Inhaltsverzeichnis

Fußnoten

Nähere Angaben im Personenregister.

Nähere Angaben im Personenregister.

Nähere Angaben im Personenregister.

Zur Schreibweise die Erläuterung zu Beginn der Nachweise.

Nachhörbar im Internet bei floraberlin.de/soundbag/index161d.htm#soundbag

Selbstauflösung am 26. Dezember 1991.

Es konkurrieren mehrere Urheber, darunter Louis Sullivan (1856–1924), ein Hochhausbauer der Chicago School.

Wie über alles, so gibt es auch zum ›Handlettering‹ Blogs und Youtube-Videos.

Die Originalschreibung wurde übernommen.

de4.schreibtrainer.com/index.php?r=typewriter/startPractise&id=208

Dazu das »Komische Glossar« im Anhang.

Der in der Schweiz lebende deutsche Dichter Jürgen Theobaldy beispielsweise arbeitete bis zu seiner Pensionierung 2009 als Protokollant in der Schweizer Bundesversammlung.

Der »Brustüberwacher«, so die deutsche Übersetzung, wurde 1816 von Monsieur Laënnec erfunden und seitdem ständig weiterentwickelt. Inzwischen kann ein Arzt die Innengeräusche seiner Patienten vom Stethoskop aufs Smartphone und vom Smartphone auf Kopfhörer übertragen lassen.

youtube.com/watch?v=5-vDcMn76yE

Neckermann ist seitdem eine Marke des Otto-Versands, ebenso wie die Marke Quelle.

Eigentlich die amiga, denn es handelt sich um das spanische Wort für ›Freundin‹.

Bei der mechanischen Schreibmaschine wird der Wagen mit dem Blatt am Ende einer Zeile nach rechts bewegt, um auf der linken Blattseite neu beginnen zu können. Bei der elektronischen Maschine bleibt das Blatt im Schacht an derselben Stelle, bewegt werden die Kassette und das Typenrad.

Laut einer bild.de-Ausgabe vom September 2016 bevorzugt »die moderne Frau von heute« den »Alpha-Softie«. Das scheint der Typ zu sein, der früher bei Ritterturnieren die anderen Ritter aus dem Sattel hob, um dann vorm Burgfräulein das Knie zu beugen. Später hockte er mit Waschbrettbauch auf der Waschmaschine und hielt ein Baby in die Luft. So war es Ende der 80er auf Anzeigen der Firma Bauknecht zu sehen.

Wie in den 70ern und 80ern die Löcher an der Rückseite der Kassetten, denen man zuvor die Lamellen ausgebrochen hatte. Dazu das Kapitel über die Tonträger.

RWG, 1991 aufgelöst im Zuge der Selbstauflösung der Sowjetunion. EWG, 1993 umbenannt in EG, 2009 aufgelöst im Zuge der Gründung der EU.

Zitiert wie im originalen Schriftbild, die vielen phallischen und von mir philologisch korrekt nachgezählen Ausrufezeichen inbegriffen.

2004 wurde der Sarotti-Mohr durch einen ›Magier‹ ersetzt. Auf der Internetseite der Schokoladenfirma heißt es vorsichtig: »Der Mohr – obwohl bewährt und beliebt – ist nicht mehr zeitgemäß.« Man könnte auch sagen: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen. Diese Sentenz wiederum stammt aus dem Schillerdrama Die Verschwörung des Fiesco zu Genua und lautet dort so: »Der Mohr hat seine Arbeit gethan, der Mohr kann gehen.« Der dies sagt, ist Muley Hassan, der schwarze Bühnenschurke des Stücks.

Vom 26. Januar 1977.

Dies ist der geläufige englische Titel, der Originaltitel lautet R.U.R. Rossumovi univerzálni roboti. Die Uraufführung erfolgte im Januar 1921.

Wer sich für die ›Produktlinie‹ interessiert, kann sich auf tempo.net kundig machen. Denglisch-Kenntnisse sind Voraussetzung. Und wie üblich fordert das allgegenwärtige kleine f: »Werde jetzt ein Tempo-Fan!«

Der deutsche Titel Neuromancer ist geglückter als der Originaltitel Newromancer, weil neben ›Neu‹ das ›Neuro‹ erscheint, Signal für die neuronale Dimension des Romangeschehens mit seinen Nervenmanipulationen und Bio-Implantaten.

Die amerikanische Seite der Organisation: w3.org; die deutsche Seite: w3c.de.

Wohlstandsbürger waschen gebildet. Ariel ist ein zauberkräftiger Luftgeist in Shakespeares Komödie Der Sturm.

Nebenbei gesagt ein hübsches, irgendwie treuherziges Beispiel für deutsch-englische Worthybriden.

Der »Millennium-Bug« war dann gar nicht so schlimm, die Welt ging wieder einmal nicht unter. Oder doch, und wir haben es nur nicht gemerkt?

