Ulrich Franz

 

Lampis Abenteuer Teil 1

Die ungleichen Freunde

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Inhalt

 

1. Die unfreiwillige Trennung 3

2. Lampi und die Wespe 9

3. Die ungleichen Gefährten 15

4. Lampis Eltern 25

5. Polly in Gefahr 30

6. Das Versprechen 36

7. Ein freudiges Wiedersehen 42

8. Ein Rehkitz in Not 46

9. Wird die Rettung gelingen? 56

10. Ein Entenpaar als Glücksbringer 64

11. Der Abschied 69

12. Ein Uhu in Not 73

13. Neue Aufgaben, neue Abenteuer 78

14. Gibt es Hoffnung für Bambinos Eltern? 85

15. Bambino erfährt vom Schicksal seiner Eltern 88

16. Die Suche geht weiter 91

17. Eine nette Gesellschaft 97

18. Ein glückliches Ende 108

 

 

1. Die unfreiwillige Trennung

 

Noch war in der kleinen Sasse der Hasenfamilie alles in Ordnung. Weit von der nächsten Ortschaft entfernt, zog die ihre Jungen zwischen Feldern und einem nahen Wald auf. Während die jüngsten aus dem Wurf nie die elterliche Nähe verließen, war der Älteste von denen immer neugierig unterwegs. Sowie auch an diesem Tag, an dem der Kleine, seine Eltern riefen den Lampi, sie begleiten durfte. Auch dessen Geschwister waren dabei, nur blieben die ständig in der Nähe der Eltern. Lampi, kaum wenige Minuten älter als seine Geschwister, fühlte sich schon erwachsen.

Vater und Mutter Lampe erklärten ihren Kindern alles Wissenswerte bei ihren Spaziergängen. Einzig Lampi tollte sich in der Gegend herum, ohne den Eltern zu zuhören. Bis jetzt verlief der Weg der Hasenfamilie immer am Waldrand, dicht neben den Feldern der Bauern. Aber als Lampis Vater mit seiner Familie den Wald betrat, kam Lampi ängstlich in den Schutz der Eltern zurück. Noch nie in seinem kurzen Leben sah er so hohe Bäume aus der Nähe. Vater Lampe beruhigte den Sohn und erklärte ihm verschiedene Beeren und Pilze. Doch Lampi fühlte sich plötzlich, da in der Nähe seiner Eltern, sicher. Als wüsste er bereits alles, versuchte er seine Geschwister zum Spielen zu bewegen. Doch im Gegensatz zu ihm, lauschten die, wenn ihnen die Eltern etwas beibringen wollten. Von den Pilzen und Beeren, die man essen konnte, hörte Lampi nichts. Der tobte vergnügt durch den dichten Farn und schlug Purzelbäume auf dem weichen Moos. Die Worte seiner Eltern vernahm Lampi dabei nicht. Sein Vater sagte gerade: „Von den Beeren und Pilzen dürft ihr nichts essen, davon könntet ihr schwer krank werden oder sogar sterben.“ Diese Worte gingen auch nicht an dem spielenden Lampi ungehört vorüber. Die wollte er sich unbedingt merken.

Aber schon bald hatte er alles vergessen, denn die Hasenfamilie näherte sich einem Mohrrübenfeld. Vater Lampe sog vorsichtig die Luft ein. Da die rein und kein Bauer zu sehen war, forderte er seine Familie auf, ihm zu folgen. Mit den Pfoten buddelte er eine aus und aß die genüsslich auf. Auch die Mutter der Hasenfamilie folgte dem Beispiel ihres Mannes und vergnügte sich bei dem köstlichen Schmaus. Die abwartenden Kinder herbeirufend, legte sie denen eine dieser Mohrrüben hin. Lampi sah dabei misstrauisch zu, doch als er seine Geschwister so essen sah, probierte auch er eine.

Lampi wollte zunächst nicht glauben, was er da auf seinem Gaumen spürte. Als er aber die Rübe verzehrt hatte, sah er den Eltern zu, wie die diese Köstlichkeit aus dem Erdboden gruben. Sehr schnell hatte Lampi begriffen, wie er an diese wohlschmeckende Mohrrübe gelangen konnte.

