Dazu auch der Abschnitt »Goldelse und Germania« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Dazu die Abschnitte über die ›Arbeiterfrage‹ und über die ›soziale Frage‹ im Kapitel »Große Fragen«.
Für den deutschen Reichstag galt das allgemeine, wenn auch nicht immer geheime Wahlrecht (der Männer ab 25), für das Preußische Abgeordnetenhaus ein nach Steueraufkommen gegliedertes Dreiklassenwahlrecht, das den Besitzenden die Mehrheit sicherte.
Zu dieser und anderen Zeitungen der entsprechende Abschnitt in »Errungenschaften«.
Zu ihm auch der Abschnitt in »Große Männer«.
Zum Sozialistengesetz auch eine Passage in »Masse und Klasse« im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Dazu der Abschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Der Volkspark Rehberge entstand erst in den 1920ern. Rehe hat es in den Sandhügeln nie gegeben. Der Name geht auf das slawische ›reber‹ (Hügel) zurück.
Das Gebäude wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört. Auf dem Gelände befindet sich heute die Nordkoreanische Botschaft.
Die heute zum Bezirk Neukölln gehörende Hasenheide wurde 1904 zum Bestandteil von Rixdorf, der Volkspark entstand erst nach dem Ersten Weltkrieg.
Dazu der Abschnitt über das Duell im Kapitel »Die alte Gesellschaft«.
Dazu und allgemein zum Musikbetrieb der Bismarckzeit der Abschnitt »›Ein gutes Tier ist das Klavier‹« im Kapitel »Das neue deutsche Leben«.
Wie der Eingang Ecke Friedrichstraße/Behrenstraße 1896 ausgesehen hat, kann man heute noch sehen: youtube.com/watch?v=FCr-FsmmO88
»Il faut être absolument moderne« (»Man muss unbedingt modern sein«), schrieb Arthur Rimbaud 1873 in Eine Zeit in der Hölle. »Modern sei der Poet, / Modern vom Scheitel bis zur Sohle!«, verkündete 1886 der naturalistische Dichter Arno Holz in »Lieder eines Modernen«, erschienen als Das Buch der Zeit.
Der heutige Martin-Gropius-Bau. Dazu ein Absatz in der Einleitung.
Dazu der Abschnitt über die Wohnungsfrage im Kapitel »Große Fragen«.
Mehr über Brehm und noch etwas über den Gorilla findet sich im Zoo- und Zirkusabschnitt von »Das neue deutsche Leben«.
Über ihn der Abschnitt im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Zu ihm der Beginn des Abschnitts »Großmacht und Krise« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Dazu der Zeitungsabschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Dazu der Salon-Abschnitt im Kapitel »Die alte Gesellschaft«.
Es hat später auch sehr lange gedauert, bis vergessen wurde, wer am 20. April Geburtstag hatte. Damit sollen die beiden Geburtstage nicht verglichen werden, wohl aber die Nachhaltigkeit, man kann auch sagen: die Penetranz, mit der sich Macht, selbst noch bei Nebensächlichkeiten, im Gedächtnis einnistet.
Dazu der entsprechende Abschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Dazu der Telegraphie-Abschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Das Dynamit wurde erst 1866 von Alfred Nobel erfunden.
Sein »Königgrätzer Marsch« wird vom Musikkorps der Bundeswehr heute noch gespielt. Zum Beispiel bei feierlichen Gelöbnissen oder bei Empfängen ausländischer Staatsgäste mit ›militärischen Ehren‹, allerdings nicht, wenn der Besuch aus Österreich kommt.
Das bizarre und später viel verhöhnte Staatsgebilde brach im Ersten Weltkrieg zusammen, der auch das Ende des Osmanischen und des Zarenreichs mit sich brachte.
Zu beidem die entsprechenden Abschnitte im Kapitel »Errungenschaften«.
Zu ihm der entsprechende Abschnitt im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Dazu eine Passage im Abschnitt über den deutsch-österreichischen Krieg im Kapitel über die Einigungskriege.
Dazu der Abschnitt »Die Wohnungsfrage« im Kapitel »Große Fragen«.
Über ihn ein Abschnitt im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Von dem berühmten Gemälde gab es vier verschiedene Fassungen, von denen nur die dritte, im Auftrag des Kaisers zu Bismarcks siebzigsten Geburtstag 1885 angefertigte Variante erhalten ist. Auf dieser ist auch Kriegsminister Roon zu sehen, der bei der Kaiserproklamation krankheitshalber gar nicht anwesend war.
Zum Kampf um das Frauenwahlrecht der Abschnitt über die »Frauenfrage« im Kapitel »Große Fragen«.
Die Dresdner Bank überlebte die Finanzkrise 2007 nicht und ging 2009 in die Commerzbank ein – oder in der Commerzbank unter, wie manche sagen. Zum Finanzwesen der Bismarckzeit der Bleichröder-Abschnitt im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Dazu der entsprechende Abschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Zu Krupp der Abschnitt im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«, zu den Eisenbahnen der Abschnitt in »Errungenschaften«, zu Siemens der Abschnitt über Telegraphie im gleichen Kapitel und ein Abschnitt in »Große Männer«.
Über Pferd und Bahn und Pferdebahn der Abschnitt »Etwas vom Pferd erzählt« im Kapitel »Errungenschaften«.
Zu den Zeitungen und Zeitschriften ein Abschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Die Stimme der Patti ist zu hören auf einer Walzenaufnahme von 1905: de.wikipedia.org/wiki/Adelina_Patti
Zum Aufstieg der Sozialdemokratie der Abschnitt über die Arbeiterfrage im Kapitel »Große Fragen«.
Zur Gartenlaube eine Passage im Zeitungsabschnitt des Kapitels »Errungenschaften«.
Diesen Namen trug der Platz vor dem Brandenburger Tor. Er wurde von einem Adelspalast begrenzt, der für das Reichstagsgebäude, errichtet zwischen 1884 und 1894, abgerissen wurde. Heute heißt das Areal Platz der Republik. Die Siegessäule wurde 1938/39 zum Großen Stern umgesetzt, desgleichen die Denkmäler Bismarcks, Roons und Moltkes.
Die Erhöhung um eine vierte Trommel erfolgte erst bei der Umsetzung zum Großen Stern. Das Aufsetzen der vierten Trommel war voreilig, diesmal ging der Krieg verloren.
