Was, wenn wir einfach die Welt retten?

Inhaltsverzeichnis

Arthur Schopenhauer

Unser Planet ist unser Zuhause, unser einziges Zuhause. Wo wollen wir denn hingehen, wenn wir ihn zerstören?

Dalai-Lama

Wer nicht an den Klimawandel glaubt, glaubt nicht an Fakten, an die Wissenschaft oder an empirische Wahrheiten und sollte deshalb meiner Meinung nach kein öffentliches Amt bekleiden.

Leonardo DiCaprio

Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.

Albert Einstein

EIGENTLICH –

Dann dachte ich: Wir sind in einem Thriller.

Sie und ich.

Nicht als Leser und Autor.

Als Akteure.

Besagter Thriller schreibt sich seit Menschengedenken fort und wechselt dabei immer wieder den Titel. Aktuell heißt er Klimakrise. Pandemie. Digitalisierung. Terror. In der Vergangenheit hieß er Kalter Krieg, Wettrüsten, davor Zweiter Weltkrieg, Erster Weltkrieg, Dreißigjähriger Krieg, Hexenverfolgung, Pest, Sintflut, Vertreibung aus dem Paradies, um nur einige zu nennen. Neue Titel sind annonciert. Kleiner Vorgeschmack? Supermeteorit, Herrschaft der Maschinen, Invasion Außerirdischer oder schlicht Überbevölkerung.

Nicht nur Deutsche, aber ganz besonders Deutsche, lieben eher Krimis. Leichen und Ermittler sind hierzulande noch beliebter als Golden Retriever und Fernsehköche. Nicht, dass wir blutrünstig wären. Wir mögen es nur einfach, die aus den Fugen geratene Welt wieder in Ordnung gebracht zu sehen. Anders als beim Thriller steht beim Krimi die Eskalation am Anfang. Jemand wird gemeuchelt, Verdächtige marschieren auf, wo waren Sie gestern Abend, die Schlinge zieht sich zu, Showdown, Fall abgeschlossen.

Nichts beruhigt so wie ein schöner Krimi.

Thriller funktionieren andersrum. Am Anfang steht Normalität. Heile kleine Welt. Familie, Nachbarn, Freunde. Dann bricht etwas ein. Unheimlich, unerklärlich. Die Ordnung erodiert, und je weiter das Ganze voranschreitet, desto schlimmer wird es. Sicher geglaubte Strukturen zerfallen. Gewissheiten enden, Vertrautes wendet sich gegen uns. Thriller erzählen vom Kontrollverlust. Bei Roland Emmerich pflegt das im Weltuntergang zu enden. Ich teile diese Freude am

Das herauszufinden, kann unterhaltsam sein, aber auch ziemlich erschreckend. Kommt man der Wirklichkeit zu nahe, greift sie kalt nach einem. Vielleicht haben Sie den Viren-Thriller ›Contagion‹ gesehen. Die Pandemie wird am Ende eingedämmt, aber der Film entlässt einen nicht gerade mit einem Gefühl der Beruhigung. Thriller sind perfide. Sie stellen die Ordnung nur scheinbar wieder her. Die Bedrohung bleibt. Im Falle von ›Das Schweigen der Lämmer‹ können wir dieses Gefühl sogar genießen. Wir wollen Hannibal Lecter zwar nicht persönlich begegnen, ihn aber unbedingt wiedersehen. Die Chance, so einem ins Messer zu laufen, geht im echten Leben schließlich gegen null. In Steven Spielbergs Verfilmung des H.-G.-Wells-Klassikers ›Krieg der Welten‹ geht es um Außerirdische. Nicht unser drängendstes Problem und auf der Skala prospektiver Bedrohungen noch Lichtjahre hinter Hannibal the Cannibal, dennoch hat der Film viele Menschen verstört. Die Aliens entfesseln einen gnadenlosen Genozid. Wir haben ihnen nichts entgegenzusetzen. Der Held ist ganz unheldenhaft auf der Flucht und kaum imstande, seine Kinder zu beschützen. Durch ihn erleben wir das Gefühl völligen Ausgeliefertseins.

Warum erzähle ich Ihnen das?

Weil es viel mit unserer Wirklichkeit zu tun hat.

