Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Hamburg, Oktober 2019
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ISBN 978-3-644-10084-8
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Vgl. Wirsching/Kohler/Wilhelm (Hgg.), Weimarer Verhältnisse?.
Es fällt auf, dass durchweg von «starken Männern» und nicht etwa von «starken Frauen» die Rede ist. Offenbar wird allein Männern die notwendige Stärke zugetraut, den «Augiasstall der Politik» zu säubern. Man kann darin eine «Rücknahme» vorangegangener Entwicklungen sehen: Einem halben Jahrhundert des Aufstiegs von Frauen in politische Spitzenämter wird die Forderung nach einer Revirilisierung der Politik entgegengestellt. Donald Trump hat in der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton ganz unverhohlen auf diese Strategie gesetzt.
Christian Alt und Christian Schiffer haben die sich seit den 1970er Jahren verstärkenden Schübe von Verschwörungsideen herausgearbeitet (Angela Merkel ist Hitlers Tochter, S. 39–68). Während es sich dabei zunächst um Identifikationskerne esoterischer Minderheiten handelte, haben solche obsessiven Ideen seit den Anschlägen vom 11. September 2001 politische Wucht erlangt. Zur Geschichte der Verschwörungstheorien weiterhin Butter, «Nichts ist, wie es scheint», S. 139–178; zu deren Ausbreitung in Deutschland Heitmeyer, Autoritäre Versuchungen, S. 318–322.
Zu dieser Unterscheidung in der Geschichte des politischen Denkens vgl. Gebhardt/Münkler (Hgg.), Bürgerschaft und Herrschaft, passim. Eric Voegelin hat Nationalismus und Totalitarismus in ihren diversen Varianten unter dem Begriff der «politischen Religion» analysiert.
Der Historiker Frank Bösch hat die Islamische Revolution im Iran als eines der Beispiele für die von ihm auf das Jahr 1979 datierte «Zeitenwende» angeführt.
Samuel Huntington hat von «Wellen der Demokratisierung» gesprochen, was impliziert, dass es nach Phasen des Vordringens auch wieder Phasen des Zurückflutens gibt.
La Boétie, Von der freiwilligen Knechtschaft, S. 32–95.
Marx, «Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte», S. 136.
Ebd., S. 175.
Zur Theorie des Framing aus linguistischer und kognitionspsychologischer Sicht vgl. Busse, Frame-Semantik; zur Praxis – mit teilweise problematischer Anwendungsorientierung – Wehling, Politisches Framing, S. 42–67.
Demgegenüber scheint uns der Vorschlag von Chantal Mouffe (Für einen linken Populismus), rechten Narrativen linke entgegenzusetzen, wenig sinnvoll. Vielmehr kommt es darauf an, die Analyse von Narrativen, die vorwiegend in den Kulturwissenschaften betrieben wird, in den Sozialwissenschaften stärker zur Geltung zu bringen und bestimmten Narrativen Argumente, nicht andere Narrative, entgegenzusetzen.
Vgl. dazu die Arbeiten Heinrich August Winklers, insbesondere dessen mehrbändige Geschichte des Westens.
Exemplarisch dafür etwa Khanna, The Future is Asian.
Beck, Risikogesellschaft, S. 121–160.
So der englische Titel von Fergusons Buch Der Westen und der Rest der Welt.
Als ein Ergebnis dieser Entwicklung sieht Andreas Reckwitz in seinem Buch Die Gesellschaft der Singularitäten die verschärfte Konkurrenz um den individuellen Vorrang Einzelner. Damit aber erodiert der gesellschaftliche Zusammenhalt. Es wird nachfolgend deswegen auch um die Frage gehen, wie unter den Bedingungen fortschreitender Individualisierung der Zusammenhalt einer Gesellschaft gewährleistet werden kann, beginnend damit, dass die Verlierer dieser Entwicklung nicht ins Bodenlose stürzen dürfen, bis dahin, dass Gesellschaften ein gemeinsames Selbstbewusstsein brauchen, das ihnen Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und Stolz auf das in der Vergangenheit Geleistete verschafft. Es geht um jene kompensatorischen Mechanismen, die der Politikwissenschaftler Karl Deutsch einst auf die Formel brachte, ein Auto könne umso schneller fahren, je bessere Bremsen es habe.
Der Begriff «Erwartungshorizont» ist durch Reinhart Koselleck («Erfahrungsraum und Erwartungshorizont») geprägt worden.
Vgl. Münkler, Mitte und Maß, S. 225ff.
Dazu Walter, Gelb oder Grün?, S. 77ff.
Vgl. Schäfer/Schwander/Manow, «Der sozial ‹auffällige› Nichtwähler», S. 21–44.
Vgl. Zick/Küpper/Berghan, Verlorene Mitte – feindselige Zustände, S. 15–33 und 283ff.
Vgl. Priester, Rechter und linker Populismus, insbes. S. 32–50, sowie Manow, Die politische Ökonomie des Populismus, S. 38ff.
Dazu Walter, Im Herbst der Volksparteien.
Dazu Walter, Vorwärts oder abwärts?, S. 118ff.; ders., Die SPD, S. 313ff.
Über die empirische Basis von Ingleharts The Silent Revolution ist in den Sozialwissenschaften eine heftige Debatte geführt worden. Retrospektiv lässt sich festhalten, dass diejenigen, die Ingleharts These auf die Gesellschaft als Ganzes bezogen haben, falsch lagen, wohingegen sich jene, die darin die Voraussage einer Spaltung der Gesellschaft in «Materialisten» und «Postmaterialisten» erkannt haben, bestätigt sehen können.
Dazu Manow, Die Politische Ökonomie des Populismus, S. 99ff.
Dazu jetzt Bieß, Republik der Angst, S. 413ff.
Stellvertretend für viele Veröffentlichungen sind hier zu nennen Nachtwey, Die Abstiegsgesellschaft, sowie Castel/Dörre (Hg.), Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung.
Auf Deutschland bezogen ist hier ein Buch mit grammatisch falschem Titel, offenbar selbst ein Zeichen des Niedergangs, zu nennen: Sieferle, Finis Germania; sowie, mit Blick auf ganz Europa, Onfray, Niedergang. Außerdem Weiß, Deutschlands Neue Rechte, S. 15ff.
Zur Entstehungsgeschichte und Wirkung von Spenglers Untergang des Abendlands vgl. Demandt/Farrenkopf (Hg.), Der Fall Spengler, passim, sowie Felken, Oswald Spengler, S. 40ff. und 114ff.
