Vor einem grauen Haupt

sollst du aufstehen und die Alten ehren.

3. Mose 19,32 a

Ehrenamtliche Besuchskreisarbeit ist eine bereichernde Aufgabe, aber sie kann auch knifflig sein: Übergroße Freude über den Besuch, peinliche Stille, ein nicht endender Redefluss der Besuchten, unangenehme Gesprächsthemen und viele andere Herausforderungen wollen gemeistert sein.

Hier hilft gute Ausbildung und Vorbereitung für ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen. In diesem Buch erklärt Rita Kusch, was man wissen, können und tun muss, und wo Stolpersteine liegen. Viele Beispiele, humorvolle Geschichten, praktische Anregungen und zahlreiche Tipps erleichtern Ehrenamtlichen die Vorbereitung auf Besuche und unterstützen den Aufbau einer Besuchskreisarbeit in Ihrer Gemeinde vor Ort.

Eine Fundgrube für Mitarbeitende und Leitende der Besuchskreisarbeit!

Rita Kusch, geboren 1958, hat Religionspädagogik studiert und war 27 Jahre lang als Diakonin in einer Kirchengemeinde im Ammerland tätig. Von 2009 bis 2019 war sie Beauftragte für Seniorenarbeit in der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg. Sie leitet Fortbildungskurse zur ehrenamtlichen Seniorenbegleitung und unterrichtet an der Ev. Altenpflegeschule.

Rita Kusch

Bleiben Sie doch noch ein bisschen!

Besuchskreisarbeit

planen • gestalten • durchführen

Mit Tipps und Impulsen für die Praxis

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Alle Bibelstellen aus: Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart

Copyright © 2022 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotiv: © Jun Zhang – iStockphoto.com

ISBN 978-3-641-28779-5
V001

www.gtvh.de

Inhalt

Vorwort

Theoretische Überlegungen

Einstieg in die Besuchskreisarbeit

Grundlagen der Besuchskreisarbeit

Einen Besuchskreis gründen und leiten

Tipps und Gesprächsanregungen für Besuchskreistreffen

Freud und Leid in der Besuchskreisarbeit

Ehrenamt – Ein Amt ohne Geld, aber mit Ehre?

Warum Besuchskreisarbeit? – Eine biblische Herleitung

Die Praxis der Besuche

Gespräche mit alten Menschen führen

Episoden aus der Besuchskreisarbeit und Schlussfolgerungen daraus

Kommunikation

Beispiele für Beschäftigungsideen und Anregungen zum Gespräch

Heitere Geschichten zur Besuchskreisarbeit

Schlusswort

Den Downloadbereich mit Materialien und Gesprächsanregungen zum Ausdrucken und Mitnehmen finden Sie unter:

www.gtvh.de/Seniorenarbeit

Vorwort

»Bleiben Sie doch noch ein bisschen!«, so lautet der Titel für dieses Buch, in dem es darum gehen soll, wie man einen Besuchskreis aufbaut, begleitet, darin mitarbeitet, und natürlich, wie man Besuche praktisch durchführt. Und dieses »Bleiben Sie doch noch ein bisschen!« ist auch meine erste Bitte an Sie: Nehmen Sie sich genügend Zeit, sich über Ihre eigene Motivation zur Besuchskreisarbeit Gedanken zu machen. Was möchten Sie erreichen? Was können Sie einbringen?

Auf den folgenden Seiten möchte ich gerne zwei wesentlichen Fragen nachgehen. Zum einen, was Besuchskreisarbeit genau ist – also der organisatorische Rahmen – und zum Zweiten, wie Besuche in der Praxis aussehen können.

Im ersten Schritt lautet die Frage, warum Menschen sich für diese Arbeit begeistern, wo genau der Bedarf liegt und wie die Arbeit organisiert ist, wo wir ehrenamtliche Mitarbeitende finden und wie wir diese behalten. Das ist sowohl für Teilnehmende als auch für Leitende eines Besuchskreises wichtig, denn eine gute Organisation ist hilfreich für eine stabile, motivierte Arbeit. Wichtig sind Fragen, wie z.B.: Welche Schulungen wären hilfreich? Wo benötigen Sie Hilfe und woher könnten Sie diese bekommen? Wovor fürchten Sie sich vielleicht auch ein wenig? Manchen späteren Problemen in der Besuchskreisarbeit können Sie aus dem Weg gehen, wenn Sie sich gut auf diese Tätigkeit vorbereiten, und das sowohl beim Aufbau und der Leitung als auch bei der eigenen Mitarbeit. Dazu soll dieses Buch dienen.

