Teufelsfrucht

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Aaron Keitel beobachtete, wie seine linke Hand den Schlitten der Halbautomatik zurückzog und nach vorn schnappen ließ. Er hob die Waffe über den Kopf und zielte vage auf das Blattwerk des Dschungelbaums, in dem er einen der verdammten Vögel vermutete. Die Vögel schrien, seit Stunden schrien sie, ununterbrochen brüllten sie wütend gegen die kleine Truppe von Fremden an, die sich erdreistete, in ihr abgelegenes Revier einzudringen.

Der Amerikaner legte den Finger an den Abzug und stellte sich vor, wie er das Magazin der Walther P99 in einen der Bäume feuerte, sämtliche 15 Schuss. Er sah vor seinem geistigen Auge, wie Äste, Blätter und blutige Federn in alle Richtungen stoben. Warum eigentlich nicht? Es gäbe einen ohrenbetäubenden Lärm, sicherlich, aber danach hörten die Vögel vielleicht auf zu schreien.

Keitel senkte seine Waffe. Er musste sich zusammenreißen. Ihm war bewusst gewesen, dass die Expedition in die Aramia-Ebene, einen besonders entlegenen Teil Papua-Neuguineas, seinen Körper auslaugen und seine Nerven zerrütten würde. Aber sie stapften erst seit zwei

Er sicherte die Walther und steckte sie wieder in das Gürtelholster. Jetzt erst fiel ihm das faustgroße Insekt auf, das bereits sein Schienbein hinaufgeklettert war und sich nach einer kurzen Positionsbestimmung nun anschickte, in Richtung seines Schritts weiterzukrabbeln. Keitel schüttelte sein Bein. Es gab ein knirschendes Geräusch, als er den Blutsauger unter seinem Springerstiefel zerquetschte.

Er blieb stehen und schaute sich um. So weit das Auge reichte, erblickte man nichts als von dichten Schlingpflanzen überzogene Bäume und undurchdringliches, mannshohes Gebüsch. Straßen und Siedlungen gab es in der Südprovinz fast keine. Stattdessen war das Land reich an giftigen Insekten und tückischen Sümpfen. Das Gebiet um den Aramia-Fluss galt nicht umsonst als die unerfreulichste Ecke Papua-Neuguineas.

Während Aaron Keitel weiterstapfte, wischte er die schweißnassen Hände an seiner kakifarbenen Survivalweste ab und musste dabei unwillkürlich grinsen. Es gab vermutlich überhaupt keine Ecke Papua-Neuguineas, die nicht unerfreulich war, vielleicht mit Ausnahme des Crowne Plaza in der Hauptstadt Port Moresby. Die ganze verdammte Insel war ein feuchtwarmes Höllenloch.

Nach einer Weile hielt Keitel an und bedeutete seinem einheimischen Führer zu warten. Er schraubte eine Wasserflasche auf, nahm einen tiefen Schluck und goss den Rest über seine von Schweiß und Dreck verklebten blonden Haare. Dann zertrat er einen besonders bizarr aussehenden Käfer von der Größe eines Meerschweinchens.

Er winkte seinen Guide zu sich. »Sekou, wie weit ist es noch?« Anders als der mit modernster Hiking-Kleidung ausgestattete Keitel trug der schmächtige Guineer lediglich Shorts und ein arg verblichenes Trikot des Fußballvereins Manchester United. Weder schwitzte er, noch sah er erschöpft aus. »Nicht weit jetzt, Sir. Tulai haben Lager dort drüben«, sagte Sekou und machte eine unbestimmte Handbewegung in Richtung der vor ihnen aufragenden Wand aus Blättern, Ästen und Lianen. Keitel nickte, warf die Plastikflasche ins Gebüsch und lief weiter.

Die Tulai waren ein Stamm, der auf dem entlegenen Oriomo-Plateau im Südwesten der Pazifikinsel lebte. Fast zwei Monate hatte Keitel in der Hauptstadt und in einem Provinznest namens Daru verbracht, um einen Kontakt zu Ratu Koca, dem obersten Tulai-Häuptling, herzustellen.

Der Stamm bekam normalerweise keinen Besuch von amerikanischen Geschäftsleuten – oder von irgendwem sonst. Nur alle paar Jahre verirrte sich ein Ethnologe oder ein Sprachwissenschaftler in die Gegend, um das

Hinzu kam die Tatsache, dass die Tulai noch im Jahr 1952 vier auf Missionsreise befindliche Methodistenpriester verspeist hatten – also zu einem Zeitpunkt, als die meisten anderen Stämme Papua-Neuguineas den Kannibalismus schon lange ablehnten. Ob die Tulai dieser kulinarischen Tradition noch anhingen, wusste man nicht so genau. Auch dieser Umstand hielt selbst hartgesottene Dschungeltouristen davon ab, Tulai-Stammesgebiet ungefragt zu betreten.

