Die Autorin

Taylor Jenkins Reid wurde in Massachusetts geboren, studierte am Emerson College in Boston und lebt heute mit ihrem Mann in Los Angeles. Bevor sie ihr erstes Buch Neun Tage und ein Jahr schrieb, war sie für verschiedene Zeitungen tätig. Ihre Romane Die sieben Männer der Evelyn Hugo und Daisy Jones & The Six verhalfen ihr zu internationalem Durchbruch, wurden in über zwanzig Sprachen übersetzt und standen auf zahlreichen Bestsellerlisten.

Von Taylor Jenkins Reid ist in unserem Hause bereits erschienen:
Daisy Jones & The Six

Das Buch

»Dieser hinreißende Roman erweckt die Marilyn Monroe und Elizabeth Taylor in uns allen.«
KIRKUS REVIEWS

Die Filmikone Evelyn Hugo ist endlich bereit, auszupacken und die Wahrheit über ihre skandalösen sieben Ehen zu erzählen. Sie fragt zu aller Erstaunen die Lokaljournalistin Monique Grant als Ghostwriterin an. Könnte das endlich Moniques Durchbruch werden? Evelyn beginnt, ihr von ihrem schillernden Leben zu erzählen: von ihrem Aufstieg in der Männerwelt Hollywoods, den goldenen Fünfzigerjahren der Filmbranche und ihrer geheimen großen Liebe, deren Scheitern der Preis für ihren Erfolg war. Monique lauscht gebannt. Erst gegen Ende der Geschichte wird ihr klar, dass sie dem Hollywoodstar schmerzlicher verbunden ist, als sie es je für möglich gehalten hätte …

»Voller Glamour, Liebe und schockierender Geheimnisse.«
PEOPLE

Taylor Jenkins Reid

Die sieben Männer der Evelyn Hugo

Roman

Aus dem Amerikanischen
von Babette Schröder

Ullstein

Besuchen Sie uns im Internet:
www.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage April 2022
© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2022
© 2017 by Rabbit Reids, Inc 
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2017 unter dem Titel The Seven Husbands of Evelyn Hugo bei Atria Books (Simon & Schuster, New York)
Umschlaggestaltung: zero-media.net, München
Titelabbildung: © Ilina Simeonova / Trevillion Images
Foto der Autorin: © Scott Witter
E-Book Konvertierung powered by pepyrus.com
ISBN 978-3-8437-2753-2

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Widmung

Für Lilah
Zerschlage das Patriarchat, Süße


New York Tribune

Evelyn Hugo will Kleider versteigern

von Priya Amrit, 2. März 2017


Filmlegende und 60er-Jahre-It-Girl Evelyn Hugo hat gerade angekündigt, zwölf ihrer unvergesslichen Kleider bei Christie’s versteigern zu lassen und das Geld der Brustkrebsforschung zu spenden.

Die neunundsiebzigjährige Glamour-Ikone ist bekannt für ihren sinnlichen und zugleich zurückhaltenden Stil. Viele von Hugos bekanntesten Looks haben Maßstäbe in der Mode gesetzt und gelten als Meilensteine in der Geschichte Hollywoods.

Wer ein Stück Hugo-Geschichte besitzen möchte, ist sicher nicht nur von den Kleidern fasziniert, sondern auch davon, in welchem Kontext sie getragen wurden. In den Verkauf eingeschlossen sind das smaragdgrüne Miranda-La-Conda-Kleid, das Hugo bei der Oscarverleihung 1959 getragen hat, das violette Kleid mit U-Boot-Ausschnitt aus Organdy und Soufflé, in dem sie bei der Premiere von Anna Karenina 1962 aufgetreten ist, und das marineblaue Michael-Maddax-Seidenkleid, in dem sie 1982 den Oscar für Alle für uns entgegengenommen hat.

Hugo hat schon einige Hollywood-Skandale überstanden, nicht zuletzt wegen ihrer sieben Ehen, darunter eine jahrzehntelange Beziehung zu dem Filmproduzenten Harry Cameron. Die beiden Hollywoodsternchen haben eine gemeinsame Tochter, Connor Cameron, die zweifelsohne der Auslöser für die Auktion ist. Ms Cameron starb im letzten Jahr kurz nach ihrem 41. Geburtstag an Brustkrebs.

1938 als Evelyn Elena Herrera geboren, wuchs Hugo als Tochter kubanischer Einwanderer im Viertel Hell’s Kitchen in New York City auf. Bis 1955 hatte sie es nach Hollywood geschafft, war blond geworden und hatte sich in Evelyn Hugo umbenannt. Fast über Nacht wurde Hugo Teil der Hollywood-Elite. Sie stand mehr als drei Jahrzehnte im Rampenlicht, bevor sie Ende der 1980er-Jahre in den Ruhestand ging und Finanzier Robert Jamison, den älteren Bruder der Schauspielerin und dreimaligen Oscargewinnerin Celia St. James, heiratete. Nach dem Tod ihres siebten Ehemanns lebt Hugo in Manhattan.