Dazu der Abschnitt »Krupp und die Kanonen« im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Dazu auch der Zeitungsabschnitt des Kapitels »Errungenschaften«.
Heute befindet sich dort ein dem Komponisten gewidmetes Museum.
Mehr zu ihm im nächsten Abschnitt.
Daressalam ist im heutigen Tansania die größte Stadt und Regierungssitz, aber nicht mehr Hauptstadt. Das ist seit 1974 Dodoma, 1907 von Deutschen gegründet.
Das heutige Aného.
Zur Veranschaulichung der Größenverhältnisse: ›Vater Rhein‹ ist gut 1200 Kilometer lang, sein längster Nebenfluss, die Maas, rund 900 Kilometer. Der Kongo ist also fünfmal länger als die ganze, durch Frankreich, Belgien und die Niederlande fließende Maas. Leopolds Kongostaat wiederum war 75-mal größer als Leopolds Belgien.
Der Zahn befindet sich mit ähnlichen Objekten in der ethnographischen Sammlung des Berliner Humboldt Forums.
Dazu eine Passage in »Besuch in der neuen Hauptstadt«.
Dazu der Abschnitt über das Duell im nächsten Kapitel.
Dazu der Abschnitt über das Duell in diesem Kapitel.
Dazu im Kapitel »Besuch in der neuen Hauptstadt« die Passage zur Nummer 73.
Über Menzel, Virchow und Siemens die Abschnitte im Kapitel »Große Männer«.
Zu diesem Prozess die Passage im Abschnitt »Ehe und Familie« im nächsten Kapitel.
Zu diesem Genre siehe den Anfang von »Besuch in der neuen Hauptstadt«.
Zum Antisemitismus siehe den letzten Abschnitt im Kapitel »Große Fragen«.
Manche Militariasammler lehnen die höhnische Herleitung ab und bevorzugen den etymologischen Rückgriff auf die ›Beckenhübe‹.
Das Gebäude ist erhalten und beherbergt heute das Literarische Colloquium.
Zu ihr die Passagen im Abschnitt »Großmacht und Krise« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Wie am Ende des Abschnitts »Kurze Blicke in bürgerliche Salons« beschrieben.
Über den Lehrerinnenberuf eine Passage im Abschnitt »Die Frauenfrage« des Kapitels »Große Fragen«.
Tolstois Roman beginnt mit einem der berühmtesten Anfangssätze der Weltliteratur, der zugleich einer der berühmtesten Sätze über das Familienleben ist: »Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise.« Über den Sachgehalt dieses geschickten Satzes soll in dieser Fußnote nicht gestritten werden.
Zur Thematisierung des Dienstpersonals in Fontanes Texten und zur »Dienstmädchenfrage« überhaupt der entsprechende Abschnitt im Kapitel »Große Fragen«.
Dazu die Passage im Abschnitt über »Duell und Mensur« im Kapitel »Die alte Gesellschaft«.
Mehr über ihn im Abschnitt »Leberecht Hühnchen und das kleine Glück« im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Papst Franziskus sah sich zu Beginn der Adventszeit 2019 veranlasst, im »apostolischen Schreiben« Admirabile signum an »die Bedeutung und den Wert der Weihnachtskrippe« zu erinnern.
Zum deutsch-französischen Krieg der Abschnitt im Kapitel über die Einigungskriege. Zum Barackenlazarett eine Passage im Virchow-Abschnitt des Kapitels »Große Männer«.
Ich schließe mich der zeitgenössischen Schreibweise an: Telegraphie, Telephonie, Photographie.
Heute bewacht er als Statue eine Kreuzung an der Potsdamer Brücke in Berlin. Eigentlich weniger eine Ehre als eine Strafe, wenn man bedenkt, was da Tag und Nacht ununterbrochen an ihm vorbeifährt – oder im Stau steht.
Dazu der Abschnitt »Großmacht und Krise« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Die zusammengehörenden Bilder wurden durch die Auslagerung während des Zweiten Weltkrieges getrennt. Dabei ging das ›Damenbild‹ verloren, der Herr blieb dem Berliner Kupferstichkabinett erhalten. Jahrzehnte später wurde die Dame gefunden und 2019 erstmals wieder zusammen mit ihrem Gegenüber gezeigt.
Dazu der Abschnitt »Der Krieg gegen Frankreich« im Kriegskapitel.
Fragt sich übrigens, warum wir sagen, dass Vögel auf ihren Beinen ›sitzen‹.
Die Gesamtlänge der heutigen rund 400 Datenkabel auf dem Meeresboden wird auf 1,2 Millionen Kilometer geschätzt.
Dazu der Abschnitt über den dänischen Krieg im Kapitel über die Einigungskriege.
Über diesen Krieg der entsprechende Abschnitt im Kapitel über die Einigungskriege.
Zur Sozialdemokratie der Abschnitt »Die Arbeiterfrage« im Kapitel »Große Fragen«, zu den bildungspolitischen Auffassungen Liebknechts der Abschnitt »Ist Wissen Macht?« im nächsten Kapitel.
Zur Durchsetzung der ›Zivilehe‹ im ›Kulturkampf‹ der Abschnitt »Ehe und Familie« im Kapitel »Das neue deutsche Leben«.
Zu Strousberg und überhaupt zur Beeinflussung der Presse durch Wirtschaftskreise der Abschnitt »Großmacht und Krise« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Dazu auch eine Passage des Abschnitts »Duell und Mensur« im Kapitel »Die alte Gesellschaft«.
Zu Marlitts in der Gartenlaube abgedrucktem Fortsetzungsroman Goldelse der entsprechende Abschnitt im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Zu sehen auf: youtube.com/watch?v=74C0Shgcl8s&list=PL8M30A_ULup6Lax41Jbt5mEfYwwIYJLpM
Auch diesen Film kann man ansehen: labournet.tv/video/6022/arbeiter-verlassen-die-lumiere-werke
Ein Photo der Photokamera auf der Seite des Uhinger Museums: foto-museum-uhingen.de/herzstücke-unserer-sammlung/minikameras-spionage/
Im österreichischen Böhmen hatte sich die Anbaufläche für Zuckerrüben zwischen den frühen 1850ern und den frühen 1870ern verzwanzigfacht: auf 123800 Hektar.
