Stiebel hatte einen wiederkehrenden Traum: Vor ihm auf dem Kissen saß eine riesige Spinne. Er schrie vor Angst und machte das Licht an. Für einen Augenblick sah er das Tier noch direkt vor seinem Gesicht, doch dann verwandelte es sich in Falten im zerwühlten Laken.
Einmal hatte Stiebel auf einer Rucksackreise durch Argentinien hohes Fieber. In der Nacht wachte er auf, und wieder sah er eine riesige Spinne direkt vor seinem Gesicht. Als er das Licht anknipste, blieb sie dort sitzen. Der Traum war keiner, diesmal war die Erscheinung echt. Stiebel schaltete darauf die Lampe aus und schlief weiter. Am nächsten Morgen war die Spinne verschwunden, vermutlich unter die Dielen gekrabbelt. Da wurde ihm klar, dass die panische Angst, die er im Traum verspürte, mit echten Spinnen nichts zu tun hatte.
Wondrak war fast hundert Jahre alt. Genau kannte niemand sein Alter, und keiner der Mieter hatte sich jemals getraut, ihn danach zu fragen. Er erinnerte sich an die Hungersnot am Ende des Ersten Weltkriegs, an den Kaiser im Exil und an die Verwerfungen der Weimarer Jahre. Während Wondrak über den Hof humpelte, erzählte er schroff davon, ohne Punkt und Komma.
Irgendwann in den Siebziger Jahren war er mit seinem Fahrrad betrunken in den U-Bahnschacht am Wittenbergplatz hineingefahren. Seitdem war sein linkes Bein steif. Am auffälligsten an Wondrak aber war seine Stimme, von der nur ein angestrengtes Krächzen übrig geblieben war. Dies wiederum war die Spätfolge einer Kriegsverletzung: »Der Russe hat meinen Hals getroffen, glatter Durchschuss.«
Trotz der Spuren, die ein Jahrhundert an seinem Körper hinterlassen hatte, wirkte er drahtig, voller Energie. Woher Wondrak diese Kräfte nahm, konnte niemand erklären. Seit fünfzig Jahren war er der Hausmeister der 42 a–e, und er hatte nicht die Absicht, die Arbeit aufzugeben. Er packte an, kletterte auf schwindelerregend hohe Leitern, schnitt Kupferrohre zurecht und klopfte kniend lose Pflastersteine fest. Er bestand streng auf Ordnung, hielt sich aber selbst nie an die Hausregeln, und nur widerstrebend an das Gesetz. »Ich bin zu alt, um mich zu ändern«, krächzte er, wenn sich ein Mieter über seinen rauen Umgangston beschwerte.
Nach der Luxussanierung im Jahr 2009 war Wondraks Stelle gestrichen worden. Das Ensemble gehörte nun Trondheim Invest, einem norwegischen Immobilienfonds. Wer einen Wasserschaden melden oder sich über die defekte Gegensprechanlage beschweren wollte, musste eine kostenlose 0800-Nummer wählen und dort das Anliegen vorbringen. Die meisten Probleme wurden dann über die Helpline des Verwalters gelöst. Den verbleibenden Altmietern, die noch nicht von der Trondheim Invest aus ihrem Zuhause geklagt worden waren, war dieser unpersönliche Service suspekt. Wie gewohnt wandten sie sich an Wondrak, der sich standhaft weigerte, für die Hilfe Geld zu nehmen. Selbst einige Eigentümer, die ihre Wohnungen von der Trondheim Invest gekauft hatten, nahmen Wondraks Dienste in Anspruch.
Carlo Stiebel, zugezogen aus München, war einer davon. In seiner Wohnung gab es einen undichten Wasserhahn, dessen ewiges Getröpfel ihn unruhig machte. Stiebel war sensibel, und er brauchte seine Ruhe. Also klappte er den Laptop auf und suchte die Helpline aus seinen E-Mails heraus. Er wählte die Nummer und ließ anschließend ein dutzendmal »Für Elise« über sich ergehen. Als auch beim dreizehnten Mal keiner abhob, gab Stiebel auf.
Einen Tag später traf er auf der Straße Frau Belzig aus der Remise, die seiner Frau Kaffee geliehen hatte. Nachdem das Gespräch einige Augenblicke um den Leihgegenstand gekreist war und die Modalitäten seiner Rückgabe feststanden, erwähnte Stiebel den Wasserhahn. »Ach, Herr Stiebel, da müssen Sie mit Wondrak sprechen.«
Während er in den vierten Stock des Hinterhauses zu Wondraks Wohnung hochstieg, dachte Stiebel an den Verkaufsprospekt: »Luxussanierte Belle Etage mit Fußbodenheizung, Stuck, Wannenbad … Kleinreparaturen sind in den Betriebskosten enthalten und werden pünktlich und sachgemäß erledigt.«
Stiebel klingelte an Wondraks Tür und wartete. Als nichts geschah, klingelte er noch einmal. Nach einer kleinen Ewigkeit hörte Stiebel ein Rascheln im Inneren, als sei ein Tier dort geweckt worden, vermutlich eine Ratte. Ein Schatten erschien am Spion, dann klapperte ein Schlüssel und eine Kette wurde beiseitegezogen. Wondrak öffnete die Tür und musterte Stiebel misstrauisch.