Überirdisch schön, ein Inbegriff von Glamour und kühner Sexualität, hat Hugo lange Zeit Kinobesucher auf der ganzen Welt fasziniert. Es wird damit gerechnet, dass die Auktion mehr als zwei Millionen Dollar einbringen wird.


1

»Könnten Sie in mein Büro kommen?«

Ich werfe einen Blick zu den Tischen neben mir und dann wieder zu Frankie, um herauszufinden, mit wem genau sie spricht. Schließlich zeige ich auf mich. »Meinen Sie mich?«

Frankie wirkt ziemlich ungeduldig. »Ja, Monique. Darum habe ich gesagt: ›Monique, könnten Sie in mein Büro kommen?‹«

»Tut mir leid, ich habe nur den letzten Teil gehört.«

Frankie dreht sich um, und ich folge ihr mit meinem Notizblock.

Frankie ist eine bemerkenswerte Person. Ich weiß nicht, ob man sie als attraktiv im herkömmlichen Sinne bezeichnen würde – sie hat strenge Gesichtszüge und weit auseinanderstehende Augen –, aber man muss sie unwillkürlich ansehen und bewundern. Schlank und einen Meter achtzig groß, mit ihrem kurzen Afro und einer Vorliebe für leuchtende Farben und auffälligen Schmuck zieht sie alle Blicke auf sich, wenn sie einen Raum betritt.

Sie war einer der Gründe, warum ich die Stelle hier angenommen habe. Seit meiner Zeit auf der Journalistenschule habe ich zu ihr aufgeschaut und ihre Artikel in genau der Zeitschrift gelesen, die sie jetzt leitet und für die ich heute arbeite. Ich finde es ermutigend, dass eine schwarze Frau den Laden schmeißt. Als Frau mit hellbrauner Haut und dunkelbraunen Augen von meinem Schwarzen Vater und reichlich Sommersprossen von meiner weißen Mutter – stärkt Frankie meine Zuversicht, dass ich eines Tages auch Chefin sein kann.

»Setzen Sie sich«, sagt Frankie, während sie selbst Platz nimmt, und deutet auf einen orangefarbenen Stuhl vor ihrem Lucite-Schreibtisch.

Schweigend setze ich mich, schlage die Beine übereinander und lasse Frankie zuerst reden.

»Eine mysteriöse Wendung der Ereignisse«, sagt sie und schaut auf ihren Computer. »Evelyn Hugos Leute erkundigen sich nach einem Feature. Einem Exklusivinterview.«

Mein Bauchgefühl sagt mir: Heilige Scheiße, aber auch: Warum erzählst du mir das? »Zu welchem Thema genau?«, frage ich.

»Ich denke, es hat mit der Kleiderauktion zu tun, die sie veranstaltet«, sagt Frankie. »Vermutlich hofft sie darauf, so mehr Geld für die amerikanische Brustkrebsstiftung einzunehmen.«

»Aber das haben sie nicht bestätigt?«

Frankie schüttelt den Kopf. »Alles, was sie bestätigen, ist, dass Evelyn etwas zu sagen hat.«

Evelyn Hugo ist einer der größten Filmstars aller Zeiten. Sie muss noch nicht einmal etwas zu sagen haben, damit die Leute ihr zuhören.

»Das könnte eine große Titelgeschichte für uns sein, oder? Ich meine, sie ist eine lebende Legende. War sie nicht achtmal verheiratet oder so?«

»Siebenmal«, korrigiert Frankie. »Und ja. Das hat großes Potenzial. Deshalb hoffe ich für den nächsten Teil der Geschichte auf Ihr Verständnis.«

»Wie meinen Sie das?«

Frankie atmet tief durch und sieht aus, als wollte sie mich gleich feuern. Doch dann sagt sie: »Evelyn hat ganz konkret nach Ihnen verlangt.«

»Nach mir?« Schon das zweite Mal innerhalb von fünf Minuten bin ich überrascht, dass jemand mit mir sprechen will. Ich muss an meinem Selbstvertrauen arbeiten. Man könnte sagen, dass es in letzter Zeit stark gelitten hat. Aber warum sollte ich so tun, als sei es jemals wirklich stark gewesen?

»Um ehrlich zu sein, war das auch meine Reaktion«, sagt Frankie.