Wenn es stimmt, dass Außengeräusche prägend wirken können, die durch den intrauterinen Organlärm zu dem Wesen vordringen, das in der Fruchtblase schwebend auf seine Geburt wartet, nicht ahnend, was alles auf es zukommt – wenn es wirklich stimmt, dass Geräusche vorgeburtlich prägend sind, was hat dann dieser hysterische Tor-, Toor-, Tooor-Schrei (»Deutschland ist Weltmeister!«), der 1954 aus den Radios schallte, bei den deutschen Föten ausgelöst?

Insolvenz 2003. Heute nur noch Markenname für hochpreisige Fernsehgeräte.

Heute trägt eine Firmengruppe diesen Namen, Sitz ist immer noch im Harz.

Ich darf mich rühmen, nie eines geschwenkt zu haben. Auch hing mir nie ein Brustbeutel um den Hals. Und Bauchtaschen habe ich ebenso wenig getragen wie Handyhalfter. Dass Letztere für Radfahrer praktisch sind, gebe ich als Sonntagsfahrer gern zu.

Bis 1988 war das Auto auch der ›Standort‹ des Funktelefons (›Autotelefon‹), ebenso ein Boot oder eine Jacht. Das mobile Telefonieren war Eliteverhalten, kein Massenphänomen.

Insolvenz im September 2015.

Jaguar auf seiner Internetseite. Ich war auf der Seite von Jaguar, weil ich zuvor in einem Auto von Jaguar war. Der Wagen war noch neu, sein Besitzer schon alt. Mit dem abgeklärten Humor eines Mannes, den nichts mehr aus der Bahn werfen kann, gab er zu, dass seine Lebenszeit wohl nicht mehr reichen würde, sämtliche Funktionen seines fahrbaren Computers auch nur kennenzulernen, geschweige denn sie zu bedienen.

Philips, das es nach wie vor als Konzern gibt, nicht bloß als Warenzeichen, macht kein Breitengeschäft mehr mit Unterhaltungselektronik, vermarktet aber exklusives Smart-TV.

Sie lautet AL 288-1, was irgendwie nach Airbus klingt.

Dazu die Liebeserklärung weiter unten.

Im August 2016 wurde das Jugendmagazin 60. Die Auflage ist altersmatt, aber auf Schwundstufe noch vorhanden. Und Sexualberater »Dr. Sommer«, der schon mir das Onanieren erlaubte, ist sowieso ein Zombie. Inzwischen werden unter dem Label auch Videos ins Web gestellt. Eines davon heißt: »Erstes Date – und jetzt?« Auf dem Klickbildchen sind zwei junge Leute zu sehen. Er trägt Kopfhörer! Nicht die für den Walkman einst typischen Ohrstöpsel, sondern richtig fette Dinger, und er trägt sie um den Hals. Was heute cool ist, wäre in der Frühzeit des Walkman total spießig gewesen, wie Papas Kopfhörer für die Stereoanlage zu Hause.

Aus Nachsicht seien die jeweiligen Urheber verschwiegen.

Davon erzählt Brandenburg auf einem MP3-podcast, in dem auch Vega zu Wort kommt: haemmerleinsmuehle.de/fileadmin/podcast/GG-023_SuzanneVegaMuttervon.mp3

Der RIAS wurde 1994 zu Deutschlandradio umfirmiert, das Deutschlandradio 2017 zu Deutschlandfunk Kultur. Der SFB fusionierte 2003 mit dem ORB (Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg) zum RBB (Rundfunk Berlin-Brandenburg). Der US-amerikanische Militärsender AFN (American Forces Network) war eine Kriegsgeburt. Die beliebte Berliner Station des westeuropäischen Sendernetzes stellte 1994 den Betrieb ein.

Um dem vom Schlager geschlagenen ›Volksgut‹ Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, sei vermerkt, dass in diesem Wiegenlied ein von seiner Mutter verlassenes Kind in den Schlaf gesungen wird. Der »Heidschi bumbeidschi« stellt sich als der Tod heraus.

Man mag einwenden, dass dieses Beispiel insofern schlecht gewählt ist, als der Farinelli-Film in CD-Zeiten erschien, der Soundtrack mithin nicht als Platte, sondern eben als CD. Nebenbei gesagt: Der historische Farinelli des 18. Jahrhunderts durchlebte als Kastrat keinen Stimmbruch, mit dem der arme Heintje seine ›reine‹ Kinderstimme und mit ihr den Erfolg verlor.

Die waren eher die Ausnahme. Die meisten inneren Schutzhüllen bestanden aus Papier.

Kartoffelbrei. So heißt er nun mal, der Besen. Die journalistische Kollegin übrigens, die sowohl in Blümchen- als auch in Blocksberg-Episoden vorkommt, heißt Karla Kolumna. Sie grüßt mit »Hallöchen«, findet alles »sensationell« und ist insofern eine präfaktische Vertreterin des Postfaktischen, als sie mit der Wahrheit recht alternativ umgeht, wenn das ihren Schlagzeilen Nachdruck verleiht. Aber wenn sie ihr Bestes gibt, meint sie es immer nur gut (und das sind die Schlimmsten, möchte man hinzufügen).