»Herr Wondrak, Stiebel mein Name, wir sind neu im Vorderhaus.«
»Sie sind also der Herr mit dem Klavier.«
»Meine Frau spielt, ich bin total unmusikalisch.«
»Gut, dass sie sich an die Ruhezeiten im Haus hält. Sie spielt sehr schön.«
Stiebel fühlte sich erleichtert, wusste aber nicht recht, warum.
»Frau Belzig meinte, Sie könnten mir vielleicht bei einem kleinen Problemchen helfen, der Wasserhahn im Bad tropft und ich habe zwei linke Hände …«
Wondrak knöpfte wortlos seine Strickjacke zu und verschwand in der Wohnung. Stiebel blickte über seine Schulter in den Gang hinein, der mit einer Stromsparlampe beleuchtet war. Rechts und links stapelten sich Zeitungen.
Nach zwei, drei Minuten kam Wondrak zurück. Er trug einen grauen Werkzeugkasten und hatte sich einen Bundeswehrparka angezogen. Schweigend stiegen beide Männer die Treppe hinab, überquerten den Hof und betraten das dotterfarbene Vordergebäude. Stiebel sperrte seine Wohnung mit einem komplexen Sicherheitsschlüssel auf und führte Wondrak zum Bad. Der Hausmeister machte sich mit einer rostigen Rohrzange an den Armaturen zu schaffen. »Idiotisch konstruiert, diese neuen Dinger«, sagte er mit seiner heiseren Stimme. Stiebel stand in der Tür. Er fühlte sich unsicher in der Gegenwart des Alten. Wondrak wischte seine Hände an einem Frotteehandtuch ab und blickte Stiebel mit halb zugekniffenen Augen an.
»Arbeiten Sie in einer Bank?«
»Nein, in einer Werbeagentur.«
»Aha, zuständig für die Volksverdummung.«
Mit dem Gestus eines Zauberkünstlers zog Wondrak einen Dichtungsring aus seinem Werkzeugkoffer. »Ein Fünferring. Ich hab gleich dreißig davon gekauft.«
Er murmelte etwas, das sich wie ein Fluch anhörte. Allerdings war unklar, wen er damit treffen wollte, ob Stiebel, Werbefritzen, die neue Hausverwaltung, unfähige Wasserhahnhersteller oder die Menschheit als Ganzes.
Mit ein zwei, geübten Griffen wechselte Wondrak die Dichtung aus und schraubte die Armatur wieder an. Dann warf er sein Werkzeug mit einem lauten Plonk! zurück in den Koffer.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«, fragte Stiebel hilflos.
»Danke nein, verengt die Gefäße. Reines Gift.«
»Ich würde Ihnen gern etwas Geld für die Dichtung geben.«
»Danke nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Absolut.«
»Darf ich Ihnen sonst etwas anbieten?«
»Nein, wirklich nicht. Aber es gibt eine Sache, da werde ich Ihnen einen Rat geben.«
»Bitte gern, gehen wir doch ins Wohnzimmer«, sagte Stiebel verwirrt.
Er führte den alten Mann zu der modernen Sofaecke neben dem Flügel. Wondrak wollte sich nicht setzen. Er zeigte zu dem großen Fenster, das den Hof überblickte. »Sie wissen doch, neben der Ruine des Gartenhauses gibt es eine Grünfläche – links vom Parkplatz«, sagte er.
»Ich weiß, welche Sie meinen.«
»Die Hausverwaltung will dort einen Spielplatz bauen. Total unnütz. Es gibt hier keine kleinen Kinder.«
»Warum machen sie es dann?«
»Wahrscheinlich eine Auflage des Bauamts, die bei der Sanierung vergessen wurde.«
Wondrak packte Stiebel fest an der Schulter: »Sie sind Eigentümer. Schließen Sie sich mit anderen zusammen und verhindern Sie diesen Unfug!«
»Ehrlich gesagt würde mich ein Spielplatz dort nicht stören.«
Der alte Hausmeister blickte Stiebel zornig an.
»Verstehen Sie doch – es werden Jugendliche dort herumlungern und sich Rauschgift spritzen!«
Mit diesen Worten drehte sich Wondrak um und verschwand.
Stiebel erzählte seiner Frau von der Begegnung, aber irgendwann war die Sache vergessen. Anfang Oktober fand die Eigentümerversammlung statt, doch niemand brachte einen Einwand gegen die Baumaßnahme an der Ruine im Hinterhof vor. Frau Spahn aus dem Seitenflügel erschien hochschwanger zu dem Treffen. Sie freute sich darüber, dass ein Spielplatz entstehen würde.
