E. S. Schmidt
Rho

Science-Fiction

Danksagungen

Wie schon bei anderen Büchern hat mir Eva Bergschneider von phantastisch-lesen.com auch für „Rho“ wertvolle Korrekturen und Anmerkungen gegeben. Barbara Brüning hat als Autorin und Therapeutin wertvolle Hinweise zum Figurenbau beigesteuert. Dem immer sehr gründlichen und geistreichen Jonas Ohland verdanke ich das Schachspiel zwischen Keith und Phil und damit die Symbolik des „weißen Königs“, und Ulrike Andrich war auch wieder mit von der Partie, die mir gekonnt die emotionale Leserreise gespiegelt hat.

Impressum

Schmidt, E. S.: Rho, Hamburg, Plan9 Verlag 2022
Originalausgabe 2022
ePub: ISBN 978-3-948700-40-9
PDF-eBook: ISBN 978-3-948700-41-6
ISBN: 978-3-948700-39-3
Lektorat: Martina Campbell, Reinheim
Korrektorat: Antonia Jack, Hamburg
Satz: DocAlign GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Christl Glatz, © Agentur Guter Punkt, München
Umschlagmotiv: ©olegbreslavtsev/iStock/Getty Images Plus;
1215254582 (Horizont); ©Cha_DZ/iStock/Getty Images Plus;
515447460 (Dünen); ©Bene_A/iStock/Getty Images Plus;
635909448 (Menschen); ©liuzishan/AdobeStock;
352777428 (Termitenstadt); ©BertrandB/iStock/Getty Images Plus;
145842361 (Lichter); ©Grandfailure/iStock/Getty Images Plus;
655272104 (Himmel)
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© Plan9 Verlag, Hamburg 2022
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RHO

»Das Bett ist frei«, sagte Moira, als sie ins Wohnzimmer kam. Der Wandscreen hämmerte irgendeinen Party­song und zeigte zuckende Körper in Stroboskoplicht. »Screen, Lautstärke runter!« Der Lärm reduzierte sich um ein paar Dezibel.
Nuri saß am Tisch, vor sich verstreute Gurkenchips, und schälte etwas aus einer Plastikhülle. Eine Flasche JuiceUp hatte Ringe auf der Tischplatte hinterlassen. Nuris Jacke lag über dem Sessel und ihre Schuhe mitten im Raum. Moira kickte sie zumindest neben die Tür.
Manchmal kam sie sich vor wie Nuris Mutter, dabei war sie bloß acht Jahre älter als das Partygirl mit der violetten Igelfrisur. In solchen Momenten bereute sie es, bei Medi­Care gekündigt zu haben. Statt als respektable Ärztin in einem Corporate Village zu residieren, musste sie sich jetzt mit den Mieten in der City von New Boston herumschlagen, und das bedeutete: Wohngemeinschaft.
Nuri warf die Verpackung in Richtung Verwerter, dessen Klappe natürlich offenstand, und verfehlte ihn. Moira bückte sich, und bevor sie die Verpackung in den Schacht fallen ließ, warf sie einen Blick auf das Etikett. Schmuckanhänger Babyschnuller. Ein Klassiker unter den Symbol-Geschenken. Sie schloss die Klappe. »Du willst es ihm also sagen?«
Nuri drehte das neonfarbene Teil zwischen den Fingern. »Ich denke, er hat ein Recht darauf.«
»Er wird dir bloß reinreden. Außerdem wolltest du es nach der Geburt doch ohnehin freigeben.«
»Im Moment denke ich jeden Tag was anderes. Vielleicht hilft es, wenn ich es mit ihm bespreche.«
Moira schnaubte. »In der alten Welt haben die Frauen dafür gekämpft, selbst über ihren Uterus entscheiden zu dürfen. Und du willst dieses Recht jetzt wieder abgeben?«
Nuri stand abrupt auf, die Faust um den Anhänger geschlossen. »Wir leben aber nicht mehr in der alten Welt, sondern auf Deuteragäa. Und immerhin ist er der Vater.«
»Ganz prima. Am Ende bietest du ihm noch an, dem Kind seinen Nachnamen zu geben.«
»So ein Quatsch. Bülent ist doch kein Macho!« Nuri ging ins Schlafzimmer, aber in der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Eine Beziehung bedeutet eben, nicht nur an sich selbst zu denken. Aber was weißt du schon davon?«
»Nimm deine Jacke mit!«, rief Moira hinter ihr her, aber da hatte sich die Tür schon geschlossen. Offenbar hielt sich Nuri jetzt für eine Beziehungsexpertin, bloß weil sie schon über sechs Monate mit dem gleichen Mann zusammen war. Was trieb Menschen nur dazu, unbedingt eine Familie gründen zu wollen? Warum halste man sich freiwillig die Verantwortung für das Glück anderer Leute auf? Eines Partners und dann noch eines Kindes? Die meisten konnten ja noch nicht einmal für das eigene Glück sorgen. Hoffentlich waren diese Stimmungsschwankungen bald vorbei. Bis zur wievielten Woche hielten die noch gleich an?
Die Zukunft sah schwarz aus. Wenn Nuri nicht abtrieb oder das Kind freigab, würden sie sich die Wohnung mit einem schreienden Baby teilen müssen. Vielleicht zog Nuri ja auch zu Bülent, und dann müsste Moira sich einen neuen Mitbewohner suchen. Oder noch schlimmer, Bülent zog bei ihnen ein. Das Bett war zwar zu klein für ein Paar, aber er konnte ja in die Rote Phase wechseln. Dann wäre Schluss mit dem frühen Zubettgehen und dem gemütlichen Lesen zwischen den Kissen. Dann würde das Bett rund um die Uhr belegt sein. Keine Ausweichmöglichkeit mehr zwischen den acht Stunden, die jedem Bewohner zustanden.
Missmutig hielt Moira die Hand gegen den Wandscreen und der Sensor erkannte den zwischen Daumen und Zeigefinger eingepflanzten Chip. Der Screen schaltete zu den City-News, gleichzeitig drehten sich am Fenster die Jalousien und ließen mehr Licht herein. Ein Jingle wies Moira auf eine Nachricht hin, und sie verdrehte die Augen. Ihre Mutter, die sie mit dem indischen Mammee ansprach, hatte mal wieder eine lange Filmnachricht geschickt. Seit der Scheidung von Dad hatte Mammee sich mehr und mehr in die indische Community zurückgezogen und schickte nun immer wieder ausufernde Updates über das Leben von Leuten, die Moira bloß vom Namen her kannte. Heute hatte sie wirklich keine Zeit, sich das alles anzuhören. Stattdessen überflog sie das aktuelle Ranking der E-Sport-Mannschaften, während sie sich einen Zopf flocht. Praktisch für die Reise. Das dicke, schwarze Haar war ein Erbe ihrer indischen Vorfahren und nach ihrer Hautfarbe zu urteilen, waren darunter mehr Unberührbare als Brahmanen gewesen, worauf Moira durchaus stolz war. Es bedeutete, dass sie sich durchgebissen hatten. Sie warf sich den Zopf auf den Rücken. »Meldungen starten.«
Während sie ihre Frühstücksflocken in eine Schüssel rieseln ließ, erfuhr sie, dass DJ Hanna ihrem dritten Ehemann den Laufpass gegeben hatte, während die beiden anderen Mitglieder dieser Vierer-Ehe im Ski-Urlaub waren. Nic Ganby beschuldigte die Regisseurin seines letzten Filmes eines sexuellen Übergriffs, und die Kommission schrieb einen Wettbewerb für das Logo zur Hundert-Jahr-Feier der Besiedelung aus. Waren es tatsächlich nur noch zwei Jahre bis dahin? Sie sollte sich langsam überlegen, welches medizinische Thema sich für eine Reportage zu diesem Anlass eignete. Vielleicht eine geschichtliche Doku. Medizin auf Deuteragäa – in hundert Jahren von der Farkin-Sepsis zum therapeutischen Chatbot. Ach, viel zu generisch. Bestimmt arbeitete schon irgendjemand an dem Thema.