Das Gute an der Fiktion ist, dass wir den Kinosaal verlassen und das Buch zuklappen können. Insofern haben Thriller etwas Heilsames. Spannung kann sich entladen. Denn wir

Als Folge fühlen wir uns dauerbedroht: Klimawandel, Killerviren, Flüchtlingsströme, künstliche Intelligenz, Jobverlust, religiöser Terror, Zusammenbruch der Demokratien, Erstarken rechter Populisten – der Thriller, in dem wir leben, löst kaum etwas davon auf, und wir können das Buch nicht zuklappen, das Kino nicht verlassen. Wir verharren im Schwebezustand. Bis heute ist die Welt nicht untergegangen, Entwarnung gibt es aber auch nicht. Das steigert die Anspannung. Unsere Ängste wachsen über die Ursachen hinaus. Bezeichnenderweise ist die Furcht vor Ausländern dort am größten, wo kaum welche sind. Zugleich scheint, was uns bedroht, nicht zu existieren. Am Morgen öffnen wir die Tür, der Himmel sieht aus wie immer. Klimawandel? Wo? Und wo sind die intelligenten Maschinen, die uns vernichten wollen? Die Post bringt immer noch der Briefträger, nicht der Terminator. Keine Flüchtlingsströme ziehen durch meine Straße. Keiner kommt, um mich im Namen Gottes in die Luft zu sprengen, obwohl ich gerade eben wieder davon höre. Kein Atompilz

Der Thriller, in dem wir leben, hält uns hin.

Das reibt Menschen auf. Fast schlimmer als der Weltuntergang ist, wenn er sich dauerankündigt, ohne einzutreten. Die Probleme scheinen nur immer mehr zu werden, und die, in deren Hand es läge, sie zu lösen, schließen lasche Abkommen, die sie dann noch unterlaufen.

Was also kann man tun? Offenbar nichts.

Wem kann man trauen? Offenbar keinem.

Während ich das schreibe, wächst sich die zweite Corona-Welle zum Tsunami aus. 2019 beherrschten Fridays for Future und Gretas Atlantiküberquerung die deutschen Medien. Mit 438.000 Medienbeiträgen war Klimaschutz Topthema, unmittelbar gefolgt von Zuwanderung (über 430.000 Beiträge), Pflege und Gesundheit (268.000), Digitalisierung (235.000) und Rente (206.000). 2020 sah es völlig anders aus. Allein im ersten Halbjahr ging der Spitzenplatz mit 250.000 Beiträgen an COVID-19 (Pflege und Gesundheit), weit dahinter rangierten Zuwanderung (über 143.000) und Klimaschutz (knapp 127.000). Letzterer erlitt mit über 52 Prozent den größten Verlust an Medienpräsenz.

Aktuell (Januar 2021) beherrscht Corona unverändert das Nachrichtengeschehen. Auf der Platte springt die Nadel immer wieder in dieselbe Rille. Dennoch sind die übrigen Themen nicht weg. Sie haben medial an Relevanz verloren, bleiben aber im Hintergrund präsent. Keine seelische Entlastung also, nur dass der Corona-Daueralarm alles andere übertönt. So richtig es war (und bis auf Weiteres sein wird), dem Virus maximale Medienpräsenz einzuräumen, kann man dennoch

Das Netteste war Netflix.

Wie viel Thriller hält man aus, wenn kein Dustin Hoffman mit dem Impfstoff um die Ecke kommt?

So geriet der Klimawandel ins Hintertreffen. Bei aller Fortschrittlichkeit unserer Spezies sind wir evolutionär nicht dazu geschaffen, einem Übermaß globaler Bedrohungen Gleichrangigkeit einzuräumen. Bedroht waren wir immer. Aber nie waren wir so vielen potenziellen Schrecknissen gleichzeitig ausgesetzt wie heute. Man kann schon froh sein, dass die Besiedelung des Weltraums hinter den Träumen der Science-Fiction-Autoren zurückgeblieben ist, andernfalls hätten wir jetzt auch noch Horrormeldungen vom Mars zu verkraften. Was also tun wir? Reagieren auf die unmittelbare, handfeste, sichtbare Bedrohung und schieben die abstrakte beiseite, um nicht vor lauter Ängsten verrückt zu werden. Dabei handeln wir zwar richtig, verlieren aber existenzielle Probleme aus den Augen.