Die erste taz erschien am 27. September 1978 (mit dem Datum 22. September). Die erste tägliche Ausgabe erschien am 16. April des Folgejahres. Die Neue brachte einzelne kostenlose Nullnummern 1978 und die ›offizielle‹ erste Ausgabe am 3. Februar 1979. Seit Anfang 1982 kam sie als Wochenzeitung heraus und wurde Ende Oktober desselben Jahres ganz eingestellt.

audiyou.de/weltklang-navigator.html

Acht Jahre zuvor hatten die vier mit dem Song Waterloo den internationalen Durchbruch. Meine (sprachlichen) Lieblingstitel: I do, I do, I do, I do, I do (1975) Chiquitita (1979), Super Trouper (1980), Gimme! Gimme! Gimme! (1986).

Siehe die »Liebeserklärung an Lissy« im vorhergehenden Kapitel.

Im Oktober 1957 ging in Garching bei München der erste bundesdeutsche Forschungsreaktor in Betrieb, im Dezember folgte in Rossendorf bei Dresden der erste Atomreaktor der DDR.

Die 1993 gegründete Zeitschrift Die Woche gibt es seit 2002 nicht mehr.

Dazu das Motto von Douglas Adams zu Beginn dieses Buches.

IT war in Wohnungsanzeigen die Abkürzung für Innentoilette, KBH bedeutete Kohlebeistellherd.

Ende Juli 2017 wurde er vorübergehend von Amazon-Gründer Jeff Bezos überholt, der im Vorjahr noch auf Platz 5 gelistet wurde. Gates war 2016 vorübergehend auf den zweiten Platz zurückgefallen. Diese Schwankungen im Reichsten-Ranking erklären sich durch die Schwankungen der Aktienkurse der von ihnen gegründeten Unternehmen.

In meiner Herkunftsschicht waren die ›Generation Golf‹ nicht die Jungen, sondern die Eltern.

Nach sehr wechselvoller Geschichte und Insolvenz in den späten 1980ern heute nur noch als Markenname präsent. TechniSat hält inzwischen die Markenrechte für Deutschland und präsentierte auf der Internationalen Funkausstellung 2017 Fernsehgeräte und Digitalradios.

Das millionste Exemplar wurde 1955 ausgeliefert. Bis zur generellen Produktionseinstellung 2003 (letzter Standort in Mexiko, die Produktion in Deutschland wurde bereits 1978 eingestellt) sollten es 21,5 Millionen werden. Zum Vergleich: Die Produktion des Trabants begann 1957 in Zwickau. Bis 1991 wurden gut 3 Millionen Fahrzeuge verschiedener Typen hergestellt. Von der Ente, dem 2CV von Citroën, wurden von 1949 bis 1990 knapp 4 Millionen hergestellt, vom R4 von Renault von 1961 bis 1992 gut 8 Millionen.

Dazu der entsprechende Abschnitt im Kapitel über tragbare Töne.

Die erste deutsche Ausgabe des amerikanischen Spiels kam 1936 heraus und wurde prompt verboten. Die erste Nachkriegsauflage erfolgte 1953. Anders als im wirklichen Leben gab es keine Währungsreform. Die Umstellung des Spielgeldes von Reichsmark auf DM erfolgte eins zu eins. In der DDR wurde das Spiel nicht vertrieben und durfte auch nicht eingeführt werden.

Zusammenschluss aus der SED, den Massenorganisationen (Gewerkschaften, Kulturbund, Frauenbund, Volkssolidarität) und den sogenannten Blockparteien (CDU, Bauernpartei, Liberal-Demokratische Partei, Nationaldemokratische Partei). Auch die Kleingärtner und der Schriftstellerverband gehörten zur Nationalen Front.

Als ›Tal der Ahnungslosen‹ bezeichneten die schwarzsehenden Fernsehmigranten der DDR jene Regionen der Republik, die um Dresden zum Beispiel, in denen ›Westempfang‹ nicht möglich war.

Vorher im Turnier hatten die Schwarz-Weiß-Deutschen gegen die Mannschaft der DDR 1:0 verloren. Fast anderthalb Jahrzehnte später, im Januar 1988, blieb der Torschütze Jürgen Sparwasser, nun in der Altherrenmannschaft des 1. FC Magdeburg, bei einem Saarbrücken-Besuch dieser Mannschaft in der Bundesrepublik.

Der ›Klassiker‹ wurde 1966 entwickelt und erst 1997 vom Hessischen Rundfunk als letzter ARD-Anstalt abgeschafft.

Nach dem amerikanischen Experimentalpsychologen John Ridley Stroop, der den Test zwar nicht erfunden, aber Mitte der 1930er-Jahre bekannt gemacht hat.

JVC gibt es seit 2008 als eigenständiges Unternehmen nicht mehr.

SO‹ stand ursprünglich für Südost, die 36 für die Postleitzahl dieses Teils von Kreuzberg. Der andere, mehr ›bürgerliche‹ Teil war Kreuzberg 61. Diese Bezirkszahlen hingen hinten: also 1000 Berlin 36 oder 1000 Berlin 61. Die Kreuzberger Nächte spielten selbstverständlich in 36. Die »Gebrüder Blattschuss« sangen das Lied erstmals 1978 und singen es immer noch. Auf der Website verkünden die alten Herren ganz auf der Höhe der Zeit: »Die Gebrüder Blattschuss Live-Show dauert etwa 45 Minuten plus Zugaben, danach ist dann Zeit für Selfies.«

MTV Germany sendete von 1997 bis 2015. Seit März 2017 ist es als Livestream empfangbar. Für 2018 ist wieder eine unverschlüsselte Ausstrahlung übers Fernsehen geplant.

