Andreas Schlüter | Irene Margil
Freundschaft oder Sieg
Mit Bildern von Michael Vogt
FISCHER E-Books
Liebe Leserinnen und Leser,
diese Geschichte ist frei erfunden. Nichts davon ist wirklich passiert.
Wir danken Zeljko Ristic, ehemaliger Jugendtrainer bei Hertha BSC und heute Streetworker, für seine fachliche Beratung. Er gehört in Berlin zu einem Organisations-Team, das regelmäßig Straßenfußball-Touren veranstaltet.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2017 S. Fischer Verlag GmbH, Hedderichstr. 114, D-60596 Frankfurt am Main
Covergestaltung: GarstenYoung Marketing,
Kommunikation für junge Zielgruppen unter Verwendung einer Illustration von Michael Vogt
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-7336-4995-1
Pedro streckte den Kopf aus dem Küchenfenster und schaute hinunter auf die Straße. Dort standen Zachi, Max, Mehmet, Tim, Tom und Diego schon bereit.
„Hallo! Ich komme gleich runter!“, rief Pedro.
In letzter Zeit trafen sich einige der Fußball-Haie immer vor dem Training bei Pedro. Von dort gingen sie gemeinsam die restlichen Meter zum Training auf ihrem Bolzplatz, dem Sparri.
Nur zwei Minuten später trat Pedro unten aus der Haustür.
Max’ strahlend weißes Shirt stach hell aus dem bunten Haufen heraus und fiel Pedro sofort ins Auge.
„So sieht das neue Heimtrikot von Real Madrid aus“, erklärte Max. „Das wurde erst vor drei Tagen offiziell bekanntgegeben. Und ich hab’s schon! Cool, oder?“
Max drehte sich vor Pedro wie ein Modell auf dem Laufsteg.
„Sag schon, dass es dir gefällt!“, drängelte Diego. „Sonst lässt er uns nicht in Ruhe!“
„Ist das nicht das Gleiche wie letztes Jahr?“, witzelte Pedro.
„Bist du blind?“ Max hob seine Arme und das Kinn. „Hier der Streifen und hier die Linie am Kragen!“
Die Grundfarbe weiß, das Vereinslogo von Real Madrid mit der goldenen Krone und das große Logo des Sponsors auf der Brust waren tatsächlich unverändert. Max zählte trotzdem jeden noch so kleinen Unterschied zum Trikot der vergangenen Saison auf.
„Wir sind komplett. Lasst uns endlich los und spielen!“, forderte Mehmet und lief schon mal voraus. Alle folgten.
„Gib zu, Zachi, das sieht super aus, oder?“ Max ließ nicht locker.
„Ischt doch nur Arbeitschkleidung!“, sagte Zachi und winkte lässig ab.
„Arbeitskleidung?“, wiederholte Max entsetzt, blieb stehen und strich über das Logo auf seiner Brust.
Die anderen warteten aber nicht auf ihn.
Max tippelte schnell hinterher.
„Ihr habt ja keine Ahnung!“, schimpfte er und wandte sich an Zachi: „Du könntest auch mal ein neues Shirt vertragen. Deines ist ja schon älter als deine Zahnspange, stimmt’s?“
Alle wussten, dass Zachi den Spuckautomaten am liebsten sofort in den nächsten Mülleimer geworfen hätte. Sein Kieferorthopäde hatte versprochen, dass er das Ding nur ein paar Monate tragen müsse. Das war vor zwei Jahren.
Zachi sah an sich herunter und fuhr zart über den ausgeblichenen gelben Berliner Fernsehturm auf dem verwaschenen grünen Shirt. „Auf dasch lasch ich nichtsch kommen!“
Pedro hatte sich vorsorglich weggedreht, bevor Zachi loszischte. Max reagierte zu spät. Darum musste er sich Zachis Spucke von der Backe wischen.
„Manno, bei dir braucht man einen Taucheranzug“, meckerte er.
„Dafür kann ich nichtsch!“, stellte Zachi klar.
Kurz vor dem Sparri blieben alle plötzlich stehen.
„Was ist da denn los?“, fragte Diego. „Ein Vereinsspiel auf unserem Platz? Habt ihr gesehen, was sie tragen?“
„Klar!“ Max’ Augen glänzten. „Die tragen echte Trikots mit Rückennummern und ihren Namen! Und einheitliche Sporthosen. Und Stutzen mit Schienbeinschützern!“
„Die Knödel. Komplett in Vereinstrikots!“, stellte Pedro staunend fest.
„Straßenkicker kicken in Straßenklamotten!“, beharrte Dimitri, der gerade dazukam. „Was soll das? Wieso tauchen die hier in Vereinsklamotten auf? Unser Sparri ist kein Vereinsplatz!“
„Das sehe ich auch so!“, stimmte Mehmet ihm zu.
Nur Max war anderer Meinung und von den Trikots sehr angetan.
„Das ist erstklassiges Material, sage ich euch!“, behauptete er. „Fast so gut wie mein Real-Trikot!“
„Alter, das ist mir doch egal!“, meckerte Mehmet, ohne den Blick von den Knödeln zu nehmen. In ihrer blauen Ausstattung sahen ihre muskelbepackten Beine, derentwegen die Haie sie auch die Knödel nannten, noch muskulöser aus.
Tim betrachtete stumm sein ausgeleiertes rotes T-Shirt, Tom begutachtete sein gelbes. Beide hatten sie vorn und hinten mit schwarzem Filzstift ihre Namen krakelig aufs Shirt geschrieben.