Der dritte Vater

Horst Bieber

Published by BEKKERpublishing, 2018.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

Der dritte Vater | Krimi von Horst Bieber

Klappentext:

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Der dritte Vater

Krimi von Horst Bieber

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IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: pikwizard mit Kathrin Peschel, 2018

Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel

© dieser Ausgabe 2018 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

Klappentext:

Susi, 15 Jahre alt, ist wieder einmal ausgerissen. Der Privatdetektiv Dirk Landau liest sie an der Ostsee auf und bringt sie zurück nach Tellheim. Susi fasst Vertrauen zu ihm und erzählt Stück für Stück, was sie an ihrem Vater Johannes Döhle, ihrer Mutter Sina und dem momentanen Dauergast Oliver Rendel stört. Und plötzlich passiert etwas unsagbar Schreckliches. Susi befürchtet, dass sie schuld an diesem Unglück ist und erhofft sich Hilfe von Dirk Landau. Der wiederum versucht gerade ein länger zurückliegendes Verbrechen aufzuklären und steht kurz vor dem entscheidenden Durchbruch ...

***

PERSONENVERZEICHNIS:

Dirk Landau: Privatdetektiv

Mona Thiesow: seine Partnerin

Ella Marx: die Bürofee der Detektei L & T

Arne Wilster: Kriminalhauptkommissar (KHK) im Archiv des Polizeipräsidiums (PP)

Marlene (Lene) Schelm: Erste Kriminalhauptkommissarin (KHK)

Susanne (Susi) Döhle: Schülerin

Johannes (Hannes) Döhle: Susis Vater

Sina Döhle, geborene Feldmann: Susis Mutter

Oliver Rendel: ein alter Freund und Kollege von Hannes Döhle

Vera Lüders: für sehr kurze Zeit Landaus Urlaubs-Freundin.

Inge Sieloff: arbeitet für Hannes und Sina Döhle in der Firma Feldmann & Küster

Hans-Peter (Hape) Küster: 50% Teilhaber an Feldmann und Küster

Pia Küster, geborene Wenck: Hapes Ehefrau

Alle Taten und Personen, Firmen und Lokale, die meisten Orte und Beziehungen, selbst das Bundesland Leiningen mit seiner Hauptstadt Tellheimer sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären also rein zufällig.

***

Erstes Kapitel

Ohne Vorwarnung kam sie aus dem Bad gestürmt und baute sich vor dem Bett auf, beide Fäuste in die Seite gestemmt: „Soll ich dir mal ganz genau sagen, was du bist?“

„Vielen Dank, lieber nicht!“, erwiderte Landau höflich.

„Ein Chauvi, ein größenwahnsinniger Macho, ein Potenz-Protz, also insgesamt ein hochkarätiges Arschloch.“

Die Gardinen waren nicht ganz zugezogen, und das Sonnenlicht, das durch den Spalt fiel, leuchtete sie ausgesprochen verführerisch aus. In den vergangenen zwei Wochen war sie tiefbraun geworden, bis auf den weißen Streifen des Bikini-Höschens und den hellbraunen Streifen quer über dem prachtvollen Busen, der jetzt vor Erregung und Wut wippte. Ihre rotbraunen Haare funkelten regelrecht, und der unbändige Zorn machte sie begehrenswert. Temperament besaß sie für zwei, aber die Kombination von ungezügelter Launenhaftigkeit und Egoismus pur ging ihm mittlerweile auf die Nerven. Und dann, wenn er sich mehr Temperament erhofft hatte, war sie lieber eingeschlafen. Was bei ihr nicht länger dauerte, als sich auszuziehen.

„Na? Keine Antwort?“

„Was willst du hören, liebe Vera? Du hast meinen Charakter glänzend beschrieben, du willst also abreisen, was soll ich da noch sagen?“

„Verflucht sei der Tag, an dem ich dir begegnet bin!“, platzte sie heraus. Weil sie fähig war, das Tablett mit dem Frühstücksgeschirr nach ihm zu werfen, nickte er nur demütig. In Windeseile zog sie sich an und packte ihren Koffer, er schaute gleichmütig zu und wunderte sich, mit welcher Energie sie Kleider, Hosen, Wäsche und Blusen zusammenknüllte und in die Lücken stopfte, nur um ihm zu zeigen, dass sie es keine Minute länger mit ihm aushielt. Natürlich hatte sie in der Dusche wieder die Hähne nicht richtig zugedreht, er hörte das rhythmische Tropfen. Mit einer Hand schob er das Kopfkissen hinter seinen Rücken an das Oberteil des Bettes, setzte sich auf und schaute gelassen zu. Als die Kofferschlösser knackten, unterdrückte er ein Gähnen der Erleichterung und sagte: „Tschüss, Vera. Es war nur mäßig schön mit dir.“