Um auch hier eine repräsentative Publikation zu nennen: Streeck, Gekaufte Zeit, insbes. S. 46–60; in eine vergleichbare Richtung hat Wilhelm Heitmeyer bereits 2001 in dem Aufsatz «Autoritärer Kapitalismus, Demokratieentleerung und Rechtspopulismus» argumentiert.
Die These von der Entstehung des Konservatismus durch das Reflexivwerden des Traditionalismus ist entwickelt bei Mannheim, Konservatismus, S. 92ff.
Die Formel vom «Rad der Geschichte» findet sich bereits im Kommunistischen Manifest, wo Marx und Engels den Widerstand der Mittelständler gegen die Bourgeoisie als konservativ bezeichnen und dann fortfahren: «Noch mehr, sie sind reaktionär, denn sie suchen das Rad der Geschichte zurückzudrehen.» Marx/Engels, Das Kommunistische Manifest, S. 56; zur Bedeutung des Fortschrittsglaubens für das Selbstverständnis der politischen Linken vgl. Salvadori, Fortschritt, S. 51ff. und 73ff.
Dazu Loewenstein, Der Fortschrittsglaube, S. 176ff.
Vgl. Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit, S. 170ff.
Astrid Séville greift darum in ihrem Buch Der Sound der Macht zu kurz, wenn sie die Alternativen in der deutschen Demokratie wesentlich an Rhetorik und Performanz knüpft.
So auch die Kurzbeschreibung der SPD-Geschichte bei Walter, Rebellen, Propheten und Tabubrecher, S. 14–17; Zahlen zur Abwanderung von Arbeitern zur politischen Rechten bei Manow, Die Politische Ökonomie des Populismus, S. 90ff.
Die ökonomischen Gründe für die Rechtsbewegung in der Arbeiterschaft werden herausgestellt bei Eribon, Rückkehr nach Reims. Eribons Beschreibung hat die Debatte über die rechtspopulistischen Dispositionen der Arbeiterschaft seitdem weitgehend geprägt. Zur Hinwendung zum Populismus in England vgl. Fieschi u.a. (Hgg.), Populist Fantasies, S. 99–149.
Dazu Münkler, «Populism in Germany», S. 559ff.
Angesichts dieses Dilemmas sind einige sich nach wie vor als sozialdemokratisch bezeichnende Parteien in den Ländern Mittel- und Ostmitteleuropas auf eine Linie eingeschwenkt, die nach westeuropäischen Maßstäben als rechtspopulistisch zu bezeichnen ist.
Dahrendorf, «Das Elend der Sozialdemokratie», S. 1021–1038.
Vgl. Walter, Im Herbst der Volksparteien?, sowie Seils, Parteiendämmerung.
Zur Genese der soziopolitischen Mitte und deren politiktheoretischer Reflexion vgl. Münkler, «Die Entstehung des Mitteparadigmas in Politik und Gesellschaft».
Für eine Übersicht zu den in der Summe positiven Entwicklungen der jüngeren Zeit in Deutschland vgl. Wüllenweber, Frohe Botschaft, passim; zu einigen Gründen, warum das Vertrauen in den Fortschritt schwindet, während zentrale Daten einen weitergehenden materiellen Fortschritt belegen, Pinker, Aufklärung jetzt, S. 57–74. Weiterhin Cremer, Deutschland ist gerechter, als wir meinen, passim.
Das ist die durchgängige Betrachtung der von Jutta Allmendinger geleiteten «Vermächtnisstudie» (Das Land, in dem wir leben wollen). Es gilt offenbar auch für diejenigen, die sich 2014/15 regelmäßig an den Pegida-Demonstrationen in Dresden beteiligten, vgl. Geiges/Marg/Walter, PEGIDA, S. 64.
Dieser Aspekt ist für Deutschland von Heitmeyer, Autoritäre Versuchungen, S. 89ff. und 146ff., sowie für Deutschland und Europa von Manow, Die politische Ökonomie des Populismus, S. 55ff. und 99ff., herausgestellt worden.
Vgl. Münkler, «Verkleinern und Entschleunigen?», S. 83ff.
Deshalb ist der von Chantal Mouffe als Antwort auf den Rechtspopulismus favorisierte Linkspopulismus (Für einen linken Populismus) zum Scheitern verurteilt.
Zur Darstellung des Dubslav von Stechlin bei Fontane vgl. von Graevenitz, Theodor Fontane: ängstliche Moderne, S. 649f.
Ebd., S. 639ff.
Mohler, Die konservative Revolution. Auch wenn die Stimmigkeit von Mohlers Zusammenstellung immer wieder angezweifelt worden ist und die Bezeichnung «konservative Revolution», die auf Hugo von Hofmannsthal zurückgeht, keineswegs allenthalben Zustimmung gefunden hat (für eine kritische Reflexion vgl. Breuer, Anatomie der konservativen Revolution), lässt sich doch das darin zusammengefasste Wahrnehmungsmodell für einen Teil der deutschen Intellektuellen der 1920er und 1930er Jahre kaum in Abrede stellen.
Vermutlich wusste der CSU-Politiker Dobrindt nicht, was er sagte, als er in der Welt vom 4. Januar 2018 eine «konservative Revolution» forderte.
Der Altertumswissenschaftler Scheidel hat in seinem Buch Nach dem Krieg sind alle gleich die These vertreten, nur Kriege würden zu einem Mehr an sozialer Gleichheit führen, während der Frieden ein Generator sozialer Ungleichheit sei. Eine ähnliche Sicht findet sich auch bei Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, S. 64ff. Skeptisch gegenüber der These von der Egalitätswirkung des Krieges bei einem vergleichenden Blick auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg hingegen Kaelble, Mehr Reichtum, mehr Armut, S. 40.
Dazu Münkler, Die Deutschen und ihre Mythen, S. 455–476.
Das Begriffspaar «Erfahrungsraum»/«Erwartungshorizont» geht zurück auf Koselleck, «‹Erfahrungsraum› und ‹Erwartungshorizont›», S. 349–375.
Zum Begriff der politischen Klasse und deren spezifischen Reproduktionsbedingungen in Deutschland vgl. von Beyme, Die politische Klasse im Parteienstaat, S. 11–38. Unter dem Einfluss des Populismus hat der ursprüngliche deskriptive Begriff «politische Klasse» inzwischen eine denunziatorische Bedeutung angenommen.