Auch Keitel waren die Tulai bis zum April dieses Jahres gleichgültig gewesen. Genauer gesagt hatte er noch nie von ihnen gehört, bis er in einem Buch des britischen Ethnologen Leicester Morris etwas über den Stamm gelesen hatte. Der Wissenschaftler hatte in den Siebzigerjahren mehrere Wochen bei den Tulai verbracht und ihre Lebensweise studiert.

Keitel las regelmäßig Erfahrungs- und Reiseberichte, in denen er etwas über die wenig bekannte Flora und Fauna entlegener Gegenden erfahren konnte – das gehörte zu seinem Job. Morris’ Tulai-Monografie war zunächst quälend langweilige Lektüre gewesen, und er hatte sich zwingen müssen, sie nicht bereits nach dem ersten Kapitel beiseitezulegen; für Jagdmethoden und Familienstruktur der hiesigen Ureinwohner brachte Keitel ungefähr so viel Interesse auf wie für papuanische Cricketergebnisse. Doch dann war er in Morris’ Bericht auf eine Passage gestoßen, die ihn elektrisiert hatte: »Die Tulai ernähren sich vor allem von Fladen, die sie aus dem

Keitel war ausgebildeter Karpologe – ein auf Früchte und Pflanzensamen spezialisierter Botaniker. Eine Frucht namens Chatwa war ihm jedoch gänzlich unbekannt. Umgehend hatte er den Autor des Buches kontaktiert. Professor Morris war bereits emeritiert, erinnerte sich aber noch lebhaft an Geschmack und Aussehen der mysteriösen Frucht, die er Keitel am Telefon als »ungeheuer würzig und unbeschreiblich köstlich« beschrieb.

Der Karpologe hatte daraufhin alle ihm zugänglichen Datenbanken durchsucht – ohne Ergebnis. Die Frucht, von der Morris schwärmte, war der Fachwelt völlig unbekannt. Die Entdeckung hatte jene fiebrige Euphorie bei Keitel ausgelöst, die sich immer dann einstellte, wenn er eine neue Frucht, Knolle oder Wurzel aufspürte. Diesmal war seine Aufregung allerdings ungleich stärker als sonst. Früchte oder Beeren, die kein Botaniker je zu Gesicht bekommen hatte, waren kaum noch zu finden. Essbare Novitäten waren noch viel seltener und galten in seinem Job bereits als Hauptgewinn. Wenn sie aber in die Kategorie »ungewöhnlich wohlschmeckend« fielen, dann war das der Jackpot.

Keitel fischte eine Marlboro aus seiner Hosentasche.

Vor ihm rief Sekou etwas in einer Sprache, die Keitel noch nie zuvor vernommen hatte. Er blickte auf und sah drei Männer, die ihnen aus dem Busch entgegenkamen. Das mussten Tulai-Krieger sein. Sie hatten ihre nackten Körper mit schwarzem Schlamm eingerieben und darüber mit weißer Farbe eine aus V-Linien bestehende Verzierung aufgetragen, die Keitel an das Hahnentritt-Muster englischer Tweed-Jacketts erinnerte. Alle drei waren nackt, abgesehen von Holzröhren, die über ihre Penisse gestülpt waren. Jeder der Wilden trug mehrere kurze Wurfspeere in der Hand.

Nach einem kurzen Gespräch mit Keitels Guide machten die drei Tulai kehrt und bedeuteten den Fremden, ihnen zu folgen.

»Was haben sie gesagt, Sekou?«, rief Keitel.

»Sie uns bringen zu Häuptling. Sie sagen, Ratu Koca erfreut von Besuch.«

»Klar ist er erfreut«, knurrte Keitel. »Bei all dem, was wir mitschleppen, macht er das Geschäft seines Lebens.« Das Tulai-Stammesgebiet lag derart abgeschieden, dass

»Hast du sie nach der Chatwa-Frucht gefragt? Haben sie ausreichend Exemplare gesammelt? Und auch eine Pflanze ausgegraben, wie abgemacht?« Sekou antwortete nicht, sondern nickte nur. Keitel begann, trotz der Hitze zu frösteln. Er hatte alles in allem wohl fünfzig- oder sechzigtausend Dollar in diese Expedition investiert, der Löwenanteil entstammte seiner Privatschatulle. Wenn die Sache schiefging, war seine bisher recht vielversprechende Karriere als Foodscout vermutlich zu Ende.

Nach einem Fußmarsch von einer weiteren halben Stunde erreichte die Gruppe eine kleine Lichtung. Zur Linken ragten drei hölzerne Hütten empor, die auf Pfählen errichtet worden waren. Zur Rechten befand sich auf dem fest gestampften Boden ein Lager, das mit Bastmatten ausgekleidet war. Dort saßen rund fünfzehn Tulai und musterten die Besucher mit einer Mischung aus Neugier und Ehrfurcht.