Im zweiten Schritt möchte ich Ihnen einige praxisbetonte Überlegungen an die Hand geben, mit denen die Besuche durchgeführt werden können. Dazu sind z.B. einige Überlegungen zur Kommunikation nötig, die Ihnen helfen sollen, die Interaktion bei den Besuchen besser einschätzen und verstehen zu können. Bei den praktischen Beispielen können Sie mir quasi über die Schulter schauen und mich imaginär bei meinen Besuchen und den dabei gemachten Erfahrungen begleiten, die sich in drei Jahrzehnten Berufstätigkeit in diesem Bereich angesammelt haben. Sie dürfen über meine Fehler lachen und sie fortan bei sich selbst vermeiden. Sie können schauen und hören, wie ich selbst manches Problem zu lösen versucht habe, und dann Ihren eigenen Weg finden, mit Problemen umzugehen. Sie können Anregungen für die praktische Gestaltung der Besuche erhalten, denn es ist oft gar nicht so einfach, jedes Mal wieder ein geeignetes Gesprächsthema zu finden.

Die biblischen Geschichten, die von Besuchen erzählen, können für uns Anregung und Richtschnur sein. Von zentraler Wichtigkeit ist mir immer wieder der Respekt vor den alten Menschen, ihrem einmaligen und unverwechselbaren Leben mit allen Erfahrungen, mit Freud und Leid. Sie können von dem Gewinn hören, den viele Besuche für das eigene Leben bedeuten und der viel größer ist als das, was mit barer Münze bezahlt werden kann.

Gönnen Sie sich die Zeit der Vorbereitung auf diese anspruchsvolle und bereichernde Tätigkeit. Also: »Bleiben Sie doch noch ein bisschen!«

Theoretische Überlegungen

Motivation, Schulungen, biblische Herleitung, Grundlagen

Einstieg in die Besuchskreisarbeit

Es gibt großen Hilfsbedarf

In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr ältere Menschen, das ist längst kein Geheimnis mehr. Viele von ihnen leben alleine und drohen zu vereinsamen. Hauptamtliche Pflegekräfte spüren überall das Bedürfnis der alten Menschen nach mehr Zeit für Gespräche und zum Zuhören, haben aber so viele Klienten zu versorgen, dass diese Bedürfnisse oft nicht wie gewünscht erfüllt werden können. Zudem werden die Pfarrbezirke immer größer und die hauptamtlich dort Beschäftigten können die Vielzahl der eigentlich nötigen Aufgaben, zu denen eben auch Besuche zählen, nicht mehr bewältigen. Wenn beispielsweise in meiner Kirchengemeinde jede Pfarrerin / jeder Pfarrer jeden alten Menschen ab dem 75. Geburtstag am Ehrentag besuchen würde, hätte jeder und jede im Durchschnitt drei Geburtstagsbesuche am Tag. Da kann man sich selbst ausrechnen, dass dieses nicht zu schaffen ist.

Gleichzeitig ist es so, dass die Familien oft weit auseinander wohnen, aus diversen Gründen keinen Kontakt mehr zueinander haben oder dass es gar keine Familien mehr gibt, zu denen ein alter Mensch noch gehören könnte. Die Erwartungen der Menschen, ob selbst der Kirche zugehörig oder nicht, ist, dass die Kirche diakonische Arbeit leistet, Einsame und Kranke besucht, ältere Menschen bedenkt und Gemeinschaft stiftet. Viele, die für sich selbst die Mitgliedschaft in der Kirche nicht mehr wichtig finden, die nicht zum Gottesdienst oder zu angebotenen Veranstaltungen gehen, bleiben Kirchenmitglieder, weil sie diese diakonische und karitative Arbeit schätzen und mit ihrer Kirchensteuer unterstützen möchten. Damit ist auch die Erwartung verbunden, dass diese diakonische und karitative Arbeit sichtbar und spürbar geschieht.