Dazu der Abschnitt »Vom Alltag zu Hause« im Kapitel »Das neue deutsche Leben«.
Dazu der Abschnitt über Siemens im Kapitel »Große Männer«.
Dazu die Einleitungspassage zum Kapitel über die Einigungskriege.
Dazu der Abschnitt »Großmacht und Krise« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Dazu der Abschnitt »Ein Jugendstreich auf alte Tage« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrach«.
Letzteres kommt auch heute noch vor, wie 2020 der Bilanzskandal um die Wirecard AG gezeigt hat.
Dazu der Anfang von »Am Anfang die Revolution«.
Dazu eine Passage des Abschnitts »Auswanderung nach Amerika« im Kapitel »Gründerzeit – Gründerkrise«.
Dazu entsprechende Passagen in verschiedenen Abschnitten des Kapitels »Große Fragen«.
Zu diesen und ähnlichen Auffassungen siehe auch die Abschnitte »Die Dienstmädchenfrage« und »Die Frauenfrage« im Kapitel »Große Fragen«.
Dazu der Marx-Abschnitt im Kapitel »Große Männer«.
Zu ihm auch eine kurze Passage zu Beginn des Weihnachtsabschnittes im Kapitel »Das neue deutsche Leben«.
Die Fontane-Stelle im Abschnitt »Ist Wissen Macht?« in diesem Kapitel.
Zu den Auswirkungen des Gesetzes auf die sozialdemokratische Reichstagsfraktion der Abschnitt über die Arbeiterfrage im nächsten Kapitel.
Dazu der Abschnitt »Krupp und die Kanonen« im Kapitel »Großbürger, Bildungsbürger, Kleinbürger«.
Zu Virchow der Abschnitt im Kapitel »Große Männer«.
Zu ihr und ihrem Verein die Schlusspassage des Virchow-Abschnitts im Kapitel »Große Männer«.
Konkrete Einzelbeispiele zu den Wohnkosten im Alltagsabschnitt des Kapitels »Das neue deutsche Leben«.
Dazu der entsprechende Abschnitt im Kapitel »Errungenschaften«.
Zu Staegemann die »Erinnerung an eine ›Hyäne‹« im Kapitel »Große Männer«.
So die damals gängige Bezeichnung.
Der Verein, der heute nur noch so heißt, rechtlich jedoch eine Stiftung ist, hat die ›politische Emanzipation der Frauen‹ überlebt. In seinen Berufsfachschulen werden inzwischen auch junge Männer ausgebildet.
Zu Treitschke auch der Abschnitt über die ›Judenfrage‹ im Kapitel »Große Fragen«.
Zu dieser Aufbahrung eine Passage in »Am Anfang die Revolution«.
Zu diesem Gemälde der Abschnit »Auf dem Hofball« im Kapitel »Die alte Gesellschaft«.
Gemeint ist Dante. Das – leicht abgewandelte – Zitat entstammt dem »Fegefeuer« in dessen Göttlicher Komödie.
Preußen hatte die Genfer Konvention (»Konvention zur Verbesserung des Loses der verwundeten Soldaten der Armeen im Felde«) von 1864 unterzeichnet.
Sie selbst könnte in der nach ihr benannten Straße allerdings nicht wohnen. In einem der dortigen Neubauten beläuft sich beispielsweise die Monatskaltmiete für eine Dreizimmerwohnung mit 80 Quadratmetern auf knapp 2000 Euro.
Das Jahr ist ungesichert. Ottilie Baader und Lina Morgenstern nennen 1872, Clara Zetkin 1873. Die heutige Publizistik datiert auf Februar 1873. Die Abweichung bei den Zeitgenossinnen kommt möglicherweise dadurch zustande, dass der Bezug einmal die offizielle Gründungsversammlung und das andere Mal eine vielleicht schon vorher stattgefundene erste Versammlung war.
Eine Welt(!)karte mit Bismarck-Orten auf bismarckierung.de. Eine beschreibende Turmliste mit Photos auf wikipedia.org/wiki/Liste_von_Bismarcktürmen. Es fällt auf, wundert aber nicht, dass in Bayern die Denkmaldichte recht gering ist, und zwar umso geringer, je weiter hinab nach Süden es geht.
Für Più
»Wir leben in der Zeit der materiellen Interessen.«
Otto von Bismarck
Ein Blitz zuckt durchs Halbdunkel. Sein Licht fällt auf das Gesicht eines schnauzbärtigen Mannes, der reglos im Bett liegt. Zwei Gestalten stehen für einen bizarren ›historischen Moment‹ vom Licht wie aus dem Morgengrauen geschnitten im Raum. Die eine schaut durch eine Kamera auf einem Stativ, die andere hält eine Magnesiumlampe in die Höhe. In eine Ecke gedrückt beobachtet der Totenwächter die Photographen. Er hat den beiden gegen Geld in den frühen Morgenstunden des 31. Juli 1898 ermöglicht, durch ein Fenster in das Sterbezimmer des Mannes zu steigen, der die preußische, deutsche und europäische Politik jahrzehntelang maßgeblich mitbestimmt, zeitweise dominiert hat. Sein Kopf wurde auf dem Kissen von den Photographen für das makabre Porträt zurechtgerückt. Ein übersehenes Nachtgeschirr, das nach dem Entwickeln des Bildes zum Vorschein kommt, wird retuschiert. Die Photographen machen es so ähnlich wie ihr Objekt: Bismarck war in seinen Memoiren notorisch unzuverlässig, die Kleinigkeiten und Kleinlichkeiten, gewissermaßen die Nachtgeschirre des Geschehens, hat er bei dessen Verwandlung in Geschichte retuschiert. Das Photo wiederum wurde über Annoncen in Berliner Zeitungen zum Verkauf angeboten. In einem darauf folgenden Prozess verurteilte das Gericht die Photographen und den bestechlichen Totenwächter zu Gefängnisstrafen.