Dass die politische Linke eine starke Präferenz für die direkte Demokratie hat, gehört zu ihrer Geschichte; in den von einer Gruppe des Göttinger Instituts für Demokratieforschung geführten Gesprächen mit Teilnehmern an Pegida-Demonstrationen, also Personen, die überwiegend der politischen Rechten zuzuordnen sind, hat sich ebenfalls eine Präferenz für direktdemokratische Elemente gezeigt, die freilich stark mit der Ablehnung der politischen Klasse zu tun hat; vgl. Geiges/Marg/Walter, PEGIDA, S. 113.
Dazu Buchstein, «Die Zumutungen der Demokratie», S. 295–324, sowie Münkler, «Der kompetente Bürger», S. 153–172.
Geiger/Marg/Walter, PEGIDA, S. 42f., sowie Vorländer u.a., PEGIDA, S. 105ff.
Aus der Fülle der einschlägigen Literatur zum Populismus sind vor allem zwei Arbeiten zu nennen: Priester, Rechter und linker Populismus, sowie Müller, Was ist Populismus?.
Deswegen ist die von Laclau und Mouffe verfolgte Idee einer linkspopulistischen Bewegung ein Spiel mit dem Feuer, auf das sich eine kluge Linke nicht einlassen sollte; vgl. Laclau, On Populist Reason, und Mouffe, Für einen linken Populismus.
Für eine kurze Zusammenfassung dieser Debatten vgl. Séville, Der Sound der Macht, S. 54–65.
Vgl. Lewandowsky, «Die Verteidigung der Nation».
Vgl. auf der Homepage der AfD etwa die Stellungnahme von Alice Weidel: https://www.afd.de/alice-weidel-insolvenzverschleppung-griechenlands-beenden-euroraum-aufloesen/; letzter Zugriff am 2. Januar 2019.
Vgl. das Parteiprogramm der AfD für die Europawahl 2014; dazu Ketelhut u.a., Facetten des deutschen Euroskeptizismus.
Welches demokratietheoretische Problem sich daraus ergibt, wird deutlich durch die unmittelbare Gegenüberstellung dieser Konstellationen mit dem Ideal der Demokratie, wie es im Athen des 5. und 4. vorchristlichen Jahrhunderts verwirklicht wurde; Olalla, Die ausgegrabene Demokratie, insbes. S. 11–17.
Eurostat gibt für die Jugendarbeitslosigkeit im Juni 2018 folgende Zahlen an (in Relation zur Gesamtzahl der Beschäftigten in der Altersgruppe der Fünfzehn- bis Vierundzwanzigjährigen): Griechenland 42,3 Prozent (April 2018), Spanien 34,1 Prozent und Italien 32,5 Prozent. Der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen in Relation zur Gesamtzahl der Erwerbspersonen beträgt für 2017: Griechenland 24,9 Prozent, Spanien 22,1 Prozent, Italien 11,9 Prozent.
Vgl. Manow, Im Schatten des Königs, S. 16–56.
Zu ihnen sind die «Querfront»-Bestrebungen des politisch von weit links kommenden Jürgen Elsässer zu zählen.
Philip Manow führt dies auf die stärkere Exportorientierung in Nord- und Westeuropa zurück, während die südlichen EU-Staaten auf die Binnenwirtschaft ausgerichtet waren. Nach seiner These befördert Binnenmarktorientierung den Linkspopulismus, wohingegen Exportorientierung eher Rechtspopulismus zur Folge hat (Die politische Ökonomie des Populismus, S. 103ff.).
Ivan Krastev («Auf dem Weg in die Mehrheitsdiktatur?», S. 118) hat von «einer Revolte der Demokratie gegen den Liberalismus» gesprochen.
Dazu ausführlich Münkler/Münkler, Die neuen Deutschen, passim; für eine andere Beurteilung Heitmeyer, Autoritäre Versuchungen, und Manow, Die politische Ökonomie des Populismus.
Vgl. hierzu Rödder, Wer hat Angst vor Deutschland?, S. 193ff.; zu dem dahinterstehenden Selbstbild einer Mehrheit der Deutschen Joffe, Der gute Deutsche, passim.
Es handelt sich dabei um fremdenfeindliche Bewegungen mit einem kommunalen oder regionalen Bezug als Identitätsmarkierung: Pro NRW, Pro Chemnitz etc. Man kann darin eine Variante der sich ansonsten eher intellektuell ausgebenden Identitären für den «einfachen Mann» sehen; vgl. Speit (Hg.), Das Netzwerk der Identitären.
Zur Entstehungsgeschichte der AfD vgl. Werner, Wer ist, was will und wie wirkt die AfD, sowie Bebnowski, Die Alternative für Deutschland, und Wildt, Volk, Volksgemeinschaft, AfD; zu Pegida, die das erste Mal am 20. Oktober 2014 in Dresden demonstrierte, vgl. Geiges/Marg/Walter, PEGIDA, sowie Rehberg/Kunz/Schlinzig (Hgg.), PEGIDA, und Vorländer/Herold/Schäller, PEGIDA.
Diese Übergangssituation wurde bereits im Sommer 2015 mit erstaunlicher Präzision von Korte/Leggewie/Lewandowsky, «Partei am Scheideweg: Die Alternative der AfD», herausgearbeitet.
Dazu die Beiträge von Göran Rosenberg und Yvonne Zonderop in Fieschi/Morris/Caballero (Hgg.), Populist Fantasies, passim.
Dazu Wieviorka, «The Front National – caught between extremism, populism and democracy», S. 441–502.
So das Ergebnis einer im September 2018 veröffentlichten Allensbach-Studie, in der freilich auch festgehalten wird, dass von den Unterstützern der Zuwanderung und einer Integration der Neuankömmlinge in die deutsche Gesellschaft die Bildung von Parallelgesellschaften als das größte Risiko der Zuwanderung angesehen wird; Renate Köcher, «Hohe Erwartungen», S. 10.
Der italienische Kulturtheoretiker Umberto Eco hat Migration von Immigration dadurch unterschieden, dass Letztere vonseiten des die Migrierenden aufnehmenden Landes gesteuert und kontrolliert werden könne, während das bei Migration, die sich wie ein Naturphänomen ereigne, nicht der Fall sei. Eco, «Die Migrationen, die Toleranz und das Untolerierbare», S. 96 und 99.
Guggenberger/Offe (Hgg.), An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, passim.
Diese Ähnlichkeiten sind herausgearbeitet bei Ebner, Wut, passim.
Walter, Zeiten des Umbruchs?, S. 121.