Kurz, der Thriller, dessen Akteure wir sind, bringt uns an die Grenzen unserer psychischen und körperlichen Belastbarkeit. Gefahren auszublenden ist ein Überlebensmechanismus. Zutiefst menschlich. Falls Sie also dem Klimaschutz

Wie schaffen wir es, aus der Verdrängung zurück ins Handeln zu finden?

Nun, wenn Sie Thriller lieben, wissen Sie, was als Einziges gegen Bedrohungen hilft: sie zu verstehen. Fakt ist, viel stürzt auf uns ein. Fakt ist aber auch, dass Menschen wie keine andere Spezies mit der Gabe gesegnet sind, durch Erkenntnisgewinn Ordnung ins Chaos zu bringen. Bedroht zu sein ist an sich kein Problem. Ohnmacht ist das Problem. Unwissenheit. Hilflosigkeit. Wie im Mittelalter keine Vorstellung davon zu haben, was die Pest überträgt, dementsprechend alles falsch zu machen und daran zu verzweifeln.

Darum habe ich dieses Buch geschrieben (das andere schreibe ich danach zu Ende, versprochen). Um der Klimakrise das Abstrakte, Glaubenskriegerische zu nehmen und auf nicht zu vielen Seiten (und ich sage Ihnen, das fällt mir schwer!) möglichst viel Wissen zusammenzutragen. Wissen ist magisch! Wissen versetzt uns in die Lage, zielgerichtet zu

Im folgenden Teil geht es um unseren Umgang mit Katastrophen, um Klima, Wetter und Treibhausgase, Klimaforschung, den Unterschied zwischen natürlichem und menschengemachtem Klimawandel und warum es ohne Klimaschwankungen an Halloween keine Boris-Karloff-Masken gäbe. In Teil drei spielen wir die Gegenwart und Zukunft durch, ganz in der Art, wie es sich für einen Thriller gehört. Teil vier fasst die Ursachen der Klimakrise zusammen und erklärt im Einzelnen, welche Prozesse die Umwelt aus dem Gleichgewicht bringen, bevor wir in Teil fünf sowohl Verursachern der Krise als auch Klimaaktivisten begegnen. Im sechsten Teil geht es um unsere Optionen: Was können wir tun, wer kann was tun, wie nehmen wir Einfluss auf Entscheidungsträger? In Teil sieben widmen wir uns der heiligen Kuh der kapitalistischen Weltordnung, dem Wachstum. Abschließend in Teil acht entwickle ich das Szenario einer Zukunft, in der wir das meiste richtig gemacht haben.

Jetzt aber werfe ich Sie in ein schwarzes Loch.

FRANKENSTEIN UND DIE KLIMAKATASTROPHE

Im Zentrum unserer Galaxis haust Sagittarius A, ein gigantisches schwarzes Loch, und verschlingt kosmische Materie, gerade wieder mit gesteigertem Appetit. Schwarze Löcher zerreißen Sterne und fressen Planeten. Fielen Sie in ein schwarzes Loch, würden Sie lang gezogen wie Spaghetti. Solange niemand das Pech hat, im Umkreis zu siedeln und mitverschlungen zu werden, kann von einer Katastrophe indes keine Rede sein, so wie auch ein Asteroid, der auf einen unbewohnten Planeten knallt, erst mal nur ein Naturereignis ist. Der Global Killer hingegen, der vor 66 Millionen Jahren an der Kreide-Paläogen-Grenze im heutigen Yucatán niederging, war für die Saurier eine entsetzliche Katastrophe. Da sie allerdings keine Vorstellung davon entwickeln konnten, was ihnen blühte, mussten sie im Vorfeld auch keine Ängste ausstehen, lebten ihren Saurieralltag, jagten, fraßen, liebten sich und lagen auf der faulen Haut. Dann zog ein Feuersturm über die Erde, und sie starben.

Was eine Katastrophe ist, kommt auf die Perspektive an.