Doch wie immer im Leben, endet das Schöne schneller, als man denkt. Denn Vater Lampe rief seine Kinder zu sich und teilte denen mit, dass man jetzt wieder nach Hause gehen müsse. Auf Lampis Protest erklärte sein Vater, man werde bald wieder dieses Feld besuchen. Während Lampi noch nach der nächsten Rübe buddelte, befanden sich seine Eltern schon auf dem Rückweg. Kurz entschlossen schnappte Lampi sich die eben ausgegrabene Mohrrübe und rannte damit den Eltern hinterher. Plötzlich sah Lampi viele bunte Blumen und Pflanzen, die köstlich duftend vor ihm wuchsen. Ach, da gab es ja so viel Schönes zu sehen. Neben bunten Blumen auch wohlschmeckende Gräser. Bunte Schmetterlinge, die in ihrer Farbenpracht lustig von einer Blume zur anderen flogen und wie spielend vor ihm hin und her tanzten. Aber dann verschwanden die Schmetterlinge hinter einem am Boden liegenden Baumstamm. Neugierig geworden, vergaß er seine Eltern und rannte den Schmetterlingen hinter her. Zwar hörte er noch, wie Papa Hase ihn aus der Ferne rief, und hörte auch noch die Rufe seiner Mutter – „Lampi, Lampi!“ Aber er war doch viel zu neugierig, um seine gerade erst begonnene Entdeckungsreise schon zu beenden. Auch wenn es bei den Eltern noch schön war, fand er es hier und noch dazu allein, viel schöner. Jetzt interessierte erst einmal das, was hinter dem Baumstamm sein könnte, der ihm die Sicht nahm.

Ohne an eine Gefahr zu denken, versuchte Lampi unter dem Baumstamm hindurchzukriechen. Nur waren da einige morsche Äste im Weg, durch die er nicht kam. Anlauf nehmend, durchbrach der kleine Hase das Hindernis und landete schreiend im Nichts. „Hilfe-Hilfe!“, schrie er, als er keinen Boden mehr unter den Füssen spürte und irgendwo hinunterstürzte. Tief fiel der kleine Hase einem Abhang hinunter, ohne sich dabei besonders weh zu tun. Erschreckt stand der Kleine auf, schüttelte sich und sah zu dem Abhang, von dem er gefallen war, hinauf. Der Schreck saß Lampi im Nacken, als er seine schwierige Lage bemerkte. Wie sollte er je wieder da hochkommen? Zu steil war der Abhang, so steil, dass er da nie hätte hochklettern können. Einsam und allein, die Eltern außer Sicht, wurde ihm bewusst, welch einen schweren Fehler er gemacht hatte. Niemand war in der Nähe, der ihm hätte helfen können. Aber was half das jetzt, irgendwie musste er seine Eltern wiederfinden. Traurig, ja fast verzweifelt hoppelte Lampi dem Abhang entlang, der nicht zu enden schien. Nur die Hoffnung eine Stelle zu finden, von wo aus er den Abhang hinaufsteigen konnte, ließ Lampi nicht verzweifeln. Immer in der Nähe des Abhangs, der für ihn so unüberwindbar wurde, entfernte er sich immer mehr von seinem Zuhause. Schon bald war Lampi so tief in einen dichten Wald eingedrungen, dass er jegliche Orientierung verlor. Müde und hungrig, ergab sich Lampi seinem Schicksal. Eine Kuhle, in der trockenes Laub am Boden lag, kam ihm gerade recht. So müde wie er war, legte er sich in die und schlief ein. Ein leises Säuseln der Blätter, einer mächtigen Laubbaumkrone ließ Lampi aufwachen.

Etwas verwirrt blickte sich unser kleiner Freund um, wo war er hier? Aber schon bald fiel ihm sein Missgeschick, die Eltern aus den Augen verloren zu haben, wieder ein. Als wenn das nicht schon schlimm genug war, knurrte sein Magen, als hätte er schon seit Tagen nichts mehr gegessen.

