Jannik Rubeck
Co-Autor Andreas Reinhardt
Von Sex getrieben, zum Erfolg verdammt?
Biografie
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Co-Autor Andreas Reinhardt
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Diese Biografie wurde erlebt und erzählt von Jannik Rubeck
und literarisch in Szene gesetzt von
Andreas Reinhardt.
Inhaltsverzeichnis:
Einige Worte zur Einstimmung
Wie alles begann
Unerwünschter Skandal in der Gesamtschule
SEXgeschichten: Mein erstes Mal
Der innere Bruch mit meinem Vater
Tobias – Freund, Vaterfigur, Familie
SEXgeschichten: Mehr und immer mehr?
Kochen – eine Berufung mit Tücken
Darmkrebs – mein ewiger Kampf mit der Gesundheit
SEXgeschichten: Prominent und allzeit bereit
Aus dem Künstlertagebuch des Jannik Rubeck
Rubeck-Galerie
Der Autounfall – Termin mit dem Sensenmann
SEXgeschichten: Türkischer Honig
Ausflug ins Pornogeschäft
Schräge Erfahrungen mit Privatfernsehen und Regenbogenpresse
SEXgeschichten: Urlaub lässt grüßen
Zwei einseitige Liebesbeziehungen ohne Zukunft
Trainer oder nicht Trainer, das ist hier die Frage
SEXgeschichten: Das Beste kommt zum Schluss
Eine Liebe, eine neue Familie, ein neues Leben
Magische Sexualität während der Schwangerschaft
Töchterchen Nia – mein Ein und Alles
Auf der Suche nach dem goldenen Mittelweg
Einige Worte zur Einstimmung
Würde man es in aller Kürze auf den Punkt bringen wollen, dann könnte man sagen: Das Leben des Jannik Rubeck ist bis vor gar nicht so langer Zeit von Sex in den verschiedensten Spielarten bestimmt gewesen. – Tatsächlich war ich ein Getriebener in Sachen Sex. Wie ein Drogensüchtiger nach dem nächsten Fix, so jagte ich den Frauen hinterher, die sich ihrerseits auch nicht lange bitten ließen. Manchmal erfuhr ich sogar Zärtlichkeit und einen Hauch von Glück, bescherte dasselbe auch jenen Frauen. Aber letztlich blieben es flüchtige Momentaufnahmen, die gegen meinen wachsenden Hunger nach schnellem unverbindlichen Sex bis hin zur selbstzerstörerischen Sucht keinen Bestand hatten. Dabei ging es nie um Hass und Respektlosigkeit gegen Frauen, nie um Gewalt oder gezielte Demütigung. Nein, Frauen waren vor allem Mittel zum Zweck, um den Hass gegen mich selbst zu betäuben.
Natürlich bin ich auch auf meine Kosten gekommen, indem ich meine ausgeprägte Libido ungehemmt auslebte, und ich werde mich diesbezüglich auch in Zukunft nicht komplett neu erfinden können – warum auch. Aber jede Leidenschaft wird früher oder später zur teuflischen Last, wenn man sich in Maßlosigkeit verliert. Wehe, wenn noch private Schicksalsschläge hinzukommen, so wie es mir widerfahren ist.
Als ich schlagartig prominent wurde, die Regenbogenpresse sich plötzlich für meine Person zu interessieren begann, dazu noch Fans, Blitzlichtgewitter und „rote Teppiche“ mich überhöhten und so zu jemandem machten, der ich im Grunde nicht war, da wirkte das wie ein Brandbeschleuniger für die dunkle Seite in mir. Das Lebensmotto „Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll“ habe ich bis zur völligen seelischen und körperlichen Erschöpfung durchgezogen, wobei der Alkohol anstelle von Drogen in Pulver- und Pillenform herhalten musste. Das hatte rein gar nichts von Freiheit und Glückseligkeit, nur etwas von absehbarem Untergang. Erschwerend kam hinzu, dass sich meine innere Zerrissenheit auch zunehmend während öffentlicher Auftritte bemerkbar machte. Es brachte mir das Image eines dummen, primitiven Proleten mit cholerischen Tendenzen ein. Und ich befeuerte das entstandene Zerrbild meiner komplexen Persönlichkeit selber kräftig mit, da gibt es keine Ausreden. Die Schreiberlinge der Sensationspresse rieben sich derweil die Hände und produzierten einen reißerischen Artikel nach dem anderen – na klar. Nur ich drohte auf der Strecke zu bleiben. Dabei wusste ich es im Herzen besser, wusste um meine Intelligenz, dass ich belesen, vielseitig interessiert und durchaus gebildet bin. Doch Kostproben davon wurden mir reflexartig als Arroganz und Überheblichkeit ausgelegt. Wer einmal in einer bestimmten Schublade der öffentlichen Wahrnehmung gelandet ist, entkommt dem nur schwer, das lernte ich auf die ganz harte Tour. Mindestens genauso schwierig ist es, sich die eigene Misere ehrlich einzugestehen, Distanz zu all den lächelnden Heuchlern und Profiteuren im Rampenlicht zu gewinnen und konsequent nach einem Ausweg zu suchen. Das beginnt mit einer einfachen Formel:
Es ist nicht alles Gold, was glänzt!