Kepheus ist in der griechischen Mythologie der Papa von Andromeda, die jenem galaktischen Nebel ihren Namen gab, mit dem unsere Milchstraße demnächst, in zwei Milliarden Jahren, kollidieren wird.

Beim Zurückrechnen ist zu bedenken, dass es 1969 in Deutschland noch keine Sommerzeit gab.

Dazu das erste Kapitel.

Die Umlaute wie im maschinenschriftlichen Original.

Aber offenbar das maschinenschriftliche Wiedergeben der Umlaute.

Die Berliner Telefonseelsorge war die älteste in Deutschland und 1956 als »Ärztliche Lebensmüdenbetreuung« gegründet worden.

Wer nachrechnet und die Prozentzahlen mit der absoluten Zahl nicht kompatibel findet, sei daran erinnert, dass es Firmenverträge gibt und manche Menschen mehrere Verträge haben.

Dazu der Anfang des zweiten Kapitels.

Rodney Brooks[1]

»Wo es um neue Dinge geht, besteht nur allzu häufig die Tendenz, zunächst einmal zu überschätzen, was uns interessant und merkwürdig vorkommt – um sodann, in irgendwie natürlicher Gegenreaktion, den tatsächlichen Stand der Sache zu unterschätzen.«

Ada Lovelace[2]

»1. Alles, was es schon gibt, wenn du auf die Welt kommst, ist normal und üblich und gehört zum selbstverständlichen Funktionieren der Welt dazu.

2. Alles, was zwischen deinem 15. und 35. Lebensjahr erfunden wird, ist neu, aufregend und revolutionär […].

3. Alles, was nach deinem 35. Lebensjahr erfunden wird, richtet sich gegen die natürliche Ordnung der Dinge.«

Douglas Adams[3]

Heutzutage unterscheidet sich der Mensch hauptsächlich dadurch vom Affen, dass er mit dem Daumen auf dem Zahlenfeld eines Handys Nummern eingeben oder gleichzeitig mit zwei Daumen auf dem Buchstabenfeld eines Smartphone-Displays Botschaften tippen kann. Sogar im Gehen!

Aber das Entscheidende ist nicht der aufrechte Gang, sondern die Fähigkeit, den Daumen anstrengungslos nach innen zu beugen, und zwar so weit, dass die Daumenkuppen ohne Weiteres die Kuppen der anderen Finger berühren können. Anthropologen bezeichnen diese evolutionäre Errungenschaft der menschlichen Anatomie als ›Opponierbarkeit‹ des Daumens. Sie kommt bei keiner anderen Primatenart vor. Schimpansen, bei denen die Daumen ebenfalls von den übrigen Fingern abgesetzt, aber eben nicht opponierbar sind, können mit den Zeigefingern auf einem Tastentelefon herumdrücken oder sie in die Löcher einer Wählscheibe stecken. Sie sind jedoch nicht in der Lage, doppeldäumig Botschaften ins Smartphone zu tippen.

Unsere unmittelbaren Vorfahren auch nicht. Womit nicht gesagt sein soll, ältere Leute, die nicht beidhändig simsen, stünden den Schimpansen näher als jüngere Leute, obwohl jüngere Leute mitunter den Eindruck erwecken, als käme es ihnen genau so vor. Der Verfasser, der sich vor einem Vierteljahrhundert gegen die Installierung von Windows 95[4] auf seinem Redaktionscompu

In der Praxis wirft das schnelle Altern jüngster Errungenschaften Probleme der Anpassung auf, in der Philosophie tiefgründige Fragen. Was sollen etwa Großeltern, in deren eigener Kindheit die Telefone Apparate waren, die im Flur an der Wand hingen, auf die Enkelfrage antworten »Wie seid ihr eigentlich ins Internet gekommen, als es noch keine Computer gab?« Ein Philosoph würde diese Frage, die ich von einem Elfjährigen gehört habe, auf die ›Naturalisierung‹ kultureller Erscheinungen zurückführen, auf die Verwandlung von historisch Entstandenem in etwas Natürliches, seinsmäßig Vorgegebenes. Dem Elfjährigen wiederum, dessen eigene Geschichte kürzer ist als die des Internets, geht das Internet tatsächlich voraus, jedenfalls insofern, als für seinen Alltag die ›Historizität‹ der Praktiken, mit denen er ihn bewältigt, nicht von Belang ist. Im Übrigen könnte man die meisten Dinge nicht benutzen, wollte man sich vorher darüber klar werden, wie sie entstanden sind und wie sie funktionieren. Man müsste Experte für alles sein. Wer kann das schon?

