O ein Gott ist der Mensch, wenn er träumt,
ein Bettler, wenn er nachdenkt
Friedrich Hölderlin, «Hyperion»
Ich bin ein anderer. Ich will in mein Auto, da sitz ich schon drin. Und der, der da drin sitzt, bin ich.
Aber ich sehe nicht aus, wie ich mich kenne. Ich sehe wirklich anders aus. Das wirkt auf mich zurück. Da ich ganz sicher weiß, der da, der in meinem Auto sitzt, bin ich, bin ich dem also ähnlich.
Ein bisschen anders ist der immer noch. Ganz gleich wie der kann ich mich nicht fühlen. Aber es ist sowieso keine Frage: Der da im Auto sitzt, bin ich.
Und als ich einsteigen will, fährt der weg.
Ich springe hinten auf den Kofferraumdeckel.
Der vorne fährt eine steile Einfahrt hinab, es ist, als würden wir in einen Keller fahren.
Aber ich habe das Gefühl, es könne mir nichts passieren.
Bei Thomas Mann im Arbeitszimmer. Ein Jugendstilschreibtisch mit einer übermäßig und mächtig geschnitzten Vorderseite. Durcheinanderlaufende Holzreliefbahnen.
Zuerst nur der Sohn. Ein hoffnungsloser, sofort krankhaft wirkender Sohn, ein Schwätzer.
Dann Thomas Mann mit offenem Hemdkragen, starken Schlüsselbeinen, braun gebrannt, eher ein zäher, alter Naturbursche, sehr überraschend und sofort sympathisch.
Dann kommt er nah her. Ich nehme mir vor, zu meiner Meinung über ihn zu stehen, mir aber nicht nachsagen zu lassen, ich sei sozusagen ein Thomas-Mann-Gegner. Ich weiß ihn durchaus zu schätzen. Das soll er wissen.
Aber er sagt nur einen Satz zu mir: Sie raten ab von mir, ja!
Und geht.
Es bleibt der Sohn, der Kontakt mit mir will, mich besuchen will, bei uns bleiben will.
Wir warten.
Doch Thomas Mann kommt nicht mehr.
Der Affe mit dem blutigen Geschlechtsteil, männlich, den mir Käthe in Wasserburg, neben dem Bahnhof liegend, vorführt und den ich sogleich spiele, imitiere, bis zu einem angedeuteten Sich-selbst-Befriedigen, das dann alles lösen soll.
Mühelos führt der Traum ganz verschiedene Räume durcheinander, ohne dass sie einander verletzen oder auch nur stören.
Eine Art Fußballfeld. Adolf Hitler mit zwei, drei anderen. Wir sehen und hören, wie er anfängt zu singen. Eine Art Bariton. Dann macht er ein paar Fußballspieler-Bewegungen. Er ist wie ein Spieler gekleidet, trägt aber hellgraue, dicke Wollstrumpfhosen.
Sich wirklich zurückhalten! Nicht reagieren! Das ist das einzig Mögliche.
Ein Traum-Einfall: Laura will ein Jahr lang verachtet und übergangen sein. Wirklich ungeachtet bist du, wenn du mit diesen Erbauungsschriften in der Hand an einer Straßenecke stehst. Das ist der Platz, der ihr Lebensgefühl am meisten ausdrückt. Das ist Karriere. Weiter kann man es nicht bringen, als von all den Menschen übersehen zu werden.
Sie hat schon ein paar Monate Erfahrung. Diese zugeschnürten oder von einer Absicht versklavten Gesichter, die da an ihr vorbeitreiben, mitgerissen sehen die meisten aus, mitgerissen von einem furchtbaren Strom. Und nur sie steht am Ufer und hat das ungeheure Privileg, zuschauen zu können, alles wahrzunehmen, entzogen zu sein dem reißenden Zeitstrom, in dem Menschen nichts sind als Hölzchen, die es irgendwohin schwemmt.
Einmal gehörte auch ich zu einem Szenario der Erlösung. Ich war der, der dieser Religion eine bessere Anthroposophie bringen konnte.
Ich plötzlich im Licht, das durch die Wolken kommt. Dann wird es auch um mich dunkel.
Unter mir, unter dem Hügel, auf dem ich stehe, ein unabsehbarer Menschenstrom, dicht gedrängt, in dunklen Farben.
Sie schauen zu mir herauf.
Traum von Hans Magnus Enzensberger. Es geht um den Selbstkostenpreis Gottes.
Ein Beischlaf mit einer B. von Ehrenstein. Sie ist sozusagen verdorben, will nichts als das. Als ich meine Unterhose ausziehe, zieht sie diese viel schneller, als ich sie ausziehen konnte, an.
Es fängt an, will anfangen, da sitzen auf der Bettkante zwei dunkel, aber phantastisch gekleidete Frauen, junge, strenge, und beobachten genau, was wir tun.
Ich kriege keine Luft mehr. Erwache. Ich kann nachher nicht mehr einschlafen, ohne dass ich beim Einschlafen jeweils durch Luftmangel wieder aufschrecke. Ich soll wach bleiben. Luftmangel als Strafe fürs Einschlafen.
Später in Wasserburg. Wieder im Traum. Pfarrer Rottenkolber predigt, läuft dunkel an, hat keine Luft mehr, fällt um. Ich als Erster dorthin, trage ihn von der Kanzel, auf der steht inzwischen Helmut Kellerhof und sagt laut, was für verdächtige Medikamententäschchen da liegen, ganze Haufen.
Mir bleibt von einem der weiteren Träume der Satz: Wer Bücher schreibt, dem wächst die Nase zu!