Table of Contents

Andariels Los – Fluch der Unsterblichkeit

Klappentext:

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPTIEL 5

KAPITEL 4

ZWISCHENSPIEL

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

EPILOG

Andariel

Andariels Los – Fluch der Unsterblichkeit

 

 

von Benyamen Cepe

 

 

Roman

 

 

IMPRESSUM

 

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: 123 RF mit Kathrin Peschel, 2019

Lektorat/Korrektorat: Kerstin Peschel

© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

 

 

 

 

Klappentext:

 

Gabriels großer Traum von einem Leben als Mönch zerplatzt, als er von seinen Ordensbrüdern verstoßen wird. Durch Hass und Zorn getrieben lässt er sich auf einen Pakt mit der Unterwelt ein, der sich als Fluch mit verheerenden Folgen entpuppt – auch für ihn selbst.

Einige Jahrhunderte später bekommen Bill und Beverly ebenfalls die erschreckenden Auswirkungen dieses Fluchs zu spüren, während sie eines Nachts auf dem Nachhauseweg dem ehemaligen Mönch, der sich seit jenem folgenschweren Abend Andariel nennt, begegnen. Nach diesem Aufeinandertreffen ist für die beiden nichts mehr so, wie es einmal war …

 

 

***

 

 

PROLOG

 

 

1797

 

Gabriel war ehrgeizig, und er wollte alles richtig machen. Genau das sollte ihm zum Verhängnis werden. Er hatte sich vor zwei Jahren entschieden Mönch zu werden, da war er gerade mal achtzehn Jahre alt. Bereut hatte er diesen Schritt bis zu diesem Tage nicht. Es war seine Berufung, das wusste er.

Gabriel war gerade auf dem Weg in seine Kammer, als ihm einfiel, dass er vergessen hatte, den Altar für die morgige Messe vorzubereiten. Genervt blieb er stehen. Vor sich hin murmelnd ging er zurück. Er zündete nur ein paar Kerzen um den Altar herum an, damit niemand mitbekam, dass ihm ein Fehler unterlaufen war.

Ein knarrendes Geräusch ließ ihn aufschauen. Die Eingangstür zur Kirche wurde einen Spaltbreit geöffnet und ein kleiner Junge kam herein. Er humpelte und Gabriel ging ihm entgegen.

„Na kleiner Mann? Warum bist du denn zu dieser späten Stunde noch unterwegs?“, fragte er den Jungen freundlich und ging vor ihm in die Hocke.

„Ich wollte nach Hause, aber hier vor der Tür bin ich hingefallen und jetzt tut mein Bein so weh.“

„Komm, ich sehe mir das mal an“, erwiderte Gabriel und erhob sich wieder. Er reichte dem Jungen die Hand und führte ihn zum Altar, wo er besser sehen konnte.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte er, als er ihn auf den Altar hob.

„Mein Name ist Brian und wie heißt du?“

„Gabriel“, antwortete dieser lächelnd. „Leg dich am besten hin, dann kann ich besser nach deiner Verletzung sehen.“

Brian kam dieser Bitte nach und streckte sich auf dem Altar aus.

Gabriel beugte sich nach vorn und schob das Hosenbein des Jungen hoch, um zu sehen, warum dem Kleinen das Bein wehtat.

Brian wimmerte und jammerte ein wenig. Gabriel versuchte, ihn mit leisen Worten zu beruhigen.

Plötzlich standen vier Mönche aus Gabriels Orden in der kleinen Kirche, schrien herum und zogen den Jungen vom Altar herunter.

„Gabriel wie kannst du nur?“, hörte er Stephen fragen.

„Der Kleine ist verletzt, ich wollte ihm nur helfen“, versuchte Gabriel zu erklären.

„Warum hast du den Jungen hierhergebracht? Wolltest du ihn etwa dem Teufel opfern? Warum sonst sollte er bluten? Du betest den Teufel an!“, schrie Pete, der das Kind jetzt am Arm hielt.

„Nein!“

„Du wolltest gerade von seinem Blut trinken, es war nicht zu übersehen“, schrie nun Samuel ihn an.