Das Bild von der Pfarrerschaft und den anderen hauptamtlich Mitarbeitenden in der Kirche hat sich verändert. Sie sind nicht mehr diejenigen, die alles alleine machen, sondern sie sind Motivatoren, Organisatoren, Multiplikatoren. Durch die Einbeziehung Ehrenamtlicher in die Arbeit der Kirche vervielfältigen sich die Möglichkeiten der Arbeit, vergrößert sich der Pool der Talente, die mitgestalten und mitmachen möchten und können. Und so nähert sich auch der Gedanke vom Priestertum aller Gläubigen der Realität.

Und längst sind es nicht mehr allein die Kirchengemeinden, die Besuchskreise gründen und Ehrenamtliche suchen, die über die Pflege und Versorgung hinaus Zeit für die älteren Menschen haben und einsetzen möchten. Johanniter, Malteser, ambulante Dienste, Einrichtungen der stationären Altenpflege und viele weitere buhlen geradezu um Ehrenamtliche.

Aber auch das Bild von den Ehrenamtlichen und ihre Motivation zur Mitarbeit in Kirche und Gemeinschaft haben sich verändert. Weg vom ausführenden Organ dessen, was der Pfarrer oder die Pfarrerin an Mitarbeit erbittet, hin zu Selbstbestimmung, Mitverantwortung, eigenen Ideen und Selbstverwirklichung mit Zugewinn an Gemeinschaft, Bildung und Fähigkeiten.

Es ist nicht mehr die stille und nette ältere Dame mit dem dunkelgrauen Kaschmirpullover und der dreireihigen Perlenkette, die beim Pfarrer nachfragt, was sie denn noch tun könne, um ihn zu unterstützen, sondern es sind der Student, der Hausmann, die gerade in den Ruhestand gegangene Lehrerin, der ehemalige Fabrikarbeiter und der gerade verwitwete Verwaltungsfachangestellte, die neu nach Sinn und Erfüllung in ihrem Leben suchen und selbst ganz konkret davon profitieren möchten – eben auch hier die vielbeschworene Win-Win Situation.

Notwendigkeit von Schulungen

Natürlich können wir Menschen besuchen, ohne dafür speziell geschult zu sein. Aber ein Besuch in unserem privaten Umfeld unterscheidet sich von einem Besuch, den ich im Namen meiner Kirchengemeinde oder einer Initiative eines Altenpflegeheimes oder einer ambulanten Pflegeeinrichtung absolviere. Zunächst sind es mir fremde Menschen, die ich besuche, und sie haben sehr wahrscheinlich Beeinträchtigungen körperlicher und/oder geistiger Art, sonst wären sie ja nicht in einer Einrichtung oder würden von Pflegefachkräften betreut. In der Regel haben die besuchte Person und ich bisher keine gemeinsame Lebensgeschichte; wir kennen uns zunächst nicht, sind einander fremd. Auch deshalb plädiere ich dringend für Schulungen für die Ehrenamtlichen.

Wissensgewinn und Entwicklung der eigenen Persönlichkeit, Lernen für das eigene Alter und Gemeinschaft mit Gleichgesinnten sind wesentliche Motivationen von Menschen, sich ehrenamtlich zu engagieren (siehe Abschnitt Motivation S. 18ff). Schulungen bringen Sicherheit für die Besuche, klären vorab mögliche Schwierigkeiten, informieren über alterstypische Erkrankungen und adäquate Verhaltensweisen des Besuchenden, erweitern das Verhaltensrepertoire und liefern Ideen dafür, was man denn bei den Besuchen alles unternehmen könnte. Einrichtungen der evangelischen oder der katholischen Erwachsenenbildung, Senioren- und Pflegestützpunkte, manche Altenpflegeheime oder ambulante Dienste bieten solche Schulungen an, die bestenfalls von solchen Frauen und Männern geleitet werden, die selbst viel Erfahrung mit Besuchen bei älteren Menschen haben.