»Ist das der Häuptling?«, fragte Keitel und richtete seinen Blick auf einen älteren, weißbärtigen Mann, der in der Mitte des Lagers saß. Auf seinem Kopf saß ein hoch aufragender Strohhut voller bunter Federn, seine

Keitel lächelte, ging einige Schritte auf Ratu Koca zu und verneigte sich dann. »Ich grüße den ehrenwerten Häuptling und freue mich, mit ihm Geschäfte machen zu dürfen.« Während Sekou die Höflichkeitsfloskeln übersetzte, sah Keitel sich verstohlen um. Halb im Gebüsch versteckt, entdeckte er, was er erhofft hatte: In einer Art Holztrog lagen Dutzende Früchte, die bläulich schimmerten. Sie hatten die Form von Auberginen, waren jedoch deutlich größer, so lang wie ein Unterarm. Die Chatwa-Frucht. Exakt so, wie Professor Morris sie beschrieben hatte.

Sekous Stimme riss Keitel aus seinen Gedanken. »Häuptling bittet euch, sich zu ihm zu setzen.« Der Amerikaner nahm neben dem lächelnden Häuptling Platz und forderte die Träger mittels Gesten auf, ihre Rucksäcke zu öffnen. Dann zeigte er Ratu Koca die Tauschgüter. Der Häuptling begutachtete die Waren und wies einen seiner Untertanen an, ihm eine Cherry-Cola zu reichen. Ratu Koca öffnete die Dose und nahm einen Schluck. Bevor er die warme Limonade hinunterschluckte, presste er die Cola mehrfach von der einen in die andere Backe. Dabei schaute er wie ein kritischer Sommelier, der sich der Qualität eines besonders teuren Bordeaux versichert. Ratu Koca lächelte – das künstliche Kirscharoma schien seinen Gaumen zu überzeugen. Nachdem der Häuptling seine Degustation beendet hatte, brach Keitel das Schweigen. »Sekou, sag ihm, dass ich von der langen Reise etwas hungrig bin und gerne eine Chatwa probieren würde.«

Als der Häuptling das Wort Chatwa hörte, gab er

Er musste sich beherrschen, um den Bissen nicht sofort wieder auszuspucken. Das weiche Fruchtfleisch hatte die Konsistenz einer überreifen Avocado und einen bitteren, öligen Geschmack. Keitel verzog das Gesicht, woraufhin Ratu Koca und seine Untertanen wissende Blicke austauschten und zu kichern begannen.

Der Häuptling unterhielt sich kurz mit Sekou. Der übersetzte für Keitel: »Mister USA zu ungeduldig, meinen Ratu Koca. Er sagt, Chatwa man isst nicht so.« In diesem Moment brachte eine weitere Frau eine Schale mit einer dampfenden, gelblichen Paste. Der Häuptling gestikulierte und griff nach einer der Fruchthälften. Er nahm ein kleines Stück Baumrinde, das neben der Schale lag, und strich damit etwas von der gelblichen Substanz auf die Chatwa. Dann bot er Keitel die präparierte Frucht an. Der griff danach und biss hinein.

Erst als Sekou an seiner Schulter rüttelte, bemerkte Keitel, dass ihm Tränen die Wangen hinunterströmten. Die Frucht in seiner Hand war zur Hälfte verschwunden. »Alles okay, Sir?«

»Ja, alles okay, Sekou.« Keitel biss ein weiteres Stück Chatwa ab. »Es geht mir sehr gut.« Der letzte Satz ging in seinem Schluchzen unter.

Von der kleinen Terrasse des »Deux Eglises« hatte Xavier Kieffer einen hervorragenden Blick auf die Straße, die sich vom Europaviertel auf dem Plateau de Kirchberg hinab in Richtung Clausener Unterstadt schlängelte. Es war bereits später Nachmittag, doch kaum ein Auto war zu sehen. Kieffer seufzte und wandte sich, mit einem feuchten Tuch bewaffnet, den Holztischen zu, die im Außenbereich der Gaststätte aufgestellt waren.

Das »Deux Eglises«, dessen Koch und Besitzer er war, galt vielen EU-Beamten als beliebter Treffpunkt. Auf der mit Verwaltungsgebäuden gespickten Anhöhe im Osten der Stadt gab es lediglich einige überteuerte Spesenritterlokale zweifelhaften Rufs sowie eine Cafeteria, die bereits um halb sechs schloss. Kieffers Lokal am Hang des Kirchbergs lockte deshalb viele fonctionnaires an, die auf dem Heimweg noch eine Kleinigkeit essen oder ein Glas Rivaner trinken wollten.

Das war insofern erstaunlich, als Kieffer sich standhaft weigerte, all den zugezogenen Deutschen, Briten oder Spaniern kulinarisch auch nur einen Zentimeter weit entgegenzukommen. Tapas oder Schnitzel suchte

Kieffer säuberte alle Tische auf der Terrasse – machte sich allerdings wenig Hoffnung, dass an diesem Abend viele Gäste kämen. Vielleicht würden später ein paar Einheimische auftauchen und exotische Spezialitäten wie Kuddelfleck oder Träipen bestellen, die er nicht auf der Karte hatte, auf Nachfrage aber gerne zubereitete. Ansonsten aber würde Kundschaft heute Abend Mangelware sein. Nicht einmal sein Freund und Stammgast Pekka Vatanen würde sich blicken lassen. Auch der war, wie alle wichtigen Luxemburger EU-Beamten, in Brüssel, wo diese Woche das Europäische Parlament zusammentrat.