Mit diesen Worten erstarrten alle. Gabriel wurde hasserfüllt angesehen und allein damit zum Schweigen gebracht. Er bekam nicht die geringste Chance, die Sache richtigzustellen, selbst wenn er fähig gewesen wäre, etwas zu sagen. Seine Brüder hatten sich bereits ihr Urteil gebildet und nichts auf der Welt konnte sie mehr von ihrer Überzeugung abbringen.

„Verlass sofort die Kirche! Du bist unser nicht würdig“, keifte Thomas.

Mit geneigtem Kopf ging Gabriel auf die Türe zu.

„Du bist Satans Jünger. Gott hat keinen Platz mehr für dich.“

„Du wirst in der Hölle schmoren“, riefen sie, stießen ihn an und trieben ihn letztlich mit Schlägen aus der Kirche.

Völlig orientierungslos stand er auf der Straße, mitten in der Nacht. Der Schock über das Geschehene löste sich nur langsam. Ebenso schleichend drang die Erkenntnis zu ihm durch, dass er jetzt vor dem Nichts stand. Er hatte kein Zuhause mehr, keinen Ort wohin er gehen konnte, nicht einmal einen Bett, worin er die bereits angebrochene Nacht verbringen konnte.

Wut stieg in ihm auf, die sich ins Unermessliche steigerte. Er fiel auf die Knie und schrie so laut, er nur konnte. Dann sah er hinauf in den Himmel, an dem die Sterne aufblitzten und der Mond im Zenit stand. Gabriels Hilfeschreie wurden nicht erhört. Er wartete auf ein Zeichen. Aber vergeblich.

„Ich habe doch nichts Unrechtes getan“, flehte er. Niemand antwortete ihm. Er stand auf, den Blick weiter nach oben gerichtet.

Langsam lief er die Straße hinunter, nicht wissend wohin.

Wenn ich nicht mehr nach oben kann und auch nicht unten landen will, dann will ich unsterblich sein, dachte er. Denn in die Hölle wollte er nicht. Wer wollte das schon?

Auf einer Brücke blieb er stehen und sah hinab auf das Wasser.

Ja, Unsterblichkeit …

„Ewig will ich auf Erden wandeln“, schrie er und plötzlich kam ein kräftiger Windstoß.

„Gabriel“, sprach eine Stimme zu ihm. Sie kam aus allen Himmelsrichtungen.

„Wer ist da?“, fragte Gabriel panisch.

„Du willst Unsterblichkeit?“

„Wer spricht zu mir?“

Gabriel sah überall hin, konnte aber niemanden entdecken.

„Ich kann sie dir geben. Du musst nur Ja sagen und du kannst für immer auf Erden wandeln.“

„Wie?“

Gabriels Interesse war geweckt. Es war nicht mehr wichtig, wer da zu ihm sprach und dass er diesen Jemand nicht sehen konnte ebenfalls. Wichtig war nur, dass dieser Jemand scheinbar in der Lage war, ihm seinen Wunsch zu erfüllen.

„Das kleine Wörtchen Ja ist es, welches du aussprechen musst, dann erfülle ich dir deinen Wunsch“, sagte die Stimme.

Gabriel nickte hektisch mit dem Kopf. „Ja, ja, ich will Unsterblichkeit erlangen.“

„So sei es!“

Der kräftige Wind kam erneut auf. Gabriel bekam aus heiterem Himmel große Schmerzen. Sein ganzer Körper fing an mächtig wehzutun. Seine Schmerzensschreie konnte man durch den pfeifenden Wind nicht hören. Er glaubte, den Verstand zu verlieren. Sein Körper schien, in Stücke gerissen zu werden, so fühlte es sich zumindest an. Gabriel brach zusammen und wand sich keuchend auf dem Boden. Seine Augen brannten. Dieses Brennen wurde zu einem Ziehen. Mit den Händen wollte er seinen Kopf fassen, aber es ging nicht. Der Schmerz steigerte sich noch. Gabriel riss seine Mönchskutte auf und sah wie sich sein Körper – zersetzte. Er schrie immer lauter, ein grelles Kreischen, das zu einem dunklen Geschrei wurde. Und plötzlich war es vorbei.

Gabriel kauerte auf allen vieren und sah sich verwirrt um. Er befand sich nicht mehr auf der Straße, sondern auf dem Friedhof.

