Der Autor

JAMES ELLROY, 1948 in Los Angeles geboren, lernte die dunkle Seite der amerikanischen Gesellschaft sehr früh kennen. Als Jugendlicher geriet er aus der Bahn und konnte sich erst durchs Schreiben wieder fangen. Mit Die schwarze Dahlie gelang ihm der internationale Durchbruch. Heute gilt er als einer der wichtigsten literarischen amerikanischen Autoren.

Von James Ellroy sind in unserem Hause bereits erschienen:
Blut auf dem Mond · Blut will fließen · Blutschatten · Browns Grabgesang · Crime Wave · Der Hilliker-Fluch · Die Rothaarige · Die schwarze Dahlie · Ein amerikanischer Albtraum · Ein amerikanischer Thriller · Endstation Leichenschauhaus · Heimlich · Hollywood, Nachtstücke · Hügel der Selbstmörder · In der Tiefe der Nacht ·  Jener Sturm · L.A. Confidential · Perfidia · Stiller Schrecken · White Jazz

Das Buch

»Ich liebe es, über die amerikanische Geschichte nachzudenken, über die Geschichte L.A.s nachzudenken. Ich liebe es, über Verbrechen zu brüten.« James Ellroy
In keiner anderen Stadt üben Sex, Ruhm, Geld und Verbrechen eine so magische Anziehungskraft aus wie in Los Angeles. Und kein Autor kann dies brillanter beschreiben als James Ellroy. Von den Skandalen der fünfziger Jahre zum Polizeibericht von heute, vom ungeklärten Mord an seiner Mutter zum gewaltsamen Tod von Nicole Brown Simpson - James Ellroy untersucht skandalöse True Crimes und stellt die Ehre der Toten wieder her.

James Ellroy

Crime Wave

Auf der Nachtseite von L.A.

Aus dem Amerikanischen
von Stephen Tree

Ullstein

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www.ullstein.de

Neuausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage April 2022
© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022
© 2000 für die deutsche Ausgabe by Econ Ullstein List Verlag GmbH & Co. KG, München
© 1999 für die deutsche Ausgabe by Ullstein Buchverlage GmbH & Co.KG, München
© 1999 by James Ellroy
All rights reserved
© der Einführung 1999 by Art Cooper
Titel der amerikanischen Originalausgabe: Crime Wave (Vintage Crime/Black Lizard,  New York)
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: Getty Images Entertainment / © Ulf Andersen / Kontributor
Autorenfoto: © Marion Ettlinger
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ISBN 978-3-8437-2668-9

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Widmung

Für
Curtis Hanson

Prolog

Einführung

von Art Cooper, Chefredakteur des Magazins GQ

Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich bin James Ellroy im Herbst 1993 im Restaurant des »Four Seasons« begegnet, einer Kultkneipe für Verlagsgrößen, wo ein Lunch für zwei Personen ohne weiteres den Vorschuss eines Erstlingsromans aufzehren kann. Das erste Wort von James war »Wuff!« – und damit war der Teufelskerl der amerikanischen Literatur in mein Leben und das von GQ getreten. In den vergangenen fünf Jahren hat James einige der besten journalistischen und novellistischen Arbeiten vorgelegt, die wir je veröffentlicht haben, und sie sind alle im vorliegenden Band enthalten. Normalerweise machen sich Autoren in Zeitschriften einen Namen, bevor sie sich Büchern zuwenden, doch James war bereits ein bekannter Romancier, ehe er beschloss, für Zeitschriften zu arbeiten.

James ist ein mächtiger Mann mit ebensolcher Stimme und Persönlichkeit. Wer ihn nicht gut kennt, empfindet ihn als überwältigend. Seinen Bekannten geht es nicht anders. Und er ist furchtlos wie ein Dobermann, was ich bereits entdeckte, als wir uns darüber klarzuwerden versuchten, was eine vollkommene Geschichte ist. Als Bewunderer seiner The Black Dahlia (»Die Schwarze Dahlie«) gestand ich ein, von den Hollywood-Morden der 40er und 50er Jahre fasziniert zu sein. Das Gespräch verlief etwa so:


ICH: »Wissen Sie, da geht irgendeine Miss Idaho nach Hollywood, um ein Star zu werden, schafft’s nicht, arbeitet als Kellnerin in einer Cocktail Lounge oder als Nutte, und endet schließlich als schreckliches und geheimnisvolles Mordopfer.« JAMES: »Nun, meine Mutter wurde ermordet, als ich zehn war. Sie hat in einer Bar etwas getrunken und ist mit einem Burschen weggegangen. Ihre Leiche wurde auf dem Zufahrtsweg einer Highschool gefunden. Sie ist erwürgt worden. Man hat den Täter niemals gefunden.« ICH (aufgeregt): »Das ist die Geschichte! Schreiben Sie Ihre Besessenheit nieder. Stellen Sie Untersuchungen an. Schreiben Sie sich’s von der Seele. Jetzt.« JAMES: »Ja, Pate.« (Er nennt mich ständig Pate. Was ich mag. Ich komme mir dabei so elegant vor.)