„Das kann ich von dir nicht behaupten“, blaffte sie ihn an, worauf er die Schultern zuckte. Jetzt bloß keine Auseinandersetzung mehr! Sein Bedarf an Zank war auf Jahre gedeckt! Wie hatte er sich nur so in ihr täuschen können?! Seine Partnerin Mona Thiesow hatte ihn gewarnt, aber das hatte er für Stutenbissigkeit gehalten und ihr unterstellt, sie habe sich mit ihrer Vorzimmerfee in der Agentur, mit Ella Marx, wieder einmal verschworen, ihm den Urlaub mit einer neuen Freundin zu vermiesen.

Eine Stunde später warf auch er seinen Koffer auf das Bett. Vera Lüders hatte darauf bestanden, an die See zu fahren, er war kein Sonnenanbeter und Bräunungsfetischist, der Strand langweilte ihn schnell, schwimmen konnte er auch im Freibad, und die mitgebrachten Bücher hatte er bereits alle gelesen und sich über alle geärgert; noch mehr allerdings über die lobenden Rezensionen im Tageblatt, hier hielt ihn nichts mehr.

Die junge Frau an der Kasse lächelte still-vergnügt in sich hinein. Sie war hübsch und modern und perfekt, wie das ganze sündhaft teure und irgendwie bis auf die Bar steril-ungemütliche Hotel. Nachdem sie seinen spöttischen Blick aufgefangen hatte, arbeitete sie mit gesenktem Kopf weiter. Wie er Vera Lüders einschätzte, war sie lautstark abgereist, das Hotel-Personal war wohl bestens über ihn informiert, und als er sich heuchlerisch erkundigte: „Sie werden das Zimmer doch noch vermieten können?“, schluckte sie verlegen. Die zarte Röte auf der Stirn zierte sie nicht schlecht.

Auf dem Parkplatz standen nur noch wenige Autos. Wenn es keinen Stau auf der Autobahn gab, konnte er am Nachmittag zu Hause sein, ohne zu hetzen. Er freute sich auf eine Woche Faulenzen in seiner Wohnung, ohne Verpflichtungen, ohne eine anstrengende Vera. Leise pfeifend klappte er den Deckel des Kofferraumes zu und schreckte fürchterlich zusammen, als sich hinter ihm jemand heftig räusperte: „Entschuldigen Sie bitte ...“

Er wirbelte herum, das Mädchen trat rasch einen Schritt zurück, und er prustete schwer: „Haben Sie mich erschreckt!“

„Oh – oh – das tut mir leid.“ Sie stammelte, nicht weniger erschrocken, und er holte tief Luft. Mit diesen jungen Dingern hatte er seine Mühe, sie mochte fünfzehn oder zwanzig sein, das konnte er nicht schätzen. Ein hübsches schmales Gesicht mit hohen Backenknochen, Stupsnase, voller Mund und eine hohe Stirn, das wollte alles noch nicht recht zusammenpassen, aber sie würde eine bildschöne Frau werden. Aschblonde Haare, die dringend nach einem Friseur verlangten. Jeans, ein dünnes Sweatshirt, darüber eine Jeansjacke, ehedem weiße Joggingschuhe. Über der Schulter trug sie eine dieser formlosen Segeltuchwürste mit einem breiten, lila Tragegurt.

„Ich wollte – ich habe ...“

„Ja?“, ermunterte er.

„Ich habe das Kennzeichen Ihres Wagens gelesen.“ Sie musste sich zur Ruhe zwingen. „Und da wollte ich Sie fragen, ob Sie mich mitnehmen können.“

Eine Tramperin. Einen Moment war er enttäuscht. Trotz dieser Einheitsuniform sah sie nicht nach einer Abenteurerin aus, es ärgerte ihn ein wenig, dass er sie falsch eingeschätzt hatte. Sie missverstand sein Zögern und fügte leise hinzu: „Bitte!“

Unwillkürlich zog er die Augenbrauen zusammen und musterte sie. Zu seinem Erstaunen wich ihr Blick nicht aus, so jung sie war, so genau wusste sie schon, was sie wollte.

„Wie alt sind Sie denn?“

„Fünfzehn“, antwortete sie schnell.

„Ach du meine Güte!“, murmelte er, und als sie daraufhin unvermutet lächelte, haute es ihn fast um. Mein Gott, das Kind besaß Charme! Und ein Selbstbewusstsein für weitaus mehr als fünfzehn Jahre.