Otto Eduard Leopold von Bismarck kam am 1. April 1815 im altmärkischen Schönhausen zur Welt, gut anderthalb Monate vor der endgültigen Niederlage Napoleon Bonapartes am 18. Juni in der Schlacht bei Waterloo. Der Sieg der britischen und preußischen Armeen hatte die Festsetzung Napoleons als britischen Gefangenen auf St. Helena und den Zusammenbruch des Kaiserreichs zur Folge. Anstelle von Napoleon II., dem einzigen Sohn Bonapartes, ergriff ein Bourbone als König Ludwig XVIII. in Frankreich die Macht, dem als letzter Bourbone Karl X. folgte. Die Pariser Julirevolution von 1830 brachte Louis Philippe an die Macht – den ›Bürgerkönig‹, der seine Krone dem Parlament verdankte –, bis die Revolution von 1848 die Monarchie durch eine Republik ersetzte, der wiederum Charles-Louis Napoleon, ein Neffe Bonapartes, im Dezember 1851 mit einem Staatsstreich ein Ende machte. Ein Jahr später ließ er sich als Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen ausrufen, mit Seitenblick in den Spiegel der Geschichte symbolbewusst am 2. Dezember, jenem Tag, an dem sich Napoleon Bonaparte 1804 selbst zum Kaiser gekrönt hatte.
Knapp neunzehn Jahre später, Anfang September 1870, geriet Napoleon III. nach der verlorenen Schlacht bei Sedan in preußische Gefangenschaft. In Paris wurde wieder eine Republik ausgerufen, nach 1789 und 1848 nunmehr die dritte, und der gestürzte Potentat wurde im Kasseler Schloss Wilhelmshöhe untergebracht, wiederum mit Seitenblick in den Spiegel der Geschichte. Denn während der Besetzung deutscher Länder durch französische Truppen von 1806 bis 1813 hieß die Wilhelmshöhe – benannt nach einem hessischen Landgrafen – zeitweise Napoleonshöhe und war Residenz des als ›König von Westphalen‹ installierten Jérome Bonaparte, Napoleons jüngstem Bruder.
Während sich der gestürzte und auf der Wilhelmshöhe festgesetzte Kaiser der Franzosen an einen Aufenthalt als kleiner Junge bei seinem Onkel auf der Napoleonshöhe zu erinnern suchte, wurde am 18. Januar im Schloss von Versailles der preußische König Wilhelm I. zum Kaiser ausgerufen, von Bismarck wieder mit Blick in den Spiegel der Geschichte arrangiert, denn am 18. Januar 1701 hatte sich der Kurfürst von Brandenburg in Königsberg als Friedrich I. zum König in Preußen gekrönt, und Wilhelm I. hatte mit seiner Selbstkrönung am 18. Oktober 1861 in Königsberg das von Volk und Verfassung unabhängige Gottesgnadentum seiner Herrscherwürde bekräftigt. Im Jahr darauf, am 8. Oktober 1862, ernannte er Bismarck zum preußischen Ministerpräsidenten, ohne vorhersehen zu können, dass ihm dieser Mann keine zehn Jahre später die Kaiserkrone aufdrängen würde.
Einen »Witz der Geschichte« nannte es Bismarck, dass die nach Versailles gereiste Delegation des Norddeutschen Reichstages von Eduard Simson angeführt wurde, der 1849 als Präsident der Frankfurter Nationalversammlung einer Deputation vorgestanden hatte, die Wilhelms Vorgänger Friedrich Wilhelm IV. die Kaiserwürde antrug – die der gar nicht wollte: Preußische Herrscher pflegten ihre Kronen nicht von dahergelaufenen Parlamentariern zu empfangen, sondern von Gott und aus eigener Hand unter Zustimmung der deutschen Fürsten.
1870 war der ranghöchste dieser Fürsten König Ludwig II. von Bayern. Er bat den aus Preußenstolz widerstrebenden Wilhelm im Namen der übrigen Fürsten in einem Brief um die Annahme des Kaisertitels. Der eigentliche Verfasser des Briefes war Bismarck als Verfechter der kleindeutschen Lösung der deutschen Einheitsfrage unter Preußens Führung beim gleichzeitigen Ausschluss Österreichs. Die Rolle als Botenjunge des preußischen Ministerpräsidenten ließ sich der bau- und wagnersüchtige Bayernkönig im Wortsinn vergolden: mit 300000 Goldmark jährlich.
Was Bismarck bei seinem historischen Triumphmoment als ›Reichsgründer‹ im Spiegelsaal von Versailles am 18. Januar 1871 nicht vorhersehen konnte, war die Versammlung, die am 18. Januar 1919 die Beratungen über den Vertrag zur Beendigung des Ersten Weltkriegs aufnahm, der ein halbes Jahr später von der deutschen Delegation unter Protest unterschrieben und in der Weimarer Republik zum Racheanker des Revanchismus wurde.
Das zweite Deutsche Reich, nach lange verzögerter Einheit aus symbolischen Gründen überstürzt am 18. Januar 1871, noch vor der Beendigung des Krieges mit Frankreich, gegründet, währte recht kurz – knapp 48 Jahre, bis zur Novemberrevolution 1918. Das dritte, das ›Tausendjährige Reich‹, brach nach zwölf Jahren zusammen, die Hälfte davon Kriegsjahre – Jahre eines verlorenen Krieges, trotz der von Albert Speer zum Großen Stern umgesetzten Siegessäule[1], eingeweiht 1873 zum dritten Jahrestag des Sieges von Sedan, und trotz des in unmittelbarer Nähe aufgestellten Bismarck-Denkmals, das ursprünglich vor dem Reichstag stand, noch nach des Kanzlers Tod die Abgeordneten einschüchternd.
Während sein Standbild die Parlamentarier in Schach hielt, fuhr er selbst von Walküren eskortiert in den germanischen Götterhimmel auf wie ein Krieger der nordischen Sagenwelt, so jedenfalls stellt es ein zeitgenössisches Gemälde von Alexander Zick dar. Die Walküren hatten sich unter der musikalischen Leitung von Richard Wagner zu einer deutschen Männerphantasie ausgewachsen. Als 1876 im gerade fertiggestellten Bayreuther Festspielhaus der »Walkürenritt« in Wagners Oper ertönte, saßen Kaiser Wilhelm und Bismarcks Kaiserbote König Ludwig von Bayern im Publikum. Der ›Drive‹ dieser Musik, wie man heute sagen könnte, wurde später ein Mittel der Ästhetisierung des Krieges, vor allem des Angriffskrieges aus der Luft, sei es in propagandistischer (wie bei der Deutschen Wochenschau von 1941 über die Luftlandung auf Kreta) oder in kritischer Absicht (wie in Coppolas Kinofilm Apocalypse Now von 1979 beim Hubschrauberangriff auf ein vietnamesisches Dorf).