Vielleicht sollte sie sich lieber auf ein allgemeines biologisches Thema verlegen. Aber welches? Nachdenklich goss sie den Fruchtsaft über ihr Müsli. Wie mochte das gewesen sein, damals, vor hundert Jahren?
Die Entdeckung von Deuteragäa hatte auf der Erde Begeisterung ausgelöst. Ein Exoplanet von annähernd Erdgröße, in nur neununddreißig Jahren Flugzeit zu erreichen, und mit einer Sauerstoffatmosphäre! Leider hatte sich die Hoffnung auf eine andere intelligente Spezies nicht erfüllt. Oder vielleicht war das auch ein Glück, denn auf diese Weise konnte man schalten und walten, gestalten und ausbeuten, ohne Rücksicht zu nehmen. So, wie die Menschen es schon immer getan hatten.
»Ton aus.« Moira setzte sich auf den Schemel, der noch von Nuri angewärmt war, und während sie ihr Frühstück löffelte, folgte sie den schriftlichen Headlines am unteren Bildschirmrand. Hier liefen die Corporate News, für die sich die wenigsten interessierten, weshalb es dafür keine Filmbeiträge gab.
Vielleicht aber war es auch umgekehrt: Weil es keine Filmbeiträge gab, verminderte sich das Interesse. Eine Strategie der Konzerne, um die Aufmerksamkeit zu senken, insbesondere wenn sie etwas aus gesetzlichen Gründen veröffentlichen mussten.
Viel Neues gab es allerdings nicht. S-Trans kündigte ein Nachfolgemodell des P36 an. Dabei liefen die alten Scooter einwandfrei. Trotzdem würde vermutlich in einem halben Jahr keiner mehr auf den Straßen zu sehen sein. Auch gut. Die Scooter würden wenigstens wieder nach neuem Plastik riechen, und nicht nach dieser Mischung aus Hasch, Kotze und billigem Reinigungsmittel.
Dann kam eine kurze Meldung, nur vier Worte lang: Mantis Angriff in Breinen.
»Stopp«, sagte Moira. Bildschirm und Laufband froren ein. »Headlines! Nach links!« Die Buchstaben der Angriffsmeldung leuchteten. »Drilldown.«
Das frisch holo-tätowierte Hinterteil der Influencerin Ashira verschwand und machte einem kleingeschriebenen Fließtext Platz, der ohne Absätze auskam. »Vergrößern!«
Der Bildschirm gehorchte und Moira überflog die Meldung. Ein Dorf am Rand der Wüste war von nicht einmal hundert Mantis angegriffen worden. Glücklicherweise waren Mitarbeiter der MinerVa Inc., die in der Nähe eine Kupfermine betrieb, rechtzeitig vor Ort gewesen und hatten die meisten Bewohner evakuieren können.
Immer waren es Mitarbeiter von MinerVa, die frühzeitig von den Angriffen erfuhren und zur Rettung eilten. Als Deuteragäas größter Rohstofflieferant hatte MinerVa eine Menge von Minen, Bohrtürmen und Stationen überall auf dem Planeten verteilt. Das erklärte es wohl.
Nur achtzehn Tote waren zu beklagen, welche die Mantis vermutlich in Einzelteilen fortgetragen hatten, um ihre Brut damit zu füttern. Noch immer war unklar, was diese Angriffe der Wüstentiere auslöste. Inzwischen ging das seit fast zehn Jahren so, und die Angriffe auf die kleinen Wüstensiedlungen schafften es nicht einmal mehr in die Filmberichte der Nachrichtensender. Irgendwie misstraute Moira den offiziellen Erklärungen, dass die Mantis die Menschen als Beutetiere betrachteten. Warum hatten sie sie dann acht Jahrzehnte lang in Ruhe gelassen? Und überhaupt, warum räucherte man ihre Bauten in der Wüste nicht einfach aus? Zumindest jene, die so nah an der Dämmerungszone lagen, dass sie die äußeren Dörfer gefährdeten?
Ein Summton und das Pop-up auf dem Screen erinnerten Moira daran, dass es Zeit wurde aufzubrechen. Sie räumte ihre Schüssel in den Washer, ließ Chips und JuiceUp stehen und rollte ihren Koffer aus der Ecke, wo sie ihn vor dem Schlafengehen postiert hatte. »Screen aus, Lift rufen.«
Die Wohnungstür öffnete sich direkt in den Aufzug, der sie unten auf die Straße entließ. Sie hätte sich einen Scooter rufen können, aber trotz Koffer lief sie lieber die zehn Minuten bis zur nächsten Hauptstraße, wo es einen Ladeplatz gab. Wie alle Alleen in New Boston war auch diese so ausgerichtet, dass sie direkt auf die Sonne zulief. Die rote Scheibe stand wie immer am Ende der Häuserflucht, eine Handbreit über dem Horizont. Einen Tag-Nacht-Rhythmus gab es nicht auf Deuteragäa, das in gebundener Rotation seiner Sonne immer die gleiche Seite zuwandte.
Moira reihte sich an ihrem üblichen Kaffeestand in die Schlange ein und genoss während des Wartens das Licht und die Wärme auf ihrem Gesicht. Sie verbrachte wirklich zu viel Zeit in geschlossenen Räumen, und viel zu selten würdigte sie den Anblick der Hauptstraße mit ihrer Allee aus türkis belaubten Arobabäumen. Eigentlich liebte sie die City mit ihrem prallen Leben und ihrer bunten Vielfalt. Hier war alles so viel echter, so viel ehrlicher als in den Gated Communitys der Konzerne, die es in jeder Stadt gab. Man nannte sie Villages, obwohl es natürlich keine Dörfer waren, sondern einfach durch Mauern abgegrenzte Stadtteile. Und genau wie der Name hielt das Leben dort meistens nicht, was die schöne Fassade versprach.
»Viel vor heute?«, fragte Debbie, während sie geschäftig Moiras Kaffee mixte.
»Eine Reportage über Organtransplantationen.«
»Klingt interessant. Vielleicht sollte ich mir deinen Kanal doch mal abonnieren.«
»Tu das«, sagte Moira, obwohl der wissenschaftliche Fachkanal Debbie im besten Falle langweilen würde.