Nun will ich ehrlich sein, ich bin etwas beleidigt. Obwohl ich ihren Standpunkt natürlich nachvollziehen kann. Ich bin noch nicht einmal ein Jahr bei Vivant und habe überwiegend Lobeshymnen auf mittelmäßige Bücher oder Filme verfasst. Davor habe ich für den Diskurs gebloggt, eine Event- und Kulturseite, die sich selbst als Nachrichtenmagazin versteht, in Wirklichkeit aber ein Blog mit reißerischen Überschriften ist. Ich habe hauptsächlich für die Rubrik Modern Life kleinere Kolumnen über aktuelle Lifestyletrends geschrieben.

Nachdem ich jahrelang freiberuflich gearbeitet hatte, war der Job bei Diskurs meine Rettung. Aber als Vivant mir eine Stelle anbot, konnte ich nicht widerstehen. Ich ergriff die Chance, zu einer Institution zu gehören und unter Legenden zu arbeiten.

An meinem ersten Arbeitstag ging ich an Wänden vorbei, an denen kultige Titelbilder hingen, die die Öffentlichkeit verändert haben – das der Frauenaktivistin Debbie Palmer, die 1984 nackt und sorgfältig in Szene gesetzt auf dem Dach eines Wolkenkratzers steht und auf Manhattan blickt. Das Bild des Künstlers Robert Turner aus dem Jahr 1991, das ihn beim Malen vor einer Leinwand zeigt, während der Text erklärt, dass er Aids hat. Es fühlte sich surreal an, ein Teil der Vivant-Welt zu sein. Ich habe schon immer davon geträumt, irgendwann meinen Namen auf diesen Hochglanzseiten zu sehen.

Aber leider habe ich in den letzten zwölf Ausgaben nichts anderes getan, als Leuten mit altem Geld altbackene Fragen zu stellen, während meine Kollegen beim Diskurs versuchen, die Welt zu verändern, und mit ihren Meldungen viral gehen. Kurz gesagt: Ich bin nicht gerade beeindruckt von mir selbst.

»Hören Sie, es ist nicht so, dass wir Sie nicht mögen, ganz und gar nicht«, sagt Frankie. »Wir denken, dass Sie bei Vivant Großes erreichen können, aber ich hatte gehofft, eine unserer erfahreneren Autorinnen auf diese Sache anzusetzen. Deshalb möchte ich Ihnen ganz offen sagen, dass wir Sie Evelyns Team nicht vorgeschlagen hatten. Wir haben denen fünf große Namen geschickt und diese Antwort hier zurückerhalten.«

Frankie dreht ihren Computerbildschirm zu mir und zeigt mir eine E-Mail von einem Thomas Welch, der wohl Evelyn Hugos Pressebetreuer ist.


Von: Thomas Welch
An: Troupe, Frankie
Cc: Stamey, Jason; Powers, Ryan
Entweder Monique Grant oder Evelyn ist raus.


Verblüfft sehe ich wieder zu Frankie hoch. Ich kann ehrlich gesagt kaum glauben, dass Evelyn Hugo etwas mit mir zu tun haben will.

»Kennen Sie Evelyn Hugo? Steckt das dahinter?«, fragt Frankie mich, während sie den Computer wieder auf ihre Seite des Schreibtischs dreht.

»Nein«, sage ich, überrascht, dass sie mich das überhaupt fragt. »Ich habe nur ein paar ihrer Filme gesehen.«

»Sie stehen in keiner persönlichen Beziehung zu ihr?«

Ich schüttle den Kopf. »Ganz sicher nicht.«

»Kommen Sie nicht aus Los Angeles?«

»Ja, aber die einzige Verbindung, die ich zu Evelyn Hugo haben könnte, ist wohl, dass mein Vater möglicherweise an einem ihrer Filme mitgearbeitet hat. Er war Standfotograf beim Film. Ich kann meine Mutter fragen.«

»Großartig. Ich danke Ihnen.« Frankie sieht mich erwartungsvoll an.

»Soll ich sie jetzt fragen?«

»Ginge das?«

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche und schreibe meiner Mutter eine Nachricht: Hat Dad jemals bei einem Evelyn-Hugo-Film mitgearbeitet?

Ich sehe drei Punkte auftauchen und schaue nach oben, um festzustellen, dass Frankie versucht, einen Blick auf mein Display zu erhaschen. Sie scheint zu merken, dass das etwas aufdringlich ist, und lehnt sich zurück.

Mein Telefon meldet den Eingang einer Nachricht von meiner Mutter.

Vielleicht? Es waren so viele, es ist schwer, den Überblick zu behalten. Warum?

Lange Geschichte, antworte ich, aber ich versuche herauszufinden, ob ich irgendeine Verbindung zu Evelyn Hugo habe. Glaubst du, Dad hat sie gekannt?

Mum antwortet: Ha! Nein. Dein Vater hat sich nie mit Berühmtheiten am Set angefreundet. Egal, wie sehr ich ihn dazu bringen wollte, ein paar prominente Freunde für uns zu gewinnen.