„Was hast du getan?“, hörte er sich mit einer viel tieferen Stimme fragen.

„Du wolltest unsterblich sein, Gabriel.“

„Was ist passiert, sag es mir!“

„Du bist jetzt ein Dämon. Von heute an ist dein Name Andariel.“

„Ich wollte kein Dämon werden.“

„Du hast nach ewigem Leben verlangt. Ich habe es dir gegeben. Kinder werden von nun an deine Energie und Lebensquelle sein.“

„Nein!“, schrie Andariel.

„Mit deinen Augen kannst du sie zu dir rufen, sie werden sich deiner Macht nicht widersetzen können“, fuhr die Stimme unbeeindruckt fort.

„Mach das rückgängig!“

„Du bist, was du sein wolltest“, in der Stimme lag eine eiskalte Endgültigkeit, „dieser Friedhof ist von nun an dein Zuhause. Es ist dein Schicksal, für alle Zeit hier zu wandeln. Diese Glaskugel ist deine einzige Verbindung nach draußen, zu den Bereichen außerhalb dieses Friedhofes.“

„Oh nein … bitte.“

Auf dem Boden, unmittelbar neben Andariel, tauchte plötzlich eine Glaskugel wie aus dem Nichts auf, die in einem grünen Leuchten pulsierte. Ein schreckliches Lachen ertönte und gleich darauf herrschte absolute Stille.

Andariel spürte wie etwas abgrundtief Böses von ihm Besitz ergriff. Es war unmöglich, sich dagegen zu wehren. Er schrie, es war ein Mark erschütternder Schrei, der einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Und da war noch eine Sehnsucht, die er verspürte, die Sehnsucht nach Freiheit und – Blut.

Eine Hoffnung stieg in ihm auf, dass das Blut ihm eines Tages die Kraft verleihen würde, aus seinem selbst geschaffenen Gefängnis zu entfliehen. Eine Hoffnung, die ihn immer wieder zum Töten zwang. Er war dazu verdammt. Das war der Preis für das ewige Leben.

Andariel machte sich nichts aus dem Leiden der Kinder, die er von nun an tötete. Der Zorn über seine eigene Lage spielte dabei keine unwesentliche Rolle. Er hatte sich mit dem Teufel eingelassen. Das war die Konsequenz für den seinen Wunsch nach Unsterblichkeit.

 

 

KAPITEL 1

 

Der 18. September war ein sonniger Tag in Charleston.

Bill Newman war gerade in seinem Zimmer und zog sich an, als seine Mutter ihn rief: „Bill komm runter frühstücken!“

„Komme gleich, Mom“, rief er zurück.

Heute begann für ihn sein letztes High School-Jahr. Er war nicht gerade begeistert davon, es in einer neuen Umgebung machen zu müssen.

Sie waren vor drei Monaten von Birmingham nach Charleston gezogen. Seine Eltern hatten sich schon eingelebt. Sein Vater hatte einen Job in einer Firma bekommen, die Maschinenteile herstellte. Das war der eigentliche Grund für ihren Umzug gewesen. George Newman war Personalreferent und hatte in Charleston eine wesentlich besser bezahlte Stellung als in Birmingham gefunden. Und seine Mutter war hier Sekretärin in einer angesehenen Anwaltskanzlei.

Nur ich werde es schwer haben, neue Freunde zu finden und mich einzuleben, dachte er, als er fertig angezogen war.

Er betrachtete sich im Spiegel. Ein einen Meter fünfundsiebzig großer, sechzehnjähriger, schlanker Junge mit schwarzem, kurz geschnittenem Haar, blickte ihm entgegen. Er ging nach unten, um zu frühstücken.

 

*

 

Pünktlich um halb acht hielt Jennifer Newman vor der High School, um ihren Sohn abzusetzen.

„Okay, wir sind da. Ich wünsche dir viel Spaß.“

„Danke, Mom.“

Er stieg aus und seine Mutter fuhr davon.