Wenig später rückte ein kleiner Bagger an, der eine quadratische Senke neben den Grundmauern des ehemaligen Gartenhauses ausheben sollte. Am zweiten Tag wurden die Arbeiten abgebrochen, weil das Gerät einen Motorschaden hatte. Dann kam starker Frost und das Erdreich verhärtete.
Wenn Stiebel morgens zur Arbeit fuhr, warf er sich eine dicke Daunenjacke über. Auf seinem Weg zum Prenzlauer Berg nahm er kaum von der Umgebung Notiz. Die Kampagne für Hornbach hielt ihn voll in Atem, im November war Abgabe. Er sollte drei Storyboards vorlegen. Nur eins war bisher fertig.
Trotz des Termindrucks hielt sich Stiebel jedes zweite Wochenende für gemeinsame Unternehmungen mit seiner Frau frei. Manchmal fuhren die beiden nach Potsdam und liefen durch den kalten Schlösserpark. Im Anschluss gab es Leber Berliner Art im »Posthof«. Sonntags gingen die beiden öfter in die Philharmonie. Stiebel selbst war eigentlich kein großer Musikliebhaber, aber seine Frau hatte ihn auf den Geschmack gebracht. Am liebsten mochte er Schuberts Liederzyklen. Wenn die Klänge den Saal erfüllten, fühlte er sich erhaben. Lebensqualität nannte man so etwas in München, in Berlin gab es sie zum halben Preis.
An einem solchen Abend – dem zweiten Sonntag im November – fiel nasser Schnee, als die Stiebels die Philharmonie verließen. Während sie ins Auto einstiegen, schützte er seine Frau mit seinem Mantelaufschlag.
Eine Viertelstunde später parkten sie im Hinterhof ihres Hauses. Inzwischen hatte sich das Schneetreiben weiter verdichtet und von Westen her wehte eisiger Wind. Stiebel zog einen kleinen Regenschirm aus dem Handschuhfach. Er stieg aus dem Auto und lief zur Beifahrerseite. Doch als er den Schirm für seine Frau öffnete, riss ihm eine plötzliche Bö den Griff aus der Hand. Der Schirm wurde weit hochgeschleudert. Stiebel hastete seinem Besitz hinterher, auf die Ruine des Gartenhauses zu. Der Schneefall hatte inzwischen so zugenommen, dass er nur mit Mühe die eingefallenen Mauern sehen konnte. Durch die Augenschlitze versuchte er seinen Regenschirm im Schatten auszumachen. Stiebel wischte sich immer wieder Schneeflocken aus dem Gesicht. Windstöße fuhren in kurzen Abständen über den Parkplatz. Mittendrin hörte er einen Ruf seiner Frau. Stiebel drehte sich um, aber er sah nur in die Finsternis. Unter seinen Ledersohlen knirschte ein geborstener Ziegel.
Mit einem Mal erinnerte sich Stiebel an die blauen Wolfsaugen aus den Märchen seiner Kindheit. Er war sich plötzlich sicher, dass er aus den Fenstern der Ruine beobachtet wurde. Stiebel versuchte die Angst, die in ihm aufstieg, zu unterdrücken.
Er spähte in das verschachtelte Labyrinth der Ruine. Weißes Licht drang durch die Ritzen im alten Mauerwerk, dabei war der Mond von einem Wolkenmassiv verdeckt. Stiebel hörte sanfte Schritte, wie die eines Kindes im Schnee. Als er sich umblickte, packte ihn etwas am Handgelenk. Es zerrte an ihm, zog ihn immer tiefer in die Ruine hinein. Aus einem Riss im Mauerwerk ragten schneebedeckte Äste, oder waren es Finger, die nach ihm griffen? Stiebel riss sich los und flüchtete kopflos aus dem verfallenen Gartenhaus. Sofort beschleunigten die Schritte hinter ihm. Stiebel stürzte sich in die Finsternis. Um ihn stoben feine Flocken hoch. Wie er dalag, zitternd und hilflos, im Fußgelenk ein plötzlicher Schmerz, trat der Verfolger an ihn heran. Die gebückte Gestalt war schwarz gekleidet, von Kopf bis Fuß.
Als Stiebel entsetzt aufblickte, sah er das Gesicht seiner Frau. Sie half ihm aus der kleinen Grube und klopfte ihm den Schnee vom Mantel. Stiebel zitterte. Für einen Augenblick musste er sich am Führerhäuschen des Baggers anlehnen und durchatmen. Seine Frau blickte ihn besorgt an. Dann hakte sie sich bei ihm ein. Schweigend liefen sie durch das Schneegestöber zum Haus. Was immer Stiebel in der Ruine gespürt hatte – es war verschwunden.
Erst als sich Stiebel an der Küchenheizung aufgewärmt und ihm seine Frau einen heißen Tee gekocht hatte, traute er sich zu reden. Der Abgabetermin, die vielen Verpflichtungen hätten seinen Nerven mitgespielt. »Zu Weihnachten musst du dir eine Auszeit nehmen, versprich es«, sagte seine Frau.