Wir heute sähen den Asteroiden kommen. Erschiene er in unseren Teleskopen, würde der angekündigte Untergang uns sofort verändern. Wir würden die letzten Wochen und Monate, vielleicht Jahre bis zum Einschlag ein völlig anderes Leben führen als ohne das Wissen um unsere Auslöschung. Aufgrund von Messwerten wären wir schnell in der Lage, ein präzises Szenario zu entwickeln, wie genau sich der Exitus vollziehen wird. Das Grauen nähme in unseren Köpfen Gestalt an, lange bevor es einträfe. Zugleich würde uns die detaillierte Kenntnis der Zukunft in die Lage versetzen, gezielt an Gegenmaßnahmen zu arbeiten, um die Katastrophe doch noch abzuwenden. Eindeutig wären wir in einer besseren

Solange gar kein Asteroid auf uns zurast, haben wir die Wahl, entweder beruhigt anderen Dingen nachzugehen oder uns vor Angst zu verzehren, dass irgendwann doch einer auf Kollisionskurs schwenkt. Weil man nicht messen und einschätzen kann, was nicht da ist, nimmt dieser Asteroid in unserer Vorstellung aberwitzige Ausmaße an. Er ängstigt uns Tag und Nacht. Wir sind starr vor Schreck. Mit fast hundertprozentiger Sicherheit werden wir ihm nicht zum Opfer fallen, dennoch vermiest er uns gründlich den Tag. All dies zugrunde gelegt, kommt man auf drei Kategorien von Katastrophen.

1. Unerwartete Katastrophen

Solche, die überraschend eintreten und nicht vorausgesehen werden können.

2. Sich ankündigende Katastrophen

Solche, um deren kurz-, mittel- oder langfristiges Eintreten und die Folgen man weiß.

3. Heraufbeschworene Katastrophen

Solche, deren Annahme auf einer Mischung aus Gefühl und Fakten basiert und deren Eintreten nicht belegbar ist.

Der Kreide-Paläogen-Asteroid, dem die Saurier zum Opfer fielen, kam unerwartet. Für die Saurier. Für uns gehört er in Kategorie zwei, weil als gesichert gilt, dass wieder so ein Trümmer runterkommen wird. Die Frage ist einzig, wann, und die Folgen lassen sich berechnen. Statistisch sucht uns dieser Global Killer in 35 Millionen Jahren heim. Statistisch haben Sie

Die Coronapandemie siedelt irgendwo zwischen unerwartet und angekündigt. Sie kam überraschend. So überraschend aber auch wieder nicht. Epidemien grassieren alle paar Jahre und aus Sicht von Mitteleuropäern immer dort, wo Menschen sowieso mit allem Erdenklichen Probleme haben: Sturmfluten, Hungersnöte, Bürgerkriege. Die Ebola-Epidemie 2014–16 forderte 12.000 Menschenleben, blieb aber weitestgehend auf den afrikanischen Kontinent beschränkt. Als Covid-19 die chinesische Medienzensur überwand und viral ging, erwartete entsprechend jeder, dass es sich hübsch an die Regel halten und in China bleiben würde. Das Virus hustete uns was. Vielmehr entwickelte es sich zur Pandemie, und wir rieben uns verdattert die Augen, als hätte es nie eine Spanische Grippe gegeben.

Seit Anbeginn der Menschheit befinden wir uns auf dem Weg in die Katastrophe.

Seit Anbeginn sind wir schlecht vorbereitet.

Denn tatsächlich war Corona angekündigt. Archivweise liegen uns Aufzeichnungen über Pandemien vor, Pest, Syphilis, Englischer Schweiß, Pocken, Cholera, Russische, Spanische und Asiatische Grippe, Aids, SARS, Vogelgrippe, Influenza. Pandemien wüten in Blockbustern (›Outbreak‹, ›Contagion‹,

Solche Überlegungen pflege ich mit meiner allzeit klugen Frau Sabina zu teilen. Sie sagte: »Menschen sind so. Wir sehen die Wand und fahren dagegen.« Bei näherem Nachdenken stellten wir dann allerdings fest, dass es sich diesmal etwas anders verhält. Jetzt fahren wir gegen die Wand, weil die Wand unsichtbar ist. Unser mangelndes Vorstellungsvermögen macht sie unsichtbar. Tatsächlich können wir uns eine Klimakatastrophe noch viel weniger vorstellen, als wir uns die Pandemie vorstellen konnten. Für alles haben wir Bilder: Hungerleidende, Geflüchtete, Erdbebengebiete, Krankenbetten, Tsunamis, Waldbrände, Vulkanausbrüche. Aus Hollywoodfilmen kennen wir herrschsüchtige Roboter und Global Killer, und wer nie einen Krieg erlebt hat, weiß dennoch, wie Krieg aussieht.