Ich lache. »Sieht nicht so aus. Keine Verbindung zu Evelyn Hugo.«

Frankie nickt. »Okay. Die andere Theorie ist, dass ihre Leute jemanden weniger Erfahrenen gewählt haben, in der Hoffnung, mehr Einfluss auf ihn und damit auf die Geschichte haben zu können.«

Ich spüre, wie mein Handy erneut vibriert. Das erinnert mich daran, dass ich dir einen Karton mit den alten Arbeiten deines Dads schicken wollte. Wunderschöne Sachen. Ich habe sie gerne hier, aber ich glaube, dir würde es noch mehr bedeuten. Ich schicke ihn dir diese Woche.

»Sie denken, die suchen jemand Schwaches«, sage ich zu Frankie.

Frankie lächelt milde. »Irgendwie schon.«

»Evelyns Leute sehen sich also das Impressum an, finden meinen Namen in der unteren Zeile und denken, dass sie mich herumkommandieren können. Ist das ihre Theorie?«

»Ich fürchte, ja.«

»Und Sie erzählen mir das, weil …«

Frankie wägt ihre Worte sorgfältig ab. »Weil ich nicht glaube, dass Sie sich herumkommandieren lassen. Ich glaube, man unterschätzt Sie. Und ich will diesen Titel haben. Ich will, dass er Schlagzeilen macht.«

»Was wollen Sie damit sagen?«, frage ich und verändere leicht meine Haltung.

Frankie faltet die Hände vor sich, stützt sich auf den Tisch und lehnt sich zu mir vor. »Ich frage Sie, ob Sie den Mumm haben, sich mit Evelyn Hugo anzulegen.«

Von allen Fragen, mit denen ich heute gerechnet habe, wäre diese wahrscheinlich auf Platz neun Millionen gekommen. Habe ich den Mumm, mich mit Evelyn Hugo anzulegen? Ich habe keine Ahnung.

»Ja«, sage ich schließlich.

»Das ist alles? Nur ja?«

Ich muss diese Chance nutzen, ich will diese Geschichte schreiben. Ich bin es leid, vollkommen unbedeutend zu sein. Und ich brauche einen Sieg, verdammt noch mal. »Zum Teufel, ja?«

Frankie nickt nachdenklich. »Besser, aber ich bin noch nicht überzeugt.«

Ich bin fünfunddreißig Jahre alt und schreibe seit mehr als einem Jahrzehnt. Eines Tages will ich einen Buchvertrag haben. Ich möchte mir meine Geschichten aussuchen können. Ich möchte, dass man als Erstes an mich denkt, wenn jemand wie Evelyn Hugo anruft. Und ich werde hier bei Vivant zu wenig eingesetzt. Wenn ich mein Ziel erreichen will, muss sich etwas ändern. Jemand muss mir Platz machen. Und zwar schnell, denn diese verdammte Karriere ist alles, was ich im Moment noch habe. Wenn ich will, dass sich etwas ändert, muss ich meine Einstellung ändern. Um hundertachtzig Grad.

»Evelyn will mich haben«, sage ich. »Sie wollen Evelyn. Es klingt nicht so, als ob ich Sie überzeugen müsste, Frankie. Es klingt, als müssten Sie mich überzeugen.«

Frankie ist mucksmäuschenstill und starrt mich über ihre verschränkten Finger hinweg an. Vielleicht habe ich etwas übertrieben. Ich fühle mich so wie damals, als ich Krafttraining ausprobiert und mit den Vierzig-Pfund-Gewichten angefangen habe. Zu viel zu früh wollen zeigt, dass man nicht weiß, was man tut.

Es kostet mich meine gesamte Willenskraft, es nicht zurückzunehmen, mich nicht überschwänglich zu entschuldigen. Meine Mutter hat mich dazu erzogen, höflich und zurückhaltend zu sein. Ich habe Höflichkeit lange mit Unterwürfigkeit verwechselt, und man sieht, wohin es mich gebracht hat. In dieser Welt kommen nur die Menschen weiter, die überzeugt sind, dass sie das Sagen haben sollten. Das habe ich zwar nie verstanden, aber ich kämpfe nicht mehr dagegen an. Ich bin hier, um eines Tages Frankie zu sein, vielleicht sogar größer als Frankie. Um große wichtige Arbeit zu leisten, auf die ich stolz bin. Um ein Zeichen zu setzen. Und da bin ich noch lange nicht.

Die Stille dehnt sich derart, dass ich denke, ich gebe doch nach, die Spannung steigt mit jeder Sekunde. Schließlich knickt Frankie ein.

»Okay«, sagt sie, streckt mir die Hand hin und steht auf.

