Julian Press, Jahrgang 1960, studierte in Hamburg an der Fachhochschule Grafik und Illustration, hat in einem Jugendbuchverlag volontiert und war dann für Jugendzeitschriften und in einer Werbeagentur tätig. Schon bald begann er, selbst für Kinder zu schreiben und zu zeichnen. Er trat früh in die Fußstapfen seines Vaters, Autor der berühmten »Schwarzen Hand«, und begann eigene Ratekrimis und Wimmelbilder zu entwerfen. Nach längerem Aufenthalt in Brüssel lebt er heute mit seiner Frau als freier Grafiker und Autor in Hamburg. Seine sehr lebendigen interaktiven Lesungen sind bei kleinen und großen Spürnasen sehr beliebt.
Flo hatte den vermissten schwarzen Vogel unten am linken Turm entdeckt, wo er sich hinter einem Besen versteckt hatte. Pater Anselm seufzte erleichtert. Er schloss das Hauptportal zur Klosterkirche auf und führte die Schüler in das Kirchenschiff. Dabei erzählte er ihnen etwas über die großartige Baukonstruktion.
Im Kirchenschiff standen in regelmäßigen Abständen riesige Säulen, die so dick waren, dass sechs Kinder sich an den Händen halten mussten, um eine Säule zu umfassen. Diese Pfeiler dienten als Stütze für das gesamte Kreuzrippengewölbe der Decke.
»Dort wo sich die Kreuzrippen an der Decke treffen«, erklärte Pater Anselm, »befinden sich die Schlussstei…« Ihm stockte plötzlich der Atem, als er sah, dass die Tür zum Kreuzgang nicht wie üblich geschlossen war, sondern einen Spaltbreit offen stand.
Philipp war nicht entgangen, dass der Pater beunruhigt aus dem Spitzbogenfenster in den Kreuzgang hinausschaute. Als er zudem vom Fenster aus etwas entdeckte, was eindeutig verriet, dass jemand im Kreuzgang gewesen sein musste, hatte Philipp das Gefühl, dass ereignisreiche Tage bevorstehen würden.
Was hatte Philipp entdeckt?
Es war der Mann mit Hut und Regenschirm. Er hatte sich kurz nach Betreten des Klosters von der Gruppe abgesondert. Auch wenn sich die Lakritzbande noch keinen Reim darauf machen konnte, was das zu bedeuten hatte, so wollte sie doch unverzüglich Pater Anselm informieren.
»Nanu, sein Zimmer ist verschlossen!«, wunderte sich Flo, nachdem er mehrmals geklopft und keine Antwort erhalten hatte.
»Pater Anselm!«, rief Caro, die meinte, im Zimmer ein Stöhnen gehört zu haben.
Die Kinder waren ratlos. Schließlich schaute Philipp durch das Schlüsselloch.
»Entweder ist noch jemand im Zimmer, oder aber wir sind um Haaresbreite zu spät gekommen!«
Weshalb war sich Philipp so sicher?
Die Sanduhr muss gerade umgedreht worden sein!«, stellte Philipp fest. Kurz entschlossen wandte sich die Lakritzbande an Bruder Giselbert und bat ihn, das versperrte Zimmer aufzuschließen.
»Um Himmels willen!« Bruder Giselbert war sehr erschrocken, als er Pater Anselm gefesselt und geknebelt auf einem Stuhl hinter der Tür entdeckte.
»Gut, dass ihr kommt!«, rief Pater Anselm. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Eine vermummte Gestalt hat mich bedroht und hier eingesperrt, nachdem ich mich geweigert hatte, ihm zu verraten, wo wir seinen Komplizen gefangen halten. Wir müssen sofort hinterher.« Das gesamte Kloster wurde den Tag über auf den Kopf gestellt. Doch von dem Flüchtigen fehlte jede Spur.
»Dort braucht ihr gar nicht erst zu suchen!«, rief Bruder Giselbert der Lakritzbande nach, als sie auf den ehemaligen Krankensaal zusteuerte, »der ist schon seit hundert Jahren verschlossen.«
Aber Flo schaute dennoch durch ein kleines Sprossenfenster hinunter in den langen Saal.