Es standen noch fünf Einsitzer in den Ladestationen, und Moira spähte prüfend durch die Scheiben, um den am wenigsten versifften ausfindig zu machen. Einer mit schreiend bunter Bahi-A-Werbung schien ein guter Kandidat zu sein. Moira hielt ihre Hand vor den Scanner und die Tür entriegelte. Eine freundlich-unpersönliche Frauenstimme begrüßte sie. »Willkommen, Doktor Chakrabarti. Wohin darf ich Sie bringen?«
»Zum Hafen, Halle B.«
Der Scooter wiederholte den Zielort und nannte den Preis. Nachdem Moira bestätigt hatte, surrte das Elektrofahrzeug los. »Ladezustand bei dreiundzwanzig Prozent«, informierte sie der Scooter. »Sie werden das Fahrzeug auf der Loomotra Avenue wechseln müssen.«
»In Ordnung. Reservieren.«
»Bestätige: Reserviere Wechselfahrzeug für Rot 7:25, Loomotra Avenue. Erreichung des Endziels ›Hafen Halle B‹ vo­raussichtlich um Blau 0:05.«
Moira sah auf ihren Screen am Handgelenk, der im Ruhemodus das dreifarbige Zifferblatt der Uhr zeigte – gelb, rot und blau für die drei achtstündigen Arbeitsphasen. Selbst nach fast hundert Jahren auf einem Planeten ohne Tag und Nacht, hatten sich die Menschen nicht vom 24-Stunden-Rhythmus ihrer alten Heimat verabschiedet.» Können wir schneller fahren?«
»Überschreiten der Geschwindigkeitsbeschränkung auf dieser Strecke verfügbar für dreiundsiebzig Credits.«
»Erwerben«, sagte Moira. Sie erhielt ohnehin regelmäßig Mahnmeldungen ihrer Bank, weil sie die Sparquote überschritt. Also konnte sie jetzt ruhig ein paar Credits auf den Kopf hauen und damit Strafzinsen vermeiden.
»Verstanden. Geschwindigkeit wird überschritten, neues Wechselfahrzeug reserviert. Erreichung des Endziels ›Hafen Halle B‹ voraussichtlich um Rot 7:42.«
Das klang schon besser. Moira lehnte sich zurück und wischte über den Screen an ihrem Handgelenk, um ihn zu aktivieren. Aus dem Lautsprecher des Scooters ertönte ein Jingle. »Auf Ihrer linken Seite sehen Sie nun das Restaurant Chez Piere mit einem wunderbaren Blick über …«
Moira stöhnte. »Werbung stumm schalten.«
»Das Stummschalten der Werbemitteilungen erhöht die Kosten der Fahrt um siebenundzwanzig-komma-drei Credits.«
»Erwerben.« Moira hatte im Moment keinen Sinn für solche Banalitäten und wollte ungestört ihren Gedanken nachhängen. Morgen würde sie Peter wiedersehen. Nach vier Monaten das erste Mal. Seit seinem Weggang hatten sie kaum miteinander gesprochen, und wenn, dann nur beruflich. Das war sicheres Terrain, ohne versteckte Vorwürfe oder verborgene Sehnsüchte. Ob das auch so bleiben würde, wenn sie erst einmal vor ihm stand, da war sich Moira auf einmal nicht mehr ganz so sicher.
Aber das war kein privater Besuch. Sie reiste für einen Bericht über seine neuen OP-Methoden an. Zumindest hatte sie das behauptet. Dass es ihr eigentlich um ganz andere Informationen ging, dass ihre Recherche Fragen zu den Organen aufgeworfen hatte, die er verpflanzte, würde sie ihm erst sagen, wenn sie beide im OP standen und er ihr nicht mehr ausweichen konnte.
Er war nämlich verdammt gut im Ausweichen. Eine siebenstündige Tube-Fahrt weit war er ihr ausgewichen, bis runter nach Green Sands. Okay, sie hatte die Beziehung selbst beendet. Was hatte er erwartet, als er plötzlich anfing von Kindern zu reden und einem gemeinsamen Leben in einem Village-­Appartement? All dieses »uns« und »wir« hatte ihr die Luft zum Atmen genommen. Sie hatte Abstand gebraucht. Aber hatte er deswegen gleich eine neue Stellung so weit auf der Tagseite annehmen müssen, direkt am Wüstenrand? Er hatte gesagt, es sei eine großartige Karrierechance, und die Menschen im Morgen hätten schließlich auch ein Recht auf medizinische Versorgung. Ja klar. Manchmal dachte sie, dass er sie damit hatte bestrafen wollen. Oder vielleicht sich selbst. Warum mussten Menschen nur so kompliziert sein?
***
Keith hatte natürlich einen Schlüssel, aber er wusste nicht einmal mehr, wo er ihn abgespeichert hatte. Diese Villa hatte schon lange aufgehört, ein Zuhause zu sein. Seit damals, als Phil es für immer verlassen hatte.
Auf sein Läuten hin öffnete ein Hausmädchen und knickste. »Willkommen, Mister Kendrick.«
War das dieselbe wie beim letzten Mal? Keith war sich nicht sicher. Trotzdem sagte er: »Danke, Silvia.« In diesem Haus hießen Hausmädchen Silvia. Das stand so in ihrem Arbeitsvertrag. »Ist er im Garten?«
»Nein, Mister Kendrick erwartet Sie auf der Dachterrasse.«
Wie alle Räume war auch die Eingangshalle lichtdurchflutet. Die großen Fenster und das Dach waren natürlich aus Spiegelglas, um den Papparazzi-Drohnen keine Einblicke zu gewähren. In der Ecke standen ein paar Kisten. Ein fremder Anblick in der durchgestylten, immer ordentlichen Villa.
Keith hob einen Deckel an und zog den erstbesten Gegenstand heraus. Ein kitschig verschnörkelter E-Bilderrahmen. Er hatte früher auf der Kommode in Mutters Schlafzimmer gestanden.
»Ihr Vater hat einige Dinge aussortiert. Das geht an die City-Shelter, sobald alle Geräte gewiped wurden.«
Probehalber betätigte Keith den Schalter an der Rückseite. Tatsächlich hatte der Rahmen noch Strom, stieg wahllos irgendwo in der Endlosschleife von Filmsequenzen ein. Zwei Jungen – Phil und er selbst – fein gemacht für irgendeine Veranstaltung. Oper? Firmenfeier? Phil, der die Augen verdrehte. Statt eines Smokings hatte er unbedingt die rote Jacke tragen wollen. Er hatte immer etwas Besonderes sein wollen.