„Was könnte man jetzt essen?“, überlegte Lampi. Auf der Wiese bei seinen Eltern kannte er die Gräser, die essbar waren, aber hier im Wald? Von den vielen Spaziergängen mit Vater und Mutter wusste er ja, dass man nicht alles essen darf. Papa hatte ihm gesagt, die Pflanze und den Pilz darf man essen. Aber von den und den kannst du krank werden, vielleicht sogar sterben. Unser kleiner Lampi setzte sich und grübelte. „Was war das bloß, was Papa gesagt hatte? Ach hätte ich doch nur aufgepasst, anstatt immer zu spielen und rum zu toben!“

Der Magen knurrte sehr, traurig und hungrig setzte Lampi seinen Weg fort. Er war ja schon den zweiten Tag unterwegs. Selbst das muntere Gezwitscher der vielen Vogelarten konnte Lampis Stimmung nicht verbessern. Plötzlich bekam er Angst: „Papa, Mama -, wo seid ihr, ich will auch nie wieder fortlaufen und immer auf euch hören!“ Es war furchtbar, allein in der Wildnis und dann dieser Hunger.

Ein Buntspecht hämmerte laut an einem Baumstamm nach Maden und Käfern und ließ sich die fette Beute schmecken. Es sah fast so aus, als wollte der bunte Vogel Lampi zeigen, wie man sich etwas Essbares suchen kann. Doch, statt den Specht zu beachten, schaute Lampi sich plötzlich aufgeregt um. So, als hätte er die rettende Stimme des Vaters gehört. Er lauschte nochmals, aber da war niemand, oder doch? Lampi sah in alle Richtungen, aber außer Bäume und Sträuchern, konnte er niemanden sehen, den er hätte ansprechen können. Aber was war das? Da stand eine riesige Eiche und raschelte mit ihrem Laub, als wollte die mit ihm sprechen. Ein sprechender Baum? Davon hatte Lampi noch nie etwas gehört. Doch, war da nicht etwas? Der kleine Hase wischte sich mit seinen Pfötchen über Augen und Ohren, sprach ihn da nicht irgendwer an? Tatsächlich, plötzlich redete ihn dieser riesige Baum, der direkt vor ihm stand mit tiefer, aber freundlicher Stimme an. Leise raschelte dabei seine dichte Laubkrone. „Warum jammerst du jetzt, geh zu deinen Eltern zurück! Für dich ist es hier allein im Wald doch viel zu gefährlich, Kleiner.“

Über diese unerwarteten Worte erschrak sich unser kleiner Meister Langohr sehr. Mit einem Satz sprang er zwischen zwei hohe Wurzeln, um sich dort zu verstecken. Vorsichtig hob Lampi den Kopf und lugte über die Wurzeln, hinter denen er sich versteckt hatte. Neugierig und doch ängstlich, wollte er dann doch sehen, wo diese Stimme herkam. Plötzlich aber bewegte sich eine der Wurzeln, auf der er gerade lag. Eine tiefe aber lachende Stimme rief: „Äh du! Hör auf, – hihi – hihi, du kitzelst meine – hihi – Füße, hihi lass das sein!“ Unser kleiner Lampi war darüber ebenso erschrocken wie erstaunt und sah die Eiche an. „Hast du jetzt eben so gelacht?“, fragte Lampi vorsichtig.

„Wer sonst? Du hast doch auf meinen Füssen gelegen und diese gekitzelt!“ Jetzt nahm Lampi all seinen Mut zusammen. Er stellte sich vor den großen dicken Stamm der Eiche und sprach sie an: „Du lieber guter sprechender Baum, du bist so riesig groß und so hoch, du kannst bestimmt sehr weit sehen. Schau doch bitte einmal nach, ob du vielleicht meine Eltern sehen kannst? Dann könntest du mir doch sagen, wo diese sind. Ich muss doch wissen, in welche Richtung ich gehen muss, damit ich wieder zu ihnen zurückgehen kann. Ich habe sie aus den Augen verloren.“ Der große Baum wiegte bedächtig mit seiner schweren Krone: „Warum willst du zurück? Du bist doch bestimmt deinen Eltern davongelaufen!“ „Ja und nein, ich wollte ja nur einmal sehen, was es da hinter den Büschen und Sträuchern, in unserer Nähe gibt.“

„Also bist du doch davongelaufen!“, knurrte die Eiche.