Bill ging nicht gerade begeistert auf das große Gebäude zu, das vor ihm aufragte. Es war alt, mit hohen, schmalen Fenstern und schien gezeichnet zu sein von den Jahrzehnten, in denen Generationen von Schülern hier ein und aus gegangen waren. Das erkannte man an der dreckig-grauen Farbe, dem Putz, der an manchen Stellen von der Außenwand bröckelte und den Graffitis, die sich in allen Farben an den Wänden zeigten.

Bill bemerkte sofort das Schild über den beiden Glastüren, auf dem stand:

 

CHARLESTON HIGH SCHOOL

 

Er stieg die Treppe hinauf und sah gleich rechts eine Tür:

 

Sekretariat

Direktor Snyder

 

Er klopfte an. Gedämpft hörte er eine Stimme sagen: „Herein!“ Daraufhin öffnete er vorsichtig die Tür und betrat das Vorzimmer zu Mr. Snyders Büro.

 

*

 

Andariel konnte sie hören und riechen.

Es waren ein Junge und ein Mädchen, die sich unentwegt anschrien.

„Du hast mich bei Mom verpfiffen Mary!“

„Hab ich gar nicht! Wenn du deine Zigaretten rumliegen lässt, bist du selbst schuld. So schlampig wie du bist, war es nur eine Frage der Zeit bis Mom und Dad sie finden. Also mach mich nicht dafür verantwortlich, Danny!“

„Aber du hättest wenigstens …“

Und so weiter und sofort. Andariel ignorierte das belanglose Geschwätz und sah sich den Jungen in seiner Glaskugel genauer an. Er war blond, genau wie der Junge damals auf seinem Altar. Dem Jungen, dem er, Andariel, eigentlich nur hatte helfen wollen. Wut machte sich in ihm breit.

Dieser verhasste Bengel, mit ihm hatte alles angefangen! Er markierte den Zeitpunkt des Verderbens für Andariel, den Beginn seiner auf ewig währenden Gefangenschaft. Nur durch seine Kugel konnte er sehen, was außerhalb dieses Friedhofs geschah. Er schrie vor Frustration auf und verpasste der Wand seiner Gruft einen so heftigen schlag, dass sie Risse bekam. Da Andariel keinen Schmerz fühlte, streckte er gleich darauf seine Hand über der Kugel aus und sofort verstummten Mary und Danny.

Es dauerte nur wenige Minuten bis er das Knarren der Friedhofstore vernahm und damit die Ankunft der Kinder. Er konzentrierte sich und brachte die beiden dazu, zu ihm hinabzusteigen – allein durch seine Kugel und pure Willenskraft. Andariels Macht hatte sich in den letzten hundert Jahren beträchtlich gesteigert.

Die Glaskugel warf einen grünlichen Schimmer auf die Gesichter seiner Opfer, als er dem Jungen mit einem Hieb die Brust aufriss und sich an dessen Blut labte. Er klaubte das Herz heraus und fing an, es zu essen.

Der Teufel hatte ihm sein Gesicht genommen, ihm quasi seiner Identität beraubt. Aber Andariel konnte nach wie vor kulinarische Köstlichkeiten genießen. Sein Mund, seine Nase, seine Wangenknochen, seine Stirn, alles war noch da. Es war nur für niemanden sichtbar, nicht einmal für ihn selbst.

Plötzlich kreischte das Mädchen, aber sie rührte sich nicht vom Fleck. Andariel schlug ihr mit seinen scharfen, langen Krallen gleichgültig den Kopf ab. Er schnippte mit den Fingern und aß gleich darauf weiter von dem vor Blut triefenden Herzen, als sich die Körper der beiden Leichen in einer grünen Rauchwolke zersetzt hatten. Das gehörte zu den Vorteilen des Dämonen-Daseins: Wenn man nicht wollte, hinterließ man bei seinem Gemetzel keine Spuren.

 

*

 

Bis jetzt war die Schule wie ausgestorben.

Gegen sieben Uhr fünfundvierzig, eine viertel Stunde vor Unterrichtsbeginn, kamen die Schüler aus allen vier Himmelsrichtungen auf die High School zu. Unter ihnen auch Harold Simons. Harold war ein fetter Kerl mit einer Brille, die auf seiner Nase seltsam groß wirkte. Seine dunkelblonden Haare fielen ihm ins Gesicht, als er auf die Türen zumarschierte. Harold war keiner dieser angesagten Jungs, aus seiner Klasse oder der Schule überhaupt. Er hatte nur wenige Freunde, weil er, wegen seiner Fettleibigkeit, so vermutete Harold, zum Außenseiter abgestempelt war.