Keith schaltete das Gerät aus und steckte es zurück in die Kiste. Dabei fiel sein Blick auf eine durchsichtige Schachtel mit Schachfiguren. Schach. Vater hatte zwischen seinen Söhnen alles zu einem Wettkampf gemacht. Schulnoten, Sport, Benimmregeln. Schach war einer davon, und er wurde stets in Vaters Arbeitszimmer ausgetragen. Verbissen hatte Keith gegen Phil gekämpft, hatte unter Vaters Augen Niederlage um Niederlage kassiert, bis zu jenem denkwürdigen Tag. Phil war elf gewesen, er selbst gerade einmal acht, und trotzdem hatte er den älteren Bruder in die Falle gelockt. Oh, sie war perfekt aufgebaut. Phil bemerkte sie nicht, bis sie zuschnappte. Als sie ihm klar wurde, starrte er mit offenem Mund auf das Brett. Er wollte aufgeben, die Niederlage eingestehen, aber Vater stand vom Schreibtisch auf und verlangte, dass bis zum Ende gespielt wurde. »Ein Kendrick gibt nicht auf. Und wenn dir verlieren zu wehtut, dann musst du eben gewinnen.« Und Keith sorgte dafür, dass es wehtat, kostete seinen Sieg aus, räumte unter Vaters Blicken eine Figur nach der anderen ab und trieb den schwarzen König erbarmungslos über das Spielfeld. So stolz, so selbstzufrieden sonnte er sich in Vaters Anerkennung. Er bemerkte nicht, was es Phil antat. Vielleicht wollte er es nicht bemerken. Bis Phil den weißen König packte und ihn mit solcher Wucht auf das Brett schlug, dass er zerbrach.
Keith öffnete die Schachtel. Tatsächlich, da war der weiße König. Das Kreuz auf der Spitze saß schief. Vater hatte die Figur geklebt und im Arbeitszimmer wie einen Pokal aufs Regal gestellt. Phil hatte danach nie wieder Schach gespielt. Wenn er jetzt daran dachte – vielleicht war das der Anfang gewesen. Danach hatte Phil sich verändert.
»Kann ich Ihnen etwas zu trinken hochbringen?«, fragte Sylvia.
Keith blickte auf. »Einen Gin Tonic, danke.« Den weißen König steckte er in die Hosentasche.
Wenn man auf die Terrasse trat, war der erste Eindruck der Eiffelturm, dessen Spitze malerisch in die rote Glutscheibe der Sonne hineinragte. Natürlich war dieser Turm um einiges größer als das Original auf der Erde.
Unter Keith und bis zur French Bay dehnte sich das MinerVa-
Village von Parisneuve aus. Saubere, weiße Häuser, durchgeplante Straßen, Grünflächen, Freizeitanlagen, die Firmen-Uni, Shopping-Malls. Seit Anbeginn der Zeit hatte der Mensch die Welt seinen Bedürfnissen angepasst, und endlich war es ihm gelungen, eine ideale Welt zu erschaffen. Sicherheit, Bequemlichkeit, aber auch Herausforderungen und jede Möglichkeit, sich zu entfalten, alles war im idealen Maß vorhanden, alles verfügbar.
Doch diese Welt reichte nur bis zu der weißen Mauer links von ihm. Dahinter lauerte die City, von vielen schönfärbend ›Altstadt‹ genannt. Für Keith war es der Moloch. Das Drecksloch, in dem sich der Abschaum der Gesellschaft sammelte. Die Loser, die Drogenabhängigen, diejenigen, die nicht wussten, was sie wollten. Unzufrieden mit allem, ohne Richtung und Ziel, die alles und jeden um sich herum vergifteten.
Was willst du eigentlich, Phil? Willst du diese Familie zerstören? Willst du, dass Mom einen Nervenzusammenbruch hat?
Ich weiß nicht, was ich will, verdammt! Ich weiß es nicht! Wenn ich es wüsste, wäre ich der glücklichste Mensch auf der Welt.
Das mit Mom hatte Phil tatsächlich hinbekommen. In irgendeinem Slum in der City von Parisneuve hatte Phil sich mit einer Überdosis selbst erledigt, und weil er seinen Bürgerchip gelöscht hatte, musste ihn jemand identifizieren. Als der Pathologe Phil das Tuch vom Gesicht zog, brach Mutter zusammen.
Keith hatte seinen Bruder in dem ausgemergelten, schmutzigen Körper kaum wiedererkannt. Mutter schon. Kaum ein halbes Jahr später hatte sie sich selbst das Leben genommen.
Keith atmete tief ein. Es waren immer die gleichen Erinnerungen, die dieser Ort auslöste. Er wandte sich ab von dem Ausblick über Parisneuve, den manche Menschen als grandios bezeichnet hätten. Vater fand ihn bloß angemessen.
Kendrick Senior repräsentierte die MinerVa Inc. seit dreißig Jahren im Konzernrat. Jetzt saß er in einem Liegestuhl, neben sich eine Sauerstoffflasche, von der ein dünner Schlauch zu seiner Nase verlief. Er las. Einen Konzernbericht oder ein Fachblatt. Über diesen Screen war noch nie ein Roman oder auch nur ein Film geflimmert. Noch so ein fundamentaler Dissens zwischen ihm und Phil.
»Wie geht es dir, Dad?«
Jetzt erst blickte der Senior hoch. Die Bewegung verursachte ein Zischen des Atemschlauchs. »Wenn es dich interessiert«, er holte rasselnd Luft, »lass ich dir von Dr. Paul den Befund schicken.« Ungeduldig wies er auf einen bereitstehenden Stuhl.
Keith setzte sich. »Du klingst nicht gut.« Die OP brachte immer Erleichterung. Offiziell wurde ihm die Lunge ausgepumpt. Hinterher war Vater für zwei, drei Jahre wieder ganz der Alte. Niemand bei MinerVa hatte den CEO jemals so gesehen, wie er jetzt hier saß, keuchend und mit einem Sauerstoffschlauch unter der Nase. »Können die die OP nicht vorziehen?«
Der Senior winkte unwillig ab. »Die Aktionärsversammlung.«
Natürlich. Um nichts in der Welt hätte Vater die verpasst, auch wenn er nur virtuell dabei sein konnte. Aber nach der OP würde er eine Weile nicht einsatzfähig sein. Darum hatte er sie auf den Tag nach der Aktionärsversammlung gelegt.
»Wie oft, denkst du, können sie das noch durchziehen?«
»Unwichtig. Du hast von Breinen gehört?«
»Natürlich.« Der zweite Angriff in diesem Monat. Das war eine ziemliche Steigerung der Frequenz.
»Du musst nach Noshades.« Wieder ein mühsamer Atemzug. »Wie umgehen die Mantis … unser System?«
Solche Gespräche mit Noshades würde Vater niemals einem Videocall anvertrauen, da war er geradezu paranoid. Trotzdem war das ein Novum. »Du schickst mich allein nach Noshades?«
»Dr. Paul verbietet mir das Reisen, und damit«, Vater hob den Schlauch, »habe ich kaum den notwendigen Nachdruck.«
Keith lächelte. Das würde Helen Nakamura gar nicht gefallen. Bei der letzten Sitzung des Boards hatte sie festgestellt, dass MinerVa weder ein Familienclan noch eine Erbmonarchie sei. Das würde sich allerdings noch zeigen. Er schob die Finger in die Hosentasche und spürte die glatte Rundung des weißen Königs. Konkurrenz machte ihn nur stärker.
Noshades war nicht nur das Lieblingsprojekt des CEO. Diese abgelegene Niederlassung in der Wüste entwickelte sich mehr und mehr zu einer der profitabelsten Abteilungen des Konzerns – und genau deswegen war sie auch eine der geheimsten. Nicht einmal die anderen Executive Officers wussten genaueres darüber. Der Leiter von Noshades unterstand direkt und ausschließlich Kendrick Senior, und der teilte seine Informationen nur mit seinem Sohn.