Ich mag nicht darüber spekulieren, ob und wenn ja, wann ich dem Teufelskreis wohl aus eigener Kraft entkommen wäre. Alles, was ich sicher weiß ist, dass die Schwangerschaft meiner Freundin und die Geburt meiner Tochter im Januar 2020 Rettungsanker in der Not waren. Durch sie bin ich wie aus einer Trance erwacht, entdeckte Liebe, Vertrauen und Zärtlichkeit in einer bis dahin nie erlebten Intensität. Für meine kleine Tochter wollte ich ein besserer Mensch, ein reiferer Mann und ein bedingungslos liebender Vater sein. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ich besinne mich mehr und mehr auf meine wahren Qualitäten und vermeide Extreme, ohne meine Leidenschaften gänzlich aufzugeben. Wie man so schön sagt:
Ich arbeite noch an dem goldenen Mittelweg.
Jetzt, wo ich so intensiv über mein bisheriges Leben nachdenke, kommt mir ein ganz bestimmter Name in den Sinn: Giacomo Casanova. Nein, kein Grund die Nase zu rümpfen, ich werde mich jetzt nicht auf eine Stufe mit diesem weltberühmten Venezianer und Lebemann des 18. Jahrhunderts stellen. Denn eines bin ich ganz sicher nicht, größenwahnsinnig. Daran hindern mich schon seit jeher meine Selbstzweifel. Wie könnte ich mich auch mit einem Mann vergleichen, der in jungen Jahren bereits einen Doktortitel in Rechtswissenschaften an der Universität von Padua vorzuweisen, die niederen Weihen zum Priesteramt absolviert, wegen Urkundenfälschung und Schmähungen gegen die heilige Religion in Kerkerhaft gesessen oder als Privatsekretär andere Länder Europas bereist hatte? Trotzdem gibt es gewisse Gemeinsamkeiten, die ihn für mich zu einem Bruder im Geiste machen. Als Kind litt er an ständig auftretenden Blutungen – zumeist Nasenbluten – und er galt als schwächlich und bedauernswert. Seine Familiensituation war auch nicht ermutigender. Im Alter von 8 Jahren verlor er den Vater, und die Mutter war meist auf Reisen, weshalb Casanova von seiner Großmutter aufgezogen wurde. Zweifelsohne waren es die Ursachen dafür, dass er zu jenem Selbstdarsteller und vielseitig talentierten Mann mutierte, der von Lebenshunger getrieben war und zum Inbegriff eines unwiderstehlichen Frauenhelden, um nicht zu sagen Frauenjägers wurde. Casanova liebte die Frauen genauso, wie die Frauen ihn liebten. Sexuelle Ausschweifungen in den verschiedensten Variationen, das Ausloten des Machbaren im Leben, doch im Grunde war es nur die Suche nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. All das machte ihn zu einem gern gesehenen Gast an adligen Höfen und in elitären Salons der besseren Gesellschaft.
Auch meine Kindheit und Jugend impften mir Minderwertigkeitsgefühle ein, ließen mich an mir zweifeln. Genau wie bei Casanova, heizte genau das meinen Lebenshunger an, und sexuelle Ausschweifungen bis in höchste gesellschaftliche Kreise wurden für mich zur Normalität. Was für ihn die adligen Höfe und elitären Salons des 18. Jahrhunderts waren, wurden für mich Fernsehauftritte und „rote Teppiche“.