Aber Klimawandel?

Wie sieht Klimawandel aus?

Ein Monster-Hurrikan, eine Hitzewelle – ist das schon Klimawandel? Gab es das nicht immer? Klimawandel dürfte das Abstrakteste sein, was je unseren inneren Projektor überhitzt hat, abgesehen vom Jüngsten Gericht vielleicht, und das ist nun wirklich Glaubenssache. Fast zwangsläufig entrückt der Klimawandel damit in die Kategorie heraufbeschworener Katastrophen – und wird genauso behandelt. Irgendwas mag ja dran sein. Ganz sicher

Na schön. Lassen wir Wörter wie Krise und Katastrophe mal beiseite und beschäftigen uns einfach mit dem –

KLIMA

Was genau ist Klima?

Das Wort entstammt dem Griechischen und bedeutet so viel wie Neigung oder Krümmung. Gemeint ist damit nicht die Neigung der Erdachse, sondern die Krümmung und Geschlossenheit der Erde selbst. Die Oberfläche einer Kugel weist keine Ränder auf, alles ist miteinander verbunden. Bezogen auf die dynamischen Prozesse innerhalb der Atmosphäre bezeichnet Klima somit ein Gesamtsystem, dessen Untersysteme einander beeinflussen. Diese Untersysteme nennen wir Wetter. Wenn ich zum Beispiel nach Mallorca fliege, herrscht ausgerechnet zu dieser Zeit in Köln schönstes Wetter, während es in Palma am Stück gießt. Fahre ich zurück, ändert sich das Wetter. Jetzt knallt in Palma die Sonne vom Himmel, und in Köln regnet es Bindfäden. Kennt jeder. Wetter ist überall anders, wechselt unentwegt und bringt Meteorologen bei Kindern in Verruf, die glauben, es würde regnen, weil Claudia Kleinert es so will. Etymologisch heißt Wetter übrigens nichts anderes als Wind, entstanden aus dem althochdeutschen Wetar.

Die Gesamtheit allen Wetters nennen wir Klima. Wetter ist lokal, Klima global. Je größer und komplexer ein System, desto langsamer verändert es sich, und Klima ist ein aberwitzig komplexes System. Eine Regenwolke kommt, ergießt sich über Köln und geht. Aber warum regnet es überhaupt

Aber es ändert sich.

Nun ist das nichts dramatisch Neues. Tatsächlich ist Klimawandel ein alter Hut, seit aus einem Haufen glühenden Gesteins im All die schmucke blaue Wohnstatt wurde, auf der wir um die Sonne flitzen, aber warum ändert sich das Klima überhaupt?

NATÜRLICHER KLIMAWANDEL

Entscheidend für jede Art von Klimawandel ist eine Atmosphäre. Ohne Atmosphäre kein Klima. Schon im Glutballstadium hat unser Planet begonnen, einen Mantel aus Wasserdampf und diversen anderen Substanzen um sich zu lagern. Bis heute hindert die Erdschwerkraft unsere Atmosphäre daran, ins All auszubüxen, wohingegen kleinere, weniger massereiche Planeten, die mal eine Atmosphäre hatten, sie mit der

Wie sich das Klima entwickelt, hängt von der Intensität der Sonnenstrahlen, der Rückstrahlkraft der Erde (Ausdehnung der Eisflächen, die Sonnenlicht ins All reflektieren) und der Menge und Verteilung von Aerosolen und Treibhausgasen in der Atmosphäre ab. Diese Faktoren verschieben sich ständig zueinander, ohne Pause, was der Erde seit vier Milliarden Jahren immerwährenden Klimawandel beschert. Wahrscheinlich wissen Sie, dass der Planet zeitweise völlig eisbedeckt und auch schon völlig eisfrei war. Während die kosmische Strahlung von außen einwirkt, verändert der Planet selbst seine Atmosphäre durch die Freisetzung von Treibhausgasen – wer und was sie ausstößt, soll uns hier noch nicht interessieren. Die Gase gelangen in die Luft, wo sie je nach Art und Konzentration das Klima beeinflussen – es gab Zeitalter, da war die ganze Erde ein rüpelnder Vulkan und die Atmosphäre rußverhangen, während sich unsere moderne Erde durch gesittetes Verhalten ausweist, mit dem Ergebnis schöner, klarer Himmel. Reden wir also über –