Auf dem Kirchberg herrschte wegen der Sitzungswoche Grabesstille. Dort war unter anderem der EU-Parlamentsdienst ansässig, der dafür zuständig war, die Abgeordneten mit Zahlen und Fakten zu munitionieren. Die meisten Mitarbeiter waren den Deputierten nach Brüssel gefolgt, wo die Ausschüsse des Parlaments tagten. Die wenigen Zurückgebliebenen nutzten die Abwesenheit ihrer Vorgesetzten, um bereits nach dem Mittagessen still und heimlich die verwaisten Büros zu verlassen.

Erst in der nächsten Woche kam der EU-Wanderzirkus wieder nach Luxemburg. Dann würde sich auch das »Deux Eglises« wieder mit zahlungskräftigen Deutschen, Litauern und Italienern füllen. Bis dahin blieb

Er wischte gerade den letzten Tisch ab, als Claudine die Terrassentür öffnete. Die junge Frau schaute nervös. Claudine arbeitete seit vier Jahren als gardemanger in seiner Küche. De facto konnte sie jedoch alles zubereiten, was auf der Speisekarte stand. Kieffer hatte geplant, ihr an diesem Abend die Küche zu überlassen und sich mit den Bestelllisten sowie einer Flasche fruchtigen Auxerrois’ auf die sonnenbeschienene Terrasse zu setzen. Als Claudines Blick den seinen traf, ahnte er, dass daraus nichts werden würde.

»Wir haben einen Gast, den du dir besser mal anschaust, Xavier.«

»Warum? Ist etwas Besonderes an ihm? Gehört er zur großherzoglichen Familie? Oder, noch schlimmer, zur EU-Kommission?«

Claudine rollte mit den Augen. »Ich glaube, es ist ein Kritiker. Er sieht so aus. Franzose, übellaunig, mustert die Karte wie ein Buchprüfer.«

Kieffer setzte die Stühle ab und sah sie überrascht an. »Ist er mit dem Auto gekommen? Hast du seinen Wagen überprüft?«

»Ja, natürlich. Ein großer Peugeot, französisches Nummernschild.«

»Département?«

»38. Isère.«

Kieffer nickte bedächtig und zündete sich eine Ducal

Aus dem Verwaltungsbezirk Isère und seiner Hauptstadt Grenoble verirrte sich hingegen kaum jemand in das abgelegene Restaurant. Touristen oder durchreisende Geschäftsleute kamen selten hierher. Das Gros der Ausflügler blieb in den Touristenfallen am Place d’Armes kleben; und selbst die abenteuerlustigen unter ihnen, die von der ville haute in die ville basse hinunterfuhren, landeten in jenen kleinen hippen Brasserien, die sich um die restaurierte Brauerei in der Mitte des Unterstadtviertels Clausen angesiedelt hatten.

Kieffers Restaurant zu finden war ohne fundierte Ortskenntnisse nahezu unmöglich. Laufkundschaft hatte er deshalb keine, und selbst mit dem Auto war sein Spezialitätenlokal schwer zu erreichen. Es lag zwar nur ein paar Hundert Meter von der Innenstadt entfernt. Doch aufgrund der steil abfallenden Felswände, die Luxemburgs Ober- und Unterstadt voneinander trennten, musste man zunächst das Stadtzentrum verlassen und auf den östlich des Zentrums gelegenen Kirchberg fahren, um dann durch eine unscheinbare Durchfahrt neben der Philharmonie auf ein abschüssiges Sträßchen namens Milliounewee zu gelangen, das sich den steilen, zugewucherten Hang hinunter ins Alzettetal wand.

Diese Serpentinenstraße endete nach einigen Hundert Metern vor einem kleinen mittelalterlichen Stadttor, das

Kieffer zündete sich noch eine Zigarette an. Niemand schneite zufällig hier herein, und das Nummernschild des Peugeot war höchst verdächtig. Jedermann wusste, dass das Gros französischer Leasingfahrzeuge und Mietwagen eine 38 auf dem Nummernschild hatte, weil der größte Autoverleiher Frankreichs dort seine Pkws zuließ. Jeder Gastronom wusste zudem, dass die Tester der beiden großen Gourmetführer, Guide Gabin und Levoir-Brillet, Firmenwagen mit einer 38 fuhren, meistens solche von Peugeot.

»Na denn, Claudine«, sagte Kieffer und trat seine halb gerauchte Ducal aus. »Op an d’Schluecht!«

Kieffers Restaurant befand sich in einem dreistöckigen Steinhäuschen, das mit seinem Holzschindeldach, den Schießscharten und der eisenbeschlagenen Eichenpforte wie ein kleines Kastell aussah. Während der napoleonischen Besatzung im 19. Jahrhundert hatten die Franzosen das Gebäude am Hang errichtet, um ihren Wachsoldaten Unterschlupf zu gewähren und nach feindlichen Truppen Ausschau zu halten.