»Ich wette, da war erst noch vor kurzem jemand drin!«
Was veranlasste Flo zu dieser Überlegung?
Flo hatte eine Flasche Wasser und ein gefülltes Glas entdeckt, die links hinten vor dem letzten Bett auf einem Nachttisch standen. Die Lakritzbande lief sofort den Korridor entlang zur Tür des Krankensaals, als plötzlich jemand vor ihren Augen die Tür aufriss und an ihnen vorbeistürmte.
»Los, hinterher! Dort hinter dem Schrank!«, rief Caro.
Doch der Unbekannte war schneller. Er rannte auf eine Tür zu, riss sie auf und verschwand dahinter.
»Verflixt, der kennt sich hier aber gut aus! Ob wir den je wieder sehen werden?«, ärgerte sich Philipp.
»Tausend Meilen gegen den Wind würde ich ihn wiedererkennen, wenn er uns noch einmal über den Weg laufen sollte«, entgegnete Caro.
»Das wird vielleicht schneller sein, als ihr denkt! Morgen ist Zirkus angesagt«, grinste Flo und streckte seinen Freunden einen Papierfetzen entgegen, den der Flüchtende verloren hatte.
»Scheint jemand von der Truppe zu sein!«, vermutete Caro.
Natürlich fand sich die Lakritzbande am nächsten Tag im Zirkus Kokolores ein und hielt nach dem Verdächtigen Ausschau. Es dauerte nicht lange, und Caro war sich sicher, den Übeltäter im Zirkuszelt entdeckt zu haben.
Wo vermutete Caro die gesuchte Person?
Wollen wir nicht lieber Lars und Leo rufen?«, meinte Flo, der von Caro auf den Gesuchten aufmerksam gemacht worden war. Dieser saß unterhalb des Orchesters in der dritten Reihe im Schatten des Scheinwerfers mit einem Programmheft vor dem Gesicht. Caro hatte ihn an seiner Armbanduhr wiedererkannt. Scharfsinnig hatte sie festgestellt, dass der Gesuchte seine Uhr am rechten und nicht wie üblich am linken Handgelenk trug.
»Donnerwetter!«, entfuhr es Philipp anerkennend, und er fügte hinzu: »Wir müssen unbedingt rausbekommen, was er hier vorhat!«
Die Lakritzbande versteckte sich am Ausgang und behielt den Mann im Auge. Doch der konnte im Gewimmel der hinausströmenden Zuschauer unentdeckt entkommen.
»Verflixt und zugenäht«, ärgerte sich Philipp.
Die Lakritzbande wollte gerade das Zirkusgelände verlassen, um nach Krähenstein zurückzukehren, als Flo Philipp am Ärmel zupfte. Er hatte den Gesuchten entdeckt.
»Nicht schlecht!«, staunte Philipp, als ihm klar wurde, wer die Person auf dem Zirkusgelände war.
Welcher Tätigkeit ging die Person nach?
Dem werden wir jetzt einen Besuch abstatten!«, verkündete Philipp und lief geradewegs auf den vermeintlichen Straßenkehrer zu. Als wenn dieser das herannahende Unheil gespürt hätte, ergriff er rasch Besen und Mülltonne und schob sie rasch davon.
»Der hat es aber eilig!«, kicherte Caro. Die Detektive verfolgten den immer schneller laufenden Straßenkehrer. Kurzerhand bog dieser in eine kleine Gasse ein und stellte die Mülltonne hinter einer Treppe ab. Und dann war er wie vom Erdboden verschluckt.
»Nanu, wo steckt er denn?«, fragte Flo.
»Den Kerl finden wir schon, hier kann uns keiner entkommen!«, beruhigte Caro ihn, als sie durch ein lautes Poltern jäh unterbrochen wurde.
Die Lakritzbande rannte zum Torbogen, doch Fehlalarm, der Täter war nicht hier. Stattdessen entdeckte sie eine Katze, die auf der Jagd nach einer Maus einige Altglasflaschen umgestoßen hatte.