„Nein, ich bin doch plötzlich einen Abhang hinuntergefallen! Von allein kam ich da nicht mehr hoch und nun bin ich hier und warte das du mir hilfst. Meine Eltern machen sich bestimmt riesige Sorgen und Hunger habe ich auch. Bitte, lieber guter Baum, sei doch so lieb und helfe mir meine Eltern und meine Geschwister wieder zu finden!“ Irgendwo verspürte die Eiche Mitleid mit dem Kleinen. „Na ja, für deinen Hunger kann ich etwas tun. Wenn es nachher dunkel wird, legst du dich zum Schlafen zwischen meine Wurzeln. – Aber nicht wieder kitzeln, OK? Ich pass dann auf, dass dich niemand im Schlaf stört. Zwischen meinen Wurzeln bist du sicher! Vielleicht suchen dich deine Eltern auch hier und finden dich bis heute Abend. Solange bleibst du hier, damit ich dich beschützen kann. Geh jetzt erst einmal etwas beiseite.“ Lampi wusste zwar nicht warum, tat es dann aber. Plötzlich dröhnte es im Wald so sehr, dass selbst die schlafenden Rehe davonsprangen. Die Eiche hatte ihre dicken Wurzeln erhoben und stampfte damit so heftig, dass ihre Früchte zu Boden fielen. Eine Birke, die hinter ihr stand, schrie: „Wieso trittst du mir in meiner Mittagsruhe auf die Füße?“ Mürrisch antwortete die Eiche: „Entschuldige bitte, aber der kleine Ausreißer hier, verhungert uns sonst!“ Daraufhin fragte die Birke erstaunt: „Was, ich hör wohl nicht richtig? Seit wann kümmern dich die Tiere hier im Wald?“

„Ach schimpf mich nicht so aus, hilf mir lieber! Sieh dich doch bitte einmal um, vielleicht kannst du die Eltern des kleinen Hasen hier ausfindig machen? Du stehst doch etwas höher als ich!“ Unser Freund, der kleine Hase, kümmerte sich nicht um dieses Gespräch, sein Hunger war zu groß. Er aß von den vielen zu Boden gefallenen Eicheln, auch wenn die keine typische Hasenmahlzeit waren. Hauptsache, er konnte jetzt endlich seinen Hunger stillen. Endlich wieder satt sein, nur das zählte jetzt für ihn. Erst jetzt, als der Hunger verschwunden war, nahm er das Singen der unterschiedlichen Vögel im Wald war. Dankend nahm er dann das Angebot an, bis zum Abend unter dem Schutz der riesigen Eiche zu warten. Vielleicht sind Mama und Papa doch, bis es dunkel wird wieder hier? Wenn nicht, wäre es schon schön im Schutz der Wurzeln des riesigen Baumes, sicher schlafen zu können.

Leider blieb der kleine Hase auch am Abend noch allein. Weit und breit war von seinen Eltern nichts zu sehen. Traurig legte Lampi sich, als es dunkel wurde zwischen den Wurzeln der Eiche. Im Klang der zauberhaften Stimme einer Nachtigall schlief Lampi wohl behütet ein. Sorgen wegen seiner Sicherheit musste er sich nicht machen, wie stark die ihn beschützende Eiche war, hatte er ja gesehen. Erst als die Sonne ihr warmes Licht in den Wald warf, erwachte der kleine Hase. Am Morgen rieb sich unser kleiner Freund die Augen, er sah sich um …, wo waren seine Eltern? Weit und breit war keiner von denen zu sehen. Erst als er die Eiche ansah, fiel ihm sein Missgeschick wieder ein. Traurig blickte Lampi die große Eiche an, die ihm am Vortag so reichlich zu essen gab. Er erinnerte sich auch daran, dass sie nach seinen Eltern Ausschau halten wollte. So stellte sich der kleine Kerl vor den großen Baum und fragte: „Wolltest du heute nicht Ausschau nach meinen Eltern halten? Du hast es mir versprochen!“