Dazu eingehend Diehl, Das Symbolische, das Imaginäre und die Demokratie, sowie Diehl/Steilen (Hgg.), Politische Repräsentation und das Symbolische.
Die Regressionsthese ist das Leitmotiv der Beiträge in dem von Heinrich Geiselberger herausgegebenen Sammelband Die große Regression.
Für Beispiele aus der Parteijugend der AfD vgl. Justus Bender, «Expresszug nach Auschwitz-Birkenau»; in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. November 2018, S. 3.
Der englische Politiktheoretiker Thomas Hobbes hat in der Mitte des 17. Jahrhunderts vorgeschlagen, den Staat und die bei ihm konzentrierte Zwangsgewalt als Ergebnis eines Vertrags zu begreifen, den jeder mit jedem schließt, um sicherzustellen, dass man nicht ständig vor der Gier und Missgunst, aber auch der Angst und den daraus erwachsenen Präventivhandlungen der anderen auf der Hut sein muss. Man hat Hobbes deswegen vorgeworfen, die Gesellschaft aus der Sicht eines Misanthropen beschrieben und seiner Staatstheorie ein ausgesprochen negatives Menschenbild zugrunde gelegt zu haben (vgl. Münkler, Thomas Hobbes, S. 82ff.). Beschäftigt man sich indes mit den im Internet kursierenden Hassmails, die häufig unter der Tarnkappe von Decknamen in Umlauf gebracht werden, so erscheinen Hobbes’ anthropologische Grundannahmen alles andere als übertrieben.
Žižek, Der Mut der Hoffnungslosigkeit, S. 331f.
Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, S. VII–LXX.
Wie die Debatte um den erlaubten Waffenbesitz in den Vereinigten Staaten zeigt, ist dort das Gewaltmonopol des Staates niemals durchgesetzt worden. Ein entsprechender Prozess der gesellschaftlichen Deeskalation hat daher nicht in vergleichbarer Weise stattgefunden.
Im März 1933 hatte sich Schmitt den an die Macht gekommenen Nationalsozialisten angedient und war durch die Protektion Hermann Görings zum zeitweiligen «Kronjuristen» des Regimes avanciert. Nach Angriffen der SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps gegen ihn ist er 1936 aus den einflussreichen Positionen wieder verdrängt worden; dazu Mehring, Carl Schmitt, S. 304–340.
Schmitt, Der Leviathan in der Staatslehre des Thomas Hobbes, insbes. S. 86–118. Indem Hobbes den «Vorbehalt der inneren, privaten Gedanken- und Glaubensfreiheit in das politische System» aufgenommen habe, sei dieser «zum Todeskeim» geworden, «der den mächtigen Leviathan von innen her zerstört und den sterblichen Gott zur Strecke gebracht» habe (S. 86).
Baruch de Spinoza, den Schmitt als den «ersten liberalen Juden» bezeichnet, habe die Einräumung von Gedanken- und Glaubensfreiheit sofort als «die große Einbruchstelle des modernen Liberalismus» erkannt, «von der aus das ganze, von Hobbes aufgestellte und gemeinte Verhältnis von Äußerlich und Innerlich, Öffentlich und Privat, in sein Gegenteil verkehrt werden konnte» (ebd.). Die Verbindung von Liberalismuskritik und Antisemitismus tritt hier relativ deutlich hervor.
Der erste implizite Einwand stammt übrigens von Elias selbst, denn er hat das Werk seinen in Breslau gebliebenen Eltern gewidmet, von denen seine Mutter in Auschwitz ermordet worden ist. Warum Elias trotz der Kritik an seiner Zivilisierungsthese nach wie vor überaus lesbar ist, zeigt Teresa Koloma Beck, die sich auch mit der Gewaltfrage auseinandersetzt («Mehr als der Mythos vom Zivilisationsprozess»).
Duerr, Über den Mythos vom Zivilisationsprozeß, insbes. Bd. 2, S. 270–361. Duerrs Invektive gegen Elias gründete vor allem darauf, dass er dessen Überlegungen als eurozentristisch und gegenüber segmentären Gesellschaften als herabsetzend begriff, weshalb der Ethnologe sich gegenüber dem Soziologen überaus kritisch in Stellung brachte.
Sloterdijk, Zorn und Zeit, S. 353.
René Cuperus, https://www.ipg-journal.de/interviews/artikel/wie-man-populismus-nicht-bekaempft-664/; letzter Zugriff am 4. Januar 2019.
Cuperus, «Das Versagen der selbstgerechten Etablierten» (dieser Text basiert auf dem obengenannten Interview), in: Berliner Republik 6/2014.
Walter, Zeiten des Umbruchs, S. 115.
Vor allem die Bücher von Streeck (Gekaufte Zeit), Heitmeyer (Autoritäre Versuchungen) und Manow (Politische Ökonomie des Populismus) sind hier zu nennen.
Rorty, Stolz auf unser Land, S. 80f.
Ebd., S. 43ff.; ähnliche Beobachtungen finden sich zuvor bereits bei Ehrenreich, Angst vor dem Absturz, S. 13ff.
Judt, Dem Land geht es schlecht, insbes. S. 43ff.
Mason, Postkapitalismus, sowie ders., «Keine Angst vor der Freiheit»; außerdem Quintane, Wohin mit den Mittelklassen?.
Vance, Hillbilly Elegy; Eribon, Rückkehr nach Reims.
Vgl. Streeck, Gekaufte Zeit, passim, sowie ders., «Die Wiederkehr des Verdrängten», S. 253ff.
Fraser, «Vom Regen des progressiven Neoliberalismus in die Traufe des reaktionären Populismus», S. 78f.
Ebd., S. 83.
Ebd., S. 79. Was in Deutschland der nostalgische Rückbezug auf den Sozialstaat der 1960er und 1970er Jahre ist, ist in den USA die Erinnerung an die New-Deal-Politik Franklin D. Roosevelts, mit der es gelang, die große Depression der 1930er Jahre zu überwinden.
Ebd., S. 83. Die Grundlagen von Frasers Argumentation sind ausführlich entfaltet in ihrem Buch Fortunes of Feminism.
Vgl. Statistisches Bundesamt: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen. Bruttoinlandsprodukt, Bruttonationaleinkommen, Volkseinkommen. Lange Reihen ab 1925, erschienen am 23.11.2018.