Was sich im Einzelnen hinter dem verbirgt, was ich hier im ersten Kapitel erwähne und andeute, das werden die folgenden Seiten beleuchten. Manch einer mag sich fragen, weshalb eine Biografie mit gerade einmal 24 Jahren, wo die meisten Prominenten das – wenn überhaupt – irgendwann jenseits der 50 ins Auge fassen. Ich möchte das gerne mit einer rhetorischen Frage beantworten:
Soll wirklich die Anzahl an Lebensjahren die entscheidende Rolle spielen, oder sollte es nicht vielmehr um Summe und Art der gesammelten Erfahrungen gehen?
Ich bin der Meinung, wenn eine Person des öffentlichen Interesses – wie ich es ja nun einmal bin – von Medien, Kritikern und Neidern tendenziös bewertet, seziert und vorgeführt wird, dann ist es mehr als angemessen, wenn diese Person ein vollständiges Bild von sich zeichnet – ehrlich und wahrhaftig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Biografie nun im Alter von 24, 50 oder 80 Jahren geschrieben wird.
In diesem Sinne wünsche ich viel prickelndes Vergnügen mit reichlich erhellenden Aha-Momenten.
Wie alles begann
Noch nicht einmal geboren oder im schützenden Bauch meiner Mutter wachsend, fing es für mich bereits turbulent an. Was heißt unmöglich? Schließlich gibt es ja noch die Umstände der Zeugung. Es ist nämlich so, dass ich ausgerechnet während der Mutter-Kind-Reha im Februar 1996 gezeugt worden bin, die meine damals knapp dreijährige Schwester nach mehrstündiger Not-operation und zig Monaten Krankenhausaufenthaltes bis ins Jahr 1996 hinein durchlaufen musste. Die Begleitumstände waren also alles andere als glücklich. Zum besseren Verständnis sei noch ergänzt, dass meine Schwester im Frühjahr 1995 von dem Hund meiner Tante mütterlicherseits mit Bissen in Kopf und Gesicht schwer verletzt worden war, während mein Vater irgendwo vereinsmäßig Feldhockey gespielt und meine Mutter bei ihrer Familie Geburtstag gefeiert hatte. Eben dort hatte meine Schwester im Garten neben dem angeketteten Schäferhund gesessen und ihm Lego-Duplosteine in seinen Fressnapf getan. Für sie nur ein Spiel, war es für den schon betagten und blinden Schäferhund Grund genug gewesen, zuzubeißen und den kleinen Körper dermaßen zu schütteln, dass sie daran fast gestorben wäre.
Es trug sich gegen Ende der Reha zu, dass mein Vater an den Hausregeln vorbei heimlich unseren Dackel ins Reha-Zentrum schmuggeln wollte. Seiner späteren Schilderung zufolge war das zweifellos ein Bild für Götter.
»Wo wollen Sie denn mit der Tasche hin? Zu wem möchten Sie denn überhaupt?«, fragte die freundliche aber bestimmte Dame am Empfang.
»Ich möchte meiner Frau und meiner Tochter Kleidung zum Wechseln bringen«, erwiderte mein Vater daraufhin mit unschuldigem Lächeln.
Währenddessen spürte er, wie sich unser ansonsten vorbildlich stiller Dackel in der kleinen Tragetasche drehte. Als Nächstes fand dessen wedelnde Rute den Weg ins Freie - dank eines nicht ganz zugezogenen Reißverschlusses. Papa muss Blut und Wasser geschwitzt haben. Er betrieb angeregte Konversation mit der Empfangsdame und hielt das Mitbringsel dabei bestmöglich aus deren Sichtbereich fern. Es ging gut, und er schlug sich unbehelligt bis zu seiner Familie durch. Nun weiß ich nicht, ob er schon von seinem gelungenen Husarenstück erotisiert war, jedenfalls fand er meine Mama genau jetzt besonders unwiderstehlich. Meine Schwester schlief tief und fest, also wurde die Tragetasche mit der wedelnden Rute kurzerhand auf dem Tisch abgestellt, und der spontane Zeugungsakt nahm seinen Lauf. Da dergleichen aufgrund der Mutter-Kind-Reha monatelang kein Thema gewesen war, hatte meine Mama die Pille abgesetzt. So kam eines zum anderen, und ich erblickte im November 1996 das Licht der Welt.