„Ja kleiner Hase, aber wir sind hier in einer Gegend, in der auch ich nicht so weit sehen kann! Die anderen Bäume sind auch sehr hoch und die stehen zum Teil noch höher als ich, aber auch sie konnten nichts entdecken.“

„Das wusste ich!“, quäkte die Birke vom Vortag. „Viel Gerede, aber nichts dahinter, kennt man ja! Wie soll ich was sehen, wenn selbst du, der du viel größer bist, nichts siehst.“

„Weil du höher stehst!“, antwortete die Eiche und wendete sich wieder an Lampi. Versöhnlich meinte sie: „Du siehst kleiner Freund, so gerne ich möchte, aber ich kann dir jetzt nicht helfen. Da musst du schon alleine weitersuchen. Ich bin mir aber sicher, du wirst jemanden finden, der dir weiterhilft.“

 

2. Lampi und die Wespe

Traurig aß unser kleiner Freund noch ein paar Eicheln, bevor er sich auf den Weg machen wollte. Aber plötzlich vernahm er schon wieder eine Stimme. Wieder konnte er niemand sehen, von dem man wusste, dass der reden kann. Eine wundersame Welt ist das hier draußen, dachte sich Lampi. Können die hier alle meine Sprache? Er kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Bevor der Kleine das alles richtig verstehen konnte, sprach ihn jemand an. „Eh kleiner Hase, ich habe doch eben dein Gespräch mit der Eiche gehört. Hast du ein Problem? Lass es mich doch einmal hören!“ Lampi drehte sich um, aber außer einer Wespe, die plötzlich um seine Nase schwirrte, war niemand zu sehen. Unsicher darüber, wer ihn da wohl ansprach, sprach er die Wespe, die um seinen Kopf kreiste an. „Hör mal, hast du mich eben angesprochen, oder willst du mich etwa stechen?“, fragte Lampi misstrauisch. Zu seiner Überraschung antwortete die Wespe: „Hätte ich dich dann angesprochen? Bestimmt nicht, dann würdest du schon meinen Stachel gespürt haben!“

„Ach, dann warst du es also doch Wespe?“ Unser kleiner Freund war darüber sehr erstaunt. „Ich hätte nicht geglaubt, dass Wespen unsere Sprache sprechen, aber umso besser. So kann ich dir wenigstens von meinem Problem erzählen, ich habe mich verlaufen. Jetzt kann ich weder mein Zuhause noch meine Eltern finden.“

„Soso, du hast dich also verlaufen? Na dann erzähl mir doch einmal, wie es dazu kam. Vielleicht kann ich dir helfen.“ Lampi erzählte, jetzt wieder unter Tränen, seine Geschichte. „Hm -, nun lass mal den Kopf nicht hängen kleines Häschen. Ich habe gerade nichts Wichtiges zu tun, wollte mir eh nur die Gegend ansehen. Aber wenn du willst, machen wir uns gemeinsam auf die Suche nach deinen Eltern.“

„Das würdest du tun? Ach, das wäre prima Wespe. Hätte nicht gedacht, dass eine Wespe so lieb sein kann. Ich hörte von Anderen, ihr würdet jeden stechen, der in eure Nähe kommt.“

„Blödsinn, wir müssen uns doch auch wehren! Wir stechen nur, wenn uns jemand etwas zu Leide tut oder uns angreift, sonst nie! Aber sag mal, wenn wir deine Eltern finden wollen, weißt du noch, wo du herkamst und aus welcher Richtung du gekommen bist?“

„Auweia, ich bin schon so viel herumgeirrt!“ Lampi überlegte krampfhaft: „Vielleicht von da“, und zeigte in eine Richtung. „Oder von dort?“ − Es sah hier alles irgendwie gleich aus. Verzweifelt, da ihm nichts einfiel, blickten die kleinen Augen traurig auf sein gelbes, schwarz gestreiftes Gegenüber.

