Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk
Deutsche Helden privat
VORWORT
DAS RANKING: Die siebenundsiebzig größten deutschen Helden
77. FRANK BSIRSKE macht Urlaub auf Krk
76. DIETER BOHLEN You’re my ass, you’re my hole
75. STEFAN MAPPUS Schwäbischer Name für die Filzlaus
74. ALICE SCHWARZER Das Sturmgeschütz des Feminismus
73. LOTHAR MATTHÄUS Mein Leben als Kühlschrank
72. HANNELORE KRAFT Die hausgemachte Mayonnaise unter den Ministerpräsidenten
71. JOSEPH BLATTER Stellvertreter des Gottes Fußball auf Erden
70. WOLFGANG KUBICKI Möllemann Reloaded
69. ROGER WILLEMSEN Don’t call me «Rodscher»
68. GRÜNE FRAUEN Das hat die Emanzipation nicht gewollt
67. CHARLOTTE ROCHE Untenrum geht immer
66. KURT BECK Es gab auch schon mal Rudolf Scharping, also Klappe!
65. DIE GEISSENS Ungeschminkt und durchgescripted
64. URSULA VON DER LEYEN Ein Tag in ihrem Leben oder: Wie schafft die das nur alles?
63. PETER SCHOLL-LATOUR Von Sunniten und Stalaktiten
62. OLAF SCHOLZ Das Nichts als solches
61. MICHAEL SCHUMACHER Der weiche Teil des Autos
60. GERHARD SCHRÖDER Dorian Gray in der Nasszelle
59. HEIDE SIMONIS Als Frausein noch reichte
58. GÖTZ GEORGE Lebenslänglich Duisburg-Ruhrort
57. FELIX MAGATH Immer zu Schmerzen aufgelegt
56. GUIDO WESTERWELLE Scheitern für Fortgeschrittene
55. HORST SEEHOFER Des Freistaats Zier und Kleinod
54. RICHARD DAVID PRECHT Schöner wird’s nicht
53. JOSCHKA FISCHER Der Marathonmann
52. PETER HARTZ Das Gespenst
51. STEFAN RAAB Was war da denn los? Man weiß es nicht!
50. JOACHIM GAUCK Jesus aus der Ostzone
49. FRANK-WALTER STEINMEIER Mehr SPD geht nicht
48. THILO SARRAZIN Ganz unten. Der Mann, der Thilo Sarrazin war
47. MARGOT KÄSSMANN «Die Worthülse Gottes» (taz)
46. NORBERT RÖTTGEN Wärst du doch in Düsseldorf geblieben
45. TIL SCHWEIGER Keinohrtatort
44. THORSTEN SCHÄFER-GÜMBEL Doppelname mal als Mann
43. ANGELA MERKEL Die eiserne Lady aus der Uckermark
42. NINA HAGEN Erste gesamtdeutsche Mega-Nervensäge
41. OSKAR LAFONTAINE Ein Bild aus alten, glücklicheren Tagen
40. DORIS SCHRÖDER-KÖPF Schröder-Gerhards Frau
39. RONALD POFALLA Großsäuger mit Tourette-Syndrom
38. DAS ARD-TALK-QUINTETT Laber Rhabarber
37. CHRISTIAN WULFF Als die Welt noch in Ordnung war
36. JOGI LÖW Joachim plus weißes Hemd gleich...
35. SIGMAR GABRIEL Als Super-Siggi noch träumen durfte
34. HOLGER APFEL Doch mit den Clowns kamen die Tränen
33. HANS-WERNER SINN Beim Barte des Untergangspropheten
32. HORST KÖHLER Trendsetter im Präsi-Abkacken
31. ANTON SCHLECKER Millionen verbraten für hässliche Discounthöhlen
30. ANDREA NAHLES Dick, gläubig, links
29. BUSHIDO Nutte Bounce
28. KLAUS WOWEREIT Noch entgleister als die S-Bahn
27. OLAF GLAESEKER Verantwortlich für die Ansiedlung des Wulffs in Deutschland
26. JOSEF ACKERMANN Opa ante Portas
25. DIRK NIEBEL Haben Sie Vorurteile gegen Politiker? Nein? Dann lesen Sie bitte hier weiter
24. BORIS BECKER Früh berühmt, früh verblüht
23. KARL-THEODOR ZU GUTTENBERG Ministry of Silly Walks
22. PETER ALTMAIER Der schwarze Pirat
21. FERDINAND PIËCH Weltherrscher mit Trema
20. CHRISTIAN LINDNER Die Meinungsmaschine
19. PETER RAMSAUER Heute schon Verkehr gehabt?
18. ROLAND EMMERICH Hessen meets Hollywood
17. JÜRGEN TRITTIN Ich war ein Dosenpfand
16. WOLF BIERMANN Fehlkauf aus der DDR
15. KRISTINA SCHRÖDER Für eine Handvoll Herdprämie
14. AXEL SCHULZ Der Fackelmann
13. BETTINA WULFF Eigenständiger Begleitservice von sich selbst
12. MANUELA SCHWESIG UND SO Frauen in Führungspositionen, au ja!
11. GÜNTER GRASS Das Schweigen der Synapsen
10. RENATE KÜNAST Wer war das denn noch mal?
9. SEBASTIAN VETTEL Bröööm Brööööööööööm
8. FRIEDRICH MERZ Sauerland, here I come
7. PEER STEINBRÜCK Angela Merkel als Mann und mit Sprechen
6. VERONICA FERRES UND CARSTEN MASCHMEYER Sie haben sich verdient
5. SAHRA WAGENKNECHT UND OSKAR LAFONTAINE Traumpaare des Pflegenotstands, Folge 27
4. LENA MEYER-LANDRUT Sternschnuppe des Restbürgertums
3. PATRICK DÖRING Ist die Katze gesund, freut sich der Mensch
2. CLAUDIA ROTH Knuddelduddelduh
1. RONALD BRUNSMEIER Der Letzte seiner Art
Was noch zu sagen bleibt
DER WEGWERF-PROMI Billig, willig und talentfrei
KANZLER KEVIN Es lebt schon und kommt unaufhaltsam auf uns zu
WOHIN STEUERT DIE SPD? Ein Radiogespräch zwischen R. R. Salm und Dr. H. Wasser
WIR MUSSTEN LEIDER DRAUSSEN BLEIBEN! Promis aus der zweiten Reihe
DANK
BILDNACHWEIS