Das eigentliche Restaurant war im Erdgeschoss untergebracht, die Küche befand sich im ersten Stock. Dort stand Xavier Kieffer nun an seinem Platz neben dem Speiseaufzug und wartete auf das Klingeln, das die Ankunft der kleinen Kabine ankündigte. Als es schellte, öffnete er die Klappe und nahm eine kleine Klemmtafel heraus, auf der ein handgeschriebener Bestellzettel befestigt war.

»Was will er?«, rief Claudine aus dem hinteren Teil der Küche, ohne von der Arbeitsplatte aufzusehen, auf der sie mit einem großen Messer in atemberaubender Geschwindigkeit Karotten in hauchdünne Juliennestreifen verwandelte.

»Nur einen Salat?«

Kieffer sah auf den Zettel, auf dem Jacques die Bestellung des mysteriösen Franzosen vermerkt hatte. Mit einem Kugelschreiber hatte der Kellner eine Reihe von Abkürzungen darauf gekrakelt: »2 Sal, 3 Bou, C4 Pat, 17 Civ m. Grom, 26 Que«. Kieffer kannte seine Speisekarte auswendig. Aus der Bestellung ergab sich folgendes Menü:

Grüner Salat

Bouneschlupp

Rieslingpaschtéit

Civet de lièvre, façon luxembourgeoise

Quetscheflued mat Vanilleglace

»Er möchte eine Bohnensuppe, dann die Pastete, danach Hasenpfeffer und zum Dessert Zwetschgenkuchen.«

»Er ist ein Tester, ich sag’s dir.«

»Oder er hat einfach Hunger und kennt unsere Portionen nicht.«

Kieffer ließ Claudine mit ihren Juliennes alleine und stieg die steile Steintreppe in den Schankraum hinunter. Inzwischen waren noch drei weitere Gäste eingetroffen, ansonsten war das Lokal leer. Er griff nach einer Weinkarte und hielt sie seinem Kellner Jacques fragend hin. Der schüttelte den Kopf.

Kieffer klemmte sich die Karte unter den Arm und ging auf den Tisch des mutmaßlichen Gastrokritikers zu. Der Mann, der an einem Ecktisch auf einer Holzbank saß, hatte zurückgegeltes schwarzes Haar und blickte Kieffer durch eine etwas altmodische braune Hornbrille an. Er mochte um die 40 sein und trug ein blaues

Weil er sich angesichts dieser Erscheinung ein Grinsen ohnehin nicht verkneifen konnte, setzte Kieffer lieber gleich sein breitestes Chefkoch-Lächeln auf. »Bonsoir, Monsieur. Möchten Sie einen Blick in unsere Weinkarte werfen?«

»Ja, gerne«, sagte der Franzose – in einem Tonfall, der das Gegenteil von Interesse verriet. Er nahm die geöffnete Karte entgegen, schaute gelangweilt auf die aufgeschlagene Seite, um sie dann umgehend zuzuklappen. Er musterte Kieffer. »Was würden Sie denn empfehlen?«

»Zu Ihrer Haupt- und Vorspeise würde ein Mosel-Riesling passen, sagen wir, ein Wormeldanger Stiercherg. Zu dem Hasenpfeffer vielleicht ein roter …«

»Was für Spätburgunder haben Sie denn?«, unterbrach ihn der Franzose, der nun, ohne Kieffer eines weiteren Blickes zu würdigen, wieder in der Weinkarte zu blättern begonnen hatte.

»Ich hätte einen Schengener Markusberg.«

»Akzeptabel.«

»Und zum Dessert dann vielleicht eine Mirabelle, Monsieur?«

»Aus welcher Brennerei?«

»Tasselbach, bei Septfontaines, 5000 Flaschen im Jahr, schwer zu bekommen. Meiner Ansicht nach der Beste.«

»Hmmm. Na gut, bringen Sie ihn mal.«

Na gut. Kieffer merkte, wie es in ihm zu brodeln begann. Er besaß ein dickes Fell, und es war nicht einfach, ihn zu beleidigen – außer bei zwei Punkten. Das Erste,

Kieffer investierte viel Zeit und Energie in entsprechende Recherchen. Dazu gehörten ausgedehnte Streifzüge durch Feinschmeckerregionen wie das Lyonnais oder das Luxemburger Moseltal. Er hatte in seinem Leben sicherlich an die 80 verschiedene Mirabellenschnäpse probiert, und Tasselbacher war der beste. Der Mann vor ihm hatte schlichtweg keine Ahnung. Kieffer atmete tief durch und sagte: »Mit Vergnügen, Monsieur, vielen Dank.«

Verärgert ging er zurück in seine Küche, um nach dem Hasenpfeffer zu schauen. Falls der Franzose tatsächlich ein Restauranttester sein sollte, dann galt es, ihm ein ordentliches Menü vorzusetzen, auch wenn er ein Gimpel war und ein Unsympath obendrein. Vermutlich traf das ohnehin auf die meisten Tester zu. Kieffer öffnete den Ofen und warf einen Blick auf die casserole, in der die marinierten Hasenstücke zusammen mit Räucherspeck, Perlzwiebeln und Rotwein vor sich hin köchelten. Eigentlich musste er sich wegen des Gastrokritikers keine Sorgen machen. Seine Stammkunden kamen schließlich nicht wegen eines Eintrags im Guide Gabin, und sie würden auch in Zukunft kommen. Aber verärgern wollte er den Kritiker, wenn er schon einmal hier war, deshalb natürlich auch nicht. Da ging es ihm einfach um seine Ehre als Koch.