„Hör mal kleiner Hase, vielleicht, nützt uns jetzt sehr wenig! Aber ich bin ja auch schon sehr weit herumgekommen und kenne mich hier ein bisschen aus. Vielleicht kann ich dir dennoch helfen. Ihr habt euer Lager bestimmt in der Nähe von grünen, fetten Wiesen, stimmt es?“

„Oh ja“, schwärmte Lampi, „aber manchmal geh ich mit meinem Vater etwas weiter weg. Da gibt es so wunderschöne Mohrrüben, die schmecken lecker!“

„Hm …, kann sein, irgendwo habe ich so etwas bestimmt schon gesehen. Ich glaube zu wissen, wo das war. Aber versprechen kann ich es dir nicht, klar? Lass uns da einfach mal nachsehen. Es ist aber noch ein weiter Weg bis dahin!“ Das war Lampi egal und war überglücklich jemand gefunden zu haben, der ihm bei der Suche half. So machten sie sich gemeinsam auf den weiten Weg. Lampi hoppelte der Wespe, die immer in seiner Nähe blieb hinterher. So waren sie schon eine ganze Weile unterwegs, als Lampi stehen blieb. Überrascht sah die Wespe ihn an und fragte: „Was ist, du bist doch nicht etwa schon wieder müde?“

„Nein!“, antwortete Lampi. „Mir fällt nur gerade ein, dass wir bestimmt noch länger zusammen sind. Es wäre doch schön, wenn ich deinen Namen wüsste. Meine Eltern rufen mich immer Lampi und wie heißt du?“

„Ach ja, das ist gut, da weiß ich doch wenigstens, wie ich dich rufen kann. Ich bin eine Wespe und heiße Pollina, aber meine Freunde rufen mich Polly!“ Damit erhob sich Wespe Polly und flog weiter. Meister Langohr Junior folgte ihr, sah sich aber ständig nach etwas Fressbaren um. Lampi staunte über die vielen Sorten von Pilzen, welche unter dem dichten Moos hervorlugten. Teilweise mit lustigen Hüten auf ihren Stielen, so wie dieser Fliegenpilz der sehr giftig ist. Da Lampi aber nicht wusste, welche Pilz man essen darf, ließ er sie stehen. Immer Vaters Worte im Ohr -, „Viele könnten giftig sein, davon wird man sehr krank oder kann davon sogar sterben.“ So sah Lampi sich die Pilze und Pflanzen nur an und freute sich über deren vielfältige Farbenpracht. Irgendwie ärgerte Lampi sich, bei den Spaziergängen mit den Eltern nicht genügend aufgepasst zuhaben. Vielleicht hätte er sich dann an den Pilzen und Beeren satt essen können. Aber so musste er doch hungern, da er von den Eicheln nur wenige gegessen hatte.

Ihr Weg führte sie immer wieder an kleinen Sträuchern vorbei, deren kleine Früchte sehr appetitlich aussahen. Einmal blau, ein anderes Mal rot, doch Lampi wusste nicht, ob er die essen durfte, und ließ die stehen. Polly setzte sich auf einen morschen Baumstamm, an dessen Holz sie knapperte.

„Warum genießt du nicht die schönen Beeren, welche hier an den vielen Sträuchern hängen?“, fragte sie verwundert den kleinen Hasen, der ebenfalls an dem Stamm nagte.

„Ich kenn die nicht, mein Vater hat mich gewarnt, etwas zu essen, was ich nicht kenne.“

„Da kann ich dir leider auch nicht weiter helfen mein Freund, eure Essgewohnheiten kenn ich nicht. Ich kann dir nur sagen, wie lecker die Beeren schmecken. Ich weiß, dass Menschen und Tiere sie gerne essen. Aber ehrlich gesagt, ich würde auch nichts essen, was ich nicht kenne.“ Damit setzten sie ihren Weg fort.