«Den gefallenen deutschen Helden», so steht es eingemeißelt an Tausenden «Kriegerdenkmälern» verteilt über die ganze Republik – jedenfalls so lange, bis ein Grüner aus dem Gemeinderat das als Thema entdeckt hat. Uns interessiert hier weniger der Umgang mit der Vergangenheit als die Frage: Gibt es Helden, die zugleich deutsch und am Leben sind? Darf man Otto von Bismarck und Ronald Pofalla in einem Atemzug nennen, ohne sich lächerlich zu machen? Um die Antwort gleich vorwegzunehmen: Nein, darf man nicht! Deshalb befasst sich das vorliegende Buch ausschließlich mit den wenn auch lebenden, so dennoch gefallenen Helden, zumeist durch eigenes Verschulden auf die selbige Fresse.
Zugegebenermaßen ist es nicht leicht, in einem Land ein Held zu sein, in dem dieser Begriff so sehr mit Kriegstaten verknüpft ist. Grundsätzlich ist es schwer, zugleich Held und deutsch zu sein, die typischen Eigenschaften der Deutschen, dieser seltsamen Säugetierspezies, mithin gleichzeitig zu verkörpern und heldisch zu überhöhen.
Was ist überhaupt «deutsch sein»?
Heißt das, hinterm Schrank zu tapezieren, obwohl es da doch gar niemand sieht? Ist es die deutsche Eigenart des Schunkelns, eine Art Sitztanz mit untergehakten Nachbarn? Dieses Wiegen des Oberkörpers auf der Stelle ist auch bei vielen anderen in Gefangenschaft gehaltenen Großsäugern recht häufig. Womit wir nun schon tief in die deutsche Seele abgetaucht sind. Dort regiert die «Gemütlichkeit», das ist eine Stimmungslage, die unter zivilisierten Völkern nicht vorkommt. Gemütlichkeit ist mehrgeschlechtliches Beisammensein minus Erotik, deswegen auch bei Ehepaaren sehr beliebt. Genau wie das Schunkeln findet auch die Gemütlichkeit ausschließlich im Sitzen statt. Je mehr Geweihe und ausgestopftes Viehzeug an den Wänden prangen, desto höher der Gemütlichkeitsindex. Doch auch privat kann man sich’s «gemütlich machen». Dazu braucht man ein großes Sofa, Jogginghosen, Fertiggerichte und eine Film-Runterlade-Flatrate. Alkohol ohnehin! Auch hier besticht die Verhaltensweise durch die ausdrücklich gewünschte Abwesenheit jeglicher Erotik. So vielschichtig der Deutsche in seinen politischen oder kulturellen Erscheinungsformen ist, der ewige Drang zur Gemütlichkeit eint sie alle: Ökopflaume und Busrentner, verpartnertes Homopärchen und Vorortsiedler.
Möchte man ein Held dieser Torfnasen sein, denen die Piefigkeit aus den Cargohosen tropft? Ja, das möchte man – jedenfalls wenn man eine von den Figuren ist, die in diesem Buch porträtiert werden. Sie sind die Projektionsflächen all dieser Samstagabendgriller, Fahrradhelmträgergestelle und Leserbriefbescheidwisser, deren Reservat Deutschland heißt, und – sie sind es freiwillig. Viele von ihnen (Andrea Nahles) wären in einem anderen Land (Italien) gar nicht vorstellbar, andere (Klaus Wowereit) spielen gekonnt den weltläufigen Lebemann (Hey, wow, Börleen) und sind doch so provinziell (pfitzmannesk), wie man das eben nur in Deutschland sein kann.
Sind die neudeutschen Helden Politiker, dann strahlen sie die intellektuelle Schärfe eines Leibnizkekses und die Redlichkeit eines paschtunischen Drogenhändlers aus, nur nicht deren Stil. Sind sie sonst wie Im-Licht-der-Öffentlichkeit-Steher, dann wetteifern sie um die Erstziehungsrechte bei der Vergabe sämtlicher Peinlichkeiten.
Spätestens hier stellt sich dem geneigten Leser die Frage: «Warum sind die berühmt und ich nicht? Peinlich und doof, das kann ich auch.» Eines gehört aber zusätzlich als Sahnehäubchen obendrauf: Man darf selber nicht merken, wie peinlich und blöd man ist, oder man muss so kaltschnäuzig sein, dass es einem wurscht ist. Erst dann wird man zu einem wahren deutschen Helden Punkt zwei, einem Exemplar der noch lebenden und doch gefallenen Spezies, der dieses Machwerk gewidmet ist.
Eine letzte Frage: Wieso trägt das Buch den bescheuerten Titel «Frank Bsirske macht Urlaub auf Krk»? Es folgt hier zwar nicht die Antwort, aber die Erklärung der dahinterstehenden Absicht.
Als Sie den Titel gelesen haben, was war Ihre Reaktion?
a) Sie haben geschmunzelt.
b) Sie haben sich gefragt, ob das überhaupt stimmt.
c) Sie haben gedacht: «Na und, soll er doch.»
d) Sie haben die Autoren für Idioten gehalten.
Richtig sind a) und d). Sollten Sie b) oder c) gedacht haben, dann gehören Sie leider nicht zu unserer Zielgruppe. Bitte legen Sie das Buch zur Seite oder verschenken Sie es weiter. Danke, dass Sie vorbeigeschaut haben, aber belästigen Sie uns bitte nicht mit fortschreitender Lektüre – und tschüs.
PS: Noch eine Anmerkung für die Freunde verblüffender Wahrheiten: «Frank» enthält prozentual weniger Vokale als «Bsirske» – so täuschend kann der erste Blick auf die Welt manchmal sein. Wer sogar hier noch geschmunzelt hat, der darf endgültig umblättern und weiterlesen.