»Ich bin mir ziemlich sicher, wo wir den Täter suchen müssen!«, rief Flo nach einem kurzen Augenblick.
Wo hatte sich die Person versteckt?
Flo hatte den Straßenkehrer in der Regentonne vermutet, weil diese plötzlich randvoll mit Wasser war. Es war nur eine Frage von Sekunden, bis er aus der Tonne auftauchen musste, um Atem zu holen. Und tatsächlich, nach exakt neunzehn Sekunden war es so weit. Ein kräftiger Wasserstrahl traf Flo mitten ins Gesicht. Der Gesuchte schnappte nach Luft. Die Lakritzbande hielt ihn so lange in Schach, bis Lars und Leo eingetroffen waren. Beweismaterial gegen ihn fand sich genug, denn seine Mülltonne hatte ihm gleichzeitig als Versteck für die Diebesbeute gedient. Philipp zog eine Putte aus der Tonne und sagte: »Könnte tatsächlich aus dem Kloster Krähenstein stammen!«
Auf dem Rückweg dorthin beteuerte der Festgenommene, der sich als Franz Undeloh ausgab, seine Unschuld.
»Das werden wir noch sehen! Die Engelsfigur ist mit Sicherheit nicht vom Himmel gefallen!«, meinte Philipp, als sie am Kloster angekommen waren.
Während Lars und Leo Franz Undeloh zum Verhör mitnahmen, gingen Philipp, Flo und Carolin in die Kirche und schauten sich um.
»Eindeutig! Die Diebesbeute stammt von hier!«, stellte Caro fest.
Wieso wusste Caro das so genau?
Philipp hatte rechts hinten im Winkel vor dem Kreuzgang einen Schlüssel liegen sehen: ein eindeutiger Hinweis, dass sich ein Unbefugter im Kreuzgang auf gehalten haben musste. Denn im Kirchenschiff war das Schild mit der Aufschrift »Wegen umfangreicher Sanierungsarbeiten – Betreten verboten« nicht zu übersehen gewesen.
»Das scheint mir etwas merkwürdig«, flüsterte Philipp Flo und Carolin zu.
Sie hatten sich zum Mittagessen im Refektorium, dem Speisesaal des Klosters, eingefunden, zusammen mit den dreizehn Benediktinermönchen, die noch im Kloster lebten. Eintopf mit Speckstreifen war nicht gerade das Lieblingsessen der Lakritzbande, aber sie schenkte dem Essen heute keine besondere Beachtung. Vielmehr war sie mit der Frage beschäftigt, wer hier im Kloster sein Unwesen trieb.
Während der Mahlzeit ließ Caro den gegenüberliegenden Trakt des Klostergeländes nicht aus den Augen. Dann war sie sich sicher:
»Ich wette, da drüben ist jemand!«
Was veranlasste Caro zu dieser Feststellung?
Caro vertraute ihre Beobachtung Pater Anselm an. Auch er konnte sich keinen Reim darauf machen, wer das Rollo im ersten Stock ganz rechts oberhalb der Laterne zugezogen haben könnte. Da alle dreizehn Mönche beim Mittagessen anwesend waren, musste noch irgendjemand im Kloster sein.
»Dort drüben befindet sich das Dormitorium!«, posaunte Caro heraus.
»Das was?«, fragte Florentin.
»Na, der Schlafsaal der Mönche«, antwortete Caro, »das hat uns doch Pater Anselm erzählt!«
»Und was werden wir jetzt tun?«, hakte Philipp nach.
»Ganz einfach«, meinte Caro, »da jetzt unsere Ferien beginnen, könnten wir uns für eine Weile hier einquartieren …«
Pater Anselm gab seine Erlaubnis und die Lakritzbande traf tatsächlich zwei Tage später mit Rucksack und Schlafsack im Kloster Krähenstein ein. Schon in der folgenden Nacht wurde Caro durch Stimmen geweckt, von denen sie annahm, dass sie aus dem Kräutergarten kamen. Sie rüttelte Philipp und Flo wach, alle drei warfen sich rasch in die Klamotten und rannten in den Garten. Im Dunkeln war nichts zu entdecken, und Caro wollte schon wieder umkehren, als Flo mit dem Finger auf etwas deutete.