Als ihnen plötzlich ein großer alter Keiler (Wildschweinmann) entgegenkam, wollte Lampi aus Angst vor dem großen Tier flüchten. Doch der Keiler sprach ihn freundlich an: „Keine Angst, ich will dir kleiner Hase nichts tun. Aber kannst du mir sagen, wo ich eine Eiche finde, bei der noch viele Eicheln auf dem Waldboden liegen? Ich habe so einen Appetit darauf. Immer wenn ich eine Eiche finde, hat die keine Früchte.“ Lampi wusste, dass er kurz zuvor, wenn auch ungern, welche gegessen hatte. Daher zeigte Lampi dem Wildschwein den Weg. „Da kann ich dir helfen. Wenn du den Weg, von dem wir gerade kommen weiter gehst, siehst du links eine mächtige Eiche, dort liegen noch viele Früchte auf dem Boden.“

„Ist das auch wirklich wahr?“, fragte der Keiler misstrauisch.

„Du kannst es mir glauben, ich habe dort vor Kurzem selbst solche Eicheln gegessen.“ Der Keiler bedankte sich bei dem Hasen und verschwand in die angegebene Richtung. Lampi aber folgte Polly in anderer Richtung.

Die Zeit verstrich sehr schnell. Da der Wald hier nicht so dicht war, konnte man sehen, wie es langsam anfing zu dämmern. Auch Polly hatte es bemerkt und sagte: „Lampi, ich glaube es wäre jetzt besser, wenn wir uns eine Stelle zum Übernachten suchen. Denn ein Stück weiter wird der Wald so dicht, da können wir bald nichts mehr sehen. Bleib du erst einmal hier und warte auf mich, ich schau mal nach, wo ich etwas Passendes für uns finde, ja?“

„Na klar, ich warte, bis du wieder hier bist! Doch denke ich, dass ich im Dunklen besser sehen kann als du.“

„Mag ja sein“, entgegnete die Wespe, „aber ich glaube, dass ich schneller wieder zurück bin“, und verschwand darauf im Dunkel des dichter werdenden Waldes. Als Wespe Polly zurückkehrte, staunte sie nicht schlecht. Da ist doch der kleine Hase so einfach eingeschlafen? Sie flog ganz dicht an sein großes langes Ohr, das über die Augen geknickt war und brummte so laut es nur ging. Erschreckt sprang Lampi auf. „Was, was ist los?“, rief er und blickte Polly fragend an.

„Ach Lampi, musst du müde sein? Aber hier kannst du nicht bleiben, du wärst eine schnelle Beute für den Fuchs. Komm, ich habe etwas gefunden, wo wir in dieser Nacht beide ruhig schlafen können!“ Und wie müde Lampi war, am liebsten wäre er hier liegen geblieben. Nur der Gedanken mit seiner neuen Freundin in einem sicheren Versteck schlafen zu können, veranlasste ihn, ihr zu folgen. Die Stelle, an der sie ruhen wollten, lag schon im tieferen Wald. Wie Polly es schon gesagt hatte, konnte man hier kaum noch etwas erkennen. Zu dunkel war es in der Zwischenzeit geworden.

„So Lampi, hier in den Büschen gibt es eine verlassene Höhle, die sollte uns einen ruhigen Schlaf gestatten.“ Lampi ging voraus -, immer die Luft prüfend durch die Nase saugend. Ängstlich sah er sich in der Finsternis um, aber es schien alles in Ordnung zu sein.

„Na ja, es ist zwar nicht so ein schönes Bett wie zuhause, aber was soll es“, und so legte Lampi sich hin. Wespe Polly tat es ihm auf ihre Weise gleich. Plötzlich wurde Lampi wach und schnupperte aufgeregt. Gerade wollte er aufspringen, als er auch schon die scharfen Zähne eines Fuchses im Genick spürte. So sehr Lampi auch strampelte, konnte er sich aus dem Rachen des Untieres nicht befreien.