Viel Spaß dabei wünschen
Oliver Welke und Dietmar Wischmeyer
DAS RANKING
macht Urlaub auf Krk
Frank Bsirske war voller Vorfreude. Bald konnte es wieder losgehen. Endlich Urlaub. Der Stress der vielen Aufsichtsratssitzungen fiel von ihm ab. Allein drei waren es im letzten Halbjahr gewesen. «Mensch, Bsirske», murmelte Bsirske zu sich selbst, «das haste dir wirklich verdient.» Drei Wochen ohne Provinzmarktplätze, hässliche Verdi-Geschäftsstellen-Mitarbeiterinnen, Trillerpfeifen und übergeworfene Mülltüten. «Fick dich, Tarifhoheit», lächelte Frank Bsirske selbstlautlos in sich hinein.
Frank Bsirske hatte endlich frei. Er holte seinen Koffer aus dem Schrank. Es handelte sich um eines der besseren Modelle von Louis Vuitton. Ein Rollkoffer. Der Arbeiterführer hatte den Markennamen aber aus Rücksicht auf seine Untergebenen mit Sylt-Aufklebern verdeckt. Deutsche Neidkultur. Zum Kotzen.
Er hätte es am liebsten längst aufgegeben, sich den Anschein von Prekariat zu geben. Wem wollte er auch etwas vormachen? Schließlich hatte der gelernte Multifunktionär nie selbst gearbeitet. Frank Bsirske schmunzelte bei dem Gedanken an seinen begehbaren Humidor, in dem Zigarren im Wert von drei Krankenschwester-Jahreslöhnen lagerten. Und aus Solidarität mit den gefährdeten Arbeitsplätzen der Opelaner in Bochum fuhr er seit zwei Jahren einen Mercedes. Schönes Teil. S-Klasse. Das war’s dann aber auch mit den Zugeständnissen.
Jetzt freute er sich auf drei Wochen Entspannen und Segeln mit Carsten, der Vroni und Thilo. Obwohl Thilo erfahrungsgemäß im Urlaub schon nerven konnte. Der schnauzbärtige Hobby-Rassenkundler konnte einfach nicht abschalten. Kaum war er im Ausland, verbrachte er seine Tage mit genetischen Studien an den Ureinwohnern. Frank Bsirske war davon schnell gelangweilt.
Es sollte nach Kroatien gehen. Maschmeyers Yacht, die MS Wilhelm Gustloff II, ankerte traditionell von Juni bis August vor Krk. Frank Bsirske fuhr gerne dorthin. Etwas an dieser Insel zog ihn magisch an. Vielleicht war es das Klima. Oder die malerisch an der Adria gelegene Hauptstadt von Krk: Krk. Manchmal fuhr er mit seinem gesponserten Touareg auch die paar Kilometer in den Nachbarort Vrh. Frank Bsirske verstand es zu leben. Savoir-vivre. Dolce Vita. Frank Bsirske bekam eine Gänsehaut.
Was nur wenige wussten: Die Insel Krk befand sich seit acht Jahren im Besitz von Verdi. Gekauft mit Mitteln aus einem EU-Topf für den Ankauf exjugoslawischer Inseln. Auch eine Gewerkschaft musste ja irgendwohin mit der Kohle. Und ein Felsen im Meer war immer noch besser, als davon doch wieder nur einen weiteren nutzlosen Idiotenstreik zu finanzieren. 3,2 Prozent mehr Lohn. Lächerlich. Dafür ging ein Frank Bsirske nicht aus dem Haus.
Auf Krk hatte er sich sein Anwesen bauen lassen. Nichts Großes. Niedliche dreißigtausend Quadratmeter, die er hatte brandroden lassen. Jetzt umsäumten nur noch ein paar Oliven- und Orangenbäume das Grundstück, das liebevoll geflegt wurde von recht anständig bezahlten kroatischen Nano-Jobbern. Die fleißigen Südslawen bekamen neunzig Lipa die Stunde, das ist fast ein Kuna. Immerhin. Er mochte Kroatien. Dort gab es aus sozialistischer Tradition kein Streikrecht. Er wollte es im Urlaub schließlich bequem haben. Keine Streiks, das gefiel dem Machtmenschen Bsirske.
Natürlich flog er immer erster Klasse. Eine der wenigen Vergünstigungen, die ihm als Lufthansa-Aufsichtsratsmitglied zustanden. Zuletzt allerdings hatte er sich ärgern müssen. Der Sancerre war viel zu warm gewesen. Mindestens drei Grad drüber. Diese Kuhpisse zu trinken kam für ihn nicht in Frage. Aber er war ja zum Glück nicht wehrlos und ohnmächtig wie ein normaler Arbeiter. Er war Frank Bsirske, die mächtige Faust des Proletariats. Zwei Tage später ließ er aus Rache die komplette Lufthansa bestreiken. Und das nur, weil sein starker Arm es wollte. Er bekam wieder eine Gänsehaut.
Er musste an einen anderen Flug denken. Erster Klasse nach Neu-Delhi. Durch Zufall hatte er in der First Class den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst getroffen. «Franz-Peter Tebartz-van Elst – was für ein komischer Name», dachte Frank Bsirske schmunzelnd. Er zog seinen Rollkoffer hinter sich her und verließ das Adlon, ohne den Pagen eines Blickes zu würdigen.
You’re my ass, you’re my hole
Schwester Irina hat schlechte Laune. Zimmer 19 ist an der Reihe. Das Zimmer, in dem «Arschloch» wohnt. Wie heißt der Typ noch mal wirklich? Peinlich berührt stellt die Altenpflegerin fest, dass sie Arschlochs richtigen Namen inzwischen vergessen hat. Und warum? Weil das komplette Personal ihn nur noch Arschloch nennt. Was wiederum fraglos damit zusammenhängt, dass Arschloch sich rund um die Uhr wie eins aufführt. Unmittelbar nach Arschlochs Einzug waren auch noch diverse andere Spitznamen im Umlauf. «Brother Louie» zum Beispiel oder irgendwas mit «Geronimo». Durchgesetzt hat sich dann aber eben «Arschloch».