1926 hat der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikolai D. Kondratieff (neuere Transkription Kondratiew) in seinem Buch Die langen Wellen der Konjunktur erstmalig in langen Wellen verlaufende Zyklen der Weltkonjunktur beschrieben, die etwa fünfzig bis sechzig Jahre dauern. Deutlicher noch als Kondratieff selbst hat der österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter, der auch den Begriff des Kondratieff-Zyklus eingeführt hat, betont, dass diese Zyklen und ihre langen Wellen auf technischen Innovationen beruhen, die zu ökonomischen Paradigmenwechseln führen, deren ökonomische Wirkungen etwa fünfzig bis sechzig Jahre dauern, bis sie von einem weiteren Paradigmenwechsel abgelöst werden.
Die Gesamtstaatsverschuldung, also die Schulden des öffentlichen Gesamthaushalts von Bund, Ländern und Kommunen, stieg nach Angaben des Statistischen Bundesamtes von 28998 im Jahr 1960 auf 2009310 Millionen Euro im Jahr 2016; 2017 ist sie auf 1967385 zurückgeführt worden. Quelle: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/OeffentlicheFinanzenSteuern/OeffentlicheFinanzen/Schulden/Tabellen/SchuldenNichtOeffentlich_Insgesamt.html; letzter Zugriff am 6. Januar 2019.
Loewenstein, Der Fortschrittsglaube, S. 440ff.
Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, S. 14. Wenn Hegel schreibt, «daß die Philosophie, weil sie das Ergründen des Vernünftigen ist, eben damit das Erfassen des Gegenwärtigen und Wirklichen, nicht das Aufstellen eines Jenseitigen ist, das Gott weiß wo sein sollte» (ebd.), so konnte die deutsche Sozialdemokratie dem uneingeschränkt zustimmen, solange die Verknüpfung von Vernunft und Wirklichkeit für sie über die Idee des Fortschritts vermittelt war. Es ging nicht darum, die Geschichte zu belehren, wohin sie sich bewegen sollte, sondern die Vernünftigkeit ihres Verlaufs als schrittweise Umsetzung des Parteiprogramms zu begreifen.
Dazu ausführlich Alvaredo u.a. (Hgg.), Die weltweite Ungleichheit, S. 61ff., sowie die Beiträge in Bude/Staab (Hgg.), Kapitalismus und Ungleichheit; als Überblick dazu Bude, «Globale Klassenverhältnisse», S. 115–136.
Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, insbes. S. 217ff.; vgl. auch ders., Ökonomie der Ungleichheit, S. 14–31.
Boatcă, «Kapital aus Staatsbürgerschaft», S. 140f., Weiß, «Globale Ungleichheiten», S. 96ff., sowie Shachar, The Birthright Lottery.
Die weltweite Politik der Abschottung von Räumen, freilich mehr gegen Migration als gegen Güterverkehr und Informationsaustausch gerichtet, wird analysiert bei Brown, Mauern, sowie Marshall, Abschottung; für eine ethische Reflexion über die Akzeptanz und Begrenzung von Migration vgl. Nida-Rümelin, Über Grenzen denken.
Eine instruktive Darstellung der Anfänge weltwirtschaftlicher Verflechtungen findet sich in Fernand Braudels Sozialgeschichte des 15.–18. Jahrhunderts, in der Braudel vor allem die Rolle der großen Handelsstädte bei der Etablierung eines globalen Güteraustauschs herausarbeitet. Sie haben die Weltwirtschaft organisiert, während die Staaten damit befasst waren, Nationalökonomien auszubilden, beides weitgehend komplementär zueinander; Braudel, Sozialgeschichte, Bd. 3, S. 96ff. und 187ff. Den Aufstieg der Europäer und die von ihnen durchgesetzte globale Verflechtung regionaler Ökonomien beschreiben Landes, Wohlstand und Armut der Nationen, sowie Ferguson, Der Westen und der Rest der Welt.
Es war der Liberale Friedrich Naumann, dessen Mitteleuropapläne als ein erster Entwurf für solche die Nationalökonomie überschreitenden wirtschaftlichen Großräume angesehen werden können. Seine 1915 erschienene Schrift «Mitteleuropa» war eine Reaktion auf die Ausschließung Deutschlands von der Weltwirtschaft durch die britische Handelsblockade. Naumann ging davon aus, dass diese Ausschließung auch nach Kriegsende fortbestehen würde, und wollte die strategische Verwundbarkeit des Reichs durch die Schaffung eines wirtschaftlich autarken Großraums begrenzen, der vom Ärmelkanal und von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichen sollte; vgl. Schmidt, Die Wiedergeburt der Mitte Europas, S. 56–63. Es war dies ein Raum ohne offenen Zugang zu den Weltmeeren, und er war so angelegt, dass der Anschluss an eine globale Ökonomie verzichtbar beziehungsweise die Aussperrung aus ihr verkraftbar war.
Auch Philip Manow, der einen differenzierten Ansatz verfolgt, muss auf Erinnerungen zurückgreifen, wenn er die Arbeitslosigkeit um 2000 für eine vergleichsweise hohe Affinität zur AfD verantwortlich macht (Die politische Ökonomie des Populismus, S. 93ff.).
Geiges/Marg/Walter, PEGIDA, S. 64; Vorländer/Herold/Schäller (Hgg.): PEGIDA: Entwicklung, Zusammensetzung und Deutung einer Empörungsbewegung.
Vgl. Rehberg/Kunz/Schlinzing (Hgg.): PEGIDA – Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und «Wende»-Enttäuschung?.
Vehrkamp/Wegschaider, Populäre Wahlen.
Koppetsch, «Eine Welle der Nostalgie», S. 53, Anm. 6.
Vgl. Bandau, «Skandinaviens Rechtspopulisten: Von Schmuddelkindern zu Königsmachern»; Rydgren, «Radical Right-wing Populism in Sweden and Denmark»; ders./van der Meiden, «The radical right and the end of Swedish exceptionalism».
Das spielt nicht zuletzt für ehemalige DDR-Bürger eine zentrale Rolle, die nicht erwartet hatten, dass mit dem Ende der DDR auch die Abwertung ihrer eigenen Lebenserfahrungen einhergehen würde. Das wird deutlich in Köpping, Integriert doch erst mal uns!.
Waldmann, Der konservative Impuls, insbes. S. 255ff.
Ebd., S. 134ff.
Zum Konzept des sozialmoralischen Milieus und dessen Rolle in der deutschen Geschichte vgl. Lepsius, Demokratie in Deutschland, S. 11–132, insbes. S. 32ff., sowie ders., «Kulturelle Dimensionen der sozialen Schichtung», S. 96–116.