Vater nickte. »Außerdem musst du Trakev zügeln. Er darf die Einheiten nicht in Siedlungen schicken.«
»Unsere Einheiten sind die einzigen, die mit den Mantis umgehen können.«
»Eigenschutz ist Sache der Siedlungen.«
»Keine der privaten Sicherheitsfirmen kann mit unserem Equipment aufwarten.«
Vater schlug auf die Armlehne. »Dann sollen sie uns bezahlen!«
Ein Kaff wie Breinen würde dafür kaum die erforderlichen Mittel aufbringen können. Die konzernfreien Siedlungen waren ständig in Geldnöten.
Vater musterte ihn scharf. »Haben wir uns verstanden?«
»Klar, Dad. Ich kümmere mich darum.«
***
Moira hatte sich für die Tube entschieden. Mit mehreren Hundert km/h durch eine Vakuum-Röhre geschossen zu werden klang zwar nicht wesentlich sicherer als ein Flug, aber in Zeiten von fliegenden Riesen-Insekten war man tief unter der Erde doch besser aufgehoben als am Himmel. Zumindest, wenn man nahe der Tagseite landen wollte. Niemand konnte sagen, wann die Mantis schwärmten. Auf Deuteragäa gab es keine Jahreszeiten.
Sie hob ihren Koffer in die Gepäckhalterung, setzte sich und schaute missmutig auf den Screen in der Lehne des Vordersitzes. Man hatte die Wahl, für die Screennutzung zu zahlen, oder die Werbung über sich ergehen zu lassen, die auch noch völlig asynchron zum Screen am Nachbarsitz verlief. Schrecklich.
Ihr Armbandscreen summte. Kein Anruf, sondern bloß eine Movie-Message von der strahlenden Nuri.
»Bülent zieht bei uns ein und belegt die Rote Phase. Das ist doch okay für dich? Ich bin so glücklich!« Herzchen schwebten ins Bild und zerplatzten zu Glitzersternchen.
Na großartig. Ein voll belegtes Bett und dazu noch ein schreiendes Baby. Vielleicht sollte sie die Wohnung gleich ganz dem glücklichen Paar überlassen und sich etwas anderes suchen. Sie musste ja nicht in New-Boston bleiben. Als Journalistin war sie ohnehin viel unterwegs und konnte praktisch von überall arbeiten.
Zum Beispiel von Green Sands aus. Wo Peter wohnte.
Ach verdammt, es war ein Fehler gewesen, sich im Scooter alte Fotos anzuschauen. Ein paar gemeinsame Tage, die alten Zeiten ein wenig aufleben lassen war okay, aber eine gemeinsame Zukunft hatten sie sicherlich nicht.
Sie seufzte und legte ihre Hand nun doch auf den Screen. Es war besser, noch einmal ihre Recherchen durchzugehen.
Es hatte unscheinbar angefangen: Mit dem Rückgang der MediCare-Umsätze in verschiedenen Bereichen, etwa der Dialyse. Seltsam genug, denn Dialyse-Patienten stellten ihre Behandlung nicht einfach ein, und Nierenleiden waren eine der neuen Zivilisationskrankheiten.
Bei der Suche nach den Gründen war Moira auf eine erstaunlich gestiegene Anzahl von Nierentransplantationen gestoßen. Und nicht nur Nieren waren häufiger gespendet worden. Auch Leber, Herz, Lunge, im Grunde alle wichtigen Organe – und auch einige weniger wichtige.
Unwahrscheinlich, dass es plötzlich so viel mehr Organspender gab. Moiras Verdacht war Bahi-A Inc. Der gesunkene Fleischpreis sprach dafür, dass der Lebensmittelkonzern die alte Technik, Muskelgewebe in Nährlösung wachsen zu lassen, endlich kosteneffizient gemacht hatte. Bahi-A wollte damit wohl in den medizinischen Bereich expandieren. Blieb die Frage, warum Bahi-A ein Geheimnis daraus machte, statt offensiv damit zu werben. Waren die künstlichen Organe etwa noch nicht ausgereift? Wurden hier Patienten ohne ihr Wissen als Versuchsobjekte missbraucht? Oder war die Herkunft der Proteingerüste fraglich, die unabdingbar waren, um ein so kompliziertes Organ wie eine Niere wachsen zu lassen? Vielleicht konnte Peter Licht in die Sache bringen. Er musste doch wissen, woher die Organe kamen, die er verpflanzte.
Mit Hilfe des Screens vergingen die sieben Stunden Fahrt erstaunlich schnell, und im Hafen von Green Sands ließ Moira sich im Strom der Menschen zu den Ausgängen treiben. Es ging auf die Phase Gelb zu, und wer jetzt nicht bald auf seinem Arbeitsplatz war, bekam Probleme. Nachholen ließ sich die verlorene Zeit ja nicht, wenn die Kollegen der Phase Rot ihrerseits pünktlich eintrafen und die Werkbänke beanspruchten. Als Corporate Citizen war man eben ein Zahnrad im Getriebe, das sich perfekt in das Räderwerk einpassen musste. Flexibilität war Luxus – ein Vorteil der Arbeit als freie Journalistin.
Allerdings endete er an der Wohnungstür. Die drei Phasen definierten die Arbeitsschichten. Über die Schlafphasen musste man sich mit seinen Mitbewohnern einigen. Wurde das Bett jeweils eine Stunde vor Phasenbeginn gewechselt? Anderthalb Stunden? Zwei? Wer das Bett mit zwei anderen, also rund um die Uhr teilte, bekam selten mehr als sieben Stunden Schlaf. Entsetzlich. Wenn Bülent tatsächlich bei ihnen einzog, würde sie das auf die Dauer nur mit intravenösem Koffein durchstehen.
Sie folgte den Menschen durch eine Automatiktür nach draußen – und lief gegen eine Wand aus Hitze. Auch das Licht in Green Sands war völlig anders als in New Boston. Nicht nur intensiver, sondern auch gelber, obwohl die Sonne von Deuteragäa ein roter Zwerg war. Auf der Abendseite des Himmels war nicht ein einziger Stern zu sehen. Erstaunlich, was sieben Stunden Fahrt durch eine Vakuum-Röhre ausmachten.
Auch in Green Sands betrieb S-Trans die Scooter. Moira nahm einen davon, und er entließ sie vor einem Gebäude, das eindeutig noch aus der Erstbebauung stammte. Unter dem bröckelnden Putz lugte grünsandiger Beton hervor.
Es gab natürlich ein Hotel im Corporate Village in Green Sands, und Peter hatte ihr angeboten, sie als offiziellen Medi­Care-Gast dort einbuchen zu lassen. Doch Moira hatte sich für eine kleine Pension in der Stadt entschieden. Sie lag nahe am Zentralkrankenhaus, das als mächtiger Klotz zwei Blocks in Richtung Abend aufragte. Dorthin würde sie morgen sogar laufen können.
Sie zog ihren Rollkoffer aus der drückenden Wärme der Wüstenstadt in einen kaum gekühlten Eingangsbereich. Hinter dem Empfangstresen saß ein junger Mann in einem Korbsessel und las ein Buch. Ein richtiges Buch, Tinte auf Papier gedruckt. Er schaute auf, legte das Buch zur Seite, und als er aufstand, knisterte der Korbsessel anheimelnd.