Die Befähigung, etwas Köstliches zu kochen, war eine Sache. Aber Sternekoch zu werden war nicht nur eine Frage des Talents. Es setzte vor allem die Fähigkeit voraus, allabendlich ein außergewöhnliches Brimborium zu veranstalten. Edle Einrichtung, teures Geschirr und ein Weinkeller von der Größe der Luxemburger Kasematten waren unumgänglich. Vor dem Essen galt es ausgefallene amuse-gueules zu servieren, zum Kaffee filigrane petits fours. All das war unabdingbar, wenn man einen Gabin-Stern begehrte. Für die notwendigerweise komplexen, vielgängigen Menüs brauchte ein Sterneaspirant zudem eine Armada von sous-chefs, sauciers, pâtissiers und weiteren Postenköchen. Ferner eiserne Disziplin, Organisationstalent und eine autokratische Persönlichkeitsstruktur. Kieffer musste an seinen Lehrmeister denken, den Renard-Chef Paul Boudier. Der Alte war ein fürchterlicher Tyrann. Seinen Mitarbeitern hatte der Franzose immer wieder eingebläut, was er von ihnen erwartete: »Bedingungslos gehorchen sollt ihr, präzise meine Rezepturen befolgen und euch eure eigenen kulinarischen Ideen in den Arsch stecken.«

»Paschtéit fir Dësch véier«, rief Claudine und riss Kieffer aus seinen Gedanken. Er nahm den Hasen aus dem Ofen und musterte den Teller, den Claudine an den Pass, den Abnahmeplatz, gestellt hatte. Zwei dünne Scheiben Rieslingspastete in Teigkruste lagen darauf, nebst einer Salatgarnitur und einem ordentlichen Klecks Soße aus pürierten Maronen und Honig. Die Pastete war eine specialité de la maison. Kieffer war ziemlich stolz auf das Rezept, das er selbst immer wieder verfeinert hatte. Er ging zu Claudines Posten, tauchte einen kleinen Löffel in die Maronensoße und probierte noch einmal. Dann nickte er zufrieden und stellte den Teller in den Aufzug.

Gut zehn Minuten später klingelte das Küchentelefon.

»Xavier, er sagt, er möchte ein Päuschen machen, kannst du den Hauptgang schieben?«

»Geht. Mochte er die Pastete?«

»Er hat beide Scheiben aufgegessen und die ganze Soße aufgetunkt.«

Das musste nichts heißen. Soweit Kieffer wusste, waren Gabin-Tester gehalten, die Gänge nicht nur zu probieren, sondern alles komplett aufzuessen. »Was macht er jetzt?«

Kieffer stellte den Hasen warm. Er verschob das Andicken der Soße und begann stattdessen automatisch, seinen Posten zu kontrollieren. Zwar erwartete er an diesem Abend kaum Kundschaft, doch das war kein Grund, bei der Organisation seines Arbeitsplatzes nachlässig zu werden.

Wie jeder Profikoch war Kieffer äußerst eigen, was seine mise en place anging. »Es ist dein Werkzeugkasten, es ist das A und O«, hatte ihn Boudier einmal vor versammelter Mannschaft heruntergeputzt, als Kieffers Posten nicht in Ordnung gewesen war. »Wenn er durcheinander ist, kochst du durcheinander.« Boudier hatte natürlich recht gehabt; die mise en place war die Voraussetzung für fast alles andere. Ein hervorragendes médaillon de veau et foie gras au raisin – eines von Kieffers Lieblingsgerichten – zuzubereiten, verlangte neben guten Zutaten nur ein wenig Geduld und eine Prise Talent. 60 Portionen davon binnen einer Stunde zu servieren, war ohne perfekte Vorbereitung hingegen unmöglich. Wenn man nicht genau wusste, wo sich welche der benötigten Zutaten befanden, war man in einer Restaurantküche verloren. Spätestens nach der dritten oder vierten Sechsertisch-Bestellung ging dann alles den Bach runter, völlig egal, wie begnadet ein Koch sein mochte.