Fassungslos und voller Stolz ergreife ich sie. Ich achte auf einen festen Händedruck. Der von Frankie fühlt sich an wie ein Schraubstock.

»Machen Sie das Beste daraus, Monique. Für uns und für Sie, bitte.«

»Das mach ich.«

Wir lösen uns voneinander, und ich gehe zur Tür. »Vielleicht hat sie Ihren Artikel über ärztlich begleiteten Suizid für den Diskurs gelesen«, sagt Frankie, kurz bevor ich den Raum verlasse.

»Wie bitte?«

»Der war beeindruckend. Vielleicht will sie Sie deshalb. So sind wir auf Sie aufmerksam geworden. Das war eine großartige Geschichte. Nicht nur, weil sie viele Klicks bekommen hat, sondern auch, weil es eine schöne Arbeit war.«

Das war eine der ersten wirklich bedeutungsvollen Geschichten, die ich aus eigenem Antrieb geschrieben habe. Ich schlug sie vor, nachdem ich einen Beitrag über die zunehmende Beliebtheit von Keimpflanzen, insbesondere in der Restaurantszene von Brooklyn, recherchieren sollte. Ich war auf dem Park Slope Markt, um einen Bauern zu interviewen, doch als ich ihm gestand, dass ich nicht verstehen könne, was an Senfgras so reizvoll sei, sagte er, ich klänge wie seine Schwester. Sie war ihr Leben lang eine große Fleischesserin gewesen, ist dann aber auf vegane Biokost umgestiegen, weil sie gegen einen Hirntumor ankämpfte.

Als wir uns weiter unterhielten, erzählte er mir, dass er und seine Schwester einer Selbsthilfegruppe beigetreten seien, die sich für aktive Sterbehilfe für Menschen am Ende ihres Lebens und deren Angehörigen einsetzte. Viele in der Gruppe kämpften um das Recht, in Würde zu gehen. Gesunde Ernährung würde das Leben seiner Schwester nicht retten können, und keiner von ihnen wollte, dass sie länger litt als nötig.

Damals spürte ich tief in meinem Inneren, dass ich den Menschen dieser Gruppe eine Stimme geben wollte.

Zurück im Büro von Diskurs, schlug ich die Geschichte vor. Angesichts meiner jüngsten Artikel über Hipster-Trends und Promi-Glossen rechnete ich mit einer Ablehnung, doch zu meiner Überraschung erhielt ich grünes Licht.

Ich arbeitete unermüdlich daran, nahm an Sitzungen in Kirchenkellern teil, führte Interviews mit den Mitgliedern, schrieb und überarbeitete den Text, bis ich sicher war, dass der Artikel die Komplexität des Themas umfassend wiedergab – sowohl die barmherzige als auch die moralische Seite, die es bedeutet, leidenden Menschen zu helfen, ihr Leben zu beenden.

Auf diese Geschichte bin ich wirklich stolz. Mehr als einmal habe ich den Artikel nach Feierabend hervorgeholt, um mich daran zu erinnern, wozu ich fähig bin und wie befriedigend es war, etwas Wahrhaftiges zu sagen, auch wenn es schwer zu verdauen sein mag.

»Danke«, sage ich jetzt zu Frankie.

»Ich will damit nur sagen, dass Sie Talent haben. Vielleicht hat es damit zu tun.«

»Wahrscheinlich aber nicht.«

»Nein«, sagt sie. »Wahrscheinlich nicht. Aber schreiben Sie einen guten Artikel, und das nächste Mal wird es so sein.«


thespill.com

Evelyn Hugo packt aus

von Julia Santos, 4. März 2017


Man munkelt, dass die Sirene / die lebende Legende / die schönste Blondine der Welt, Evelyn Hugo, Kleidungsstücke versteigert und sich bereit erklärt hat, ein Interview zu geben, was sie seit Jahrzehnten nicht mehr getan hat.

BITTE sagt mir, dass sie endlich bereit ist, über diese verdammten Ehemänner zu reden. (Vier kann ich ja verstehen, vielleicht auch noch fünf, sechs, wenn man es wirklich weit treibt, aber sieben? Sieben Ehemänner? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass wir alle wissen, dass sie Anfang der 80er eine Affäre mit dem Kongressabgeordneten Jack Easton hatte. Das Mädchen ist ordentlich herumgekommen.)

Sollte sie über die Sache mit den Männern nichts preisgeben wollen, lasst uns beten, dass sie zumindest verrät, woher sie diese Augenbrauen hat. Ich meine, LASSEN SIE UNS TEILHABEN, EVELYN.

Wenn man Bilder von E aus der Zeit sieht, als sie noch messingblondes Haar hatte, diese dunklen pfeilgeraden Augenbrauen, die tief gebräunte Haut und die goldbraunen Augen, muss man unwillkürlich innehalten und sie anstarren.