Erst Jahre später sollte ich erfahren, dass James direkt von meinem Büro zu seinem Agenten Nat Sobel gegangen war, einem, bis auf diese eine Ausnahme, weisen und einfühlsamen Menschen. »Art will, dass ich über den Mord an meiner Mutter schreibe«, sagte James. »Lass das«, riet Nat. »Das wird alles Mögliche in dir aufwühlen, an das du nicht rühren möchtest.« »Ich tu’s«, sagte der Dobermann. Sein Artikel »Der Killer meiner Mutter« erschien in unserer Ausgabe vom August 94 und wurde einer der herausragenden Zeitschriftenartikel des Jahres. James arbeitete den Text später zu seinen Bestsellererinnerungen My Dark Places (»Die Rothaarige«) um.

Ich stehe nicht allein mit der Ansicht, dass alles, was James je schrieb, ja auch sein Wesen an sich, durch den Mord an Geneva Hilliker Ellroy geprägt worden ist. So schreibt er selber im »Killer meiner Mutter«: »Die Frau weigerte sich, mir einen Straferlass zu gewähren. Ihre Begründung war schlicht: ›Durch meinen Tod hast du deine Sprache gefunden, und ich will von dir, dass du das nicht nur ausbeutest, sondern mich begreifst.‹« James’ Widmung meiner Ausgabe von My Dark Places lautet denn auch »Sie lebt!«

Der Artikel wurde mit einer Fotografie von James illustriert, die unmittelbar entstand, nachdem er vom Tod seiner Mutter erfahren hatte. Man sehe sich seine Augen an. Sie blicken schockiert, verständnislos. Vom Vater erzogen, einem Lebemann und »Hollywood-Wasserträger« (James’ Worte), der es mit Rita Hayworth getrieben haben könnte oder auch nicht, wuchs James zu einem Teenager-Tunichtgut auf, einem Spanner und Kleinkriminellen, der in Häuser einbrach, um an Höschen zu schnüffeln. Er hielt alles fest, was er im Drogen- oder Billigweinrausch oder während neun Monaten in einer lokalen Arrestzelle erlebte – albtraumhafte, fotografisch exakte Visionen, die Grundlage seiner künftigen Schwarzen Fiktionen.

Diese komplexen Geschichten aus der Schattenwelt von Los Angeles geben die Sozialgeschichte der Stadt in den 40er und 50er Jahren am zutreffendsten wieder, einer Epoche »wo böse Weiße Böses im Namen der Staatsmacht trieben«. Ellroys Geschichten sind vollgepackt wie ein überbelegtes Gefängnis, aber der synkopische Stil täuscht: kurze, stakkatohafte, oft alliterierende Salven, Nur sind sie alles andere als unbestimmt. Auf den einen muskulösen Satz folgt der nächste und treibt die Geschichte gezielt voran. Seine Protagonisten sind tief verletzte Männer auf beiden Seiten des Gesetzes, die durch ihre Erfahrungen entstellt und verdorben sind.

James stand bereits im Ruf des Schöpfers der besten knallharten Krimis der amerikanischen Literatur, als sein Roman L.A. Confidential (»Stadt der Teufel«) kritisch und kommerziell erfolgreich verfilmt und er einem größeren Publikum nahegebracht wurde. Eine Erfahrung, die er in »Böse Buben in der Filmstadt« beschreibt. Die drei Kurzgeschichten dieses Bandes machen dort weiter, wo L.A. Confidential aufhörte: »Erpressung à la Hollywood«, »Hush-Hush« und »Tijuana, mon Amour«. James greift die Figur von Danny Getchell wieder auf, dem gerissen-korrupten Starautor der Zeitschrift Hush-Hush, der über fast jedes Mitglied der Filmstadt schlimme Dinge weiß und vor keiner Erpressung zurückschreckt, um an die schmutzige Wäsche anderer heranzukommen. Eine ganze Bande munterer Missetäter, darunter Jack Webb, Mickey Cohen, Frank Sinatra, Lana Turner, Johnny Stompanato, Dick Contino, Sammy Davis Jr., Oscar Levant und Rock Hudson werden von Ellroy genüsslich durch den Kakao gezogen. Ellroy lässt sie auf rüde Weise wahrhaftig, bizarr und glaubhaft erscheinen.