»Ms. Chakrabarti?«
»Sie können gern Moira sagen.«
»Ich bin Taehjung. Willkommen im Hotel Alice.« Er berührte den Screen auf dem Tresen und dessen Licht flammte auf.
Moira schmunzelte. »Ich dachte, Sie sind Screen-Allergiker.«
»Wie?« Er blickte hoch. »Ach so.« Er warf einen Seitenblick auf das Buch. »Ich vergesse nur immer, meinen aufzuladen. Außerdem mag ich den Geruch.«
»Papier hat einen Geruch?«
»Alte Bücher schon. Nach Staub, Holz und Druckerschwärze.«
Irgendwie fand sie das sympathisch.
»Ich habe schon alles vorbereitet.« Er drehte ihr den Screen zu. Moira prüfte die Angaben. Name, Adresse, Bürgernummer und Betrag. Dann fiel ihr Blick auf den Daumenscanner. Ziemlich altmodisch, eine vollgültige Unterschrift für einen simplen Bezahlvorgang zu verlangen, aber das passte zum Ambiente. Sie legte den Daumen auf das Feld, bis der Screen anzeigte, dass er alle Daten hatte: den Daumenabdruck und die Information aus dem in ihrer Hand implementierten Chip.
»Die Rechnung wird Ihnen elektronisch zugeschickt.« Taehjung zog einen Duplicator unter dem Tresen hervor. »Dann würde ich jetzt den Schlüssel aufladen. Sie haben Zimmer sieben.«
»Ich dachte ja, ich bekomme so einen.« Sie zeigte auf das Bord hinter ihm, wo an goldenen Haken Schlüssel mit klobigen Anhängern hingen.
Er lächelte. »Die sind nur noch Deko, eine Erinnerung an meine Urgroßmutter.«
»Ich nehme an, sie war Alice?«
»Ja, genau.« Er tippte An- und Abreisedatum ein und schob ihr den Duplicator hin, damit sie ihre Hand darauf legen konnte. »Der Schlüssel löscht sich automatisch um Rot vier an Ihrem Abreisetag. Bis dahin das Zimmer bitte räumen.« Er lächelte entschuldigend. »Leider haben wir keinen Aufzug, aber ich kann Ihren Koffer gern hochtragen.«
»Das schaffe ich schon, danke.«
Die Treppenstufen waren aus Holz und knarzten. In jedem Stock gab es vier Zimmer, ihres lag im zweiten. Sie legte die Hand auf die Klinke und ein grünes Licht zeigte die Entriegelung an.
Es roch nach altem Holz und frischer Wäsche. Gegen die Sonne waren die Außenjalousien herabgelassen. Das Dämmerlicht und kleine, liebevolle Details machten das Zimmer heimelig. Eine echte Blume in einer Vase auf dem Tisch, zwei bunt gesprenkelte Gläser neben der Wasserflasche, ein Aquarell an der Wand. Kein Standard-Druck, ein richtiges Aquarell. Vermutlich das Hobby eines Familienmitgliedes.
Mit einem Lächeln dachte sie daran, wie viel unpersönlicher ein Village-Hotel gewesen wäre. Viel mehr Luxus, aber zweckmäßig, unaufdringlich und glatt. Dort hätte das Zimmer nach der voreingestellten Duftvariante gerochen. Bevorzugen Sie Pinetree, Oceanbreeze oder Meadow? – Ich hätte gerne Holz und Wäsche, dankeschön.
Sie räumte ihre Sachen ins Bad, stellte die Zahnbürste auf das Ladegerät, dann fiel ihr die Kondompackung in die Hand. Seit der Trennung von Peter war sie nicht mehr zum Termin für die Spritze gegangen. Falls sie beide also morgen die Erinnerung an alte Zeiten aufleben lassen wollten, würde die Verhütung in seiner Verantwortung liegen. Sie nahm ein Kondom mit ins Zimmer und schob es in ihre Handtasche. Sicher ist sicher. Auf dem Bett lag der Koffer aufgeklappt, darin der schwarze Balconette-BH samt Höschen, an dem noch das Preisschild hing. Sie seufzte. Was tat sie hier eigentlich? Wusste sie, was sie wollte?
Ja. Sie wollte wissen, woher die Organe kamen, die Peter seinen Patienten einpflanzte. Aber hatte sie tatsächlich vor, Sex zu verwenden, um es zu erfahren? Nein, der Sex war nur … eine private Hoffnung. Eine Erinnerung. Er hatte rein gar nichts mit ihrer Recherche zu tun.
Andererseits, wenn er half …
Sie sah zum Spiegel neben dem Schrank und zwinkerte sich zu. Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden?
***
Keith stand am Fenster der Kommandozentrale von Noshades und blickte hinaus in die gleißende Wüste. Die Sonne stand so hoch am Himmel, dass sie geradezu bedrohlich wirkte. Tausende von Kilometern weiter östlich, auf der Mitte der Tagseite, schmolz ihre permanente, unbarmherzige Hitze den Wüstensand zu Glas.
Drei Stockwerke unter ihm exerzierten Männer im Licht dieser Sonne. Das Gebrüll des Drill Sergeants klang trotz der geschlossenen Fenster zu ihm herauf, der aufgewirbelte Sand wurde in Fahnen bis vor die Scheiben getragen. Fast glaubte er, auch den Schweiß der Männer riechen zu können, die dort unten in einheitlichen Formationen ihr Training absolvierten. Gleichförmig die Bewegungen, einheitlich die austrainierten Körper, sogar die Schweißflecken auf den sandroten Hemden hatten dieselben Umrisse.
Was sie hier aufgebaut hatten, erfüllte ihn immer wieder mit Stolz. Die Wertschöpfung für MinerVa Inc. war enorm, und selbst die Entsorgung warf noch Profit ab.
Aber das erklärte wohl nicht dieses Gefühl, das an Keith zog, immer wenn sein Blick über die gleichmäßigen Reihen der weiß getünchten Baracken schweifte, über die ordentlich geharkten Wege und die Trupps kahlgeschorener Männer, die in Zweierreihen auf ihnen entlang liefen. Er verstand nicht völlig, was er bei diesem Anblick empfand und warum. Es fühlte sich an wie … Frieden.
Hinter ihm öffnete sich die Tür und Keith wandte sich um. Zuerst kam Wang in den Konferenzraum, der Verwaltungschef dieses Stützpunktes, verantwortlich für dessen Wirtschaftlichkeit. Ihm folgte ein Mann mit militärischer Haltung und einer beeindruckenden Narbe quer über dem linken Auge. Ein alter Haudegen, der selbst zu diesem Meeting Wüsten-Tarnhose und ein schlichtes Shirt trug, das sich über beeindruckenden Muskeln spannte. Keith streckte die Hand aus und ging auf den Mann zu. »Colonel Trakev.«
Das vernarbte Auge blickte ebenso wach wie das andere, die Iris war aber braun und nicht blau wie die des rechten. Ein Spenderorgan. Noch ein Erfolg für MinerVa Inc., den die Kendricks sich auf die Fahnen schreiben konnten.