»Ich verspreche es.«
Der November verging und Stiebel versuchte, das Erlebnis zu verdrängen. Ganz wollte es nicht gelingen, denn durch seinen Sturz hatte er sich das linke Fußgelenk vertreten. Auch wenn er keine Krücken zu Hilfe nehmen musste, wurde er mit jedem Schritt an den Vorfall erinnert.
Anfang Dezember kam eine Tauperiode und die Arbeiten am Kinderspielplatz wurden wieder aufgenommen. Inzwischen war auch der Bagger repariert worden. Als Stiebel morgens zur Arbeit fuhr, grüßte er die beiden Arbeiter, die das Erdreich umgruben und das Gestänge für eine Schaukel herbeischafften.
Am Nikolaustag kam Stiebel in Feierlaune aus dem Büro. Das Projekt war erfolgreich abgeschlossen. Nachdem die Kunden abgereist waren, gab es eine informelle Versammlung seiner Abteilung. Stiebels Chef belobigte ihn vor versammelter Mannschaft. Vor Weihnachten stand nur noch der Pitch für Fitness Universe an. Stiebel war ein junges Team zugeteilt worden, von dem er sich viel versprach. Dann konnte er das Jahr endgültig auf der Habenseite verbuchen.
Stiebel warf seinen Mantel über einen Stuhl und schlenderte ins Wohnzimmer. Seine Frau skypte gerade mit ihrer Mutter in Garmisch. Das Gespräch drehte sich um ihre Bewerbung beim Entwicklungshilfeministerium. Als sie Stiebel sah, winkte sie ihrer Mutter zu und beendete den Skype-Call.
»Und, wie lief’s?«, fragte sie.
»Perfekt. Hätte nicht besser sein können.«
»Darauf müssen wir anstoßen.«
Stiebels Frau holte eine Flasche Spumante aus dem Kühlschrank und füllte zwei Sektgläser. Beide setzten sich auf das Sofa. Sie legte ihren weißen Arm um seinen Hals. Stiebel spürte ihre warme Haut an seinem Nacken.
»Und bei dir?«
»Nicht so viel. Draußen war ein bisschen Action.«
»Wo?«
»Na unten, im Hof. Die Polizei war da. Nicht bei uns, sondern drüben.«
Sie deutete in Richtung des Hinterhofs.
»Und, was wollte sie?«
»Weiß ich nur vom Hörensagen. Frau Belzig meint, die Bauarbeiter haben beim Graben Knochen entdeckt.«
»Was für Knochen?«
»Menschliche. Im Gartenhaus wurden im Krieg Flugzeugsitze gefertigt. 1944 gab es einen Volltreffer. Angeblich liegen dort ein halbes Dutzend Verschüttete.«
Stiebel tastete nach der Lehne.
»Ich weiß, es ist keine schöne Geschichte. Vielleicht hätte ich sie dir nicht erzählen sollen.«
Ihr Arm glitt an seinem Kragen entlang und verschwand. Sie stand auf. Stiebel sah seine Frau an, konnte aber nichts in ihrem Gesicht lesen. Sie faltete eine Papierserviette und wischte damit den altrosanen Abdruck weg, den ihr Lippenstift am Glasrand hinterlassen hatte.
Die Tage waren kurz geworden. Als Stiebel am nächsten Morgen das Haus verließ, war es noch dunkel. In der Hand trug er den Küchenmüll. Als er auf die Tonnen im Hinterhof zulief, sah er in der Ferne ein flackerndes Licht. Er öffnete den großen Müllcontainer. Ein Geruch von Fäulnis schlug ihm entgegen. Stiebel war plötzlich übel. Er warf den Sack hinein. Dann ging er zum Parkplatz. Er drückte den Funkauslöser für das Autoschloss. Die Rücklichter blinkten auf. Kurz bevor er einstieg, sah er über seine Schulter zur kleinen Baugrube. Dort stand Wondrak und hielt ein Teelicht in der Handkuhle. Er war vollkommen regungslos. Hinter ihm flatterte ein gestreiftes Plastikband, mit dem die Vertiefung abgesperrt worden war. Wondrak starrte hinaus in die Finsternis.
Für einen Augenblick wollte Stiebel den Alten grüßen, aber dann überlegte er es sich anders.
Als er am Abend zurückkehrte, stand Wondrak immer noch dort.
Im Treppenhaus begegnete Stiebel Frau Belzig, die Einkäufe bei Lidl gemacht hatte.
»Darf ich Ihnen helfen?«
»Wie freundlich von Ihnen, gern.«
Stiebel nahm ihr die große Tasche aus der Hand.