Vor zwei Jahren gab ich im »The Four Seasons« eine Dinnerparty für eine andere Ikone der 50er Jahre, den 71-jährigen Tony Curtis. Der in rüschenbesetztem weißem Hemd und aufschlaglosem Smoking erschien, eine Medaille der französischen Regierung an der Brust und seine umwerfend schöne, 1,85 große, 26-jährige Freundin Jill Van Den Berg am Arm. Auch James nahm teil, ebenso Tom Junod, der für GQ einen brillanten Artikel über Curtis geschrieben hatte, sowie ein Redakteur, dessen Name mir gleich einfallen wird. Als ich vorschlug, Tony solle einen geschützten Extratisch bekommen, meinte James, er solle mit den übrigen Gästen speisen. Natürlich hatte James recht. Tony wurde den ganzen Abend von Vorstadt-Matronen angehimmelt, die ihn um ein Autogramm baten, berührten und ihn als den bestaussehenden Star aller Zeiten feierten.

Wir tranken überaus guten Wein, lachten viel und hörten entzückt zu, wie Tony und James sich die Bälle zuspielten und sich wilde Geschichten aus dem Hollywood der 50er Jahre erzählten. Mir wurde klar, dass es niemanden gibt, der heute mehr über diese spezielle Zeit und diesen speziellen Ort weiß als James. Er scheint alles zu wissen, was es über die Berühmten, die beinahe Berühmten und die berühmt Infamen zu wissen gibt. Insbesondere, was deren Penis-Größe betrifft. Seine Romane sind ebenso mit entsprechenden Anspielungen gespickt wie seine Konversation. Manche Figuren sind »bestückt wie ein Esel«, andere »wie ein Cashewnüsschen.« Warum er davon so besessen ist, soll den Freudianern überlassen bleiben, aber für Ellroy ist die Anatomie besonders schicksalsbestimmend.

Ellroy selbst hat das Zeug zum Moralisten. Nur dass ihm die Moral kein zahmes Steckenpferd ist. Wenn ihn eine Untat aufregt, gerät er echt in Rage. Kurz nachdem O. J. Simpson seine Ex-Frau Nicole und ihren Freund Ron Goldman umgebracht hatte, fragte ich bei James an, ob er einen Aufsatz über das »Verbrechen des Jahrhunderts« schreiben wolle. »Und ob«, antwortete er. Bei der Lektüre bekam ich eine Gänsehaut. »Sex, Glitzern und Gier: Die Verführung des O. J. Simpson« ist ein leidenschaftlicher, starker Text, der mit Simpson ebenso scharf ins Gericht geht wie mit dem scheußlichen Berühmtheitskult Hollywoods, der ihn hervorgebracht hat. Vor einigen Monaten war James einmal mehr in hochmoralischer Hochform, diesmal wegen Bill Clintons sexueller Eskapade mit Monica Lewinsky und dessen recht bizarrer Behauptung, ein »blow job« sei eigentlich gar kein Sex. James juckte es, »Bubba« in der Luft zu zerreißen, doch ich lehnte, vielleicht unklugerweise, ab.

Sieht man von seinem glühenden Moralismus und seiner einmaligen erzählerischen Begabung ab, ist James allein deswegen zu einem der besten Autoren unserer Zeit geworden, weil er der disziplinierteste Schriftsteller ist, dem ich jemals begegnet bin. Er steht früh auf und verbringt jeden Tag zehn Stunden mit Schreiben. Er ist nie blockiert gewesen. Er scheint gleichzeitig an einem Roman, einer Kurzgeschichte und an einem Zeitschriftentext arbeiten zu können. Erstaunlicherweise hat er nie einen Termin versäumt. Er besitzt die Konzentration – und das Selbstvertrauen – eines Einstiegdiebs; allein das Konzept seines gegenwärtigen Romans beläuft sich auf 343 Seiten.

Genie wird belohnt. Ellroy erhält nun Vorschüsse, die solide genug sind, ihn zum Stammgast des »Four Seasons« werden zu lassen. Letzten Oktober flog er von seinem Zuhause in Kansas City nach New York, wo er, in hocheleganter Abendgarderobe (James hat eine Schwäche für Herrenschneider) den Preis als »Mann des Jahres« auf dem Gebiet der Literatur entgegengenommen hat, den ihm unsere superintelligenten Leser zugestanden haben. Die beiden bisherigen Gewinner sind Norman Mailer und John Updike. Die Herren Mailer und Updike sollten sich geschmeichelt fühlen.

ERSTER TEIL
  
UNGELÖST