Schwester Irina, noch relativ neu im Eppendorfer «Horst-Hrubesch-Seniorenstift» fand die herzlose Lästerei der Kollegen zunächst nicht in Ordnung. Die gebürtige Kasachin war der festen Überzeugung, dass gute Pflegearbeit Geduld und Verständnis voraussetzt. Aber schon die ersten drei Minuten mit Arschloch in Zimmer 19 haben ausgereicht, um diese Überzeugung zu pulverisieren. Für immer.
Morgens, wenn man ihm das Frühstück bringt, ist es am schlimmsten. Wahrscheinlich weil er dann sieben Stunden lang keinen hatte, den er terrorisieren kann. «Ach was soll’s, hilft ja nix», denkt Irina und drückt die Tür auf. Arschloch sitzt am Tisch und liest seine geliebte «Bild»-Zeitung. Er trägt einen silbernen Kimono. Wie immer mit nichts drunter. Reflexartig spreizt der alte Schwerenöter jetzt ganz leicht die Beine, um der Schwester eine möglichst freie Sicht auf das ledrige Gehänge zu ermöglichen.
«Ach nee, guck mal an, das Frollein Irina, bekannt aus dem Film ‹Doktor Fummel und seine scharfen Schwestern›, bringt mir mein Happa-Happa! Na, das is ja hammermäßig!», quäkt es aus dem dunkelbraunen Runzelkopp. Siebzig Jahre nonstop Solarium hinterlassen eben ihre Spuren. Irina stellt das Tablett ab, nuschelt irgendwas mit «Appetit» und tritt den Rückzug an. Vielleicht klappt es ja diesmal. Vielleicht lässt er sie einfach so gehen. «Guck nur auf die Türklinke, Irina», denkt Irina und hat den rettenden Flur schon fast erreicht.
«Du, hömma, Olga, du, bei allem Verständnis, ich weiß ja nicht, wie das bei euch zu Hause in Kaputtistan so abläuft futtermäßig, ob ihr da die plattgefahrenen Eichhörnchen von der Straße kratzt oder was … aber DAS hier geht echt gar nich, nech!» Anklagend hält Arschloch eine Scheibe Mortadella hoch. «Was soll denn das sein, bitte? Hast du dir das aus deinem eigenen Pöter gesäbelt, den traurigen grauen Lappen hier?»
Irina zählt innerlich bis fünf und fragt: «Mögen Sie lieber Käse?»
Arschloch wuchtet sich ächzend aus seinem Sessel. Dabei lässt er traditionsgemäß einen fahren und den Kimono ganz auseinandergleiten. Irina versucht verzweifelt, den Blick abzuwenden. «Ja, Mäuschen, das musst du jetzt nicht in den falschen Hals kriegen, wenn ich dir hier mit wehender Banane entgegenkomme, haha … Ich darf leider keine Unterbuxe tragen. Ärztliche Anordnung. Mein kleiner Dieter muss immer frei schwingen. Hat was mit so ’ner alten Penisbruchgeschichte zu tun, erzähl ich dir, wenn mal Zeit is.»
Arschloch verschluckt sich an seiner eigenen Spucke und kriegt einen schlimmen Hustenanfall. Schwester Irina nutzt die Chance und bewegt sich Richtung Tür. Allerdings nicht schnell genug. Immer noch erschreckend beweglich, wirft sich der alte Rochen zwischen sie und den Ausgang. «Pass mal auf, weißte, du siehst ja für dein Alter ganz süß aus und so, paar Pfunde zu viel, aber irgendwie fast schon niedlich … jetzt nicht wirklich sexy oder so, aber auch nicht völlig zum Kotzen, weißte …»
Worst-Case-Szenario: Der Mann, der vor gefühlten tausend Jahren mal das Wort «Pop-Titan» auf der Visitenkarte hatte, setzt zu einem seiner gefürchteten Monologe an. «Weißte, wie du hier schon reinkommst und so, ne, null Körperspannung, wie so ’n Sack Sülze auf Baldrian, das geht so nich. Und jetzt kommt gleich wieder ‹Ja, aber Herr Bohlen, ich verdien hier ja auch nur drei fuffzig die Stunde, buhuuuh› und so, aber weißte, mit dem Spirit kommste halt nicht weit heutzutage, ne … Ich werd ja auch oft gefragt, wie das möglich war mit den ganzen Hits und so, weltweit erfolgreichster deutscher Produzent und all den Bambis und ‹Bravo›-Ottos und alles …»
Irina versucht, sich an schöne Szenen aus ihrer Kindheit zu erinnern und gleichzeitig Arschlochs feuchter Aussprache auszuweichen. Erfahrungsgemäß hat er sich nach zehn, zwanzig Minuten müde monologisiert. «Ja, da brauchst du gar nich so traurig aus der Wäsche zu gucken, Mamutschka, das geht nur mit Bienenfleiß und harter Arbeit, rabota rabota oder wie ihr das nennt. Von nix kommt nix … Ich bin früher in Tötensen morgens aufgestanden, hab erst mal ’nen Welthit geschrieben, dann war ich kurz kacken, und dann hab ich direkt wieder ’nen Welthit geschrieben. Paff, paff ging das! In der Zeit haben so Nieten wie der Grönemeyer noch in der Pofe gelegen oder sich einen gerubbelt oder so … Ich weiß noch, wie ich mal zu Justin Timberlake gesagt hab … oder war das doch Jürgen Drews? Is ja auch egal, jedenfalls …»
Arschloch könnte genauso gut chinesisch reden. Irina versteht praktisch kein Wort von dem, was da aus dem halb mumifizierten Mund kommt. Ein paar der älteren Schwestern haben ihr erzählt, dass der Mann wahrscheinlich wirklich mal prominent war. Damals, kurz nach der Jahrtausendwende. Muss eine ziemlich kranke Zeit gewesen sein.