»Sagen Sie, Herr Wondrak steht ganz alleine dort draußen.«
»Ja, ich weiß.«
»Er scheint auf etwas zu warten.«
»Ich glaube, er sorgt sich, dass jemand die Totenruhe dieser Leute stört. Sicherlich haben Sie gehört …«
»Ja, meine Frau hat es mir erzählt.«
»Hier lungern immer wieder Jugendliche herum. Die haben letzten Monat sogar den Bagger sabotiert.«
»Im Ernst? Woher wissen Sie das?«
»Von den Arbeitern. In der Früh war der Vergaser kaputt und einige andere Teile auch. Mit roher Gewalt aufgebrochen und zerschlagen.«
Frau Belzig kramte in ihrer Manteltasche nach dem Wohnungsschlüssel.
»Wohin soll das alles führen«, seufzte sie.
Stiebel stellte die Einkäufe neben ihr ab.
»Komisch, ich habe hier noch nie irgendwelche Jugendlichen gesehen. Sie etwa?«
Frau Belzig bedankte sich freundlich, ohne auf die Frage einzugehen.
Nachts lag Stiebel wach und musste an Fitness Universe denken. Er hatte einen Spot konzipiert, in dem zwei bekannte Boxer Gewichte pumpten. Eine muskelbepackte Comic-Ente reicht den beiden in einer Pause isotonische Drinks. Die zwei Männer prosten sich gegenseitig zu, und dann der Ente, die sich im Hintergrund an einer futuristischen Maschine abarbeitet. Eigentlich hätten Klimmzüge an einer Stange die gleiche Wirkung auf die Muskulatur, aber die Marktforscher hatten herausgefunden, dass Kunden möglichst aufwendige Apparaturen wünschen, weil sie sonst glauben, keinen ausreichenden Gegenwert für ihr Geld zu bekommen.
Den ersten Entwurf der Zeichner hatte Stiebel abgelehnt, weil die Ente zu klein und unsportlich aussah.
Dann erinnerte er sich an einen Artikel über Rudolph II. von Böhmen, den er gelesen hatte. In seiner Armee gab es ein Regiment aus Zwergen, und ein Regiment aus Riesen. Zuerst griffen die Riesen an und mähten alles mit Keulen nieder. Da diese Kerle so ungeheuer massig und groß waren, boten sie jedoch ein leichtes Ziel für Bogenschützen. Die Verluste unter den Riesen waren außerordentlich. Als zweite Welle folgten die Zwerge, die über die Körper der toten Feinde und der von Bogenschützen niedergestreckten Riesen stiegen, und die Beine der Gegner mit ihren Schwertern attackierten. Dieser Teil des Angriffs war sehr erfolgreich. Die Zwerge hatten zwar nur wenig Kraft, die Wunden, die sie den Soldaten beibrachten, waren selten tödlich. Jeder kluge Militärstratege weiß aber, dass ein verletzter Feind wertvoller ist als ein toter. Ein Toter wird in zwanzig Minuten verscharrt. Ein Verletzter bindet monatelang gegnerische Kräfte, denn zu seiner Behandlung werden Lazarette gebraucht, zu seiner Verpflegung Versorgungsketten. Während sich Militärärzte, Krankenschwestern, Köche und Träger um sein Wohl mühen, ist er selbst unnütz und kampfunfähig. Das Zwergenregiment war daher militärisch deutlich effektiver als das der Riesen. Doch auf den Siegesparaden jubelte das Volk nur den Riesen zu, die Zwerge wurden ausgelacht.
Um fünf Uhr früh am nächsten Morgen entdeckten Müllmänner Wondraks Leiche in der Baugrube. Sein Körper war steif gefroren. Seine linke Hand umkrallte das heruntergebrannte Teelicht. Der Reißverschluss seines Bundeswehrparkas war offen.
An Wondraks Leiche war sonst nichts bemerkenswert, ein banaler Anblick. Am späteren Vormittag fuhr ein Leichenwagen vor und transportierte ihn ab. Für die Bestatter war der Einsatz ein Routinefall. Jeden Winter gab es in Berlin Kältetote. Meist waren die Erfrorenen Obdachlose. In Wondraks Fall ging man von einem Unfall aus, die Folge schleichender Altersdemenz. Stiebel erfuhr durch einen Aushang vom Ableben des Hausmeisters. Jemand hatte mit Bleistift den Beerdigungstermin angegeben. Stiebel prägte sich das Datum ein, es war der nächste Dienstag.
Als der Tag gekommen war, nahm er sich den Vormittag frei. Er erzählte niemand von seinem Vorhaben, nicht einmal seiner Frau. Sein Navi führte ihn in zwanzig Minuten zum Krematorium, einem vielfach preisgekrönten Neubau. Als er das in nüchternem Weiß gehaltene Atrium betrat, entdeckte er zwei weitere Trauergäste.