Die Dinge und die Kulturtechniken ihrer Benutzung entwickeln sich mit hoher und immer höherer Geschwindigkeit. Das begeistert die Euphoriker und betrübt die Nostalgiker. Die Euphoriker sind hysterisch versessen aufs Neue, immer auf dem ›aktuellen Stand‹ und bereit für den nächsten Trend. Die Nostalgiker sentimentalisieren das Alte und ignorieren die neuesten Errungenschaften von zurückliegender Warte.

Der Autor dieser Erinnerungen an die Gegenstandswelt von gestern zählt sich weder zu den einen noch zu den anderen. Dass früher alles besser war, hält er für ein Märchen, dass früher, als vieles schlechter war, von alten Leuten erzählt wurde. Dass morgen alles noch besser sein wird, hält er für eine Übertreibung junger Leute, die das Leben mit einem Start-up verwechseln. Und so werde ich es keinem recht machen, aber hoffentlich viele amüsieren mit dieser Reise zu Dingen der eigenen Vergangenheit seit den späten 1950ern. Auf einer solchen Reise trifft man ›Objekte‹ wieder, die man völlig vergessen hat, obwohl sie einst ungeheuer wichtig waren. Oder man lacht sich kaputt über Gewohnheiten, die noch vor wenigen Jahren mit unerschütterlichem Alltagsernst gepflegt wurden.

Die einzelnen Dinge sterben, wenn wir aufhören, mit ihnen zu leben. Die ›Population‹ der Dinge indessen wächst im Lauf unseres Lebens. Nicht nur deshalb, weil sich in Wohnungen und Häusern, auf Dachböden und in Kellerräumen mehr und mehr Gegenstände ansammeln, die man ›irgendwann vielleicht

Es ist wunderlich, wie viele der Sachen einem nicht einfallen, die man täglich um sich hat. Nur Lissy würde ich nicht vergessen, da bin ich mir sicher. Das kleine Kofferradio, Jahrgang 1970, steht in der Küche und erzählt mir jeden Morgen, was vorgefallen ist in der Welt. Anderswo hat sie bereits Vitrinenreife. In Technikmuseen repräsentiert sie stumm ihre Epoche des Gerätedesigns. Sobald wir den persönlichen Umgang mit unseren Dingen einstellen, werden sie ›historisch‹.

Ohne Körperkontakt mit den Menschen können Alltagsgegenstände nicht funktionieren – und das ist wörtlich zu nehmen, fast: Viele Funktionen werden heute nicht mehr am Apparat ausgelöst, sondern an kleinen Schächtelchen, die wir ›Fernbedienung‹ nennen. Auf Knöpfe allerdings drücken wir immer noch. Einstweilen. Es wird freilich nicht mehr lange dauern, bis wir unsere Befehle nicht mehr mit den Fingern erteilen, sondern mit dem Mund. Stimmerkennungsprogramme ermöglichen es, dass wir den Dingen Anweisungen geben können, als wären sie unseresgleichen. So brachte in der zweiten Jahreshälfte 2016 Amazon seinen in den USA bereits erprobten Spracherkennungslautsprecher Echo auf den deutschen Markt. Der Name ist insofern geschickt gewählt, als der griechischen Mythologie zufolge die Bergnymphe Echo von der Zeus-Gemahlin Hera der eigenen Stimme beraubt und dazu verurteilt wurde,

Aber noch sind die meisten Befehle, die wir unseren Dingen geben, haptischer Natur. Weil unsere alten Reflexe weiterfunktionieren, wenn ein Gerät plötzlich nicht mehr funktioniert, sind wir im allerersten Moment schockiert, wenn auf Knopfdruck nichts passiert. Dabei sollten wir eigentlich wissen, dass nur die Batterien zu erneuern sind. Was würde jedoch geschehen, gäbe es Probleme nicht beim An-, sondern beim Ausschalten? Vor Jahren träumte mir, ich käme nach Hause und alle Dinge wären in Aufruhr: Die Waschmaschine drehte wie wahnsinnig die Trommel und schleuderte die Leere, die Spülmaschine zog unentwegt Wasser, Kaffeemaschine und Wasserkocher blubberten, das Bügeleisen glühte, der Mixer ließ das Messer rotieren und machte Geräusche wie ein Hubschrauber, Lissy plapperte selbstzufrieden vor sich hin; im Arbeitszimmer hatte sich der Computer hochgefahren, das FAX piepte erwartungsvoll auf Empfang, der Anrufbeantworter wiederholte unermüdlich seine Ansage, und sämtliche Lampen brannten. Fassungslos stürzte ich in diesem Lärm der Dinge von Gerät zu Gerät, aber keines ließ sich abschalten. Unbeeindruckt von der befehlsgewohnten Menschenhand machten alle einfach weiter, mochte ich auf die On/Off-Knöpfe drücken, so viel ich wollte. Es war zum Verrücktwerden. Dann hatte ich die rettende Idee: Drehe die Zentralsicherung raus, dreh um Himmels willen die Zentralsicherung raus. Schweißgebadet erwachte ich. Nachdem ich mich beruhigt hatte, ging ich in die Küche, nachsehen. Alles stand still und ruhig an seinem Platz. Nur der Kühlschrank brummte. Im Arbeitszimmer schimmerten die grünen Punkte