Meine Kindheit war über Jahre hinweg schön. Wir sind viel gereist, und ich habe verschiedenste Länder kennenlernen dürfen. Die Familie stand immer an erster Stelle. Meine Schwester und ich sind in jener Zeit sehr behütet und geliebt aufgewachsen, das muss ich wirklich sagen. Man kann es auch daran ablesen, dass jeder noch so kleine Streit zwischen den Eltern Weltuntergangsstimmung bei mir auslöste. Mit dem heutigen Abstand betrachtet, waren es wohl die ganz alltäglichen Auseinandersetzungen zwischen Eheleuten, zumal es nie zu Handgreiflichkeiten oder erkennbaren Trennungsabsichten gekommen ist. Andererseits erkannte mein kindliches Gemüt vielleicht schon einen schleichenden Prozess der Entfremdung und zunehmenden Frustration zwischen den Eltern, der sich da hinter den Kulissen hochschaukelte. Bis die Stimmung letztlich hart umschlug, spielte ich in der Schule den Pausenclown, der den Klassenverband unterhielt und Streiche ausheckte. Es war wohl vor allem die Reaktion auf das, was sich zuhause langsam aber sicher anbahnte. Bei den Lehrern kam meine Clownerie – wie man sich vorstellen kann – nicht sonderlich gut an, zumal ich bereits ein Mensch war, der seine eigene Meinung bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit gnadenlos ehrlich kundtat.
Ein Schlüsselereignis führte mir schon in der fünften Schulklasse vor Augen, dass ich in der Zukunft wahrscheinlich als Entertainer enden würde. Ich weiß noch, inszeniert habe ich das Ganze im Englischunterricht. Corpus Delicti war eines dieser kleinen Kinderjoghurts. Ich platzierte es auf dem Lehrerstuhl und verwickelte den kurz darauf eintretenden Pädagogen in ein angeregtes Gespräch. Das gelang mir so vortrefflich, dass der Joghurtbecher unentdeckt plattgesessen wurde und dessen Inhalt die gewünschte Wirkung erzielte. Das Tränen lachende Publikum um mich herum tat mir unendlich gut. Davon wollte ich unbedingt noch mehr, viel viel mehr. Die Vorstellung, die ich anschließend gab, um mich jeder Mitverantwortung zu entziehen, war vermutlich ebenso denkwürdig. Ich zeigte mich schockiert, eilte herbei, um meine Hilfe bei der Beseitigung dieser unsäglichen Sauerei anzubieten. Ja, das hatte schon was von Heinz Rühmann in „Die Feuerzangenbowle“, Sie wissen schon, dieser schelmische „Pfeiffer“ mit drei „f“.
Es kam, wie es kommen musste, eine Steigerung wurde zur Pflicht. Irgendwann verlegte ich mich sogar auf lebende Tiere, genauer gesagt auf zwei Futtermäuse, die ich für einen Euro das Stück in einem Heimtiermarkt erstand. An dieser Stelle möchte ich allen Tierliebhabern und -schützern mein tiefstes Bedauern über das nun Folgende aussprechen, aber damals wusste ich es einfach nicht besser. So fand dieses unschuldige Mäusepaar also den Weg ins Klassenzimmer – in den Bücherschrank, um ganz präzise zu sein. Erfahrungsgemäß würde die Lehrerin diesen im Laufe der Unterrichtsstunde öffnen und der Spaß beginnen. Ich hätte nie für möglich gehalten, was wenige auf dem Boden herumwuselnde Zentimeter Maus doch an Panik auslösen konnten. Die kleinen Nager sprengten den Unterricht geradezu. In null Komma nichts standen etliche Schüler auf ihren Stühlen und Tischen. Wäre das hysterische Kreischen nicht gewesen, hätte man es fast für eine Szene aus dem Spielfilm „Der Club der toten Dichter“ mit Robin Williams halten können: 'Oh Captain, mein Captain!' - Schon gut, ich weiß, der Vergleich hinkt etwas. Aber so sehr nun auch wieder nicht. Es war übrigens auch spannend zu erleben, wie schnell das Klassenzimmer geräumt wurde. Nur gut, dass sich keine Elefanten darin aufgehalten haben. Herrje, nicht auszudenken …
Aber auch mein Schabernack konnte nichts daran ändern, dass ich im Grunde überhaupt nicht selbstbewusst war. Wehe, ich musste ein Gedicht auswendig lernen und es in der Klasse vortragen. Das Herz rutschte mir sprichwörtlich in die Hose, mir war zum Davonlaufen zumute. Die teilweise Angst vor Menschen und insbesondere Menschengruppen blieb mir auch später erhalten. Wenn ich vor Hunderten oder gar Tausenden von Menschen auftrat, bereitete es mir keine Probleme. Ganz anders sah es bei einer überschaubaren Gruppe von Zuschauern und Zuhörern aus. Da packte mich die Angst. Irgendwie empfand ich so eine Situation als sehr viel bedrohlicher, womöglich Fehler zu machen und zu versagen. Mittlerweile hat sich das gelegt. Die zunehmende Erfahrung und Routine ist im Showgeschäft dahingehend sehr hilfreich, für mich noch viel hilfreicher als eine optimale Vorbereitung.