Frau Belzig, die eine schwarze Stola trug, winkte ihn freundlich zu sich herüber. Sie stellte ihm Dr. Weißmüller vor, den ehemaligen Leiter der Stadtbibliothek. Das Dreiergrüppchen wurde von einem Bediensteten in die Aussegnungshalle gebeten. Dort stand Wondraks Sarg, der angesichts seines stämmigen Körpers erstaunlich klein wirkte. Nirgends waren Blumen oder Kränze zu sehen. Der Angestellte bedeutete ihm, Belzig und Weißmüller, auf einer Bank Platz zu nehmen. Dann verschwand er diskret durch eine Seitentür. Klassische Musik ertönte aus einem Lautsprecher – erst Liszt, dann Mahler. Nach einer kurzen Pause rollte der Sarg, der auf einem metallenen Schlitten befestigt war, durch eine Klappe.
Für einen Augenblick hielt Stiebel inne. Als er merkte, dass sich die anderen beiden Trauergäste erhoben hatten, stand auch er auf und ging zum Ausgang.
Draußen im Säulengang warteten Dr. Weißmüller und Belzig auf ihn.
»Haben Sie ihn gut gekannt?«, fragte Dr. Weißmüller.
»Fast gar nicht, wir sind erst im August eingezogen«, sagte Stiebel.
»Wirklich?« Dr. Weißmüller blickte Stiebel überrascht an.
»Und Sie?«
»Ich kannte ihn seit den Achtziger Jahren. Er war ein Lebenskünstler; niemand kannte unser Viertel besser als er.«
»Dr. Weißmüller hat ein interessantes Projekt«, sagte Frau Belzig.
»Ich bin gelernter Historiker und befasse mich seit einigen Jahren mit der Geschichte des Kiezes. Ich wollte Herrn Wondrak immer mal zu Ihrem Haus befragen.«
»Warum?«
»Wegen der Zwangsarbeiter.«
»Zehn polnische Kriegsgefangene«, sagte Frau Belzig. »Die mussten im Gartenhaus Sitze für Junckers montieren.«
Dr. Weißmüller sah in Stiebels fragendes Gesicht.
»Links neben der Fabrik gab es eine Holzbaracke. Davon hat mir ein Zeitzeuge aus der Querstraße erzählt. Jeden Abend nach der Schicht wurden die Arbeiter dort eingeschlossen.«
»Dr. Weißmüller hat der Polizei dazu Auskunft geben müssen, als die Knochen gefunden wurden«, fügte Frau Belzig mit wichtiger Miene an.
»Bei einem Angriff im vorletzten Kriegsjahr schlug nachts eine Fliegerbombe in die Fabrik ein. Die Explosion war so stark, dass das gesamte Gebäude in sich zusammenfiel. Eine Außenwand begrub die Baracke unter sich. Die eingeschlossenen Zwangsarbeiter hatten keine Chance.«
»Hat Wondrak damals schon in dem Haus gelebt?«, fragte Stiebel.
»Er war damals Blockwart. So steht es jedenfalls im Einwohnermelderegister von ’38. Ich hätte ihn wirklich gern befragt – tja, das ist nun nicht mehr möglich …«
»Er hat sich bestimmt nichts zuschulden kommen lassen, ganz bestimmt nicht. So ein feiner Mensch«, sagte Frau Belzig.
»Ja, man wird die Unschuldsvermutung gelten lassen müssen«, sagte Dr. Weißmüller.
In diesem Augenblick erschien eine Angestellte des Krematoriums mit einer Plastiktüte in der Hand.
»Sind Sie Angehörige des Verstorbenen? Das Bestattungsinstitut hat uns seine Jacke gegeben.«
Stiebel streckte seine Hand aus. »Ich werfe sie in den Kleidercontainer.«
Stiebel fuhr Dr. Weißmüller und Frau Belzig, die beide mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gekommen waren, nach Hause. Dann lenkte er seinen Audi in eine Seitenstraße und parkte. Bevor er ausstieg, setzte er sich eine warme Mütze auf. Stiebel überquerte die Straße. Es nieselte eiskalt aus grauen Wolken. Als er den Sammelcontainer des Roten Kreuzes erreicht hatte, zog er Wondraks Parka aus der Tüte. Er öffnete die Klappe. Für einen Augenblick zögerte er. In der linken Tasche hatte er einen kleinen Gegenstand ertastet. Er griff hinein und zog einen alten Schlüssel mit einem rostigen Bart heraus. Er blickte das eiserne Ding verständnislos an.
Fünf Minuten später stand Stiebel an der Baugrube neben der Ruine. Einen Moment zögerte er, dann warf er den Schlüssel hinein.
»Vom ersten Tag an müssen Panzer rollen. Viele Panzer. Wenn die Konkurrenz 200 Mitarbeiter einstellt und in einem Monat auf 400 wächst, müsst ihr erst 600 einstellen und dann 1200. Schlagt ganz hart zu. Werbt ihnen die Kunden ab, macht Imagekampagnen, baut eine eigene Logistik auf. Verlasst euch nicht darauf, dass ich euer Daddy bin und einen Plan habe, ihr müsst den Plan haben, und er muss zum totalen Sieg führen! Ich gebe euch so viel Geld, wie ihr wollt. Ich hole einen ganzen Container voll und kippe ihn über euch. Ihr werdet Helden sein und wie Helden kämpfen bis zum Tod. Wenn ihr Pussies seid, dann reiß ich euch den Arsch auf!«
Christoph schritt die Reihe seiner Co-Manager ab.