Lepsius, Demokratie in Deutschland, S. 47ff.
Vgl. König, Kleine Geschichte der Konsumgesellschaft, S. 27ff.
Judith Shklar hat in einer kleinen Studie diesen Wandel der Gerechtigkeitsvorstellung und die mit ihm verbundene Zunahme von Ungerechtigkeitserfahrungen vor allem auf den Fortschritt von Wissenschaft und Technik zurückgeführt (Shklar, Über Ungerechtigkeit, S. 87ff.). Eine ebenso große Bedeutung dürfte dabei jedoch der Erosion der Milieus als Filter von Gerechtigkeitserwartungen zukommen. Gerechtigkeit wurde aus einer milieugebundenen zu einer universalen Beurteiligungskategorie. Für eine Bestandsaufnahme gegenwärtiger Gerechtigkeitserwartungen vgl. Liebig/Lengfeld/Mau (Hgg.), Verteilungsprobleme und Gerechtigkeit.
«Die Bourgeoisie», heißt es dort, «hat (…) kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose ‹bare Zahlung›.» Und: «An die Stelle der alten, durch Landeserzeugnisse befriedigten Bedürfnisse treten neue, welche die Produkte der entferntesten Länder und Klimate [sic!] zu ihrer Befriedigung erheischen.» Marx/Engels, Das Kommunistische Manifest, S. 46 und 48.
Nietzsche, «Zur Genealogie der Moral», S. 367; zum Ressentiment und zu seiner Prägekraft für die Gesellschaften des 19. und 21. Jahrhunderts vgl. Jessen, Zornpolitik, S. 27–54.
Vgl. Ellerbrock u.a.: «Invektivität – Perspektiven eines neuen Forschungsprogramms in den Kultur- und Sozialwissenschaften», S. 16.
Krastev, «Auf dem Weg in die Mehrheitsdiktatur?», S. 121.
Mishra, Das Zeitalter des Zorns, insbes. S. 11–48 und 305–352; ders., «Politik im Zeitalter des Zorns», S. 181ff.
Nietzsche, Also sprach Zarathustra, S. 14.
Ebd., S. 14f.
Das «Der Kampf um Anerkennung» überschriebene Kapitel steht bei Fukuyama für den Hegel’schen Blick auf die Geschichte und deren Ende, das «Der letzte Mensch» betitelte Kapitel steht für die Sicht Nietzsches; Fukuyama, Das Ende der Geschichte, S. 203–287 und 383–448. Im Übrigen spielt der thymos, auf dessen «Wiederentdeckung» sich Peter Sloterdijk viel zugutegehalten hat (vgl. oben, S. 62f.), bei Fukuyama eine zentrale Rolle als Antriebsmoment der Geschichte (S. 253ff. und 307ff.).
Mishra, Das Zeitalter des Zorns, S. 21f.
George Soros ist insbesondere in Ungarn heftigen antisemitischen Invektiven ausgesetzt und wird zum Sündenbock für alles gemacht.
Zur Unterscheidung zwischen Revolution und Revolte vgl. Münkler/Straßenberger, Politische Theorie und Ideengeschichte, S. 315–342.
Mishra, Das Zeitalter des Zorns, S. 370ff.
Uffa Jessen hat sich in seinem Buch Zornpolitik mehrfach gegen eine schematische Gegenüberstellung von Rationalität und Emotionalität gewandt. Darum geht es hier nicht, sondern die Grenzlinie wird dort gezogen, wo Emotionen an die Stelle von Argumenten treten, anstatt mit diesen eine Verbindung einzugehen.
Für eine politische Phänomenologie der Emotionen vgl. außer Jessen, Zornpolitik, passim, Demmerling/Landweer, Philosophie der Gefühle; Koch (Hg.), Angst; Kolnai, Ekel, Hochmut, Haß; sowie Schweeger (Hg.), Erkundungen zur Kultur des Empfindens.
Hessel, Empört Euch!. Für Hessel stand fest, dass Widerstand und die Schaffung des Neuen zwei Seiten ein und derselben Medaille sind (S. 21).
In einem Gespräch über den publizistischen Erfolg seines Essays versuchte Hessel, der Empörung nachträglich eine politische Richtung zu geben; Hessel, An die Empörten dieser Erde!.
Das wird besonders deutlich, wenn man die von einem «Unsichtbaren Komitee» verfasste Schrift Der kommende Aufstand, die Angriffe auf die Verkehrs- und Zirkulationssysteme empfiehlt, um «Sand ins Getriebe» zu streuen, mit der Schrift von Michael Ley, Die kommende Revolte, vergleicht, in der die (linke) Globalisierungskritik in eine Ablehnung des Multikulturalismus und eine Zurückweisung des Islam gewendet wird (S. 61–92).
Vgl. Soentgen, Ökologie der Angst, S. 55ff.
Ruth Wodak hat ihre Analyse rechtspopulistischer Diskursstrategien, insbesondere in Österreich, Politik mit der Angst betitelt.
Auf die mangelnde Unterscheidung von Gefahr und Risiko beziehungsweise die systematische Überschätzung von Risiken hat insbesondere Cass Sunstein in Gesetze der Angst (S. 134–141) hingewiesen.
Dazu Vasold, Pest, Not und schwere Plagen, S. 38–93; Winkle, Geißeln der Menschheit, S. 435–464; Meier (Hg.), Pest, S. 142–198, sowie allgemein Wilderotter, «‹Alle dachten, das Ende der Welt sei gekommen›», S. 12–53.
Der Zusammenhang von Epidemie und Angst ist ausführlich analysiert bei Briese, Angst in den Zeiten der Cholera, insbes. Bd. 2.
Vgl. Garrett, Die kommenden Plagen, passim.
Das schließt nicht aus, dass auch Regierungen mit Angst Politik machen, um die Folgebereitschaft der Bürger zu erhöhen; vgl. dazu Selk, Das Regieren der Angst.
Hierzu und zum Folgenden vgl. Hendricks/Vestergaard, Postfaktisch, S. 157–179.
Vgl. Lyotard, Das postmoderne Wissen, S. 13–17; ders., Postmoderne für Kinder, S. 32–37.
Zur Globalisierung als Veränderung der Raumstrukturen vgl. Minc, Globalisierung, Cohen, Globalisierung als politische Herausforderung, und Friedman, Globalisierung verstehen. Globalisierungskritische Überlegungen finden sich bei Safranski, Wieviel Globalisierung verträgt der Mensch?; zur Veränderung der Zeitstrukturen vgl. Rosa, Beschleunigung, passim, sowie ders., Beschleunigung und Entfremdung.