Die deutsche Mannsbesessenheit von den germanischen Heroinen ging so weit, dass die nationalsozialistischen Maßnahmen zur Niederschlagung eines Aufstands gegen das Regime als »Operation Walküre« zusammengefasst wurden. Die Widerstandskämpfer vom 20. Juli 1944 wiederum übernahmen die Bezeichnung für die eigenen Umsturzpläne mit dem Ziel einer vorläufigen Machtübernahme durch das Militär.
Keine zehn Monate nach dem gescheiterten Umsturz kapitulierte die Wehrmacht, und die drei Siegermächte – Frankreich, dessen Hauptstadt von Juni 1940 bis August 1944 von der Wehrmacht besetzt war, gehörte nicht dazu – teilten auf einer Konferenz in Potsdam, der Symbolstadt für preußischen Militarismus, das zerstörte Land und die ehemalige Hauptstadt Berlin in vier Zonen beziehungsweise Sektoren auf, aus denen 1949 die beiden deutschen Staaten hervorgingen.
In Ostberlin wurde das im Krieg teilweise ausgebrannte Stadtschloss der Hohenzollern abgebrochen, später an seiner Stelle der Palast der Republik errichtet, der nach dem Zusammenbruch der DDR seinerseits abgebrochen wurde. Inzwischen steht an dieser Stelle ein Museumsbau mit fingierter, höflicher gesagt: rekonstruierter Barockfassade, der faktisch an den Wilhelminismus erinnert, aber vorsichtig nach den Brüdern Humboldt benannt ist. In Westberlin wurde die 1895 am Vorabend des 25. Jahrestages des Sieges bei Sedan eingeweihte Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche als ausgebaute Ruine zur ›Gedächtniskirche‹ des Bombenkrieges.
Der Nimbus ›Bismarck‹ hat wie alle vorhergehenden Kriege auch diesen überlebt. In der zertrümmerten Gedächtniskirche schaut der ›Eiserne Kanzler‹ grimmig und schnauzbärtig aus der Hinterwand eines Reliefs und blickt uns über einen militärischen Kartentisch hinweg an, als wäre nichts geschehen: keine Weltkriege, keine europäischen Revolutionen, keine deutsche Teilung, keine Wiedervereinigung.
Den letzten großen Auftritt hatte Bismarck 1990 anlässlich des hundertsten Jahrestages seiner Entlassung als Kanzler. Hingegen wurde 2021 der 150. Jahrestag der Reichsgründung in Versailles mit größtmöglicher Zurückhaltung begangen. Die Würdigung von 1990 fand statt in dem 1877 bis 1881 nach Entwürfen von Martin Gropius errichteten Kunstgewerbemuseum, im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, von 1978 bis 1981 wieder aufgebaut und dann nach Martin Gropius benannt. Die dort installierte Ausstellung dauerte vom 26. August bis zum 25. November. Dazwischen wurde am 3. Oktober die ›Wiedervereinigung‹ gefeiert, staatsrechtlich der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland.
Mitunter erlaubt sich die Geschichte den Scherz, schneller zu sein als ihre Historiker. Als die Ausstellung über Bismarck, Gründerzeit und Kaiserreich Mitte der 1980er in die Planung ging, konnte niemand vorhersehen, dass es während ihrer Dauer zur deutschen Vereinigung kommen würde. Inzwischen ist die historische Beantwortung der ›deutschen Frage‹ selbst historisch geworden. Der Abstand zu den nationalen Ereignissen hat sich vergrößert und der europäische Horizont erweitert.
1889, hundert Jahre vor der ›Friedlichen Revolution‹ und dem Fall der Mauer, sagte Bismarck einem Abgesandten des amerikanischen Erfinders Thomas Edison zuliebe ein paar Sätze für eine Phonographenwalze, darunter ausgerechnet der Anfang der Marseillaise: »Allons enfants de la Patrie, le jour de gloire est arrivé.«
Mit diesem Buch über die Bismarckzeit ist die vierteilige Reise in die deutsche Geschichte vom 16. bis zum 19. Jahrhundert abgeschlossen. Wie die drei Vorgänger ist auch dieser Band strukturoffen angelegt. Die einzelnen Kapitel und deren Abschnitte bleiben verständlich, auch wenn sie nicht in der angebotenen Reihenfolge gelesen werden. Es sei aber darauf hingewiesen, dass der innere Aufbau besser sichtbar wird und die vielen Geschichten innerhalb der Geschichte leichter nachzuvollziehen sind, wenn man der Darstellung kontinuierlich folgt.
Zentriert um die im Verlauf der deutschen Geschichte symbolisch maßlos erhöhten, zugleich auch be- und überlasteten Gestalten Luther, Bach, Goethe und Bismarck, wollen diese Zeitreisen mehr sein als touristische Ausflüge in die Vergangenheit, ohne sich deshalb zu überfliegerischen ›Gesamtdarstellungen‹ der Epochen zu erheben. Sie bleiben auf dem Boden der Tatsachen, vor allem denen des alltäglichen Lebens der Menschen. Wie viel sich daraus lernen lässt, sei dahingestellt. ›Historia‹ ist eine unberechenbare Lehrerin.
Extrablatt! Extrablatt! »Telegraphische Depesche. Paris, den 24. Februar 1 Uhr Nachmittags. Der Minister des Innern an den Präfekten des Niederrheins. Louis Philippe I. hat die Krone niedergelegt.« Die 1848 in den Berliner Straßen ausgerufene Sonderseite der Vossischen Zeitung kommentiert die Ereignisse mit Sorge: »Dem gegenwärtigen Zustand Frankreichs und Europas gegenüber erscheint diese Wendung der Dinge durch ihre Plötzlichkeit, Gewaltsamkeit und in dem jede Erwartung übersteigenden Maaß außerordentlicher, vielleicht auch folgenschwerer, als selbst die Julius-Revolution.« Die ›Julius-Revolution‹ 1830 hatte dem ›Bürgerkönig‹ die Krone aufgesetzt, die ihm jetzt die rebellierenden Pariser Arbeiter wieder herunterrissen.