Und ich will gar nicht erst von dieser Figur anfangen.

Kein Hintern, keine Hüften – nur riesige Brüste an einem schlanken Körper.

Ich habe im Grunde mein ganzes Erwachsenenleben lang daran gearbeitet, einen solchen Körper zu bekommen. (Anmerkung: Bin weit entfernt davon. Könnte an den Spaghetti Bucatini liegen, die ich diese Woche jeden Tag zu Mittag gegessen habe.)

Das ist der einzige Teil, der mich wütend macht: Evelyn könnte jeden dafür ausgewählt haben. (Ähem, mich?) Aber stattdessen hat sie sich für irgendeinen Neuling von Vivant entschieden? Sie hätte jede haben können. (Ähem, mich?) Warum diese Monique Grant (und nicht mich)?

Na, schön. Ich bin nur verbittert, dass ich es nicht bin, die sie interviewen darf.

Ich sollte mir unbedingt einen Job bei Vivant besorgen. Die bekommen das ganze gute Zeug.

Kommentare:

Hihello565: Selbst die Leute bei Vivant wollen nicht mehr bei Vivant arbeiten. Die Konzernchefs produzieren zensierten werbefinanzierten Mist.

Ppppppppppps Antwort auf Hihello565: Ja, klar. Irgendetwas sagt mir, dass du, wenn das angesehenste, anspruchsvollste Magazin des Landes dir einen Job anbieten würde, ihn annehmen würdest.

EChristine999: Ist Evelyns Tochter nicht kürzlich an Krebs gestorben? Ich glaube, ich habe etwas darüber gelesen. So traurig. Apropos, das Bild von Evelyn am Grab von Harry Cameron? Hat mich total umgehauen. Schöne Familie. So traurig, dass sie sie verloren hat.

MrsJeanineGrambs: Mir ist Evelyn Hugo VOLLKOMMEN EGAL. HÖR AUF, ÜBER DIESE LEUTE ZU SCHREIBEN. Ihre Ehen, ihre Affären und die meisten ihrer Filme beweisen nur eins: Sie ist eine Schlampe. Drei Uhr morgens war eine Schande für die Frauen. Konzentrier dich auf Menschen, die es verdienen.

SexyLexi89: Evelyn Hugo ist vielleicht die schönste Frau aller Zeiten. Die Aufnahme aus Boute-en-Train, wo sie nackt aus dem Wasser kommt und das Bild schwarz wird, kurz bevor man ihre Brustwarzen sieht? Einfach toll.

PennyDriverKLM: Ein Hoch auf Evelyn Hugo dafür, dass sie blondes Haar und dunkle Augenbrauen zu DEM LOOK gemacht hat. Alle Achtung, Evelyn.

YuppiePigs3: Zu dünn! Nicht mein Fall.

EvelynHugoIstEineHeilige: Diese Frau hat MILLIONEN VON DOLLAR an Wohltätigkeitsorganisationen für misshandelte Frauen und LGBTQ+-Gruppen gespendet, und jetzt versteigert sie Kleider für die Krebsforschung, und ihr redet nur über ihre Augenbrauen? Im Ernst?

JuliaSantos@TheSpills Antwort auf EvelynHugoIstEineHeilige: Da hast du wohl recht. SORRY. Zu meiner Verteidigung: Sie hat als knallharte Geschäftsfrau in den 1960er-Jahren Millionen verdient. Und ohne ihr Talent und ihre Schönheit hätte sie nie die Macht dazu gehabt, und sie wäre nie so schön gewesen ohne DIESE AUGENBRAUEN. Aber okay, gutes Argument.

EvelynHugoIstEineHeiliges Antwort auf JuliaSantos@TheSpill: Tut mir leid, dass ich so zickig war. Ich hab das Mittagessen ausfallen lassen. Mea culpa. Wenn du mich fragst, wird Vivant nicht etwas halb so Gutes aus der Geschichte machen, wie du es getan hättest. Evelyn hätte dich nehmen sollen.

JuliaSantos@TheSpills Antwort auf EvelynHugoIstEineHeilige: Klar????? Wer ist überhaupt Monique Grant? LANGWEILIG. Die schnapp ich mir …


2

Die letzten Tage habe ich alles über Evelyn Hugo gelesen, was ich in die Finger bekommen konnte. Ich war nie ein großer Filmfan, geschweige denn an irgendwelchen alten Hollywoodstars interessiert. Aber Evelyns Leben – zumindest das, was man darüber finden kann – reicht für zehn Seifenopern.