Das Gleiche galt für Köche, die in der Vorbereitung schluderten und gängige Zutaten nicht in ausreichender Menge vorhielten. Wenn die Bestellungen auf ein Team einprasselten wie Granaten, dann blieb keine Zeit, Gemüse für einen mirepoix zu würfeln oder auf die Schnelle das Rosinensößchen für die Kalbsmedaillons

 

Kieffer überprüfte zunächst seine Schüsseln. Rechts neben seinem Herd standen zwölf quadratische Edelstahlbehälter, parallel in zwei Reihen angeordnet. Sie enthielten grobes und feines Meersalz; schwarzen und weißen Pfeffer; Zucker; tomates concassées; Petersilienchiffonade, süßes Paprikapulver; kleine getrocknete Chilis; karamellisierten Knoblauch; ferner Zitronenschnitze und -zesten. Nachdem er die Metallbehälter kontrolliert hatte, öffnete er sechs Tupperdosen, die neben den Schüsselchen standen. Darin waren frische Kräuterzweige: Lorbeer, Thymian, Rosmarin und Minze, außerdem chapelure und Mehl. Er nickte zufrieden und ließ den Blick über seine Arbeitsfläche streifen. Sie bestand aus zwei Plastik-Schneidebrettern, die auf feuchten Küchentüchern ruhten, damit sie nicht verrutschten. Daneben lagen drei japanische Edelstahlmesser, ein kleines Schälmesser, ein großes Allzweck-Küchenmesser sowie ein breitklingiges Santoku. Alle drei hatte Kieffer am Morgen mit einem feuchten Wetzstein geschärft. In der Schublade unter der Arbeitsfläche warteten diverse Fonds, die er gestern in vierstündiger Arbeit hergestellt hatte: heller und dunkler Hühnerfond; zwei Fischfonds, die wie heller und dunkler Wackelpudding aussahen; Kalbs- und Rindsfonds sowie gewürfelte Butter und beurre marnie, eine Art halb gefrorene Mehlschwitze, mit der man Soßen andicken konnte. Alles wartete in acht säuberlich mit Deckeln verschlossenen Plastikbehältern auf seinen Einsatz. Nachdem Kieffer zum Schluss noch seine Vorräte an Öl, Essig, Wein und Noilly Prat

 

Zunächst briet er für die Garnitur einige Pilze in Speck an. Dann holte er die casserole aus dem Ofen. Timing war jetzt wichtig. Sobald er den Bratensaft passiert hatte, würde er Johannisbeergelee, kalte Butter und zerstoßene Lebkuchen hinzufügen. Binnen weniger Sekunden würde die Soße dadurch eine sämige Konsistenz bekommen. Dann musste der Hasenpfeffer schnell auf den Tisch. Just als Kieffer zum Spitzsieb griff, klingelte das Küchentelefon. »Sag mir jetzt nicht, dass die Vier noch länger mit dem Huesenziwwi warten will. Ich bin schon bei der Soße.«

»Vergiss den Hasen. Ich … er …«

»Was ist los, Jacques? Ist er abgehauen?«

»Nein, er ist tot, Xavier.«

Von seinem Platz hinter der Theke konnte Kieffer beobachten, wie zwei in weiße Overalls gekleidete Forensiker der Police Judiciaire den Riesling, die Kräuterbutter und das Besteck von Tisch Nummer vier in kleine Plastiktütchen verpackten. Sein Kellner wurde derweil von einem der Beamten befragt. Der Franzose hatte sich laut Jacques nach dem Verlassen des Lokals neben seinen vor dem Haus geparkten Wagen gestellt und dort ein etwa fünfminütiges Telefonat geführt. Danach war er wieder ins Restaurant zurückgekehrt.

Kaum hatte der Franzose die Türschwelle überschritten, war er tot zusammengebrochen. Jacques stand unter Schock. Er war gerade dabei gewesen, dem Mann aus dem Mantel zu helfen, als dieser der Länge nach vornüberkippte. Die Leiche lag noch immer im Eingangsbereich des Restaurants. In kurzen Abständen zuckten Lichtblitze durch den lang gezogenen Speiseraum – ein Polizeifotograf war gerade dabei, sämtliche Details des Tatorts zu fotografieren.

Das »Zwou Kierchen«, ein Tatort. Kieffer hätte jetzt gerne einen Obstbrand von Tasselbach getrunken oder

Nach weiteren fünf Minuten erhob sich der Kommissar und kam auf Kieffer zu. »Didier Manderscheid, gudden Owend.« Der etwas zu kurz geratene, junge Beamte trug einen modisch schmal geschnittenen Anzug ohne Krawatte sowie ein keckes Menjou-Bärtchen und hatte seit seiner Ankunft noch nicht ein einziges Mal gelächelt. »Was können Sie mir über den Toten sagen, Monsieur Kieffer?«

»Nicht viel, Monsieur le Commissaire. Kein Stammkunde. War zum ersten Mal hier.«

Manderscheid entnahm seiner Jackentasche eine bereits gestopfte Pfeife und hielt ein Streichholz an den Kopf. Er setzte sich auf einen der Barhocker und schmauchte bedächtig. Nach einigen Zügen legte Manderscheid die Pfeife weg, faltete betont langsam seine Hände und sah den Koch prüfend an. »Sie wissen also nicht, wer der Mann ist und für wen er arbeitet? Gearbeitet hat?«

Kieffer beschloss, lieber gleich mit seinem Verdacht herauszurücken – es hatte wenig Sinn, den Ahnungslosen zu spielen. »Nein. Aber eine Vermutung habe ich.«

»Alors?«

»Wir vermuteten, dass er ein Restauranttester ist. War.«

»Warum?«

Kieffer erzählte Manderscheid von dem Nummernschild.