TREIBHAUSGASE

Treibhaus- oder Spurengase nennt man die Gesamtheit aller Gase, die in der Luft vorkommen. Es gibt diverse Treibhausgase, deren meiste auf der Himmelsbühne Neben- und

Den Begriff Treibhaus können Sie wörtlich nehmen. Die Atmosphäre fungiert wie ein Gewächshaus. Sonnenlicht fällt hinein, trifft auf den Erdboden und wird reflektiert. Ein Teil gelangt direkt wieder ins All. Ein anderer wird in langwellige Wärmestrahlung umgewandelt und von den Treibhausgasen daran gehindert, ebenfalls zurück ins All zu entwischen. Stattdessen heizen sich die Treibhausgase auf und schicken uns Wärmestrahlung zurück zur Erdoberfläche, in der Fachwelt atmosphärische Gegenstrahlung genannt. Zwar erwärmt Sonnenlicht die Erde auch ohne diesen Umweg. Doch erst besagte Gegenstrahlung ermöglicht Bikini-Selfies, weil wir es dank ihr mit 15 Grad im globalen Mittel gemütlich warm haben. Ohne Treibhausgase läge die Durchschnittstemperatur der Erde bei -18 Grad, und Sie und ich wären Mikroben im Eis oder trübselig glotzende Tiefseefische – zu Höherem hätte sich das Leben wohl kaum entwickelt.

Treibhausgase sind also etwas Gutes.

Woher dann der schlechte Ruf?

Wie gesagt, vollzieht sich der natürliche Klimawandel immens langsam, jedenfalls in der Erlebniswelt flüchtiger Daseinsformen wie Menschen. Klimaperioden erstrecken sich oft über ganze Erdzeitalter. Zwar gab es schon verschiedentlich Fälle rapiden Wandels, etwa wenn der Einschlag eines Killermeteoriten das Öko- und Klimasystem auf links drehte, sonst aber könnte man den natürlichen Klimawandel übertiteln mit: Die unglaubliche Langsamkeit des Seins.

Innerhalb ausgedehnter Klimaperioden gab es immer wieder Schwankungen – kältere, wärmere Jahrtausende – und innerhalb der Schwankungen kleine und allerkleinste Schwankungen; das ist dann, wenn Opa erzählt, wie er im Winter zu Fuß den Rhein überqueren konnte. Klimaskeptiker beziehen daraus eines ihrer Lieblingsargumente. Sicher, sagen sie, es werde wärmer! Aber das seien natürliche, vorübergehende Schwankungen. Nach Phasen der Stabilität stiegen die Temperaturen eben an, dann knicke die Entwicklung plötzlich wieder ab. Weil solche Kurvenverläufe ein bisschen wie Hockeyschläger aussehen, nennt man sie Hockeyschläger-Diagramme. Richtig gelesen, belegen sie den menschengemachten Klimawandel, falsch interpretiert untermauern sie gegenteilige Behauptungen.

Was die Skeptiker vernachlässigen, ist, dass auch Hockeyschläger-Entwicklungen konkrete Ursachen haben müssen. Nichts geschieht ohne Grund. Wenn also innerhalb des Stabilitätskorridors eines Systems Schwankungen auftreten, muss etwas, das man messen kann, dafür verantwortlich sein. 1816 etwa fiel in Europa der Sommer aus. Es schneite mitten im August, Getreide wurde knapp, die größte Hungersnot des 19. Jahrhunderts nahm ihren Lauf. Am Genfer See hockte

Aber was genau löste die Kältewelle aus?