Die Furcht des Berliner Bürgertums, der Berliner Behörden und des Berliner Hofes vor dem, was kommen sollte, wurde vergrößert durch die Erinnerung an das, was bereits geschehen war. Immerhin lag die Französische Revolution erst gut zwei Generationen zurück, und während der vergangenen Jahre hatte es ebenfalls Aufstände gegeben, die erahnen ließen, welche Gefahr der bürgerlichen Ordnung, dem bürgerlichen Besitz und der Monarchie drohte, wenn die Besitzlosen auf die Barrikaden gingen – oder auch nur die Kartoffelstände stürmten.
Im April 1847 hatten hungernde Berliner Arbeiterfrauen, die den halben Tageslohn ihrer Männer für eine Familienration Kartoffeln hergeben mussten, auf dem Molkenmarkt und dem Gendarmenmarkt die Stände der Händler umgestürzt und die herumkullernden Knollen in ihre Schürzen gerafft. Die dabeistehenden Marktpolizisten waren schlau genug gewesen, nicht einzugreifen, und retteten dadurch ihre Haut. Als es in den Folgetagen zu Plünderungen von Fleischer- und Bäckerläden durch arbeits-, wohnungs- und brotlose Stadtarme kam, jene Unterschicht der Unterschicht, die Marx und Engels als ›Lumpenproletariat‹ bezeichneten, wurde das Militär aus den Berliner Kasernen geholt und dem Rabatz ein Ende gemacht. Der Mob schmiss zwar dem Oberbefehlshaber, Prinz Wilhelm von Preußen, dem späteren königlichen und ab 1871 kaiserlichen Chef Bismarcks, die Fensterscheiben ein, aber auf die Straßen und Marktplätze kehrte die Ruhe und mit ihr die Geschäftigkeit des Alltages zurück.
Die plebejische Berliner Kartoffelrevolte, und sie war nur eine von über hundert lokalen Unruhen in den deutschen Gebieten seit 1840, signalisierte etwas sehr viel Gefährlicheres als das Hambacher Fest von 1832 mit seiner bildungsbürgerlichen Begeisterung in Schwarz-Rot-Gold oder als der verratene und missratene Studentensturm auf die Frankfurter Hauptwache ein knappes Jahr später. Der Plebejerrabatz in Berlin führte den Herren des Hofes und den Honoratioren der Stadt vor Augen, dass man Bajonette gegen die Hungernden braucht, wenn man keine Kartoffeln hat, um sie satt zu machen. Das war von den Behörden versäumt worden – erst kümmerte man sich nicht rechtzeitig um eine Notversorgung, dann war man zur Aufrechterhaltung der Ordnung nicht fähig. Und ebendies wurde später von Bismarck auf sozialpolitischer Ebene berücksichtigt – Minimalversorgung der ›arbeitenden Klasse‹ und Sozialistengesetz, obrigkeitsstaatlich gewährte Wohltätigkeit und obrigkeitsstaatlich erzwungenes Wohlverhalten.[2] »Revolution machen in Preußen nur die Könige«, sagte Bismarck gern, und solange er die Macht hatte, tat er alles, diesem Versprechen (nach oben) und dieser Drohung (nach unten) politisch und polizeilich Nachdruck zu verleihen. Gleichzeitig scheute er sich nicht, das liberale Bürgertum in Preußen mit der Erinnerung an aufrührerische Volksmassen zu erschrecken und die liberalen Parteien im Reichstag mit dem allgemeinen Wahlrecht[3] in Schach zu halten. Mit den deutschen Potentaten verfuhr er ähnlich: »Was wollen die kleinen Fürsten?« – »sie wollen vor allem auf ihren Thronen bleiben, fürchten sich wohl vor uns, aber noch mehr vor der Revolution.«
Nach dem Thronverzicht des ›Bürgerkönigs‹ eskalierte in Paris das Geschehen. Die telegraphisch übermittelten Berichte und die Verbreitung dieser Berichte durch die Extrablätter der Zeitungen ließen bei den einen die Sorge wachsen, bei den anderen den Mut: Schon wenige Tage nach Beginn der Pariser Erhebung kam es in den rheinländischen Gebieten zu Aufständen, im März folgten Bauernrevolten im Schwarzwald, im Odenwald, in Franken, Hessen, Thüringen und Sachsen, vereinzelt sogar in Mecklenburg. In den Industriebetrieben des Rheinlandes und in Sachsen kam es zur Demolierung von Maschinen, an Rhein und Donau griffen Fährleute Dampfschiffe an und die Fuhrleute von Nassau die Taunus-Eisenbahn.
Das alles waren Scharmützel, aber in Paris und Wien, in Dresden und Berlin ähnelten die Kämpfe eher dem Krieg, allerdings ohne dessen völkerrechtliche Einhegung. In einer Schrift für preußische Unteroffiziere verlangte Friedrich Gustav Graf von Waldersee, Kommandeur der preußischen Einheiten, die den Aufstand in Dresden niederschlugen: »Jeder in einem eroberten Hause oder auf einer Barrikade mit den Waffen in der Hand betroffene Empörer […] ist auf der Stelle niederzumachen. Es dürfen hier nämlich nicht die Rücksichten eintreten, welche in einem ehrlichen Kampfe […] gegen geregelte Truppen einer mit uns im offenen Kriege begriffenen Macht von der Menschlichkeit, dem Großmuth und dem Völkerrechte geboten werden.«
Das Niederwerfen der Revolution in Paris im Juni kostete schätzungsweise 1500 Soldaten und etwa 5000 Aufständische das Leben. In Wien – der Hof war nach Innsbruck geflohen – kamen im Oktober 1848 etwa 1000 Menschen bei Einsätzen vor allem tschechischer und kroatischer Truppen um. Im sächsischen Dresden – der Hof war auf die Festung Königstein geflohen – beschossen preußische Truppen im Mai 1849 die Barrikaden mit Artillerie, es gab 250 Tote. Zur Entmachtung der aufständischen Armee in Baden marschierte Prinz Wilhelm, dem man während der Kartoffelrevolte die Scheiben eingeschmissen hatte, mit 54000 Soldaten ins Großherzogtum. Auf die Niederlage der revolutionären Truppen und die Kapitulation der Festung Rastatt folgte eine Serie von Exekutionen. Die aufständischen Soldaten erlitten ebenjenes Schicksal, das sie in einer ihrer Petitionen beklagt hatten: »Mit Wehmuth und tiefer Entrüstung blicken wir auf die entsetzlichen Vorgänge in Paris, Wien und Berlin, wo königliche Unmenschlichkeit den Soldaten zum Würger seiner Brüder und Väter herabwürdigte.«
Zu diesem Zeitpunkt war die Deutsche Nationalversammlung in Frankfurt, wie die Preußische Nationalversammlung in Berlin im Mai 1848 gewählt, bereits aufgelöst. Das im März 1849 noch verabschiedete Grundgesetz blieb wirkungslos, und wirkungslos bis zur Novemberrevolution 1918 blieben die darin erklärten »Grundrechte des deutschen Volkes«, darunter § 137: »Der Adel als Stand ist aufgehoben. Alle Standesvorrechte sind abgeschafft. Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich. Alle Titel, insoweit sie nicht mit einem Amte verbunden sind, sind aufgehoben und dürfen nie wieder eingeführt werden.« Es wurden keine Titel aufgehoben, sondern weitere eingeführt, und Bismarck setzte fortan aus Protest gegen den Frankfurter Verfassungsversuch das v. vor seinen Namen, das er bis dahin aus Nonchalance weggelassen hatte.