»Natürlich.«

Der Gabin war nicht irgendein Restaurantführer. Das blaue Buch galt unter Gourmets als Bibel der guten Küche. Die Zentrale des Gabin befand sich in Paris, selbstverständlich, und von dort aus schickte der Guide seine Tester in alle Welt, um die besten Restaurants, die raffiniertesten Zubereitungen und die brillantesten Köche ausfindig zu machen. Für gewöhnliche Restaurants war im Gabin kein Platz, auch für gute nicht – die Tester des Gourmet-Imperiums, allesamt Besseresser mit geschulten Gaumen, interessierten sich nur für Top-Küche. Einmal im Jahr veröffentlichte der Gabin eine aktualisierte Ausgabe, und die gesamte Branche fieberte dem Erscheinungstermin entgegen. Wer einen, zwei oder gar drei Sterne verliehen bekam, musste sich um Reservierungen fortan keine Sorgen mehr machen. Wer von den Gourmetpriestern des Gabin hingegen exkommuniziert wurde, verlor nicht nur sein Gesicht, sondern auch den Großteil seines Umsatzes.

»Ein Gabin-Tester ist hoher Besuch für ein …«, Manderscheid deutete mit der Hand auf den leeren Schankraum und machte eine Kunstpause, »… kleines Restaurant wie dieses, nicht wahr?«

Kieffer zuckte mit den Achseln und deutete auf ein Foto an der Wand, das ihn zusammen mit zwei Mitgliedern der Luxemburger Herrscherfamilie zeigte. »Vergangenes Jahr waren Erbgroßherzog Guillaume und sein Bruder hier. Das würde ich als hohen Besuch bezeichnen.«

»Sie meinen, er wurde ermordet?«

Manderscheid senkte seine Stimme wieder etwas. »Ich meine gar nichts. Die Obduktion steht noch aus. Aber wohlgenährte Männer um die vierzig wie Ricard fallen relativ selten mausetot um, wenn man nicht ein wenig nachhilft. Dass ein Gastrokritiker des berühmtesten Gourmetführers der Welt nach einem Dinner in Ihrem Restaurant zusammenbricht, sieht nicht gut für Sie aus.«

»Soll das etwa heißen, Sie verdächtigen mich?«

Manderscheid zuckte mit den Achseln. »Mir mussen Iech verdächtegen. C’est la routine.«

Kieffer schnaubte. »Das ist doch lächerlich. Warum sollte ich einen Tester vergiften?«

»Weil er eine vernichtende Kritik über Ihr Restaurant zu verfassen gedachte?«, schlug Manderscheid vor.

»Deshalb soll ich ihn ermordet haben? Der Gedanke ist absurd – außerdem hat er seinen Vorspeisenteller leer gegessen und die ganze Soße aufgetunkt. Es scheint ihm also geschmeckt zu haben, prima facie, wie Sie wohl sagen würden. Also sah es nicht so übel für uns aus, oder? Als Nächstes hätte ich ihm den Hauptgang serviert, Huesenziwwi, eine unserer Spezialitäten. Der beste Hasenpfeffer, den Sie in der ganzen Stadt bekommen können. Warum sollte ich den Mann vergiften, bevor er den probiert hat? Außerdem ist ein Laden wie unserer gar nicht auf dem Radar von … wie war sein Name?«

»Agathon Ricard.«

»Wie meinen Sie das?«

»Was hat das mit dem toten Tester zu tun?«

Manderscheid legte einen Finger über seine Oberlippe. »Sie wollen mir also sagen, so jemand kommt nicht zufällig in Ihrem abseitig gelegenen Gasthof vorbei, sondern nur auf Weisung oder Empfehlung?«

»Monsieur Kieffer, ich hoffe, Sie verstehen, dass ich Sie bitten muss, Luxemburg nicht zu verlassen.«

»Ich befürchte, wir werden Ihre Küche auseinandernehmen und alle Ihre Lagerbestände überprüfen müssen. Solange die Spurensicherung damit beschäftigt ist, müssen Sie ohnehin schließen.«

»Mindestens drei Tage, vielleicht auch länger. Und bitte kommen Sie morgen Nachmittag aufs Präsidium.« Manderscheid strich seinen Notizblock glatt und erhob sich.

»Sicher«, sagte der Koch und griff in eine Schublade, um dem Kommissar eine seiner auf marmoriertem braunen Büttenpapier gedruckten Visitenkarten auszuhändigen.

»Nein, die gibt es standardmäßig erst mit der Rechnung.«