Die Antwort fand sich auf der Insel Sumbawa im heutigen Indonesien, wo im Vorjahr der Vulkan Tambora explodiert war – eine Eruption solchen Ausmaßes, dass sie für die nächsten drei Jahre das Weltklima veränderte. Hunderte Megatonnen Vulkanasche und Schwefel gelangten in die Atmosphäre und legten sich als Schleier, der das Sonnenlicht filterte, um den Globus. Möglicherweise waren weitere Eruptionen in Südamerika mitverantwortlich, jedenfalls zeigt dieses Beispiel eindrucksvoll, dass noch die kleinste globale Klimaschwankung auf messbare Ursachen zurückzuführen ist und es ohne Dauerregen weniger gute Bücher gäbe.

Was entgegnen wir nun Skeptikern des menschengemachten Klimawandels, wenn sie behaupten, die Erwärmung der letzten 150 Jahre sei ausschließlich natürlichen Phänomenen zuzuschreiben, weshalb wir unsere Lebensweise nicht zu ändern bräuchten? Wir kontern mit Technologie. Spätestens seit Erfindung der Satelliten sind wir in der Lage, äußerst präzise Messungen durchzuführen. Messen wir’s also nach: Welches der infrage kommenden Naturphänomene könnte für den globalen Temperaturanstieg verantwortlich sein?

1. Erhöhte Sonnenaktivität

Manche Maler, hat Picasso gesagt, verwandeln die Sonne in einen gelben Fleck, andere einen gelben Fleck dank ihrer

2. Abstand der Erde zur Sonne

Unser Planet umläuft die Sonne nicht auf einer perfekten Kreisbahn, sondern eiert in einer verschobenen Ellipse um sie herum. Mal ist er ihr näher, mal ferner. Es sollte also umso wärmer werden, je näher die Erde der Sonne kommt. Wird es auch. Zudem ist die Erdachse leicht geneigt, wodurch der Planet taumelt und aus unterschiedlichen Winkeln von der Sonne beschienen wird. All das sind langperiodische Veränderungen, die sich in Zyklen von 25.800 bis etwa 405.000 Jahren vollziehen – aber ja, sie haben Einfluss auf das Weltklima, wenn auch schwach, also machen Skeptiker sie für die Klimakrise mitverantwortlich.

3. Vulkanismus

Vulkane sind Dreckschleudern, stimmt. Da gelangt eine Menge Kohlenstaub, Schwefel und Sonstiges in die

 

Drei Argumente von einigem Gewicht.

Jetzt legen wir ein Diagramm an: Zeitachse von 1880 bis heute. Hinein zeichnen wir die Verlaufskurve der Erderwärmung. Sie steigt stetig an. Wenn die These der Skeptiker stimmt, müsste mindestens eine der drei oben genannten Ursachen eine ähnliche Entwicklungskurve aufweisen. Zwar verlaufen alle Kurven krakelig, mit Ausschlägen nach oben und unten wie bei Sägeblättern, allerdings ohne im Gesamten anzusteigen. Weder der Abstand zur Sonne noch die Sonnenaktivität noch Vulkanausbrüche sind demzufolge verantwortlich für den Temperaturanstieg. Tatsächlich schwächelte die Sonne im vergangenen Jahrzehnt sogar, es hätte kühler werden müssen. Das Gegenteil war der Fall. Nun fügen wir eine letzte Kurve hinzu, nämlich unsere hausgemachten CO2-Emissionen – und wie in einem guten Krimi ist der Täter entlarvt. Klimakurve und Emissionskurve zeigen denselben ansteigenden Verlauf.

Nicht alle Klimaskeptiker leugnen, dass sich das von Menschen freigesetzte CO2 in der Atmosphäre anlagert. Allerdings behaupten sie, es speichere keine Hitze. Das ist schlichtweg falsch. Nachweislich steigt die Temperatur der Atmosphäre bei gleichbleibender Wärmeeinwirkung stetig an, je mehr CO2 hineingelangt. Der menschengemachte Klimawandel ist somit Fakt, und anders als der natürliche Klimawandel, dem die Erde seit ihrer Entstehung unterworfen ist, vollzieht er sich um ein Vielfaches schneller. Während der letzten 10.000 Jahre war die Erdtemperatur bemerkenswert stabil. Mit Anbruch des Industriezeitalters haben wir

Und das ist schon alles.