Die Preußische Nationalversammlung war schon am 15. November des Vorjahres vom Militär aufgelöst worden. Im Juni noch hatten Arbeiter und Tagelöhner das Berliner Zeughaus gestürmt, diesmal nicht, um an Kartoffeln, sondern um an Waffen zu kommen. Aber am 10. November besetzte General Wrangel mit 13000 Soldaten die Stadt, rief zwei Tage später den Belagerungszustand aus und machte den Unruhen, die im März begonnen hatten, ein Ende.
Für den König, für den Adel, für das Besitzbürgertum und auch für Bismarck hatten die Märzereignisse eine besondere Bedeutung als Symbol und zugleich als Lehrstück des Straßenkampfs um die Macht. Man kann einzelne Rabatzmacher erschießen oder ein Dutzend oder ein paar Hundert, aber nicht ein ganzes Volk; man kann Rädelsführer aus der Menge fischen und füsilieren, aber nicht das ganze Volk; man kann über Leichen gehen, aber wehe, wenn das Volk zur Duldung nicht länger bereit ist und wenn die Gefahr besteht, dass die einfachen Soldaten ihre Gewehre nicht mehr auf die Menge, sondern auf ihre Offiziere richten. Alfred Heinrich Graf von Waldersee, hoher preußischer Militär mit Präventivkriegsinstinkt nach innen und außen, schrieb noch 1877 an Generalfeldmarschall Edwin von Manteuffel, der 1848 königlicher Adjutant gewesen war, »wir brauchen bald eine Armee, klein und gut bezahlt, die ohne Bedenken, sobald es verlangt wird, die Kanaille zusammenschießt.« Und Wilhelm II. verlangte im November 1891 von frisch vereidigten Rekruten: »Ihr habt Mir Treue geschworen […], ihr habt euch Mir mit Leib und Seele ergeben […]. Bei den jetzigen socialistischen Umtrieben kann es vorkommen, daß Ich euch befehle, eure eigenen Verwandten, Brüder, ja Eltern niederzuschießen – was ja Gott verhüten möge –, aber auch dann müßt ihr Meine Befehle ohne Murren befolgen«. Solche Sätze können noch heute den Wunsch provozieren, die revolutionären Soldaten hätten im November 1918 den Kaiser vor die Gewehrläufe bekommen.
Bei den Berliner Barrikadenkämpfen im März 1848 und während der Auseinandersetzungen in den folgenden Wochen kamen etwa 300 Aufständische und 50 Soldaten ums Leben. Wie oft in historischen Schlüsselmomenten, etwa beim Sturm auf die Bastille 1789, führte auch diesmal ein Zufall in die Eskalation, die – nun anders als 1789 – durch Umsicht, Glück und Härte auf Seiten der Machthaber wieder eingedämmt werden konnte. Nachdem in eine vor dem König auf dem Schlossplatz demonstrierende Menge hineingeschossen worden war, befahl Friedrich Wilhelm IV. gegen den Widerstand seiner Generäle den (einstweiligen) Rückzug des Militärs aus der Stadt, zog vor den aufgebahrten Leichnamen den Hut und ritt mit schwarz-rot-goldener Armbinde durch die Straßen. Er spürte: Man muss das Volk beruhigen, man darf jetzt nicht den Kopf verlieren, sonst verliert man ihn unter der Guillotine. Sie drohte noch in Ferdinand Freiligraths Fluchgedicht Die Todten an die Lebenden: »Die Kugel mitten in der Brust, die Stirne breit gespalten, / So habt ihr uns auf blut’gem Brett hoch in die Luft gehalten! / Hoch in die Luft mit wildem Schrei, daß unsre Schmerzgeberde / Dem, der zu tödten uns befahl, ein Fluch auf ewig werde! / Daß er sie sehe Tag und Nacht, im Wachen und im Traume – / Im Oeffnen seines Bibelbuchs wie im Champagnerschaume! / […] Mög’ er das Haupt nun auf ein Bett, wie andre Leute pflegen, / Mög’ er es auf ein Blutgerüst zum letzten Athmen legen!«
Ebendies wusste Friedrich Wilhelm zu vermeiden. Auf die wenigen, aber wirksamen Augenblicke der Ehrenbezeugung für die ›Märzgefallenen‹ folgte eine Gegenrevolution von jahrzehntelanger Dauer. Zum wendigen Kopf dieser Gegenrevolution wurde der kalte Machtpolitiker Bismarck. Doch selbst er hatte ein Herz im Leib und in diesem Herzen Liebe und Hass. Nach einem Besuch der Gräber der Barrikadentoten in Berlin Friedrichshain im Herbst 1849 wandte er sich in einem Brief an Johanna von Puttkamer, mit der er seit gut einem halben Jahr verheiratet war: »Gute Nacht, mein geliebtes Herz, mögen Dich Gottes Engel schützen, und bete für mich, daß ich Ihm treu bleibe, ich werde hier so weltlich und so zornig, wenn Du nicht bei mir bist. Gestern war ich im Friedrichshain, und nicht einmal den Toten konnte ich vergeben, mein Herz war voll Bitterkeit über den Götzendienst mit den Gräbern dieser Verbrecher«. Diesen ›Götzendienst‹ erwähnt auch ein anonymer Zeitschriftenartikel und berichtet von dem Platz, »dessen heilige Erde unsere theuren Brüder bedeckt, die im heiligen Kampfe für die Freiheit am 18–19 März ihr Blut dahin gaben. Nicht wenig überrascht war ich, als ich diese Stätte betrat, und Hunderte von Besuchern aus allen Ständen die Reihen der seither mit den schönsten Blumen und Grabdenkmälern geschmückten Gräber durchwandeln sah.«