Bei den Schulungen können für manche Fachbereiche Experten eingeladen werden, die über ihr Spezialgebiet informieren und für Fragen zur Verfügung stehen. Ich habe selbst vielfach solche Schulungen im Auftrag der Evangelischen Erwachsenenbildung durchgeführt und schildere Ihnen im Folgenden die Themenschwerpunkte dieser Fortbildung für Freiwillige Seniorenbegleitung und deren Zielsetzung.

Themenschwerpunkte und Erkenntnisgewinn

Die Teilnehmenden erhalten für ihr Engagement bei Besuchen älterer Menschen bei diesen zu Hause oder in einer Einrichtung der Altenpflege entsprechende Qualifikationen. Sie setzen sich damit auseinander, was die speziellen Probleme älterer Menschen sein und wie sie diesen bei den Besuchen begegnen könnten. Sie lernen etwas über Gesprächsführung und erweitern ihr Verhaltensrepertoire in entsprechenden Gesprächssituationen. Sie denken über ihre Motivation zu diesem ehrenamtlichen Engagement und dessen Auswirkungen auf ihr persönliches Leben nach. Sie hören, wo sie weitere Hilfen bekommen können, und finden eine Balance zwischen eigenem Handeln und dem Abgeben der Probleme in die Hände von professionell dafür ausgebildeten Menschen.

Im folgenden Text liste ich Ihnen auf, welche Inhalte bei den Schulungen vorkommen sollen und welcher Erkenntnisgewinn dabei wichtig ist (kursiv).

Die Schulung kann in verschiedenen Formen angeboten werden: als Wochenendkurs (mindestens zwei Wochenenden), als Tageskurs mit mindestens sechs Unterrichtstagen, als Basiskurs mit Aufstockungen je nach Bedarf der Gruppe. Vom Umfang her ist an etwa 40 bis 50 Unterrichtsstunden gedacht. Je nach Bundesland gibt es Anforderungen an die Form, wenn man Zuschüsse erhalten möchte. Hier ist es wichtig, sich rechtzeitig zu informieren. Ich habe gute Erfahrungen mit den Informationen der entsprechenden Senioren- und Pflegestützpunkte gemacht. Auf der Internetseite des Bundesgesundheitsministeriums finden Sie eine Auflistung der Stützpunkte bundesweit – unter: www.bundesgesundheitsministerium.de/service/begriffe-von-a-z/p/pflegestuetzpunkte.html. Dort können Sie die Adresse finden, die Sie für Ihre Arbeit und Ihre Region brauchen.

Da die Teilnehmenden ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben, ist es selbstverständlich, dass die Schulung für sie kostenfrei ist. Die Kirchengemeinde oder Initiative, die die ehrenamtlichen Besuche anbieten möchte, sollte die Kosten tragen. Klären Sie hier auch die mögliche Zusammenarbeit mit den Senioren- und Pflegestützpunkten, die ggf. die Kosten übernehmen könnten. Beachten Sie möglicherweise regionale Namensunterschiede dieser Stützpunkte. Wer an so einer Schulung teilnehmen möchte, ohne sich später ehrenamtlich zu engagieren, muss die Schulung natürlich selbst bezahlen. Viele Menschen tun das gerne, weil sie die Kenntnisse und Fähigkeiten im eigenen Familien- und Freundeskreis nutzen möchten.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang möglicherweise auch ein polizeiliches Führungszeugnis. Vor allem, wenn Sie die Besucher zu den alten Menschen nach Hause schicken, wo sie dann ja mit diesen alleine sind, sollten Sie sich vorher vergewissern, dass es sich um unbescholtene und aufrichtige Personen handelt. Vergewissern Sie sich auch darüber, dass der Besucher oder die Besucherin nicht in Wirklichkeit einen bezahlten Job in der Pflege sucht und die Kontakte der Besuchskreisarbeit nutzen möchte, um so leichter einen Job zu bekommen. Auf der Webseite des Bundesamtes für Justiz finden Sie die Möglichkeit, so ein Führungszeugnis zu beantragen: www.bundesjustizamt.de unter dem Suchbegriff »Führungszeugnis«.