Eigentlich ganz einfach, oder? Warum sträuben sich dann so viele Menschen gegen die Erkenntnis, dass wir den Klimawandel beschleunigen?

DIE VERTEUFELUNG DER KLIMAFORSCHUNG

Springen wir zurück ins Jahr 1965 zur Hauptversammlung des API (American Petroleum Institute), des größten Lobbyverbandes der US-amerikanischen Öl- und Gasindustrie, und lauschen einer Rede des damaligen Direktors Frank N. Ikard. Schon Anfang der Fünfziger hatten API-Forscher entdeckt, dass die Verbrennung fossiler Energieträger das atmosphärische CO2 in die Höhe treibt. Aus ihrem Bericht ging hervor, dass der daraus resultierende Treibhauseffekt die Erde erwärmen würde, mit negativen bis katastrophalen Folgen. Explizit wurde vor dem Anstieg des Meeresspiegels gewarnt.

»Dieser Bericht wird ohne Frage Emotionen schüren, Ängste wecken und Forderungen nach Taten laut werden lassen. Seine Kernaussage ist, dass noch Zeit bleibt, um die Völker der Welt vor den katastrophalen Folgen der Verschmutzung zu bewahren, aber die Zeit läuft ab. Eine der wichtigsten Vorhersagen des Berichts ist, dass der Erdatmosphäre durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Erdgas Kohlendioxid in solcher Menge und Geschwindigkeit zugeführt wird, dass durch die Veränderung der Wärmebilanz bis zum Jahr 2000 möglicherweise deutliche Klimaänderungen eintreten, die uns lokal und national überfordern. Im Bericht heißt es weiter, und ich zitiere: ›… die Verschmutzung durch Verbrennungsmotoren ist so gravierend und wächst so schnell, dass ein alternatives umweltfreundliches Antriebsmittel für Autos, Busse und Lastwagen wahrscheinlich zur nationalen Notwendigkeit wird.‹«

Auf diese alarmierende Ansage erfolgte –

Nichts.

Zur API-Forschungsgruppe gehörten damals Wissenschaftler fast aller großen Ölunternehmen, darunter Exxon, Texaco und Shell. In den Siebzigern erstellte Exxon eine eigene Studie, deren Prognosen noch angsteinflößender ausfielen. Statt die Welt darüber zu informieren, blockierte der Konzern die Veröffentlichung und begann mit einer gezielten Desinformationskampagne. Über Jahrzehnte zog er die Seriosität der Klimawissenschaft in Zweifel, attackierte und diffamierte die Mahner, mit Rückendeckung der Bush-Cheney-Administration. King of Chaos war Lee Raymond, CEO

Später ließ ExxonMobil verlauten, Raymonds Aussagen seien missverstanden worden. In einer Rede, die Raymond 1997 auf dem Weltölkongress in Peking kurz vor den Klimaverhandlungen in Kyoto hielt, äußerte er sich jedoch recht unmissverständlich: »Erstens erwärmt sich die Welt nicht. Zweitens wären Öl und Gas selbst dann nicht die Ursache. Drittens kann niemand den wahrscheinlichen zukünftigen Temperaturanstieg vorhersagen.« Vielmehr, erklärte er den anwesenden Staats- und Regierungschefs, sei die Erde in den letzten Jahren kühler geworden. Doch selbst wenn die Wissenschaft mit dem Treibhauseffekt recht hätte: »– ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Temperatur zur Mitte des nächsten Jahrhunderts erheblich beeinflusst wird.«

Kurz, die Ölbranche betrieb schon Mitte des vergangenen Jahrhunderts hochmoderne Analytik, stufte die Ergebnisse als geschäftsschädigend ein und setzte eine weltweite Fake-News-Kampagne in Gang, um die Klimaforschung in Verruf zu bringen. Donald Trump hätte seine Freude gehabt. Dick Cheney hatte sie definitiv. Die Saat der Skepsis wurde von den Ölmultis und den ihnen verbundenen Politikern gelegt.

Mary Shelleys Frankenstein?

Den will natürlich niemand missen!

Aber wir haben ein zweites Frankenstein-Monster geschaffen. Und nach Art aller unheiligen Schöpfungen entgleitet es jetzt unserer Kontrolle. Schauen wir als Nächstes, was

Ihr Auftritt.