Was entdeckte Flo?
Du meine Güte«, entfuhr es Flo, als die Lakritzbande hinten bei der Steintreppe einen am Boden liegenden Benediktinermönch entdeckt hatte. Er war mit einer Schnur gefesselt und es stand außer Frage: Das Opfer war nicht ansprechbar.
»Gott sei Dank, nur ohnmächtig«, flüsterte Philipp, der den Puls des Mönches kontrolliert hatte.
Die Lakritzbande benachrichtigte Pater Anselm. Der war sofort zur Stelle und sah, dass es sich um Bruder Giselbert handelte. Mit vereinten Kräften trugen sie das Opfer in sein Zimmer, wo er wenig später wieder zu sich kam. »Was ist denn passiert?«, stöhnte Bruder Giselbert. »Ach, jetzt erinnere ich mich. Ich habe gerade die abendliche Liturgie vorbereitet, da hörte ich eine Fensterscheibe klirren. Ich lief zum großen Turm. Noch ehe mir klar war, was passiert ist, wurde ich von jemandem in einer Mönchskutte überwältigt. Man hielt mir den Mund zu und zerrte mich in den Kräutergarten. An mehr kann ich mich nicht erinnern!«
Die Lakritzbande untersuchte die Zimmer im Turm. Als sie den Raum im zweiten Stock betraten, war Philipp klar, dass sich der Täter hier aufgehalten haben musste.
Warum war sich Philipp so sicher?
Philipp war die abgerissene Gardinenschnur aufgefallen, die sich der Täter aus diesem Raum beschafft hatte, um den Mönch Giselbert zu fesseln. Beim Durchsuchen des Zimmers entdeckte die Lakritzbande außerdem den aufgebrochenen Sakristeischrank.
»Was mag der Täter nur gesucht haben?«, überlegte Caro. Pater Anselm, der dazugekommen war, klärte Caro auf: »Das ist nicht schwer zu erraten. In diesem Schrank befinden sich die wertvollsten Gegenstände unseres Klosters! Lauter alte Kostbarkeiten.«
»Der Täter muss durch dieses Fenster hier eingestiegen sein«, unterbrach Philipp plötzlich und deutete auf umherliegende Glassplitter und die eingeschlagene Scheibe eines kleinen Fensters, das sich an der hinteren Wand des Zimmers befand.
»Wie ist er denn bloß dort oben hingekommen?«, grübelte Philipp später, als er mit Flo und Caro am Fenster ihres Schlafzimmers stand.
»Wie wär’s mit einer Leiter?«, spottete Flo.
»Schlaues Kerlchen«, meinte Philipp, »siehst du hier denn eine?«
»Nein, natürlich nicht«, gestand Flo kleinlaut ein.
»Ich hab’s«, Caro tippte Philipp auf die Schulter, »guck mal dort drüben.«
Was hatte Caro entdeckt?
Caro hatte ein Seil entdeckt, das an einem der Schornsteine auf dem Dach des Klostergebäudes festgezurrt war.
»Vermutlich hat sich der Dieb vom Dach abgeseilt, weil er anders nicht in diesen Teil des Klosters gelangen konnte«, meinte Flo.
Gerade als sie ins Bett gehen wollten, bemerkten sie eine Gestalt, die etwas unter dem Arm trug und durch den Kräutergarten schlich. Ohne Zeit zu verlieren, hetzten Philipp, Flo und Carolin los. Als die Lakritzbande den Garten erreichte, bog der Flüchtende gerade um die Ecke und verschwand im Gestrüpp hinter dem Kloster. »Was mag der Kerl hier nachts gesucht haben?«, fragte Caro.
»Keine Ahnung«, meinte Flo, »aber auf jeden Fall haben wir ihn überrascht, denn er floh mit leeren Händen.«
»Was auch immer er unter seinem Arm trug, muss also irgendwo hier versteckt sein!«, schlussfolgerte Philipp.