Im Übrigen hat die Zukunft bereits begonnen. Vor einem Vierteljahrhundert, in der dritten World Media taz-Ausgabe von 1991, wurde gefragt: »Ein Wasserboiler, der mit dem Geschirrspüler ein Schwätzchen hält, während die Waschmaschine mit Besuchern plaudert?« Das klang in den frühen 1990ern belustigend. In den späten 2010ern halten Haushaltsgeräte zwar immer noch keine Schwätzchen, dafür haben sie keine Zeit, aber es ist möglich geworden, die Haustechnologie, vom Heizkessel bis zur Waschmaschine, mithilfe von Computerprogrammen zu koordinieren und per Funk zu steuern, auch wenn man gar nicht zu Hause ist. Aus Lautsprechern ertönt Hundegebell, um Einbrecher abzuschrecken, während Roboter staubsaugend durch die Stuben kurven oder rasenmähend durch den Garten.

Die Verwandlung von Zukunft erst in Gegenwart und dann in Vergangenheit geht inzwischen so schnell vor sich, dass die Herstellungszeit des Langsamkeitsmediums Buch damit nicht mehr kompatibel ist. Weil das Schreiben dem Leben hinterherhinkt, muss das Leben dem Schreiben auf die Sprünge helfen. Den Leserinnen und Lesern wird es hoffentlich Vergnügen machen, diesen Text mit gedanklichen Updates aus der eigenen Erfahrungswelt zu aktualisieren.

Ich kam 1957 zur Welt, dem Jahr, in dem die Sowjetunion, die es längst nicht mehr gibt[6], zum Erstaunen und Entsetzen der ›westlichen Welt‹ den ersten Satelliten ins All geschossen hat. Zwölf Jahre später machten die ›Amis‹, die es – einstweilen – immer

Genau in der Mitte zwischen Sputnikschock und Mondlandung fand meine Einschulung statt. Aber als ich im September 1963 zum ersten Mal den Ranzen in die Schule trug, baumelte an diesem Ranzen ein Tafellappen, als wäre nicht 1963, sondern 1893 gewesen.

Von der Schiefertafel zum Tablet

Der Tafellappen, der aus meinem Ranzen hing, war mit einer Schnur am roten Holzrahmen einer grauschwarzen Schiefertafel befestigt. Die Tafel war liniert, und im ersten Schuljahr tummelten sich über und unter, seltener auf den Linien die seltsamen Figuren, die von den Lehrern als ›Buchstaben‹ bezeichnet wurden, und die wir Schüler von der großen Tafel abmalten, der sogenannten ›Lehrertafel‹. Die Lehrertafel wirkte, als würde sie für alle Zeiten an der Stirnseite des Schulzimmers an der Wand hängen wie das Kreuz in der Kirche – oder gleichfalls im Schulzimmer. Die Kreuze sind vielerorts aus den Schulstuben verschwunden, die Lehrertafeln auch. Sie wurden durch interaktive Whiteboards ersetzt.

Im Unterschied zu den großen Wandtafeln mit ihrer grauschwarz drohenden Unerschütterlichkeit blieben die kleinen Tafeln keine zwei Wochen unbeschädigt, jedenfalls nicht in den Jungenranzen. Auch einem Mädchen mochte eine Tafel vom Pult rutschen und eine Schramme davontragen, aber die schweren Brüche kamen nicht durch Ungeschicklichkeit zustande, sondern durch Kämpfe Mann gegen Mann. Wenn Schulranzen wie Heldenschilde gegeneinanderprallten, bezahlten die Schiefertafeln mit dem Leben. Den Griffeln erging es besser, jedenfalls wenn sie brav im ebenfalls hölzernen Griffelkasten mit dem zurückschiebbaren Deckel untergebracht und nicht lose in den Ranzen geworfen wurden. Dem Schwämmchen wiederum machte das alles nichts aus. Solange es Tafeln gab statt White

Das Schlimmste an diesen kleinen Schwämmen waren die Geräusche, die sie ausgetrocknet auf bekritzelter Tafel hervorriefen. Die Schwämmchen lebten in runden Dosen (tatsächlich schon aus Plastik!) und zogen sich bei Trockenheit schneckenhaft unter deren Rand zurück. Beim Wischen rief dieser Dosenrand auf dem Schiefer ein schabendes Geräusch hervor. Es klingt mir noch heute in den Ohren und macht mir immer noch Gänsehaut. Ohren haben ein gutes Gedächtnis, fast so gut wie Finger und Hände, die auf Knöpfen, Tasten und Tastaturen (wie jetzt beim Schreiben auf dem Rechner) herumdrücken, ohne dass sich derjenige, dem diese Finger und Hände gehören, bewusst darum kümmern muss. Dem motorischen Gedächtnis entspricht das akustische Gedächtnis. Es bewahrt im Echoraum des Kopfes Geräusche auf, die im Leben längst ausgestorben sind. Hübsche Geräusche wie das Bimmeln, wenn der Schrankenwärter die Kurbel drehte und die Schranke herunterließ, um die Bahn für die Bahn frei zu machen. Fiese Geräusche wie dieses knirschende Schaben, das ein trockener Dosenschwamm auf einer Schiefertafel hervorrief.