Schweigepflicht / Verschwiegenheit

Verabreden Sie mit den Besuchenden die Einhaltung der Schweigepflicht, die sich auf alles erstreckt, was man im Zusammenhang mit dem Besuch erfährt: Biografisches, Eigentumsverhältnisse, Zugänge zum Haus, Aufbewahrung von Wertgegenständen, finanzielle Verhältnisse, Erkrankungen, Einschränkungen etc. Wenn sich jemand im eigenen Bekanntenkreis mit dem Wissen aus den Besuchen interessant macht und in der Eckkneipe davon erzählt, ist das absolut inakzeptabel und sollte zu einem sofortigen und bleibenden Ausschluss aus dem Besuchskreis führen.

Viele Kirchengemeinden, die Ehrenamtliche in die Häuser älterer Menschen oder zu ihnen in die Pflegeeinrichtungen schicken, lassen sich im Vorfeld die Verpflichtung zur Verschwiegenheit schriftlich bestätigen. Auch die Einrichtung, in der ein alter Mensch lebt, unterliegt ja der Schweigepflicht. Klären Sie hier vorher, wie weit beispielsweise der Geburtstag, ein Ehejubiläum oder eine sonstige Besonderheit doch weitergegeben werden darf. Ein Einblick in die Pflegedokumentation verbietet sich für die Ehrenamtlichen, eine kurze Nennung der Erkrankung ist aber sinnvoll, wenn es bei den Besuchen wichtig ist, manche der Verhaltensweisen, die von der Erkrankung herrühren, zu kennen und sich entsprechend verhalten zu können. Von einer demenziellen Erkrankung müsste ich zum Beispiel wissen, um manche Äußerung entsprechend einordnen zu können. Finden Sie da eine gute Balance mit den Angehörigen oder den Pflegekräften.

Hauptamtliche in der kirchlichen Arbeit, also Pfarrerinnen und Pfarrer, Diakoninnen und Diakone, Vikarinnen und Vikare, ehrenamtlich offiziell bestellte Seelsorgende unterliegen qua Gesetz der Schweigepflicht und dürfen auch vor Gericht nicht zu einer Aussage gezwungen werden. Wie sich das bei Ehrenamtlichen letztlich verhält, ist nicht vollständig geklärt. Im Verständnis der meisten Betroffenen gilt der Ehrenamtliche hier als Helfer oder Helferin der Hauptamtlichen und hat so an deren Schweigepflicht Anteil. Wenn Sie darüber genauer Bescheid wissen möchten, fragen Sie in der Rechtsabteilung Ihrer Landeskirche oder bei dem Träger der Altenpflegeeinrichtung nach.

Motivation der Ehrenamtlichen

Vorab und in bestimmten Abständen auch immer wieder ist es wichtig, die Motivation der Ehrenamtlichen für diese Besuchsdienstarbeit zu klären. Nur wenn ich weiß, warum ich etwas mache, kann ich es auch gut und gerne machen. Grundsätzlich gibt es keine gute oder schlechte Motivation, sich ehrenamtlich zu engagieren; ich sollte nur meine Motivation kennen und immer wieder überprüfen, ob die Gegebenheiten noch zu den Motiven passen. Frustration im Ehrenamt oder gar ein Burn-Out sind unbedingt zu vermeiden.

Was antworten Menschen auf die Frage, warum sie sich ehrenamtlich engagieren, während Millionen anderer Menschen eher an die eigene Zeit, den eigenen Vorteil und den maximalen Spaßgewinn denken? So könnten die Antworten aussehen:

Ganz wenige Ehrenamtliche finden einen Reiz darin, über die ehrenamtliche Tätigkeit Macht über andere Menschen zu gewinnen und diese im eigenen Sinn zu beeinflussen, sie vielleicht für eine Sekte zu gewinnen. Manche suchen auch über die Ehrenamtlichkeit quasi einen Einstieg in eine bezahlte Pflegetätigkeit. In solchen Fällen sollten Sie als Leiter oder Leiterin des Kreises sich nicht vor einem offenen Gespräch fürchten, sich klar dagegen positionieren und notfalls auch diese Person bitten, sich doch andernorts zu engagieren.