden die Folgen extremer ausfallen. Zweitens sind in dieser Prognose nur direkte Folgen berücksichtigt. Zusätzlich besteht die Gefahr, Kipppunkte zu überschreiten und dadurch eine selbstverstärkende Erwärmung der Erde auszulösen. Bei mehr als 2 °C drücken wir möglicherweise auf den Ein-Schalter und erhöhen die globale Temperatur um weitere 0,5 °C. In diesem Fall droht eine unaufhaltsame Kaskade. Die Reise ins Treibhaus würde beginnen.« Rockström/Gaffney, a.a.O., S. 98.

  18. »Im Jahr 2030 kommt bereits etwa jedes dritte Kind in Afrika auf die Welt, heute ist es noch jedes vierte. Dies und die steigende Lebenserwartung in den meisten afrikanischen Ländern haben zur Folge, dass von den rund 2 Milliarden Menschen, um die die Erdbevölkerung bis 2050 anwachsen wird, etwa die Hälfte auf Afrika entfallen wird.« nzz.ch/international/demographischer-wandel-7-prognosen-zur-weltbevölkerung-2050-ld.1626318.

  19. »Aber wie kann angegeben werden, wo wir uns befinden, wenn dieses Etwas, ›auf‹ oder ›in‹ dem wir sitzen, auf unsere Handlungen zu reagieren beginnt, zu uns zurückkommt, uns umschließt, uns beherrscht, etwas von uns verlangt und uns in seinem Lauf mitreißt? … Das TERRESTRISCHE stellt nicht länger llein den Rahmen des menschlichen Handelns dar, es ist vielmehr Teil davon. Der Raum ist … zu einer bewegten Geschichte geworden, in der wir selbst nur Beteiligte unter anderen sind, die auf Reaktionen anderer reagieren. Augenscheinlich landen wir mitten in der Geogeschichte … Das TERRESTRISCHE ist zweifellos eine NEUE WELT, ähnelt aber keineswegs der einst von den Modernen ›entdeckten‹, dann aber entvölkerten. Das ist keine neue Terra Incognita für Forscher mit Kolonialhelm. Keinesfalls handelt es sich um eine res nullius, bereit zur Appropriation.« Latour, a.a.O., S. 53.

Die Übersetzungen der Zitate aus Rockström/Gaffney (Breaking Boundaries, The Science of our Planet, London 2021), Graham Allison (Destined for war, Boston 2017), Wang Yisi (»The Plot against China? How Beijing sees the new Washington Consensus«, Foreign Affairs, Bd. 160, Nr. 4, 2021) wurden erstellt von Michael Schickenberg.

Bruno Latour, Das terrestrische Manifest Berlin 2020, S. 51.