Verbrecher für die einen, Helden für die anderen – der Kampf um die Toten wurde von den Lebenden jahrzehntelang fortgesetzt. 1856 sperrten die Behörden den Friedhof, mussten ihn jedoch wegen der Proteste aus der Bevölkerung 1861 wieder freigeben. Noch 1898, ein halbes Jahrhundert nach den Ereignissen, wurde behördlicherseits die Errichtung eines Denkmals für die ›Märzgefallenen‹ verhindert. Der sozialdemokratische Vorwärts erklärte daraufhin: »Man lasse doch den gefallenen Proletariern des Friedrichshains ihren epheuübersponnenen, verwilderten, proletarischen Friedhof. Daran erkennen wir ja um so deutlicher, daß es unsere Todten sind, die hier ruhen.« Tatsächlich handelte es sich bei den über zweihundert dokumentierten Toten mit wenigen Ausnahmen (wie dem jungen Verwaltungsreferendar und Landwehroffizier Gustav von Lenski) um Männer und Frauen (wie die junge Handarbeiterin Wilhelmine Lange) aus den niederen Schichten, darunter, vielleicht wegen des Barrikadenbaus, auffallend viele Tischler und Zimmerleute. Der jüngste dieser ›Verbrecher‹, die den Junker-Hass über den Tod hinaus entfachten, war der elfjährige Carl Ludwig Kühn, Sohn eines Tagelöhners.
Während Bismarck 1848 im gärenden Berlin an den Gründungstreffen für die Neue Preußische Zeitung teilnahm, als Kreuzzeitung bald ein publizistisches Flaggschiff reaktionärer Standespolitik[4], reanimierte der gerade aus Belgien ausgewiesene Karl Marx[5] in Köln zusammen mit Friedrich Engels, Ferdinand Freiligrath und anderen die Neue Rheinische Zeitung als »Organ der Demokratie«. Das Tagesblatt war die Nachfolgerin der fünf Jahre zuvor verbotenen Rheinischen Zeitung und stellte im Mai 1849 mit einer rot gedruckten Ausgabe das Erscheinen wieder ein. Marx ging über Paris nach London ins Exil. Im Dezember 1848 hatte er über »die preußische Bourgeoisie nach der Märzrevolution« geschrieben, sie sei »ohne Glauben an sich selbst, ohne Glauben an das Volk, knurrend gegen oben, zitternd gegen unten, egoistisch nach beiden Seiten und sich ihres Egoismus bewußt, revolutionär gegen die Konservativen, konservativ gegen die Revolutionäre«. Vier Jahrzehnte nach den Ereignissen bekräftigte Friedrich Engels diese Einschätzung: »Die Revolution von 1848 war […] auf Befriedigung ebensosehr der nationalen wie der freiheitlichen Forderungen gerichtet. Aber hinter der im ersten Anlauf siegreichen Bourgeoisie erhob sich […] schon die drohende Gestalt des Proletariats, das den Sieg in Wirklichkeit erkämpft hatte, und trieb die Bourgeoisie in die Arme der eben besiegten Gegner – der monarchischen, bürokratischen, halbfeudalen und militärischen Reaktion, der die Revolution 1849 erlag.«
Als das Manifest der Kommunistischen Partei herauskam, schien dieser Ausgang noch offen zu sein, und Marx konnte Deutschland als Land des großen Umsturzes identifizieren: »Auf Deutschland richten die Kommunisten ihre Hauptaufmerksamkeit, weil Deutschland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution steht und weil es diese Umwälzung unter fortgeschritteneren Bedingungen der europäischen Zivilisation überhaupt, und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt als England im siebenzehnten [mit der ›Glorreichen Revolution‹] und Frankreich im achtzehnten Jahrhundert, die deutsche bürgerliche Revolution also nur das unmittelbare Vorspiel einer proletarischen Revolution sein kann.«
Die proletarische Revolution, oder der Ansatz dazu, fand dann jedoch nicht in Deutschland, sondern wiederum in Frankreich statt: die Pariser Kommune von März bis Mai 1871. Und diesmal machte Bismarck mit der neuen Regierung des besiegten Landes gemeinsame Sache, um den Aufstand niederzuschlagen. Dagegen sagte August Bebel öffentlich eine Erhebung in ganz anderen, europäischen Dimensionen vorher. In Aus meinem Leben fasste er später seine Rede in der ersten »Session des Deutschen Reichstages« zusammen: Werde »von deutscher Seite die Kommune bekämpft, so wolle ich meinerseits erklären, daß das europäische Proletariat hoffnungsvoll auf Paris sehe. Der Kampf in Paris sei nur ein kleines Vorpostengefecht, und ehe wenige Jahrzehnte ins Land gegangen seien, werde der Schlachtruf des Pariser Proletariats, ›Krieg den Palästen, Friede den Hütten, Tod der Not und dem Müßiggang‹, der Schlachtruf des europäischen Proletariats sein.« Die Parlamentarier waren allesamt entsetzt, von der erzreaktionären Junkerfraktion über die gemäßigten Liberalen bis zu den Fortschrittlichen. Sie alle hatten gute politische und noch bessere persönliche Gründe, den Aufstand der Besitzlosen zu fürchten. Eine organisierte Revolution mit disziplinierten Arbeiterverbänden als Rückgrat und Führern wie Bebel an der Spitze würde nicht nur Kartoffelstände umstürzen, sondern den ganzen Staat.
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