Der Erfinder

 

Am 29. Juli 1835 erschien Kaspar Boeck, Schäfer des Dorfes Hirschweiler, seinen breiten Filzhut im Nacken, seinen Quersack von faserigem Leinen über der Schulter und seinen großen gelbhaarigen Hund auf den Fersen, gegen neun Uhr Abends bei dem Herrn Bürgermeister Petrus, welcher eben sein Abendbrot, gegessen hatte und ein Gläschen Kirschwasser trank, um seine Verdauung zu befördern.

Dieser Bürgermeister, lang, hager, die Oberlippe mit einem grauen Schnurrbart bedeckt, hatte vormals in den Armeen des Erzherzogs Karl gedient; er war ein Mann, der einen guten Spaß liebte, und das Dorf parierte ihm auf den Wink.

»Herr Bürgermeister!« rief der Schäfer ganz erregt.

Aber Petrus, ohne das Ende seiner Rede abzuwarten, runzelte die Stirn und sagte:

»Kaspar Boeck, fange damit an, Deinen Hut abzunehmen, laß Deinen Hund hinausgehen und dann sprich deutlich, ohne zu stottern, damit ich Dich verstehe.«

Worauf der Bürgermeister, neben dem Tische stehend, sein Gläschen ruhig leerte und seinen struppigen grauen Schnurrbart gleichgültig abwischte. Kaspar ließ seinen Hund hinausgehen und kam mit dem Hut in der Hand zurück.

»Nun«, sagte Petrus, indem er ihn schweigen sah, »was geht vor?«

»Was vorgeht? Der Geist hat sich in den Ruinen von Geierstein wieder sehen lassen!«

»Ah, hab’ ich mir’s doch gleich gedacht! Du hast ihn gut gesehen?«

»Sehr gut, Herr Bürgermeister.«

»Welche Gestalt hat er?«

»Die Gestalt eines kleinen Mannes.«

»Gut.«

Hierauf langte der alte Soldat eine Flinte herab, die über der Thür hing, sah nach, ob der Schuß in Ordnung sei, und nahm sie am Wehrghenk über die Schulter; dann sagte er, sich an den Schäfer wendend:

»Du wirst den Feldhüter benachrichtigen, daß er mich in der kleinen Stechpalmenallee treffe. Der Geist wird irgend ein Landstreicher sein. Aber wenn er etwa ein Fuchs sein sollte, so würde ich Dir eine Mütze mit langen Ohren aus seinem Balg machen lassen.«