«… Und ich weiß noch genau, wie diese Obertusse von RTL, diese … na … Frau Schäferdings zu mir gesagt hat: ‹Dieter, die Quoten gehen runter, die Zeit der Casting-Shows ist langsam vorbei.› Sagt die Olle mir ins Gesicht … Gut, in einem Punkt hatte sie recht, Deutschland war damals so gut wie durchgecastet. Ich glaube, so um 2017 rum haben wir in Recklinghausen den letzten noch ungecasteten Sechzehnjährigen eingefangen, mit ’nem Betäubungsgewehr, und ich sag dann so zu der Frau Schäferbums …»
Irina fragt sich, ob man sich im konkreten Fall für Gewaltphantasien schämen muss. Die Bettpfanne da drüben: Wenn sie die jetzt mit aller Kraft auf die Fontanelle unter seiner lächerlichen blonden Perücke hauen würde … Oder mal ganz unverbindlich durch die Kauleiste, durch diese viel zu langen und viel zu weißen Implantate … Wahrscheinlich könnte selbst das den Redefluss nicht stoppen.
«… Das sind ja oft die kleinen Anzeichen, an denen du merkst, dass so ’n Sender anfängt, dich abzuschreiben. Auf einmal heißt das: ‹Herr Bohlen, warum müssen Sie denn IMMER mit ’nem Heli vom Hotel zum Studio geflogen werden? Das sind doch auch mit dem Auto nur zwanzig Minuten.› Darauf ich: ‹Warum? WARUM?! Das kann ich euch sagen. DARUM, ihr Pimmelgesichter!› Das sind die ersten Anzeichen! Und hast du nicht gesehen, sitzt du plötzlich in der Jury neben so ’ner blondierten Transe und irgend so ’nem geschassten ZDF-Opi, und der soll dann angeblich dafür sorgen, dass die Quote wieder einen hochkriegt, ja, da bepiss ich mich doch vor Lachen …»
Plötzlich fällt Irina etwas ein. Etwas, das sie vorhin in der Teeküche aufgeschnappt hat. Eine Neuigkeit, die Arschloch unter Umständen viel härter treffen könnte als jede Bettpfanne.
«… Dabei hätte man mit ‹DSDS Kids› doch noch Jahre weitermachen können. Und das war nur EINE hammermäßige Knalleridee, die ich den Trotteln von RTL geschenkt hab, weißt du! Haustiere casten zum Beispiel! Ja warum denn nicht? Jeder Köter kann doch irgendwelche Kunststücke. Das is alles ’ne Frage der Einstellung. Man muss nur WOLLEN! Deswegen sag ich ja, Olga: Wenn du hier so devot bei mir ins Zimmer geschlichen kommst und dann so verschüchtert irgendwas murmelst, mit deiner Piepsstimme, die so klingt, als ob man Miss Piggy ’nen Lockenstab in ’n Arsch …»
«Herr Bohlen.»
Irina spricht Arschloch zum ersten Mal mit seinem richtigen Namen an. Plötzlich ist er ihr doch wieder eingefallen. Das wirft Arschloch tatsächlich kurz aus der Bahn und bringt ihn zum Schweigen. Sie muss jetzt schnell weitermachen: «Herr Bohlen, hab ich ganz vergessen. Ich hab gehört, am Nachmittag kommt Ihre neue Mitbewohner.»
«Wie jetzt?! Mitbewohner?!»
«Ja, ist doch Zweibettzimmer. Auf der Pflegestation gibt’s nix Einzel.»
«Ja, aber Moment mal, Frolleinchen, ich …»
«Kommt eine ganz nette Mann zu Ihnen. Warte mal, hab mir Name aufgeschrieben … kommt ein Herr … Anders.»
Arschlochs Schrei hallt minutenlang über die Flure des «Horst-Hrubesch-Seniorenstifts».
Schwäbischer Name für die Filzlaus
Hätte mir vor zwanzig Jahren jemand zugeraunt, ich würde Helmut Kohl dereinst für einen leidlichen Ehrenmann halten – jedenfalls soweit das in der Politik überhaupt möglich ist –, mir wäre übel geworden. Aber da kannte ich das Wendewesen Mappus ja auch noch nicht.
Der Mappus gehört zur Familie der Korinthenkacker und dort zur Untergruppe der Großmaulolme. Jahrzehntelang können diese bleichen Kreaturen im politischen Morast eines Landesparteiunterbezirks überleben, ohne aufzufallen. Hier im Sumpf der politischen Willensbildung tröten und blubbern sie populistische Fürze vor sich hin, bis ihre Zeit gekommen ist. Dann aber schnellt der Mappus aus dem Pfuhl hervor und streift sich die ganz dicke Hose über. Plötzlich steht er im Rampenlicht, und da ihn niemand kennt und noch weniger ihn überhaupt kennenlernen wollen, holt er die markigen Worte aus seiner Zeit im Sumpf hervor: «Atom ja, ja, ja, Stuttgart sprengen, Bahnhof bauen prima, prima.»
So profiliert sich das bissige Biest auch bundesweit und gilt in seiner Partei der angewandten Prinzipienlosigkeit als harter Hund.
Im Gegensatz zur regierenden Wanderdüne aus Berlin steht der Mappus wie ein tapferer Feldhamster inmitten wogenden Unmuts im Ländle. «Und wenn die Welt voll Grüner wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen», posaunt es aus der Staatskanzlei. Der Mappus kennt seinen Luther wohl und weiß, dass Standhaftigkeit heute in der Politik ein Alleinstellungsmerkmal ist.
Alleinzustehen ist jedoch dem Politischen als solchem fremd. Das Volk auf den Barrikaden, die Wanderdüne in Berlin längst fortgeweht zu einer neuen Meinung, steht der Mappus plötzlich allein auf weiter Flur. Mit dem Atomstrom ist kein Staat mehr zu machen, zu dumm nur, dass das kleine dicke Mappus gerade den Oberatomgriller EnBW für ein sattes Sümmchen aus Landesmitteln zurückgekauft hat. «Na, is ja nicht mein Geld», grinst er in sich hinein und ruft die Wanderdüne in der bösen Stadt an: «Hallo Chefin, ich mach für dich Neckarwestheim dicht und, scheiß der Hund drauf, auch noch Philippsburg 1, wenn’s sein muss, steck ich mir sogar ’ne Sonnenblume hinten rein und hopse nackend durch den Stuttgarter Schlosspark, nur damit ich meinen schönen Posten nicht verliere.»