Da ist die frühe Ehe, die geschieden wurde, als sie achtzehn war. Dann die vom Studio arrangierte Verlobung und die turbulente Ehe mit Hollywood-König Don Adler. Die Gerüchte, dass sie ihn verlassen hat, weil er sie geschlagen hat. Ihr Comeback in einem französischen Nouvelle-Vague-Film. Das Durchbrennen nach Vegas mit dem Sänger Mick Riva. Ihre glamouröse Ehe mit dem eleganten Rex North, die damit endete, dass beide eine Affäre hatten. Die schönste Liebesgeschichte ihres Lebens mit Harry Cameron und die Geburt ihrer Tochter Connor. Ihre herzzerreißende Scheidung und kurz darauf ihre Hochzeit mit ihrem alten Regisseur Max Girard. Ihre angebliche Affäre mit dem deutlich jüngeren Kongressabgeordneten Jack Easton, die ihre Beziehung zu Girard beendete. Und schließlich ihre Ehe mit dem Finanzier Robert Jamison, die Gerüchten zufolge unter anderem Evelyns Wunsch entsprungen sein soll, ihre ehemalige Filmpartnerin und Roberts Schwester Celia St. James zu ärgern. Alle ihre Ehemänner sind verstorben, sodass Evelyn die Einzige ist, die noch einen Einblick in diese Beziehungen gewähren kann.

Es wird viel Arbeit, wenn ich sie dazu bringen will, etwas darüber preiszugeben.

Lange nach Feierabend mache ich mich um kurz vor neun endlich auf den Heimweg. Meine Wohnung ist klein. Ich glaube, die richtige Bezeichnung lautet winzig kleine Sardinenbüchse. Aber es ist erstaunlich, wie groß sich eine kleine Wohnung anfühlen kann, wenn die Hälfte der Einrichtung fehlt.

David ist vor fünf Wochen ausgezogen, und ich habe es immer noch nicht geschafft, das Geschirr, das er mitgenommen hat, oder den Couchtisch, den seine Mutter uns letztes Jahr zur Hochzeit geschenkt hatte, zu ersetzen. Herrgott. Wir haben es nicht einmal bis zum ersten Hochzeitstag geschafft.

Als ich zur Haustür hereinkomme und meine Tasche auf dem Sofa abstelle, fällt mir wieder einmal auf, wie unnötig kleinlich es von ihm war, den Tisch mitzunehmen. Seine neue Wohnung in San Francisco ist komplett eingerichtet, das war Teil des großzügigen Umzugspakets, das mit seiner Beförderung einherging. Vermutlich hat er den Tisch eingelagert, zusammen mit dem einen Nachttisch, auf dem er bestand, weil er rechtmäßig ihm gehöre, und all unseren Kochbüchern. Die Kochbücher vermisse ich nicht. Ich koche nicht. Aber wenn auf etwas »Für Monique und David, für eure vielen glücklichen Jahre« steht, denkt man, es wäre ein Geschenk für uns beide gewesen.

Ich hänge meinen Mantel auf und frage mich, nicht zum ersten Mal, welche Frage der Wahrheit näher kommt: Hat David den neuen Job angenommen und ist ohne mich nach San Francisco gegangen? Oder habe ich mich geweigert, New York für ihn zu verlassen? Als ich die Schuhe ausziehe, beschließe ich einmal mehr, dass die Antwort irgendwo in der Mitte liegt. Doch dann lande ich wieder bei dem Gedanken, der mir immer wieder einen Stich versetzt: Er ist tatsächlich gegangen.

Ich bestelle mir Pad Thai und steige unter die Dusche. Ich mag es, wenn das Wasser so heiß ist, dass man sich fast verbrennt, und ich liebe den Duft von Shampoo. Vielleicht ist die Dusche für mich der schönste Ort. Hier im Dampf, den Körper voller Schaum, fühle ich mich nicht wie Monique Grant, eine verlassene Frau. Oder auch Monique Grant, die Autorin, die nicht vorankommt. Ich bin nur Monique Grant, Eigentümerin von Luxus-Badeprodukten.

Erst als meine Haut schon längst schrumpelig ist, trockne ich mich ab, ziehe mir eine Jogginghose an und binde mir die Haare aus dem Gesicht, gerade noch rechtzeitig, bevor der Lieferservice an meiner Tür klingelt.

Mit dem Plastikbehälter auf dem Schoß versuche ich fernzusehen. Ich möchte mein Gehirn dazu bringen, etwas anderes zu tun, als über die Arbeit oder David nachzudenken. Doch sobald ich aufgegessen habe, wird mir klar, dass das sinnlos ist. Ich kann genauso gut arbeiten.

Es ist alles ziemlich einschüchternd – die Vorstellung, ein Interview mit Evelyn Hugo zu führen, und dafür zu sorgen, dass sie meine Geschichte nicht vereinnahmt. Ich neige dazu, mich zu genau vorzubereiten. Und eigentlich war ich immer ein bisschen wie ein Strauß, der den Kopf tief in den Sand steckt, um nicht zu sehen, was er nicht sehen will.