Die Buchstaben, die auf Tastaturen so genormt zuverlässig angeordnet sind, machten uns ABC-Schützen mit ihrem Durcheinander mächtig zu schaffen. In der Suppe rührte man sie mit dem Löffel um, aber in der Schule hatte man sie in Reih und Glied so aufzustellen, dass Wörter dabei herauskamen. Das Hilfsmittel dazu war ein Setzkasten oder eine Setzfibel. Über

Ich hatte eine Setzfibel und hasste sie. Die Buchstaben waren aus Pappe, ebenso die Schlitze, in die man die Pappbuchstaben zu stecken, zu schieben, zu fummeln hatte. Die Buchstaben fransten aus, die Schlitze rissen ein, und je mehr die Buchstaben ausfransten und die Schlitze einrissen, desto schwieriger wurde es, die Buchstaben in die Schlitze zu kriegen, damit Wörter herauskamen. Mit dieser motorischen Aufgabe waren die Kinderhände dermaßen beschäftigt, dass die Kinderköpfe kaum noch Restenergie fürs Schreibenlernen hatten. Aus dem ›Baum‹ an der Lehrertafel, mit wackelndem Griffel auf der kleinen Schiefertafel nachgemalt, aber korrekt buchstabiert, wurde im Setzkasten ein ›Buam‹, weil das völlig verfranste ›a‹ einfach nicht an der richtigen Stelle in den Schlitz wollte. Und in irgendeinen Schlitz musste es doch, das verflixte a!

Ich weiß nicht, wo die dunkelrote Setzfibel mit ihren schwarzen Buchstaben auf dünner weißer Pappe geblieben ist. In meinem persönlichen Museum der Dinge – es enthält unter vielen pensionierten Objekten zum Beispiel einen Zirkelkasten, einen Rechenschieber, einen Stenofüller und meinen ersten elektronischen Taschenrechner – ist sie jedenfalls nicht zu finden. Auch

Bis dahin hantierten wir nach dem Griffeljahr der ersten Klasse mit Federhaltern. Die Federn steckten in sich nach hinten verjüngenden und von Milchzähnen benagten Haltern aus Holz, waren ziemlich starr und konnten die Tinte nicht halten. Ein Teil davon tropfte ab auf dem Weg vom Fass zum Heft, und wenn man nicht schnell genug beim Buchstabenmalen war, breiteten sich blaue Kleckse auf den Seiten aus, kleine Seen mitunter, die sich mit dem faserigen Löschpapier kaum trockenlegen ließen. Die Heftseiten selbst waren Schlachtfelder der Alphabetisierung, übersät mit in ihrem Tintenblut schwimmenden Leichen der von ABC-Schützen hingemordeten Buchstaben. Das Mordinstrument Federhalter ist inzwischen und zum Glück aus dem Alltag verschwunden und nur noch etwas für Zeichenkünstler und Kalligraphie-Liebhaber.

Ob unsere Federn sich nach solchen für die ›Ausgangsschrift‹ und nach solchen für die ›Verkehrsschrift‹ unterschieden, kann ich heute nicht mehr sagen. ›Form follows function‹ hat mal jemand gesagt[7], und so gab es verschiedene Federn zum unterschiedlichen Gebrauch, wie es auch Patronenfüller mit verschiedenen Federn gab, zum Beispiel mit besonders weichen und biegsamen beim Stenofüller.

Die offizielle »Lateinische Ausgangsschrift« kam in der BRD seit 1953 auf Beschluss der Kultusminister länderübergreifend im Unterricht der damals noch offen und ehrlich sogenannten Volksschulen zum Einsatz. Auch ich wurde mit ihr ›beschult‹, ob

Ob die Ausgangsschrift ihren Anspruch erfüllte, blieb unter Lehrern und Eltern umstritten. In den frühen Siebzigern wurde in einigen Bundesländern eine »Vereinfachte Ausgangsschrift« unterrichtet, während in der DDR seit 1968 eine artverwandte »Schulausgangsschrift« galt.

Die Debatten ums Schreibenlernen waren in ihrer verstiegenen Grundsätzlichkeit und mit ihrer Überzeugungsinsbrunst dem Religionskrieg ähnlich, der in den 1990ern um die Rechtschreibreform geführt wurde. Aber schließlich ging es um mehr als nur darum, welche Schnörkel Schulkinder bei a, b und c hinzumalen oder wegzulassen hatten. Die Oberhoheit über die Motorik der Kinderhand hing (und hängt) zusammen mit der Oberhoheit über die Erwachsenenseele. Ada Sasse, Professorin für Grundschulpädagogik, hat das so zusammengefasst: »Die Schreibschrift als Schrift zum Schreibenlernen war vor ein paar Jahrzehnten noch angesehen wie eine preußische Primärtugend – gleichzusetzen mit Fleiß, Ordnung, Sauberkeit und Disziplin. Aber darauf kommt es doch nicht an. Die Kinder müssen erkennen, dass Schrift ein lebensbedeutsames Kommunikationsmittel ist.« Tatsächlich? Ist die Handschrift als ›lebensbedeutsames Kommunikationsmittel‹ inzwischen nicht selbst