Offene Ablehnung in der Familie erfuhr ich erstmals von meinen Opa väterlicherseits, der ein sehr erfolgreicher Ingenieur und Geschäftsmann war und aufgrund seines maßgeblichen Einsatzes beim Bau von Solaranlagen in China später sogar mit dem „National Friendship Award“, also der höchsten Auszeichnung für Nichtchinesen ausgezeichnet worden ist – im Jahr 2009. Gut für ihn und aller Ehren wert, aber eine Auszeichnung als liebender Opa hätte er nicht verdient gehabt. Es war zum Jahresende 2006 und ich 10 Jahre alt, als meine Schwester und ich in der Weihnachtszeit auf ihn warteten – voller Vorfreude, ihn endlich wieder mal zu sehen. Seine Projekte ließen ihn ja ständig woanders leben und arbeiten, ob in den USA, Kanada, Europa oder eben in China. Darüber war letztlich auch seine Ehe mit meiner Oma zerbrochen, noch vor meiner Geburt. Wie auch immer, der so überaus erfolgreiche Ingenieur kam zu Besuch, oh ja, um meiner Schwester und mir jeweils 500 Euro in die Hand zu drücken.
»Mehr will und kann ich euch nicht geben.«
Keine Umarmung, kein Kuss, kein Lächeln, nur einen lieblosen Händedruck hatte der Opa noch für uns übrig, bevor er sich abwandte und wieder davonfuhr. Es war Heiligabend! Was interessierte mich schon ein bedrucktes Stück Papier, egal, wie groß der Geldschein war. Ich wollte diesen Mann nur lieben dürfen und von ihm genauso geliebt werden. Sein Verhalten verletzte mich zutiefst. Ich wusste nicht ob und wenn ja, was zwischen ihm und meinen Eltern womöglich vorgefallen war. Wieso auch, für mich hätte sich deshalb trotzdem nichts ändern dürfen. Ich war schließlich nur ein Kind von zehn Jahren. Danach brach der Kontakt so gut wie ab. Die spärlichen Begegnungen und Telefonate waren wenige Jahre danach auch Geschichte. Eine gewisse Hartherzigkeit war vielleicht seiner militärischen Laufbahn geschuldet. Als hochrangiger französischer Besatzungssoldat hatte er in Deutschland meine Oma kennengelernt, bevor er nach Frankreich zurückversetzt worden war. Für ihn spricht, dass er damals nahezu jedes Wochenende sechshundert Kilometer Entfernung auf sich genommen hat, um sie sehen zu können. Nach seiner Militärzeit hat er dann eine Anstellung als Maschinenbauingenieur bei der Motorenwerke Mannheim AG gefunden und dort Karriere gemacht. Wann genau ihm das Gefühl für seine Familie abhandengekommen ist, ob er überhaupt jemals viel für mich empfunden hat, mag ich nicht beurteilen. Ein letztes Schlüsselereignis belegte aber seine anhaltende Gefühlskälte uns gegenüber. Ein Jahr später nämlich – wieder an Heiligabend – rief er gegen 21 Uhr 30 an und eröffnete meinem Vater mit knappen Worten:
»Ich sitze hier drei Ortschaften weiter in der Kneipe. Du kannst gerne vorbeikommen und mit mir Weihnachten feiern, aber ohne deine Familie.«
Meine Oma war zwar gefühlsbetonter und zeigte sich uns gegenüber liebevoller, dafür war sie in anderer Hinsicht eine schwierige Persönlichkeit, die mit schweren Alkoholproblemen zu kämpfen hatte. Womöglich lag die Ursache dafür in der zurückliegenden Ehe. Ständig auf einen erfolgreichen Ehemann warten zu müssen, der in der Weltgeschichte umherpendelte und im Grunde das unabhängige Leben eines Fremden führte, hatte ihrer Psyche mit Sicherheit arg zugesetzt. Das tat ihrer Liebe zu mir keinen Abbruch.