Der Soziologe Richard Sennett hat erst jüngst in seinem Buch Handwerk eine große Jeremiade über die Entwertung der Dinge durch ihre massenhafte industrielle Fertigung angestimmt; zur früheren Kritik an Beschleunigung und Massenfertigung vgl. Gutsche, «Niedergang», S. 319–338.
Maslow, Motivation und Persönlichkeit; zur Rolle von Sicherheit in der modernen Gesellschaft vgl. Glaeßner, Freiheit und Sicherheit, S. 33ff.
Die hier angestellten Überlegungen folgen Lantermann, Die radikalisierte Gesellschaft, S. 43ff.
Ebd., S. 93–100.
Ebd., S. 170–172.
Als Dirk Kurbjuweit angesichts der Auseinandersetzungen um den Stuttgarter Hauptbahnhof den Begriff «Wutbürger» prägte, stellte er diesen in die Nähe eines komplementären Begriffs, nämlich den des «Angstbürgers»; Kurbjuweit, «Der Wutbürger», S. 26f.; dazu auch Jessen, Zornpolitik, S. 116f.
So Götz Kubitschek, einer der Vordenker des deutschen Rechtspopulismus, bei einer Veranstaltung mit Uwe Tellkamp und Durs Grünbein in Dresden.
Vgl. Sunstein, Gesetze der Angst, S. 105ff.
Zur Fixierung des Rechtspopulismus auf das Thema Sexualität vgl. Bednarz, Die Angstprediger, S. 66–115.
Ausführlich dazu Snyder, Der Weg in die Unfreiheit, S. 60f.
Dazu Münkler/Münkler, Die neuen Deutschen, S. 30ff.
Vgl. Etzemüller, Der ewigwährende Untergang, passim.
Zu nennen sind hier vor allem zwei Autoren, Ilse Schwidetzky und Giselher Wirsing, die bereits in der NS-Zeit eine publizistisch bedeutende Rolle gespielt hatten und nun ihre bevölkerungspolitische Agenda akademisch camouflierten: Schwidetzky, Das Problem des Völkertodes, und Wirsing, Die Menschenlawine.
Sarrazin, Deutschland schafft sich ab, S. 49.
Ebd., S. 50; zur Diskussion der Thesen Sarrazins, zu ihrer wissenschaftlichen Haltbarkeit sowie ihren Verbindungen zu rassebiologisch-eugenischen Konzeptionen der Weimarer Republik und der Nazizeit vgl. den von der Deutschlandstiftung Integration herausgegebenen Sammelband Sarrazin. Eine deutsche Debatte.
Zu nennen sind Sarrazins Bücher Der neue Tugendterror und Feindliche Übernahme.
Picht, Die deutsche Bildungskatastrophe, S. 30–32.
Vgl. Wodak, Politik mit der Angst, S. 54ff.
Dazu eingehend Faber, Abendland; Pöpping, Abendland, sowie Faber/Briese (Hgg.), Heimatland, Vaterland, Abendland.
Über die strukturellen Affinitäten zwischen Rechtspopulismus und islamistischem Dschihadismus berichtet Ebner, Wut, passim.
Dieser Vorwurf richtet sich zunächst gegen Samuel Huntington, der in seinem Buch Clash of Civilizations die islamische Welt als einen zu politisch einheitlichem Handeln befähigten Akteur betrachtet hat. In seiner Prognose der künftigen Weltordnung akzeptierte er vorauseilend, was die Dschihadisten erst durchsetzen wollten. Huntington hat damit ein politisch folgenreiches mental mapping betrieben. Tatsächlich sind die islamisch geprägten Länder heute von einer gemeinsamen Politik ebenso weit entfernt, wie sie das immer waren. Vielmehr war es das Projekt eines Osama bin Laden und ähnlich Gesinnter, eine muslimische Einheitsfront gegen «den Westen» herzustellen, und dabei setzte die von ihnen verfolgte terroristische Strategie darauf, dass «der Westen» durch seine Reaktionen auf die Terroranschläge diese Einheitsfront schon herstellen werde.
Die Neutralisierung des Religiös-Konfessionellen im Sinne seiner Entpolitisierung ist ein zentrales Thema bei Carl Schmitt, der die Genese des neuzeitlichen Staates mit dem Erfolg dieser Neutralisierung verbunden hat. Entweder haben die selbsternannten Rechtsintellektuellen in Deutschland, die sich viel auf ihre Schmitt-Rezeption zugutehalten (vgl. Salzborn, Angriff der Antidemokraten, S. 63ff.), diese Passage übersehen, oder aber sie setzen Schmitts Überlegungen in umgekehrter Richtung ein: nicht als Element bei der Errichtung von Staatlichkeit, sondern als eines bei deren Zerstörung.
Das hat sich auch bei der Wahl rechtsradikaler Präsidentschaftskandidaten auf den Philippinen und in Brasilien gezeigt, wo Korruption und Kriminalität funktional an die Stelle des Islam getreten sind.
Vgl. Salzborn, Angriff der Antidemokraten, S. 20ff.
Zum Konzept der Natiogenese in den Sozial- und Kulturwissenschaften vgl. Münkler, Reich, Nation, Europa, S. 61–95.
Dazu Speit (Hg.), Das Netzwerk der Identitären.
Dazu Rauchensteiner, Der Tod des Doppeladlers, S. 100ff.; zum Gegeneinander von allgemeiner Dekadenzstimmung und problemlösenden Modernisierungsprojekten im Wien des Fin de Siècle vgl. Schorske, Wien, S. 23ff. und 195ff.
Zur aktuellen Herrschaft der Angst vgl. Nussbaum, Königreich der Angst; zu Angst und Moderne allgemein Koch, «Angst und Moderne», sowie Balke, Politik der Angst.
Vgl. Cohen, History and Popular Memory, bes. S. XI–XV.
Vgl. Müller-Funk, Die Kultur und ihre Narrative, S. 130–134; Koschorke, Wahrheit und Erfindung, S. 29–38.
Vgl. nach wie vor Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, sowie jetzt Hacke, Existenzkrise der Demokratie.
Zu den hier angesprochenen Fragen vgl. außer dem von Koselleck und Widmer herausgegebenen Band Niedergang auch Pauen, Geschichtsphilosophie, Metaphysik und Moderne, sowie Pross, Dekadenz.