Das hört man in Berlin mit Wohlgefallen, denn wenn die Wanderdüne eines nicht verzeiht, dann, dass man wegen der Meinung von gestern die Macht von morgen aus den Augen verliert. So springt der kleine Wicht wieder frohgemut durchs Ländle und trällert vor sich hin: «Heute back ich, morgen brau ich, Sonntag hol ich dem Wähler seine Stimm; ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich auf seine Meinung scheiß.»
Doch einmal kommt der Tag auch für einen kleinen korrupten CDU-Hamster, und ein Lkw namens «Schicksal» fährt ihn platt. Dann sind’s nur noch die Gerichte, die sich an den putzigen Nager aus dem Südwesten der Republik erinnern.
Das Sturmgeschütz des Feminismus
Alice Schwarzer hockt im oberen Stockwerk ihres Kölner Frauenturms und setzt den Verschluss des MG 42 wieder zusammen. Abendliches Waffenreinigen ist eine ihrer wenigen verbliebenen Freuden. Das nackte Metall, die Präzision des vorschnellenden Bolzens erzeugen noch immer ein erotisches Kribbeln bei der greisen Feministin. Gut, beim Kachelmann-Massaker in der «Bild»-Zeitung hat sie sich noch einmal gefühlt wie ein junges Füllen. Das Penetristen-Schwein ist erledigt, so oder so, ob verurteilt oder freigesprochen, was spielt das schon für eine Rolle. Alice Schwarzer hat noch einmal das Killergefühl der alten Zeiten gespürt, als jeder Mann ein Feind war und jede Frau eine Kameradin im gemeinsamen Krieg gegen die Schwänze.
Heute hasst Alice Schwarzer die Männer nicht mehr, eher aus Gewohnheit prangert sie so rum, sie protestiert ein bisschen gegen Vergewaltigung in der Ehe oder redet auch mal irgendwas von gleicher Bezahlung, nicht vergleichbar mit den Kämpfen der guten alten Kriegszeit. Gestern hat sie eine Anfrage bekommen, ob sie Schirmherrin für gesetzliche Warmbadetage muslimischer Frauen in NRW sein will. Das hat sie abgelehnt, so weit unten ist sie noch nicht. Die Grüß-Auguste bei den Vermummten machen? Nein, nicht mit ihr. Noch immer hat sie die «Emma», das Sturmgeschütz des deutschen Feminismus. Auch wenn sie niemand mehr liest, so wird sie dennoch wahrgenommen. Die Schwänze müssten mal wieder das Zittern lernen, schon lange denkt Alice Schwarzer über eine Kampagne nach, die das Machotum das Fürchten lehren soll.
Wenn selbst die CDU sich schon für eine Frauenquote in Führungspositionen starkmacht, wofür kann man sich dann noch einsetzen? Am meisten ärgert sie, dass die nachfolgende Frauengeneration, die von ihrem Kampf profitiert hat – mit anderen Worten: Kristina Schröder, Alibi-Else am Hofe Merkels –, dass also diese undankbaren Schlampen ihr, der Mutter aller Schwanzabschneiderinnen, in den Rücken fallen.
Alice Schwarzer ist schon wieder geladen und findet auch in dieser Nacht keinen Schlaf. Also wirft sie sich die alte Pferdedecke über, die sie immer trägt, wenn sie außer Haus geht, um nicht als Auslösereiz missverstanden zu werden, und schlüpft hinaus in die Kölner Nacht. Ihr Ziel ist ein versteckter Domina-Club in der Südstadt, da darf man auch als Laiin Männer in Führungspositionen verprügeln. Mittleres Management kostet zweihundert Euro, ein Mann mit Fahrer und Eckbüro dreihundertfünfzig Euro und … ach, scheiß die Hündin drauf, heute Nacht will sie sich einen Bischof gönnen für ’nen Tausender – hoffentlich haben die was richtig Widerliches da, zum Beispiel das Ekelpaket aus Limburg, obwohl, da weiß sie gar nicht, ob der sich nicht alles zu Hause machen lässt. Beim Gedanken an die bevorstehende Orgie bessert sich Alice Schwarzers Laune merklich, unter ihrer Pferdedecke schließt sich das feuchte Händchen um den Knauf einer Reitpeitsche. Die Ampel springt um auf Grün, und Alice Schwarzer verschwindet in der Nacht.
Kurz erklärt: Emanzipation
Die Gleichstellung von Mann und Frau: ein ehrenwertes und wichtiges Anliegen, für das vor allem Frauen über Jahrhunderte gekämpft haben (Männer eher nicht). Umso verblüffender, dass Heldinnen der Frauenbewegung wie Alice Schwarzer heutzutage ausgerechnet von jungen Geschlechtsgenossinnen belächelt werden. Die moderne Deutsche wähnt sich nicht nur im postideologischen, sondern auch im postfeministischen Zeitalter angekommen. Nichts ist diesen Frauen suspekter als ein «verbissener Feminismus», und sie empfinden jede Form der Frauenquote als persönliche Beleidigung. Wenn überhaupt, wollen sie nur dank ihrer Qualitäten irgendwann im Aufsichtsrat eines deutschen Großkonzerns sitzen.
Überflüssig zu erwähnen, dass das nie passieren wird. Denn wenn es um echte Macht geht, hört in den Old-Boys-Netzwerken der Spaß natürlich auf. Und im Privaten läuft’s exakt genauso. Hirnforscherinnen, die in Harvard summa cum laude promoviert haben, hören mit dem Wurf von Kind Nummer eins schlagartig auf zu arbeiten, damit ihre Männer weiter Karriere machen können – in der Waschanlage oder als Rewe-Filialleiter. Aber im Unterschied zu den fünfziger Jahren machen die Frauen das heute freiwillig und schaffen es sogar, sich trotzdem emanzipiert zu fühlen. Im Grunde wieder mal typisch Männer: gewinnen am Ende den Geschlechterkrieg, ohne irgendwas dafür gemacht zu haben!
Mein Leben als Kühlschrank
(mit Originalzitaten in Kursiv)
Ein Lothar Matthäus hat den Hörer aufgelegt. Und ein Lothar Matthäus kann’s nicht fassen. Der Präsident des Fußballverbands von Burkina Faso hat ihm soeben abgesagt. Nach tagelangen Verhandlungen wollen sie ihn nun also doch nicht. Ein Lothar Matthäus wird nicht Nationaltrainer von Burkina Faso! Da fragt man sich schon, was die sich einbilden, die Burkina Fas … er. Oder Burkina-Fasoten? Wurscht, er geht ja eh nicht hin.