Die nächsten drei Tage tue ich also nichts anderes, als über Evelyn Hugo zu recherchieren. Tagsüber lese ich alte Artikel über ihre Ehen und Skandale, abends sehe ich mir ihre alten Filme an.

Ich schaue mir Ausschnitte von ihr in Sonnenuntergang in Carolina, Anna Karenina, Diamantenweib, und Alles für uns an. Das GIF, wie sie in Boute-en-Train aus dem Wasser steigt, spiele ich so oft ab, dass ich es in meinen Träumen immer wieder vor mir sehe.

Und während ich ihre Filme schaue, verliebe ich mich ein kleines bisschen in sie. Zwischen elf Uhr abends und zwei Uhr morgens, während der Rest der Welt schläft, flackern Bilder von ihr über meinen Laptop, und der Klang ihrer Stimme füllt mein Wohnzimmer.

Es ist nicht zu leugnen, dass sie eine umwerfend schöne Frau ist. Die Leute sprechen oft von ihren geraden dichten Augenbrauen und ihrem blonden Haar, aber ich kann den Blick nicht von ihrer Physiognomie abwenden. Ihre Kieferpartie ist kräftig, sie hat hohe Wangenknochen, und beides betont ihre vollen Lippen. Sie hat große Augen, die eher mandelförmig als rund sind. Ihre gebräunte Haut wirkt neben ihrem hellen Haar sandfarben und elegant. Ich weiß, dass das nicht natürlich ist – blondes Haar und bronzefarbene Haut – und dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass es so sein sollte, dass Menschen mit diesem Aussehen auf die Welt kommen sollten.

Ganz bestimmt ist das einer der Gründe, warum der Filmhistoriker Charles Redding einmal gesagt hat, Evelyns Gesicht sei »unausweichlich. Nahezu perfekt. So exquisit, dass man bei ihrem Anblick das Gefühl hat, dass ihre Gesichtszüge in dieser Kombination, in diesem Verhältnis so sein mussten.«

Ich hefte Bilder von Evelyn in den 50er-Jahren an die Wand, in engen Pullovern und BHs mit spitzen Körbchen. Pressefotos von ihr und Don Adler auf dem Gelände der Sunset Studios kurz nach ihrer Heirat, Aufnahmen von ihr aus den frühen 60er-Jahren in knappen Shorts, mit langem glattem Haar und einem weichen, dichten Pony.

Es gibt ein Foto von ihr in einem weißen Einteiler, auf dem sie an einem unberührten Strand sitzt, auf dem Kopf einen großen schwarzen Schlapphut, der einen Teil ihres Gesichts verdeckt, sodass die Sonne nur auf ihr weißblondes Haar und die rechte Gesichtshälfte fällt.

Zu meinen persönlichen Lieblingsbildern zählt eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von den Golden Globes aus dem Jahr 1967. Das Haar ist locker hochgesteckt, sie sitzt in einem hellen Spitzenkleid mit tiefem Ausschnitt, das ihr üppiges Dekolleté zur Geltung bringt, auf einem Platz am Gang und streckt das rechte Bein, das unter dem hochgeschlitzten Rock hervorlugt, elegant zur Seite.

Links von ihr sitzen zwei Männer, an deren Namen sich heute niemand mehr erinnert, und starren sie an, während sie nach vorne auf die Bühne blickt. Der Mann neben ihr schaut auf ihre Brust, sein Nachbar auf ihren Oberschenkel. Beide scheinen wie verzaubert zu sein und zu hoffen, noch ein kleines Stückchen mehr zu sehen.

Vielleicht deute ich zu viel in dieses Foto hinein, aber ich fange an, ein Muster zu erkennen: Evelyn lässt einen immer in der Hoffnung zurück, dass man noch ein bisschen mehr bekommt. Doch man bekommt es nie.

Sogar in der viel diskutierten Sexszene in Drei Uhr morgens aus dem Jahr 1977, in der sie sich im umgekehrten Cowboysitz auf Don Adler rekelt, sind ihre vollen Brüste noch nicht einmal drei Sekunden lang zu sehen. Es wurde jahrelang gemunkelt, die unglaublichen Einspielergebnisse des Films seien darauf zurückzuführen, dass vor allem Paare ihn wieder und wieder sehen wollten.

Woher weiß sie, wie viel sie von sich preisgeben und wie viel sie verbergen muss?

Und wird sie es anders machen, jetzt wo sie etwas zu sagen hat? Oder wird sie mit mir genauso spielen, wie sie jahrelang mit dem Publikum gespielt hat?

Wird Evelyn Hugo mir gerade genug erzählen, dass ich es vor Spannung kaum aushalte, aber nie so viel, um wirklich etwas zu enthüllen?