Dazu Nolte, Kurze Geschichte der Imperien, S. 165ff. und 302ff.; eine paradigmatische Analyse des Untergangs von Zivilisationen bietet Jared Diamond, Kollaps.
Zum Traum Nebukadnezars und zu den aufeinanderfolgenden Weltreichen vgl. Koch, Das Buch Daniel, S. 182ff.
Zur Zeitalterlehre Hesiods vgl. Becker, Die Bedrohung der Polis; siehe auch Fränkel, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums, S. 124ff.
Die Vorstellung vom Katechon geht auf den 2. Thessalonicherbrief (2, 6 und 7) zurück, in dem der Apostel Paulus von «einem Aufhaltenden» scheibt. Zur Identifikation des Reichs mit dem Katechon vgl. Münkler, Reich, Nation, Europa, S. 23ff.; zur Rolle des Katechon im Denken Carl Schmitts siehe Großheutschi, Carl Schmitt und die Lehre vom Katechon, S. 57ff.
Zum Amselfeld-Narrativ und seinen politischen Folgen vgl. Cohen, History and Popular Memory, S. 1–32.
Ausführlich hierzu Pross, Dekadenz, S. 256ff.; sowie Mehring, Thomas Mann, S. 72ff.
Zur sich ausbreitenden Nervosität im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert vgl. Radkau, Das Zeitalter der Nervosität, insbes. S. 173–353.
Rostow, The Stages of Economic Growth.
Dazu Buchheit, Vergil über die Sendung Roms, S. 133ff; auch die Gegenüberstellung von Rom und dem von den Römern zerstörten Karthago ist eine Vergewisserung der Dauer Roms, denn Rom ist ganz anders als Karthago (ebd., S. 173ff.).
Gibbon, Verfall und Untergang des Römischen Reichs; neben Gibbon ist für den deutschen Kulturkreis noch Otto Seecks Geschichte des Untergangs der antiken Welt zu nennen. Dazu Demandt, Der Fall Roms, S. 13ff. und passim; zur Bedeutung von Gibbons Werk für den britischen Diskurs am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts eingehend Hausteiner, Greater than Rome, S. 103ff.
Dazu Silbermann, Propheten des Untergangs.
Vgl. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen.
Vgl. Sieferle, Fortschrittsfeinde?. Rolf Peter Sieferle steht exemplarisch für die Gruppe derer, die sich, von einer links-ökologischen Kritik an den Verwertungsimperativen des Kapitalismus ausgehend, mehr und mehr der politischen Rechten zugewandt haben, um schließlich in den breiten Chor neurechter Untergangspropheten einzustimmen.
Machiavelli, Politische Schriften, S. 318.
Die Vorstellung von einem zyklisch stationären Geschichtsverlauf ließ sich nach der Aufklärung nur noch als radikaler Geschichtspessimismus fortführen, wie man ihn etwa bei Arthur Schopenhauer findet. «Durchgängig und überall», heißt es in dessen Hauptwerk Die Welt als Wille und Vorstellung, «ist das ächte Symbol der Natur der Kreis, weil er das Schema der Wiederkehr ist: diese ist in der These die allgemeinste Form der Natur, welche sie in Allem durchführt, vom Laufe der Gestirne an, bis zum Tod und der Entstehung organischer Wesen, und wodurch allein in den rastlosen Strohm der Zeit und ihres Inhalts doch ein bestehendes Daseyn, d.i. eine Natur, möglich wird.» Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd. 2, Teilbd. 2, S. 559 (= Werke in zehn Bänden, Bd. 4.).
Vgl. Spengler, Reden und Aufsätze, S. 63f.
Dazu Demandt/Farrenkopf (Hgg.), Der Fall Spengler, sowie Demandt, Untergänge des Abendlandes; für den Versuch einer Aktualisierung Spenglers mit anderen politischen Zielsetzungen als denen Spenglers vgl. Krebs, Die imperiale Endzeit.
Die Entgegensetzung von Kultur und Zivilisation hat in den Polemiken französischer und deutscher Wissenschaftler während des Ersten Weltkriegs, als der erste Band von Spenglers Untergang entstand, eine zentrale Rolle gespielt.
Die Vorstellung vom Anbruch eines «caesarischen Zeitalters» und der historischen Obsoleszenz der Demokratie zeigt Spengler als Feind der Weimarer Republik und ihrer politischen Ordnung. Spengler war jedoch kein bedingungsloser Anhänger Hitlers und des Nationalsozialismus; an Letzterem fehlte ihm der «preußische Stil», und Ersteren hielt er dem italienischen «Caesaren» Mussolini für unterlegen; vgl. Felken, Oswald Spengler, S. 219–237.
Ferrari Zumbini, «Macht und Dekadenz», S. 89.
Diese Analogie ist von deutscher Seite während des Krieges immer wieder hergestellt worden; vgl. Münkler, «Die Antike im Krieg», S. 60ff.; zu Spenglers Analogien zwischen Rom und Deutschland beziehungsweise Karthago und England vgl. Ferrari Zumbini, «Macht und Dekadenz», S. 77.
Farrenkopf, «Klio und Caesar», S. 45–73, hier S. 46f.
Die einschlägigen Äußerungen Nietzsches sind zahlreich. In Die Geburt der Tragödie beklagt Nietzsche, ihm sei das «griechische Problem» zwar aufgegangen, aber durch «die Einmischung der modernsten Dinge» verdorben worden – «und das zu einer Zeit, wo der deutsche Geist, der nicht vor Langem noch den Willen zur Herrschaft über Europa, die Kraft zur Führung Europas gehabt hatte, eben letztwillig und endgültig abdankte, und, unter dem pomphaften Vorwande einer Reichs-Begründung, seinen Übergang zur Vermittelmäßigung, zur Demokratie und den ‹modernen Ideen› machte» (Die Geburt der Tragödie, S. 38f.). Oder in der Götzen-Dämmerung: «Es zahlt sich teuer aus, zur Macht zu kommen: die Macht verdummt … Die Deutschen, man hieß sie einst das Volk der Denker: denken sie heute überhaupt noch? Die Deutschen langweilen sich jetzt am Geiste, die Deutschen misstrauen jetzt dem Geiste, die Politik verschlingt allen Ernst für wirklich geistige Dinge – ‹Deutschland, Deutschland über alles›, ich fürchte, das war das Ende der deutschen Philosophie.» (Götzen-Dämmerung, S. 122)