»Richtig«, stimmte Flo zu und ergänzte: »Ich kann mir auch schon denken, wo!«
Was hatte Flo bemerkt?
Flo grub mit bloßen Händen in der Erde des Zitronenbäumchens, das in einem Tontopf an der Mauer stand, und zog tatsächlich einen alten silbernen Kelch heraus.
»Wie bist du da bloß draufgekommen?«, fragte Caro verblüfft. »Ganz einfach: Von unserem Schlafzimmerfenster aus war mir das Bäumchen aufgefallen. Es trug nur eine einzige Frucht rechts am Stamm. Als wir im Kräutergarten ankamen, hing die Zitrone auf einmal links. Da dachte ich mir, dass hier die Beute versteckt sein muss.«
Am nächsten Morgen, in aller Herrgottsfrühe, fand wie gewohnt der Gottesdienst statt und anschließend versammelten sich alle dreizehn Mönche im Lesesaal. Ausnahmsweise durfte die Lakritzbande dabei sein. Mucksmäuschenstill lauschte sie der lithurgischen Lesung.
Die Mönche saßen fast eine volle Stunde in ihre Bücher vertieft, und Philipp war schon drauf und dran einzuschlafen.
»Wir sind vielleicht Trottel«, platzte Caro plötzlich in die Stille, »wir sitzen hier seelenruhig rum und der Täter ist mitten unter uns!«
Alle Mönche starrten Caro an. Doch sie ließ sich nicht beirren und rief laut und überzeugt:
»Der Täter ist unter uns!«
Wie kam Caro zu dieser Vermutung?
Noch ehe jemand begriffen hatte, was Caro damit meinte, rannte der entlarvte Mönch durch den Lesesaal und verschwand durch eine Geheimtür hinter einem Bücherregal, die einen Spalt offen stand. Caro hechtete hinterher. Zurück blieben Philipp und Flo und dreizehn verdutzte Mönche.
Jetzt kam Bewegung in sie: Philipp und Flo rannten hinter Caro her, gefolgt von Pater Anselm und allen dreizehn Mönchen.
Das Klostergelände war weitläufig und nach etwa zehn Minuten wurde die Verfolgung abgebrochen. Caro blickte auf Philipp und Flo und in weitere dreizehn Augenpaare, und alle schienen sie aufzufordern, endlich zu sagen, was sie entdeckt hatte. Zwar war der Täter entwischt, aber Caro konnte dennoch triumphieren: »Nachdem ich im Lesesaal alle Anwesenden durchgezählt hatte und feststellen musste, dass es statt dreizehn Mönchen vierzehn waren, gab’s nur eine Erklärung: Ein Mönch war nicht echt!«
»Fragt sich nur, wo der jetzt steckt!«, mischte sich Philipp ein. »In jedem Fall muss er hier vorbeigekommen sein!«, rief Flo, als sie an einem Seitenportal angekommen waren.
Was hatte Flo entdeckt?
Unterhalb eines gotischen Kirchenfensters hatte Flo eine Brille entdeckt.
»Er muss sie auf der Flucht verloren haben«, meinte Philipp.
»Stimmt, das ist die Brille des Täters!«, bestätigte Caro.
Pater Anselm war fassungslos. »Die Geschichte wird immer seltsamer. So etwas hat es während unseres ganzen Klosterlebens noch nicht gegeben!«
»Was mag ihn nur dazu gebracht haben, sich einfach im Lesesaal unter uns zu mischen?«, fragte Bruder Giselbert.
»Vermutlich wollte er auskundschaften, was gegen ihn unternommen wird«, warf Caro ein.
»Wir werden die Polizei rufen, es ist schon genug Schaden angerichtet worden!«, sagte Pater Anselm energisch.
»Wir sollten lieber erst herausfinden, ob sich vielleicht nicht eine ganze Diebesbande dahinter verbirgt«, schlug Philipp vor. »Mit Sicherheit ist der Kerl jetzt in Zeitnot und wird heute Nacht noch handeln!«
Das überzeugte sie und in der folgenden Nacht wurde die Lakritzbande tatsächlich belohnt. Wieder war der Täter am Werk, aber erneut gelang es ihm, unerkannt zu verschwinden. Philipp allerdings war nicht entgangen, wohin.