Was hatte dieser unverschämte Herr Mbele da eben am Telefon gesagt? Irgendwas über «private life» und «image problems». Sein Englisch ist eigentlich seit der Zeit in New York perfekt, aber diesen Vogel hat er kaum verstanden. «Und das bisschen, was ich verstanden hab», denkt ein wütender Lothar Matthäus, «also das haut ja wohl den stärksten Neger vom Schlitten!»
Wieder so ein Satz, den man nicht in Talkshows sagen dürfte. Da gäb’s gleich wieder ein totales Bohei. Wie damals, als sie mit dem FC Bayern die Damen der deutschen Basketball-Nationalmannschaft getroffen haben und er denen launig Ey, Mädels, unser Schwarzer hat den Längsten! zugerufen hat. Dabei stimmte das doch IN DER SACHE hundertprozentig. Sein Mannschaftskamerad Adolfo Valencia hatte nachweislich einen unfassbaren Riemen … Und er hat in dem Moment ja selbst lauthals drüber gelacht, der Adolfo. Überhaupt hat Lothar die Erfahrung gemacht, dass die mit seiner Art und seinem Humor gut klarkommen, die Neg … die Schwarz … diese Leute. Im Grunde hätte ein Lothar Matthäus also super nach Afrika gepasst. Aber bitte, wer nicht will, der hat schon!
Offenbar haben sich die Burkina-Fasozen, diese Heinis vom Verband, bei YouTube Ausschnitte aus seiner Doku bei Vox angesehen: «Lothar – Immer am Ball». Zwar wurde die Serie von der Kritik verrissen, aber ein Lothar Matthäus steht dazu. Da wurde halt mal der Mensch hinter der Legende gezeigt. Wie in dieser inzwischen schon berühmten Szene in Folge eins, in der Lothar dem Kamerateam erklärt, nach welchem System er zu Hause seinen Kühlschrank einräumt. Und es spricht ja wohl Bände, dass diese Szene bei YouTube inzwischen über dreihunderttausend Klicks hat. Das beweist doch, dass er da einen Nerv getroffen hat.
Wo ein Lothar Matthäus schon so drüber nachdenkt, klickt er die Szene gleich noch mal selber an. Er sieht sich also vor seinem offenen Kühlschrank stehen und das Lothar-Matthäus-Kühlschrank-System erläutern:
Linien sind immer wichtig für mich. Auch der Fußballplatz besteht ja eigentlich zu großen Teilen auf … aus Linien. Und irgendwo ist das wahrscheinlich hier oben im Kopf drinnen, alles auf Linien auszurichten.
Sagen wir mal so: Wenn ich jetzt wirklich weiß, das sind die beiden gleichen Joghurts und das eine läuft zwei Wochen früher ab, dann stell ich das natürlich nach vorne. Aber wenn was verfallen ist, schmeiß ich’s auch weg. Und wenn ich weiß, was vorne steht, steht auch das Hintere. Dann habe ich eine Übersicht. Übersicht ist mir wichtig, wie eben auch bei meinem Sport. Ich habe auch als Spielgestalter, als Mittelfeldspieler, als Antreiber eine gewisse Übersicht gehabt über das ganze Feld. Und Übersicht schaffe ich mir natürlich mit einer gewissen Ordnung. Und diese Ordnung habe ich im Kühlschrank.
«Ohne Scheiß, besser kann man’s nicht erklären», denkt ein Lothar Matthäus. Vor allem hat das doch eine Tiefe, die ihm keiner zugetraut hätte. Im Internet gibt es ja reihenweise Seiten, die sich über harmlose Loddar-Versprecher à la Wir sind eine gut intrigierte Truppe lustig machen. Weil die Arschlöcher seine andere, seine nachdenkliche Seite einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Selbst die Kleine, seine Joanna, fand die Vox-Doku im Nachhinein «peinlich». Peinlich! Und das sagt ihm so ’n Huhn ins Gesicht, das erst neulich volljährig geworden ist. Falls das überhaupt stimmt. Heutzutage sind natürlich viele gefälschte Schülerausweise im Umlauf, wie Lothar aus eigener leidvoller Erfahrung weiß.
Egal, jetzt heißt es nur noch nach vorne schauen. So wie er es als Spieler auch immer gehalten hat. Es ist wichtig, dass man neunzig Minuten mit voller Konzentration ans nächste Spiel denkt! Der nächste Trainerjob kommt bestimmt. Qualität setzt sich immer durch. Am Ende seiner Profikarriere war doch ruck, zuck klar, dass er den Trainerschein macht. Was denn auch sonst? Hat er ja auch damals bei «Beckmann» gesagt. Schiedsrichter kommt für mich nicht in Frage. Schon eher etwas, das mit Fußball zu tun hat.
Nur blöd, dass die Trainerkarriere gerade so ’n bisschen auf der Stelle tritt. Vielleicht hat die Kleine ja doch recht. Vielleicht war das mit der Doku ein Fehler. Ein Lothar Matthäus ist halt einfach zu gutmütig. Wenn da so ein Sender anruft und fragt: «Lothar, alte Säule, kannst du nicht mal eben sechs Folgen mit uns drehen, wo man dich ganz ungeschminkt und total privat erlebt?», dann ist er an Bord. Er kann halt nicht nein sagen. Dabei ahnt ein Teil von ihm, ganz tief drin, dass diese Sendertypen es gar nicht nur gut mit ihm meinen. Dass sie sich hinter den Kulissen wahrscheinlich kaputtlachen, wenn er Sachen sagt wie: Ich hab gleich gemerkt, das ist ein Druckschmerz, wenn man draufdrückt.
