Inhaltsverzeichnis

Wer Augen hat zum Wittern

Und eine Haut zum Zittern

Wer Ohren hat zum Bellen

Und kann mit Krallen hörn

Und kann mit Zähnen lieben

dem seien diese Zeilen hier

gutgeschrieben



DADA

Expressionismus

Impressionismus

Vorkriegszeit

Letzte Weihe

Wie dunkel sind deine Hände

und deine Augen so schwach

ach, deine Kräfte sind am Ende

wie laut ich mich an dich wende

als letzter Biss

der Ölung letztes Schlucken

da regt sich aber auch so gar nix mehr

da ist kein einzig Muskelzucken

ich werd mal nach dem Jäger gucken

den mit dem Schießgewehr

 

Der Märchenwald liegt brach

er leert sich Jahr um Jahr

ob man mir glaubt oder nicht

Hier wo dein Haupt

noch Kissen ist und leis ein Atmen

altert im Gesicht folg ich dir

 

ach

bald schon

bald

nach

Verschlingen kann man das Lebendige rückwärts,

ausspeien dagegen muss man es stets vorwärts.

Gasthof Märchenland

Oben, mitten in der Gartenkolonie liegt das Gasthaus Märchenland. Gnadenlos kassiert der Wirt nach jeder Runde ab. Da hocken die Märchengestalten und nippen wässriges Bier. Nach dem dritten Likör schläft Hans im Glück ein, was Dornröschen erbost. Rumpelstilzchen klagt wieder wie kalt ihm immer die Füße sind. Ein wirrer Kopf, den sie Prinz nennen, geht von Tisch zu Tisch, fragt nach interessanten Namen, die einem untergekommen. Hubert scheucht den Irren fort. Heiner macht es ihm nach, und Rosi kann Männer überhaupt nicht in Brustnähe kommen lassen. Manchmal spielt ein dürres Männchen, Frosch genannt, wohl wegen seinem Breitmaul, verrückt, springt quer durch die Kneipe gegen die Wand, will zerplatzen, sich in Adorno, wie er keucht, verwandeln. Pechmarie pult den Dreck unter ihren Fingernägeln, wischt die Nase mit dem Ärmel. Der alte Knauserich an ihrer Hüfte knurrt zum Wirt hin, zeigt ihm sein morsches Gebiss, gibt an, früher hätte er sich mit Waidmanns wilden Horden angelegt. Darauf hebt ihren Pokal hintendrein aus der äußersten Ecke jene, die tagsüber Stiefmütterchen verkauft, ruft: Prost dem Jagdverein!

Der Wirt schließt pünktlich. Die Unwilligsten sind vorher gegangen.

Und wenn sie nicht über Nacht gestorben sind, sitzen sie morgen wieder im Gasthof Märchenland.

Die glückschen Scheingeschluckten

Wohldem

der in seinem Iglu sitzt,

was Menschliches im Bauch hat

und Friede im Herzen.

Deprimier-Tour

Herr Je ging in den Wald

wollt denken und schreiben

so Verse aus sich treiben

und für Frau Je was schnitzen halt.

 

Wie Herr je mi nee schnitzend war

sprach ihn das Wolfstier Schnuck an

ob er das Fräulein Rotkäppchen wohl sah

Herr Je gab zur Antwort kurz und knapp:

Hau ab und leck mich, Mann.

 

Das brachte Herrn Wolf in Wut

Eh ich mich vom Je veräppeln lass

mach ich mir nen Extraspaß

Und fraß Herrn Je min sin Frau

die olle tolle Dame zum Tribut

mit Stiftzahn und Dornenhut.

 

Und die Moral davon:

Kennst du im Wald dich nicht aus,

bleib besser all Tied im Haus.

Mach Urlaub auf dem Balkon.

Weltwende

Dem Jäger fliegt vom Kopf der grüne Hut

in allen Hütten hallt ein Wolfsgeschrei

Rotkäppchen rutschen aus und gehen kaputt

Und an den Küsten – liest man – steigt

die Flut

 

                der Wut

 

                                 recht gut

 

                                                    wenn sies denn tut

 

Der Wolf ist gaga geworden, die wilden Zähne

Lechzen nach Norden und hupfen im Wald

wollen Waldbegängerinnen zerstücken

Die geselligeren Tiere haben tüchtig Schnupfen

der Specht im Gedächtnis arg demente Lücken

Trinklied der Wölfe

Ich hab die Oma verschlungen

die Oma war zääääh und alt

Ich habe sie niedergerungen

da war sie aber schon tot und ganz kalt

 

Ich fraß mit dem frühen Morgen

das kleine Mädchen hinterdrein

Jetzt fange ich an mich zu Sorgen

wer wird wohl mein nächstes Opfer sein

Mein rotes Tuch

Traumdelle

Bis hierher hatte die Kleine laut vorgelesen, nun fielen ihr die Augen zu. Die Mutter beugt sich zu ihr nieder, küsst das Mädchen sanft auf die rote Kappe, klappt das Märchenbuch zu. Warte nicht, sagt sie zum Mann, der ihr die Wange zum Kuss hinhält und weiter im Sportteil liest, obwohl sie ihn die Nuance inniger küsst als sonst je zuvor und im Gehen ungewollt haucht: Na denn mal na denne und, ohne wirklich das Gefühl zu haben, dass sie zu irgendwem im Raume spricht: Es wird mir schon nichts groß passieren. Und weil niemand hinhört oder ihr nachsieht, lässt sie sich selber daraufhin völlig unspektakulär und unbemerkt von hinnen ziehen.

Einmal wenigstens sollte man den Wolf

zur Probe Oma und Rotkind schlingen lassen.

Vielleicht wird ihm schlimm und er übergibt sich kurz darauf.

Eine Kafka-Fabel