»Daniel, du schwörst mir jetzt, dass du keine Pussy sein wirst!«
»Ich werde keine Pussy sein.«
»LAUTER!«, schrie Christoph. »SAG’, DU WIRST KEINE FOTZE SEIN!«
»ICH WERD’ KEINE FOTZE SEIN.«
Christoph umarmte Daniel ganz fest.
»Du bist der King«, flüsterte er zärtlich. Dann löste er sich wieder und schaute mit glänzenden Augen in die Runde.
»Ihr werdet unfassbar reich werden. Ihr habt das Zeug dazu, nur ihr. Dies ist die letzte Frontier, die Chance einer Generation. Wer im E-Commerce siegt, dem gehört die Welt!«
Christoph blickte in die Runde. Wenn es jemand schaffen würde, dann wären es diese Männer: Yale, Harvard, Cambridge, Merrill Lynch, Roland Berger; sie hatten perfekte Lebensläufe, Praktika in Singapur und Hong Kong, Beraterverträge in Dubai, Junior-Positionen in Konzernzentralen in London oder New York. Sie hätten überall Karriere machen können, bei jeder Firma der Welt, und sofort sechsstellig verdient. Stattdessen hatte Christoph sie überzeugt, bei NectarNet anzuheuern, seinem Unternehmen, seinem Baby. Nectar war überall präsent, auf dem ganzen Erdball. In Indonesien verkaufte Christoph Schuhe, auf den Philippinen Krawatten, in Japan und Südafrika Schreibwaren, in den USA Brillengestelle und Medikamente, in Spanien Damenmode. Für jeden Kauf bedurfte es nur zwei Klicks im Internet, das war eins der Erfolgsgeheimnisse seines Geschäftsmodells. Praktischer ging es nirgends im gesamten World Wide Web. Mit diesem Konzept eroberte er die Märkte in überfallartiger Geschwindigkeit. An der Speerspitze stand seine junge Garde, die er liebevoll »meine Wölfe« nannte. Er hatte sie persönlich bei Top-Unternehmen abgeworben, sie umschmeichelt, ein dutzendmal angerufen, sie mit seinem Firmenjet nach Berlin geflogen. Christoph machte kein Geheimnis daraus, dass die Arbeit bei Nectar hart sein würde: »Das hier ist nichts für Underperformer. Ihr werdet euer angenehmes Leben verlassen müssen. Wir sind Goldgräber und schürfen im Dreck. Wer sich nicht schmutzig macht, kriegt die Nuggets nie. Nur einmal in hundert Jahren wird alles neu verteilt. Da draußen seht ihr noch die Geschäftsstraßen mit den bunten Läden, aber in Wirklichkeit sind die schon weg. Wie Bäume, die zwar noch blühen, innen aber schon längst verfault sind. Ihr könnt jetzt entscheiden, ob ihr bei den Gewinnern sein wollt, oder mit dem Rest verrotten.«
Christophs Prätorianer wurden sofort in Spitzenpositionen gehievt, in denen sie sich behaupten mussten. Einer von Nectars erfolgreichsten Managern war 25 Jahre alt, Christoph hatte ihn von JP Morgan abgeworben, er führte jetzt ein hoch profitables E-Commerce Startup im Wachstumsmarkt Brasilien. Er war ein Outperformer, ein »Wolf«, während die meisten anderen Normalsterblichen in Christophs Vokabular »Dackel« waren.
Für seine neueste Idee brauchte er die brutalsten »Wölfe«. Sie hießen Daniel, Armin, Sven und Björn. Sven und Armin würden an die Front gehen, Daniel das Controlling übernehmen, und Björn, der der Älteste war, von Berlin aus den Einpeitscher geben. Der Name der Website stand ebenfalls fest: beamstar.com. Sobald sich die Kunden bei dem Service registriert hatten, konnten sie ohne einen einzigen Click defekte Haushaltsgeräte ersetzen lassen. Es war ein Kinderspiel, Bestellungen aufzugeben. Man machte mit dem Smartphone ein Foto des defekten Mixers, Staubsaugers oder Bügeleisens. Beamstar erkannte den Gerätetyp, indem eine ausgeklügelte Software das Bild mit einer Produktdatenbank abglich. Innerhalb von 24 Stunden erschien ein Bote vor der Tür, der den Kunden die aktuellste Ausführung des Gegenstands brachte und das kaputte Gerät abholte. »So leicht war shoppen noch nie«, freute sich Christoph. Die Marketingabteilung schlug Purzelbäume. Weg mit dem alten Kram! Her mit dem Neuen! Konsum war noch nie so bequem! »Update your life«, hieß der griffige Slogan der neuen App.