Trakev salutierte zuerst, bevor er zum zivilen Gruß die Hand reichte. »Eine Ehre, Sie wieder einmal hier zu haben, Sir.«
Seine Hand war knochenhart, sein Händedruck fast schmerzhaft. Keith machte sich einen Sport daraus, den Druck zu erwidern. Erst dann reichte er auch Wang die Hand, und als dieser bei dem Griff zusammenzuckte, grinste Keith in sich hinein.
Wang war ein Schreibtischhengst und nur hier, weil er sich bewähren musste. Jemand wie er meldete sich nicht freiwillig auf einen Arbeitsplatz, der so weit auf der Tagseite lag. Im Gegensatz zu Trakev. Kerle wie er suchten in der Wüste das Extreme, die Herausforderung. Und er hatte sie zweifellos gefunden.
»Sie wissen, warum ich hier bin«, begann Keith, kaum dass sie sich gesetzt hatten.
»Es geht um den Angriff auf Breinen«, sagte Trakev.
Wang schlug derweil die mitgebrachte Mappe auf und fingerte nervös an dem Screen darin herum. »Das Frühwarnsystem hat tadellos funktioniert. Wir konnten fast alle Einwohner rechtzeitig in Sicherheit bringen.«
»›Fast‹ und ›tadellos‹ im gleichen Satz, Wang? Halten Sie mich für einen Idioten? Ich will Gründe und Konsequenzen hören.«
Wang hatte inzwischen eine Übersicht aufgerufen und schob sie auf die beiden großen Wandscreens am Kopfende des Raumes. Sie zeigten jetzt beide das gleiche Bild. »Hier sehen Sie das Netz der installierten Detektoren im Gebiet der …«
»Ich kenne unser Frühwarnsystem«, unterbrach ihn Keith. »Ich will wissen, was schiefgelaufen ist.«
»Natürlich, Sir.« Wieder fummelte Wang auf seinem Gerät herum, und auf den Wandscreens erschienen unzählige rote Linien, die sich überlagerten und zu Flüssen und Strömen vereinigten. »Das sind die in den vergangenen sechzig Phasen erfassten Flugbewegungen der Mantis. Und hier«, ein abweichendes Bild erschien auf dem linken Screen, »die der sechzig Phasen davor.«
Das war interessant. Keith beugte sich vor und studierte die beiden Grafiken. »Es sieht aus, als würden sie die Detektoren inzwischen meiden.«
»Mehr als das. Sie scheinen sie bewusst zu nutzen, um uns in die Irre zu führen.« Eine Linie wurde hervorgehoben. »Der Schwarm, der Breinen überfallen hat, hat sich zuerst in nördliche Richtung bewegt, um dann kehrt zu machen und über nicht überwachtes Gebiet nach Breinen zu gelangen.«
»Und warum zum Teufel ist dieses Gebiet nicht überwacht?«
»Es handelt sich um felsiges Gelände, voller Canyons und Schluchten. Unmöglich, dort jeden Bereich abzudecken.«
Jetzt mischte sich Trakev ein. »Als wüssten sie das. Immer wieder schlagen Schwärme in kleinen Siedlungen zu, als wollten sie das System austesten.«
Keith sah ihn skeptisch an. »Es sind Insekten, Trakev. Große Heuschrecken.«
»Haben Sie diesen Heuschrecken schonmal gegenübergestanden, Sir?«
In der Konzernzentrale gab es ein paar Statuen, von Künstlern geschaffene Interpretationen, und wie jeder spürte auch Keith bei ihrem Anblick ein gewisses Unbehagen. Das war nur natürlich bei Insekten, die einem bis zur Hüfte reichten, mit aufgerichtetem Vordersegment und hochgereckten Deckflügeln sogar bis zur Brust. Die unbeweglichen Gesichtszüge aus Chitin, die sechs starren Augen, die kraftvollen Mandibeln, die einen menschlichen Arm mit nur einem Biss durchtrennen konnten, all das machte die Mantis nicht gerade zu Sympathieträgern.
»Ich bestreite nicht, dass der Anblick furchteinflößend ist, aber das ändert nichts daran, dass es bloß Tiere sind.«
»Und was sind wir anderes als Säugetiere?«
Keith lehnte sich zurück. »Wie viel Hirn passt schon in so einen flachgeklopften Chitinschädel? Vielleicht ist es Schwarmintelligenz.«
»Unklar. Wir beschäftigen uns noch nicht lange mit ihnen.«
Das war allerdings richtig. Die Menschheit siedelte seit knapp hundert Jahren auf Deuteragäa, und sie hatte bisher alle Hände voll zu tun, die wichtigsten Eigentümlichkeiten und größten Gefahren dieser neuen Umgebung einzudämmen, die Grundversorgung für eine wachsende Anzahl an Bewohnern sicherzustellen und, nicht zu vergessen, eine völlig neue Gesellschaft aufzubauen. Seit Ausbruch der »Troubles« auf der Erde hatte es – außer an Flüchtlingen – keinerlei Nachschub mehr von dort gegeben, weder an Rohstoffen noch an Technologie. Niemand hier hatte die Zeit gehabt, sich um staatenbildende Insekten zu kümmern, die weit draußen auf der Tagseite lebten und die Menschen in Ruhe ließen. Niemand außer MinerVa Inc.
Keith zeigte auf den Bildschirm. »Wir haben dieses System installiert, um die Siedlungen frühzeitig warnen zu können. Wir können unsere Einheiten nicht immer vor Ort schicken. Sie wissen, dass das ein Risiko ist.«
Wang sah betreten auf den Schreibtisch, aber Trakev lehnte sich zurück. »Mit Verlaub, Sir, außer uns kann es niemand.«
»Darum müssen wir solche Schwärme aufhalten, bevor sie bewohntes Gebiet erreichen. Wir sollten einige Exemplare einfangen. Den Feind analysieren. Schwachstellen finden. Trauen Sie sich das zu?«
»Das Einfangen schon, Sir.«
»Um den Rest kann Wang sich kümmern.« Er nickte dem Verwaltungsleiter zu. »Stellen Sie mir eine Liste von Forschungseinrichtungen zusammen, die das übernehmen können.«
Wang machte ein nachdenkliches Gesicht. »Mantis überleben bloß ein paar Phasen in Gefangenschaft.«
»Wir können jederzeit neue fangen. Suchen Sie also am besten was in der Nähe.«
»Ich mache mich sofort dran, Mister Kendrick.«
Keith sah wieder Trakev an. »Wir können die Einheiten nicht ständig mit der Zivilbevölkerung in Kontakt bringen. Die Medien werden schon aufmerksam.«
»Die Männer tragen Helme, Sir. Und bisher haben wir alles unter Kontrolle.«
»Trotzdem. Keine Evakuierungen mehr ohne Freigabe von oben. Das heißt: von mir.«
»Verstanden, Sir.«
***
»Wir haben eine Kabine, falls dir das lieber ist.« Peter nickte zur Trennwand hinüber, während er ihr das in dünnes Plastik eingeschweißte OP-Set hinhielt.