»Hey, Jannik, mein Lieblingsenkel, komm mich doch besuchen. Du schläfst bei mir, und ich lade dich zum Essen ein«, pflegte sie gerne zu sagen.
Meine prägendste Erinnerung an die gemeinsamen Restaurantbesuche ist, dass sie immer ein Glas Bier für sich bestellte, davon aber nur wenige Schlucke trank und den Rest mit den Worten von sich wegschob: »Bäh, der Alkohol schmeckt ja ekelig!«
Gut möglich, dass sie damit kaschieren wollte, im Stillen zu viel Alkohol zu trinken, und tatsächlich wirkte sie bei solchen Gelegenheiten auch übertrieben ausgeglichen und war betont reizend. Natürlich bleibt ein solches Geheimnis nicht auf ewig geheim. Und so brach sie sich einmal das Handgelenk und musste im Rahmen der OP einige Zeit im Krankenhaus verbringen. Die Haushaltshilfe und ich fanden unter der Couch und anderswo derweil volle wie halbleere Schnapsflaschen. Außerdem gab es da ja noch meine spontanen Anrufe, die sie das eine oder andere Mal auf dem falschen Fuß erwischten:
»Was meldest du dich, du ekelhafter Mensch! Deine Schwester ist mir eh viel lieber als du!«
Dasselbe warf sie umgekehrt auch meiner Schwester an den Kopf. So ging es mit den Stimmungsschwankungen immer weiter. Seit dem Jahr 2017 habe ich keinen Kontakt mehr zu ihr.
Meine Oma mütterlicherseits ist leider viel zu jung an Krebs gestorben – Jahre vor meiner Geburt. Ironischerweise bemüht sich ihr einstiger Ehemann, was mein Stiefopa ist, bis heute mehr um uns Kinder, als es der zuvor von mir beschriebene Opa je für nötig erachtet hatte. Wir haben nach wie vor regen Kontakt, und er hatte sogar Sparbücher für uns Enkelkinder angelegt, die zum jeweils 18. Geburtstag einen nicht unerheblichen Kontostand auswiesen. Nicht, dass es entscheidend für mich gewesen wäre, aber die Geste ließ und lässt doch tief blicken.
Was das Verhältnis zu meiner Schwester angeht, es war nie sonderlich eng. Wir haben immer viel und heftig gestritten, was sicher auch am Altersunterschied von dreieinhalb Jahren gelegen hat. Als ich noch Kind war, kam sie bereits in die Pubertät. Später dann musste ich miterleben, wie sie sich unserer Mutter gegenüber öfters abweisend und aggressiv verhielt, was ich ihr übelgenommen habe. Die lebensgefährliche Hundeattacke von einst, welche das Gesicht meiner Schwester für immer gezeichnet hat, wirkt bis heute nach und schwebt wie ein ewiges Trauma auch über meiner Mama. Selbstvorwürfe veranlassen sie nach wie vor dazu, etwas an ihrer Tochter gutmachen zu wollen. Um den Preis, dass ich mich nicht selten wie ein Außenstehender fühlte. Oder anders gesagt, die mütterliche Fürsorge und Hinwendung galt in erster Linie meiner Schwester.
Wenn ich heute an meinen Vater und Opa denke, fällt mir ein Dialog ein, den ich auf der Straße so oder ähnlich immer wieder mal mit Leuten führen musste:
»Un, wem soiner bischden du?«
»Isch bin em Eric soiner«, erwiderte ich dann knapp.
Reflexartig hieß es daraufhin: »Ach so, em Schorsch soiner. Du siegschd aus wie doin Oba.«
Und jedes Mal versetzte mir der Hinweis auf meinen Großvater einen Stich, weil ich nicht von ihm geliebt wurde, wie ich es mir wünschte. Was meinen Vater anging, auch er veränderte sich nicht zu seinem und meinem Vorteil.