„Ich bin keine Tramperin“, erklärte sie noch immer heiter. „Ich reiße nur öfter von zu Hause aus, aber der Kerl, der mich mitgenommen hat, wurde zudringlich. Und jetzt ist mein Geld alle, deswegen muss ich leider nach Hause.“

„Na prima!“, seufzte er, „steigen Sie ein, ich nehm’ Sie mit.“

Eine Ausreißerin, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Aber Vera Lüders hatte ihm heute Morgen einen Gefallen getan, da durfte er sich revanchieren. Wie sagt der Pfadfinder? – „allzeit bereit für die gute Tat des Tages.“

„Danke!“, jubelte sie. Ihre Stimme gefiel ihm.

Bis zur Bundesstraße hockte sie schweigend, aber sichtlich entspannt neben ihm. Vor dem Einsteigen hatte sie die Jeansjacke ausgezogen, unter dem engen Hemdchen zeichnete sich ein hübscher Busen ab. Warum sich Frauen in so enge Jeans quälten, verstand er zwar nicht, aber sie hatte schöne lange Beine und schmale Hüften, schon die Figur einer Frau und noch das Gesicht eines Kindes. Es war etwas verwirrend.

„Wie heißen Sie eigentlich?“

„Susanne Döhle, aber alle nennen mich Susi. Sie können mich übrigens ruhig duzen, kein Mensch sagt ‚Sie‘ zu mir.“

„Das kommt noch“, entgegnete er wenig geistreich.

„Hoffentlich nicht so bald.“ Wenn sie lachte, war sie schön, und bei aller Offenheit fehlte jede Spur von Dreistigkeit oder Aufdringlichkeit. „Und wie heißen Sie?“

„Landau, Dirk Landau.“

„Ich freue mich, dass ich Sie getroffen habe.“ Nein, den würdevollen Ton solcher Floskeln traf sie noch nicht, er kaute auf seinen Lippen und hütete sich, seine Erheiterung zu zeigen.

Auf der Bundestraße herrschte so viel Verkehr, dass er sich konzentriere musste, eine flotter Fahrer war er ohnehin nicht, und ein defensiver Mensch hatte aufzupassen, dass ihn die Risikofreudigen nicht pausenlos schnitten oder einkeilten. Allerdings konnten diese Tiefflieger ihn auch nicht mehr aufregen, und wenn er in geschlossenen Ortschaften auf Tempo 55 herunterging, ließen ihn auch die Lichthupen im Rückspiegel kalt. Trotzdem fühlte er sich wohler, als er sich auf der Autobahn eingefädelt hatte.

„Da habe ich ja Glück gehabt“, lobte sie plötzlich.

„Wie meinst du das?“

„Ein vernünftiger Fahrer bis nach Hause.“

„Danke für die Blumen.“

„Bitte, bitte“, schnurrte sie. „Fahren Sie viel Auto?“

„Es geht, allerdings meistens in der Stadt.“

„Darf ich fragen, was Sie von Beruf sind?“

„Ich bin Privatdetektiv.“

„Wirklich?“

„Ganz wirklich.“

„Ein Derrick ohne Dienstmarke? Wirklich?“

„Hundert pro.“

„Dann sind Sie auch bewaffnet?“

„Nein, ich benutze lieber meinen Kopf als eine Waffe. Übrigens habe ich gar keine Waffe, sondern müsste mir erst eine leihen.“

„Oha!“

„Enttäuscht?“

„Warum sollte ich? Ich habe noch nie einen Privatdetektiv getroffen, sondern kenne nur welche aus dem Fernsehen.“

„Die haben mit der Realität nicht viel zu tun.“

„Aber sie haben so schöne Sprüche auf Lager.“

„Damit kann ich vielleicht auch dienen.“

„Lassen Sie mal hören?“

„Weißt du, was Hygiene ist?

„Ach Gott, das hat ja einen Bart. Wenn man sich die Hände häufiger wäscht als nötig.“

„Ich sollte vielleicht doch so viel Whisky trinken wie die Vorbilder im Fernsehen.“

„Was trinken Sie denn statt Whisky?“

„Ich bin Weißweintrinker.“

„Echt?“ Sie staunte. „Weißwein? Nicht Rotwein?“

„Ganz echt. Weißwein. Deutschen sogar.“

„Man lernt doch nie aus!“, seufzte sie so gekonnt, dass er laut loslachen musste: „Von wem hast du denn den schönen Spruch gelernt?“

„Von meiner Großmutter. Sie hat ihn alle Augenblicke benutzt.“

„Jetzt nicht mehr?“