Es gab zwei Jungs, die Spaß daran hatten, ihn zu quälen und zu demütigen, wann immer sie konnten. Fred Johnson und Brad French.

Sie brauchten einfach jemanden auf den sie rumhacken konnten. Und da kam ihnen einer wie Harold gerade recht. Fred und Brad waren Schlägertypen, wie wohl jede High School sie hatte. Sie suchten Streit und das ständig. Und auch heute suchten sie Harold Simons, um ihn zu quälen.

 

*

 

Bill saß im Büro von Mr. Snyder, der seine Schülerakte durchsah.

„Deine Noten sind gar nicht mal so übel. Darf ich fragen, warum ihr umgezogen seid?“

„Na ja, mein Vater hat einen neuen Job bekommen, der ihm bessere berufliche Perspektiven bietet als der alte.“

„Manchmal muss man flexibel sein, um voranzukommen, nicht wahr?“, betonte der Direktor.

„Ich schätze, so ist es.“

Bill hatte eine Art Verhör erwartet, aber das war nicht der Fall. Snyder räumte die Akte weg und sah ihn an. „Ich hoffe, du knöpfst nahtlos an deine Leistungen vom Vorjahr an.“

„Ich werde es versuchen.“

„Gut. Es wird Zeit für dich, in deine Klasse zu gehen. Die Treppe rauf und dann rechts, Raum 310.“

„Danke.“ Bill stand auf und ging hinaus. Er sah viele Schüler die Treppe hinaufgehen und tat es ihnen gleich.

 

 

KAPITEL 2

 

Fred und Brad sahen Harold, wie er den langen Flur schwerfällig entlangging. Auf der rechten Seite befanden sich die Spinde für die Sachen der Schüler und auf der linken waren die Klassenzimmer.

Fred und Brad gingen etwas schneller und stoppten Harold kurz vor Raum 310. Fred trat ihm in die Beine und Harold gab ein „Oh“ von sich, bevor er mit voller Wucht auf dem Bauch landete. Er drehte sich auf den Rücken und über ihm tauchten zwei nur allzu bekannte Gesichter auf. Die beiden gaben ein leises Lachen von sich. Brad packte Harold, zog ihn hoch und drückte ihn gegen die Schränke. „Hallöchen, Harold.“

„Hast du uns vermisst?“, fragte Fred.

„Lasst mich in Ruhe.“ Harolds Stimme bebte leicht. Seine Augen wanderten ängstlich von einem zum anderen. Es gingen viele Schüler an ihnen vorbei, sie sahen alle, was hier gerade passierte, aber keiner tat etwas dagegen.

Der Ruf von Fred und Brad war in der ganzen Schule bekannt. Wer sich mit den beiden anlegte, konnte gleich sein Testament machen.

„Lasst mich in Ruhe“, äffte Fred ihn nach und kicherte.

„Wenn wir dich in Ruhe lassen sollen, musst du uns schon was dafür geben, sagen wir – zwanzig Dollar. Hast du zwanzig Dollar, Fettwanst?“

„Nein“, antwortete Harold gepresst.

„Dann hast du Pech gehabt“, erwiderte Brad und verpasste ihm einen Hieb in den Magen.

Harold sank stöhnend auf die Knie.

Fred und Brad lachten, und Brad holte schon mit dem Bein aus, um Harold noch eins mitzugeben, als er geschubst wurde und mit einem dumpfen Knall auf dem Boden landete. Genau wie Harold, landete auch er auf dem Bauch. Durch die Menge, die das sah, ging ein Raunen. Sie blieben alle stehen, um zu beobachten, was gleich passieren würde.

Brad stand wütend auf und sah einen Jungen vor sich, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Zuerst zeigten seine Augen etwas, das man bei ihm nur selten sah: Angst. Doch gleich darauf nahmen sie wieder ihren normalen Ausdruck an, den Ausdruck von Überheblichkeit.