Die Idee war rekordverdächtig in nur einem halben Jahr vom Konzept zur Marktreife gebracht worden. Nun hatte Christoph entschieden, Beamstar in einem Land mit jungen, technikaffinen Menschen zu erproben. »Wir gehen nach Chile.«
»Warum Chile?«, fragte Björn.
»Weil wir dort maximal disruptiv sein können. Das Land ist klein und liegt am Arsch der Welt. Es ist das perfekte Labor, um Beamstar zu testen. Es gibt dort nur eine einzige lokale E-Commerce-Firma, die Haushaltsgeräte anbietet. Die putzen wir weg. Wir arbeiten unter Echtbedingungen, aber ohne Konkurrenz. Sobald die Betaversion einschlägt und wir ein lokales Ökosystem geschaffen haben, gehen wir nach Asien, Nordamerika, EMEA und Rest of World. In vierundzwanzig Monaten habt ihr dreitausend Mitarbeiter. Minimum.«
Björn, Daniel, Armin und Sven machten Notizen: Testlauf, Disruption, exponentielles Wachstum.
»Ich kann kein Spanisch«, sagte Sven.
Christoph blickte ihn strafend an.
»Nimm dir einen Hauslehrer, 24/7, ab heute Mittag. Ich bin ja nicht deine fucking Nanny, an deren Titten du hängst.«
Sven sank in sich zusammen. Daniel blickte aus dem Fenster. Björn und Armin starrten die Flipchart an. Jeder wusste, dass Christoph ein Arschloch war, aber trotzdem mochten ihn die Männer, ja sie vergötterten ihn. Wer in dieser Welt bestehen wollte, musste ein Raubtier sein.
Nach dem Ende des Meetings traten die Männer aus der gläsernen Box in die bienenstockartige Geschäftigkeit der NectarNet-Zentrale. Björn hatte zwei Jahre bei Goldman in London gearbeitet, er war derartige Großraumbüros gewohnt. Eigentlich hätte sich Nectar, das mit frischem Kapital ausgestattet war, einen Palast leisten können. Das aber widersprach Christophs Philosophie. Er glaubte, dass nur dann gute Ideen entstanden, wenn Menschen eng zusammenhockten. Christoph selbst hatte den Sitzplan entworfen und die Teams wild durcheinandergemischt, um kreative Energie zu erzeugen.
Björn saß neben Robin, einem jungen Asiaten, der einen Lieferservice namens pigout.com in China hochgezogen hatte. Nun sollte die Kette in die arabischen Emirate expandieren. Da Robin in einem muslimischen Land keinen Erfolg mit einem gastronomischen Betrieb haben würde, das ein Schwein im Namen trug, musste er radikal umdenken. Das neue Branding bereitete ihm Kopfzerbrechen.
Als Björn neben ihm Platz nahm, blickte er von seinen Marktforschungsberichten auf.
»Und, wie war’s?«, fragte Robin.
»Er hatte gute Laune«, antwortete Björn.
»Also schrecklich.«
»Wir bekommen sechs Millionen, für den Anfang«, sagte Björn irritiert.
»Reines Schmerzensgeld.«
Robin grinste ironisch und klopfte Björn auf die Schulter. Der Mann aus Kuala Lumpur war schon fünf Jahre bei Nectar; so lange schafften es die wenigsten. Er hatte viele Leute kommen und gehen sehen. Inzwischen erkannte er die Burnout-Kandidaten schon an der Nasenspitze. Björn war einer davon.
Gegen 21 Uhr fuhr Robins Tischnachbar seinen Rechner herunter. Robin legte den Cost Forecast, den er gerade überarbeitete, beiseite.
»Na was ist, Björn – machst du schon Mittag?«
»Yo. Erst Mittag, dann Home Office.«
»Take it easy.«
Die beiden machten High five, dann bahnte sich Björn einen Weg durch die dicht besetzten Reihen. Robin blickte ihm schmunzelnd nach.
Als er aus dem gläsernen Empfangsbereich auf den Hackeschen Markt trat, blies Björn frostiger Wind entgegen. Er klappte seinen Kragen hoch und lief zum Auto. Da er seinen schwarzen Alfa Romeo aus Zeitmangel im Parkverbot abgestellt hatte, klebte an der Windschutzscheibe ein Strafzettel. Er fluchte.
Während er sich durch den Samstagabendverkehr Richtung Schöneberg durchkämpfte, wählte er die Nummer seiner Frau.
»Wo bleibst du?«, fragte Tanjas Stimme über die Freisprechanlage. Sie klang erschöpft.
»In zehn Minuten bei dir. Schläft sie?«
»Nein, sie hat Angst«, sagte sie genervt.
»Angst wovor?«
Tanja seufzte. »Das kann sie dir gleich selbst erzählen.«
Sie legte grußlos auf.