«Die Schweine führen mich doch bloß vor! Und ich Schaf mach auch noch mit», ruft ein Lothar Matthäus jetzt in einem raren Moment echter Erkenntnis. «Verdammte Scheiße, ich bin ein Weltmeister! Ich müsste auf einer Ebene mit dem Franz und dem Uwe stehen! Und dann mach ich mir immer alles selber kaputt! Weil ich zu diesen Medien zu nett bin! Weil ich denen immer wieder viel zu viel von mir erzähle! Weil ich zu offen bin!» Aber damit ist jetzt endgültig Schluss. Lothar Matthäus beschließt an Ort und Stelle, ab sofort nur noch an seiner Trainerkarriere zu arbeiten. Alles andere wird gnadenlos abgesagt. Ohne Ausnahme!
Das Telefon klingelt. «Ha», denkt ein Lothar Matthäus, «jetzt kommen sie also doch wieder angekrochen, die Burkiner Faseln!» Er hebt den Hörer ab, aber am anderen Ende ertönt nicht die Stimme von Herrn Mbele. «Loddar, mein Loddar, alter Schwerenöter, ich bin’s, der Schorschi! Du, ich bin nicht mehr beim ‹Doppelpass›, ich betreu jetzt gerade für Super RTL als Producer ’ne ganz coole Geschichte, wird relativ crazy. Geht im Prinzip um Schlammcatchen, aber der Clou ist, nicht nur mit Mädels, sondern auch mit rasierten Schäferhunden. Da bräuchten wir dringend ’nen richtig großen Namen für die Jury. Na, wie sieht’s aus? Hättste Bock?»
Ein Lothar Matthäus muss diesmal keine Sekunde lang überlegen. «Du, Schorschi, wo genau wird denn das produziert?»
Die hausgemachte Mayonnaise unter den Ministerpräsidenten
Wööööölllllppppp! Hannelore Kraft rülpst ein wahrhaft atemberaubendes Crescendo in den noch jungen nordrheinwestfälischen Vormittag. Sie ist es nicht gewohnt, so früh am Morgen einen halben Liter Bier zu schlenzen, schon gar nicht zu Mettbrötchen und Frikadellen. Aber es kommt einfach tierisch dortmundmäßig rüber, und Hannelores Imageteam hat auch gemeint: Für das Publikum vom Sat.1-Frühstücksfernsehen wäre die Szene der absolute Megaknaller, man müsste nachher nur rausschneiden, wie sie sich mit dem BVB-Schal die Spucke aus der Kinnbehaarung wischt. Das käme bei den Fans in etwa so an, als würde man sich bei einer Papstaudienz mit dem Turiner Grabtuch den Arsch abputzen.
Okay, Hannelore Kraft hat verstanden, heute will sie alles richtig machen, schließlich hängt das Schicksal der gesamten Sozialdemokratie an ihrem hauchdünnen Speichelfaden – sozusagen.
Jeanette aus der Maske pudert sie für die nächste Einstellung mit echtem Steinkohlenstaub ab, der kommt allerdings nicht mehr von hier, sondern aus Südafrika, aber der Regisseur hat geschworen, selbst auf HD-Fernsehern würde man das nicht erkennen.
Warum müssen SPD-Politiker immer diese Kohlenstaubfresse in der Glotze präsentieren? Die Ruhrpott-Romantik kotzt Hannelore allmählich an. Würde Christian Lindner von der FDP sich etwa die Visage schwärzen lassen? Na bitte. Scheißdrecks-SPD! Hannelore Kraft hat Bankkauffrau gelernt und in London Wirtschaftswissenschaften studiert, und hier soll sie einen auf bratwurstfressende Bergarbeiterschlampe machen. Fehlt nur noch, dass diese parasitenverseuchten Brieftauben ihr das Kostüm vollkacken. «Leck mich fett», denkt Hannelore Kraft, und da ist sie zum ersten Mal wirklich ganz nah an ihren Wählern.
Noch drei Einstellungen, dann ist der Imagefilm im Kasten, noch was fürs Rheinland und eine Szene für die Katholen-Honks aus dem Münsterland: Schweine streicheln oder Steckrüben abnagen, keine Ahnung, was sich die Image-Agentur dafür ausgedacht hat. Aber zuerst kommt das Revier dran. Mit zugestäubter Fresse und einer Grubenlampe auf dem gelben Plastehelm krabbelt Hanne aus der gleichnamigen Lore und faselt irgendwas von Krippenplätzen für umsonst in die Kamera. Jetzt nur noch die Szene mit dem schwulen Schützenkönig, oder ist es eine Kölner Karnevals-Transe? Scheißegal, das dürfte es auf jeden Fall gewesen sein.
«Du, Hanne», der Regisseur versucht halbwegs aufmunternd zu klingen, «Schätzchen, wir haben noch den Take mit diesem Vormenschen aus dem Sauerland, du weißt, das wäre jetzt irre wichtig, um dich als Anchorwoman auch bei der traditionellen SPD-Klientel rüberzubringen. Kommst du, Schatzilein?» Hannelore Kraft muss zum zweiten Mal brechen an diesem Vormittag, diesmal nicht vom frühen Pils und der Frikadelle, sondern von ihrem Land. Warum hat sie der Herr nicht in Schleswig-Holstein Ministerpräsidentin werden lassen? Da sind auch alle total schräg und bescheuert, aber wenigstens unterschiedslos.
Kurz erklärt: Deutsche Bratwurst
Die deutsche Bratwurst gilt zusammen mit dem frischgezapften Pils als der elementare Nachweis von Bodenständigkeit – außer in Bayern, wo ein ganzer Liter Bier auch allein reicht. Was Wunder, dass insbesondere Parteien und Gewerkschaften, die sich volksnah geben wollen, auf die Bratwurst als Imageträger setzen. Während des Wahlkampfs müssen die Kandidaten bei jedem Stadtfest unzählige von den Dingern verdrücken. Wer das Pech hat, sich in Thüringen zur Wahl zu stellen, sieht sich mit der dortigen Spielart des Geschmacksträgers konfrontiert. Da bedarf es schon eines sehr unempfindlichen Magens, um diese Herausforderung anzunehmen. Insgesamt gilt Deutschland als bratwurstfreundlich und wird deshalb besonders von Franzosen für ein barbarisches Land gehalten. Doch wer Schnecken aus dem Eigenheim lutscht, der möge bitte den Ball flachhalten.