Wo hatte sich der Täter versteckt?
Philipp machte Flo und Caro auf den Reifen der Schubkarre aufmerksam, der plötzlich platt gedrückt war. Es sah so aus, als hätte sich jemand unter der Plane versteckt. »Krrks« machte es, als Caro auf einen Ast trat, und wie ein Gespenst bäumte sich die Plane auf. Die Lakritzbande konnte die Person, die darunter zum Vorschein kam, in Schach halten, bis Pater Anselm herbeieilte. Lars und Leo, die inzwischen informiert worden waren, erschienen kurze Zeit später. Der Ertappte hüllte sich während des nun folgenden Verhörs in Schweigen. Aber dann machte Caro an der Klostermauer eine tolle Entdeckung.
»Hier ist ein Loch!«, rief sie.
»Ideal, um etwas aus dem Kloster hinauszuschmuggeln!«, meinte Philipp. »Seht, der Stein wurde von jemandem außerhalb des Klostergeländes herausgelöst. Also muss noch ein Komplize beteiligt sein!«
Um acht Uhr am nächsten Morgen wurde die Lakritzbande vom Stimmengewirr der Besucher geweckt, die an einer Führung teilnahmen. Sie folgte der Gruppe und beobachtete sie genau. »Aufgepasst!«, flüsterte Flo. »Eine Person hat sich gerade aus dem Staub gemacht!«
Um welche Person handelte es sich?
Wow, was für ein toller Bau«, rief einer der Mitschüler anerkennend. Gemeint war das Kloster Krähenstein, das abgeschieden und in einem vermeintlichen Dornröschenschlaf lag. Ein Ort der Stille, an dem nur das Krächzen von Rabenkrähen zu hören war.
Am letzten Freitag vor den Ferien hatte sich die Lakritzbande mit ihrem Lehrer Haferstroh und einigen Mitschülern vor dem Portal des Klosters eingefunden, um an einer Klosterführung teilzunehmen.
»Die Grundmauern des Klosters stammen aus dem frühen Mittelalter, die Grundsteinlegung ist datiert auf das Jahr 1276«, begann Pater Anselm die Führung und fuhr fort: »Anlass waren der Überlieferung nach sieben Rabenkrähen, die den damaligen Benediktinermönch Roderich hierher führten. Und deshalb ließ er an dieser Stelle das Kloster errichten. Seither leben hier immer sieben Krähen, um den geweihten Ort und seinen weiteren Erhalt zu sichern …«
»… beim heiligen Roderich«, rief Pater Anselm plötzlich, »ich kann nur sechs Krähen am Glockenturm entdecken, wo ist denn die siebte abgeblieben?«
»Ich weiß, wo sie steckt«, meldete sich der pfiffige Flo.
Wo entdeckte Flo die siebte Rabenkrähe?
Tatsächlich, das Sicherheitsschloss wurde einfach aufgeknackt!«, stellte Caro fest, als sie den Käfig mit der Nr. 873 im Erdgeschoss links hinten in der Halle, neben dem großen Stützpfeiler, näher untersuchte.
In Windeseile sprach sich herum, dass ein Kaninchen gestohlen worden war, und es herrschte helle Aufregung, als sich herausstellte, um welches Kaninchen es sich dabei handelte: um den allseits bekannten »Max von Löwenzahn«.
»Donnerwetter! Und preisgekrönt ist es obendrein!«, rief Philipp, als die Lakritzbande durch die Ausstellungshalle lief.
»Woher weißt du das?«, fragte Flo erstaunt.
»Das ist doch nicht zu übersehen«, entgegnete Philipp, »ich weiß sogar noch eine Menge mehr. Ich kann euch verraten, wem das Tier gehört und wo wir den Besitzer finden werden.«
Wo hielt sich der Kaninchenbesitzer auf?