»Als ob du mich noch nie nackt gesehen hättest.« Moira legte das Päckchen vor sich auf die Holzbank und knöpfte die Bluse auf.
»Ist zumindest eine Weile her.«
Fast schon komisch, wie er beim Umziehen gegen die Wand starrte. So würde er ihren schwarzen Balconette kaum würdigen können. Vermutlich hatte sie den völlig umsonst gekauft.
Für Peter gab es keine halben Sachen, und eine Trennung war eben eine Trennung. Überhaupt war er ziemlich altmodisch. Damals hatte er ihr sogar vorgeschlagen, zusammen in ein Zweier-Appartement zu ziehen, also Wohnung und Phase zu teilen, wie ihre Großeltern. Irgendwelche Landeier machten das wohl heute noch so.
Im Grunde war ihr damals zum ersten Mal aufgefallen, dass sie eigentlich gar nicht zusammenpassten. Seine Träume und Pläne legten alles fest, errichteten eine Mauer um sie beide, um ihr gemeinsames Leben. Aber das andere, eine Beziehung ohne ein genaues Bild für die Zukunft und einen Plan für den Weg dorthin, das hatte wiederum er nicht ertragen.
Sie riss das Plastik auf. Das Päckchen enthielt das bekannte Ensemble aus Hose und Hemd, Mundschutz, Haarkappe und sogar Einweg-Schuhe.
»Bist du das Leben als freie Journalistin nicht langsam leid?«, fragte Peter unvermittelt.
Sie streifte den Rock ab. »Wieso?«
»Ich halte es für eine Talentverschwendung. MediCare hat immer Verwendung für eine gute Chirurgin, und vielleicht willst du wieder mal die Vorzüge eines Corporate Village genießen.«
In einem Village würde sie sich sogar ein Zimmer leisten können, das sie nicht phasen-teilen musste. Alle großen Konzerne unterhielten diese Gated Communities für ihre Arbeitnehmer.
Sie zog das Oberteil über. »Fühlst du dich nicht manchmal zu sehr überwacht? Dass sich das System vielleicht fragt, warum du das Village während Gelb verlässt, obwohl das gar nicht deine Arbeitsphase ist?«
Peter zuckte mit den Schultern. »Wenn sie daraufhin das Freizeitangebot verbessern, warum nicht? Bist du soweit?«
Sie waren jetzt beide in labberiges Grün mit übergroßem MediCare-Emblem gekleidet und bereit für die Desinfektionsschleuse.
»Moment noch.« Sie stellte ihren Screen am Handgelenk auf Netzfrei, damit das Funksignal die empfindlichen Geräte im OP nicht störte. Auch die Kamerabrille stellte sie um, würde die Aufnahme auf einen Chip speichern, statt sie direkt in den Data-Ocean zu übertragen. Sie setzte die Brille auf und senkte den Mundbügel. Jetzt sah sie Peter durch zwei Screens direkt vor ihren Augen. Rechts unten blinkte der rote Aufnahmepunkt. Sie zoomte auf Peters verlegenes Grinsen.
»Wir sind heute auf Einladung von Doktor Peter Sanchez im MediCare Krankenhaus in Green Sands.«
»Doktor Sanchez? Du machst mich fertig.«
»Könntest du bitte ernst bleiben? H&S ist ein seriöser Kanal.«
»Hab ich dir jetzt die Aufnahme versaut?«
»Das wird alles eh noch geschnitten. Wenn du nett bist, retuschiere ich sogar den Pickel an deinem Kinn.«
»Das wäre sehr zuvorkommend.« Er räusperte sich und versuchte, seriös auszusehen, während sie ihr Intro wiederholte und dann fortfuhr.
»Doktor Sanchez wird in wenigen Minuten eine Nierentransplantation nach der neuen von ihm mitentwickelten, minimalinvasiven Methode vornehmen. H&S, Ihr Kanal für Medizin und Wissenschaft, berichtet für Sie direkt aus dem Operationssaal. Danke, dass wir hier sein dürfen, Doktor Sanchez.«
»Aber gerne doch.« Er machte eine auffordernde Geste und ging ihr voran zur Schleuse. Moira schaltete die Bildaufnahme aus, und die Brillengläser wurden durchsichtig. Das schien Peter zu erleichtern. Im OP und selbst in einem Hörsaal konnte er unglaublichen Charme versprühen, aber eine Kamera machte ihn befangen.
»War das nicht eine etwas steife Einleitung?«, fragte er.
»Ist ein Wissenschaftskanal, die mögen das so.«
Als sie beide durch die Schleuse waren, war die Zeit reif. Möglichst unbefangen fragte Moira: »Eure Abteilung hat gut zu tun, soweit ich gehört habe.«
»Was soll ich sagen?« Peter zuckte mit den Schultern. »Bei dem Lebensstil heute geben Niere und Leber als erstes auf.«
»Kann ich mir vorstellen. Ich habe da so eine Mitbewohnerin …« Allerdings hatte Nuri Alkohol und Tabletten tatsächlich auf null reduziert, seit sie von der Schwangerschaft wusste. Womöglich war ihre Gereiztheit bloß eine Entzugserscheinung. Oder das war einfach die wahre Nuri, ohne die künstlichen Glücklichmacher.
»Aber«, sagte Moira, »die Nachfrage nach Transplantationen gab es auch früher. Woher bezieht ihr die Organe?«
»Du weißt, das sind Firmendaten.«
Da war es, das Zauberwort. Firmendaten. Es bezeichnete eine absolute Grenze. Firmendaten waren das neue Numinosum, das heilige Tabu ihrer Gesellschaft. Es gab Leute, die sogar das Wort Firmendaten nur flüsternd aussprachen.
»Komm schon«, sagte Moira. »Noch vor ein paar Jahren war das ein riesiges Problem, und plötzlich habt ihr genug Nieren, um drei OPs in einem Monat durchzuführen?«
Peter blieb stehen. »Woher weißt du das?«
Er dementierte es nicht. Hätte auch nicht viel genützt, denn sie hatte mit den Patienten gesprochen. »Ich bin Journalistin, schon vergessen?«
»Ich habe keine Ahnung, woher die Organe kommen. Ich baue sie bloß ein.« Er wandte sich um und ging weiter. Moira hingegen stand immer noch da.
»Du weißt schon, dass deine Ohren rot werden, wenn du lügst?«
Mit einem Seufzen blieb er stehen. »Wie du weißt, erhalten auch Angestellte Firmendaten nur auf einer strikten Need-to-know-Basis.«
»Aber es gibt Gerüchte.« Sie schloss zu ihm auf. »Von wem bekommt ihr die Organe? Bahi-A?«
»Also weißt du es schon.«
Trotzdem blieben Zweifel. Falls Bahi-A tatsächlich Steaks ohne Rinder herstellen konnte, wieso vermarkteten sie diese dann nicht entsprechend? Und noch etwas störte Moira. »Für ein Schnitzel oder eine Leber kann ich mir das ja vorstellen.« Das waren homogene Organstücke, deren Funktion im Wesentlichen von der Art der Zellen abhing, unabhängig von deren genauer Anordnung. »Aber eine Niere? Oder gar ein Herz? Komplett mit Kammern, Klappen und passenden Anschlüssen?«