Einer von mir wäre schwer zu entziffern. Meine Handschrift ist durch schriftstellerische Tagesroutine verkümmert zu einer Art Privatstenografie. Viele Wörter und Silben sind nur noch Ruinen, Ruinen der Routine eben, deren Bedeutung ich nur im Zusammenhang ganzer Sätze erschließen kann. Einzelne isolierte Worte, an den Rand eines ›Manuskripts‹ geschrieben, das in Wahrheit weder ›Manus‹ noch ›Skript‹ ist, sondern ein Computerausdruck, werden in kurzer Zeit mir selbst geheimnisvoll wie Hieroglyphen. Allerdings hatte ich bereits als Schulkind in Schönschreiben schlechte Noten, wenn ich auch im Einzelnen nicht mehr nachprüfen kann, wie schlecht. Vor Jahren überantwortete ich in einem Anfall von autobiographischem Aufräumwahn sämtliche Schulzeugnisse der blauen Tonne. Meine Tagebücher sind dem Entsorgungsanschlag knapp entronnen und liegen nun korrekt klischeegemäß in einer Kiste auf dem Dachboden.

›Schreiben mit der Hand‹ verhält sich zum Tippen am Tablet wie der Eintrag ins Poesiealbum zum Posten auf Facebook. Aber wie immer, wenn alles gut läuft, wenn auch in die falsche Richtung, entwickeln sich Gegentrends. ›Handlettering‹[8] ist ein solcher Gegentrend. In speziellen Kursen kann man das ›Schönschreiben‹ üben, eine Kunst, die in meiner Volksschulzeit noch keine war, sondern zeugnisrelevante Alltagsfertigkeit.

Uns Schulkindern bereitete es ein seltsames, irgendwie froschquälerisches Vergnügen, die in Holzgriffel gesteckten Federspitzen so aufs Löschpapier zu drücken, dass sich deren Hälften spreizten und der schmale Tintenkanal zum klaffenden Spalt auseinandertrat. Wie breit ließ sich der Spalt wohl drücken? Ging man zu weit und drückte zu fest, glitten die Spitzenhälften nicht wieder zurück in die Ausgangslage und schlossen die Kluft nicht mehr, sobald der Druck nachließ. Dann war die Feder ruiniert, und man musste sich etwas einfallen lassen, um zu Hause zu erklären, warum man schon wieder eine neue brauchte. Sollte man es mit der Ausrede versuchen, der Federhalter sei – leider – vom Pult gerollt? Das war riskant. Wurde die Feder daraufhin einer elterlichen Inspektion unterzogen, stellte sich sofort heraus, dass diese Aufspreizung nie und nimmer von einem Fall herrühren konnte. Fiel die Feder ungünstig auf ihre Spitze, wurde sie geknickt oder verbogen, aber sie spreizte sich nicht in dieser verräterischen Weise. All das war zu bedenken, wenn man versonnen die Feder aufs Pult drückte, damit ihre Hälften so weit wie möglich auseinandertraten, ohne kaputtzugehen.

Auf den Federhalter folgte der Patronenfüller und mit ihm die Emanzipation vom Tintenfass. Die blauen Seen auf den Pult

Mit den Patronenfüllern wurde der Endpunkt der handschriftlichen Evolution in der Schule erreicht. Kugelschreiber waren im Unterricht tabu, weil sie die Handschrift ›verdarben‹, wie es hieß. Mich erfasste dennoch die Sehnsucht nach einem Vierfarbkugelschreiber mit Stahlgehäuse, aus dem man an einem blauen, einem schwarzen, einem roten und einem grünen Metallknopf die jeweiligen Minen in die Spitze schieben konnte. Ich opferte mein angespartes Taschengeld, wurde jedoch des angeberischen Objekts nicht froh. Zu Hause konnte

In der DDR gab seit 1974 Heiko »der Handschrift Charakter«, wie der Verpackungsaufdruck versprach. Bei dem als ›Pionierfüller‹ etikettierten Schreibgerät für Schüler der ersten bis vierten Klasse kam die Tinte nicht aus Patronen, sondern aus einer Füllkammer. Der VEB Füllhalterfabrik Wernigerode stellte jährlich eine halbe Million Kolben- und eine ganze Million Patronenfüller her. Das Unternehmen wurde Anfang der 90er von der Treuhand an den westdeutschen Minenhersteller Schneider verkauft und produziert heute jährlich zwischen 15 und 20 Millionen Tintenschreiber, darunter auch Tintenroller im Set mit Tintenlöschern oder den Füllhalter Ray, ein »Füller mit ergonomisch gummiertem Griffprofil und hochwertiger Edelstahlfeder mit Iridiumkorn. Standard-Tintenpatronen königsblau löschbar. Für Linkshänder gibt es die spiegelverkehrt geformte L-Version.« Früher, als vieles schlechter war, hätte es das nicht gegeben. Da wurden Linkshänder so lange gequält, bis sie wie ›normale‹ Menschen mit rechts schreiben gelernt hatten.

Waterman