Impressum

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel «Master of War: Gate of the Dead» bei Head of Zeus Ltd., London.

 

Veröffentlicht im Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, Dezember 2017

Copyright © 2017 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

«Master of War: Gate of the Dead» Copyright © 2016 by David Gilman

Redaktion Tobias Schumacher-Hernández, Berlin

Karte Peter Palm, Berlin

Umschlaggestaltung Hafen Werbeagentur, Hamburg,

nach der Originalausgabe von Head of Zeus

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ISBN Printausgabe 978-3-499-29099-2 (1. Auflage 2017)

ISBN E-Book 978-3-644-40139-6

www.rowohlt.de

ISBN 978-3-644-40139-6

 

Bascot de Mauléon, Waffenknecht, an Jean Froissart, einen französischen Chronisten des 14. Jahrhunderts, über die Männer der freien Truppen

*Sir Thomas Blackstone

*Christiana, Lady Blackstone

*Henry, Sohn von Blackstone und Christiana

*Agnes, Tochter von Blackstone und Christiana

 

THOMAS BLACKSTONES MÄNNER

*Sir Gilbert Killbere

*Gaillard: normannischer Hauptmann

*Meulon: normannischer Hauptmann

*John Jacob: Hauptmann

*Perinne: Baumeister und Soldat

*Elfred: Bogenschütze und Befehlshaber der Bogenschützen

*Will Longdon: altgedienter Bogenschütze und Centenar

*Jack Halfpenny: Bogenschütze

*Robert Thurgood: Bogenschütze

 

DEUTSCHE RITTER

*Werner von Lienhard

*Conrad von Groitsch

*Siegfried Mertens

 

GASCOGNER RITTER UND WAFFENKNECHTE

Jean de Grailly: Captal de Buch, Edelmann aus der Gascogne und Verbündeter der Engländer

Gaston Fébus: Graf de Foix

 

FRANZÖSISCHE RITTER

Jean d’Hangest: Beschützer der französischen Königsfamilie in Meaux

Loys de Chamby: französischer Ritter, wirkt bei der Verteidigung von Meaux mit

Bascot de Mauléon: kämpfte mit dem Captal in Preußen und steht auch in Meaux an seiner Seite

*Marcel de Lorris: niederer französischer Edelmann, bei dem Henry Blackstone als Page dient

 

NORMANNISCHE EDELMÄNNER

*Robert de Marcouf: normannischer Graf am englischen Hof

*Robert de Montagu: normannischer Graf, der sich Karl von Navarra angeschlossen hat

 

ENGLISCHE EDELMÄNNER, RITTER UND KNAPPEN

Henry of Grosmont, Duke of Lancaster

Ralph de Ferrers: englischer Kommandant von Calais 1358–1361

Sir Gilbert Chastelleyn: Ritter am Hof Edwards III.

Stephen Cusington: Unterhändler Edwards III.

*Roger Hollings: ein Knappe

*Samuel Cracknell: Bote, Sergeant

 

DAS ENGLISCHE KÖNIGSHAUS

König Edward III. von England

Edward of Woodstock, Prince of Wales

Isabella von Frankreich (Isabella die Schöne), Königinwitwe von England

 

König Johann II. (der Gute) von Frankreich

Der Dauphin: Sohn und Erbe des französischen Königs

Die Herzogin der Normandie: Gemahlin des Dauphin

Karl, König von Navarra: Anwärter auf den französischen Thron, König Johanns Schwiegersohn

Philipp von Navarra: Karl von Navarras Bruder

 

ITALIENISCHE EDELMÄNNER, RITTER, GEISTLICHE, KAUFLEUTE UND DIENER

Galeazzo Visconti: Herrscher von Mailand

Bernabò Visconti: Herrscher von Mailand

Marquis de Montferrat: Piemonteser Edelmann

Pancio de Controne: Arzt des Vaters von Edward III.

*Niccolò Torellini: Florentiner Priester

*Paolo: Torellinis Diener

*Fra Stefano Caprini: Ordensritter

*Bruder Bertrand: Mönch

*Oliviero Dantini: Seidenhändler in Lucca

 

ENGLISCHER ARZT

Master Lawrence of Canterbury: Arzt der Königin Isabella

 

BÜRGERMEISTER VON MEAUX

Jehan de Soulez

 

ANFÜHRER DES BAUERNAUFSTANDS

Guillaume Caillet

 

Fiktive Personen sind mit * gekennzeichnet.

Die Stadt der Speere

Eins

Schreie gellten von den Mauern, als stürzten Seelen ins Höllenfeuer. Söldner warfen brennende Fackeln in Häuser und metzelten alle nieder, die zu fliehen versuchten. Der Ort stand in Flammen, und die Bewohner hatten keine Chance gegen die Eindringlinge, die aus den Bergen über sie gekommen waren. Die gemischte Truppe aus deutschen und ungarischen Kriegern durchbrach die schwachen Verteidigungsanlagen mühelos. Kleine Pulks von Bewohnern versuchten, ihre Häuser zu verteidigen, wurden jedoch überwältigt. Manche wurden kampfunfähig gemacht und mussten zusehen, wie ihren Familien Gewalt angetan wurde. Das Grauen trieb die Männer dazu, um ein schnelles Ende zu flehen, doch ihre Bitten wurden nicht erhört.

Diese einfachen Leute hatten sich erkühnt, zu protestieren, als die Söldner auf dem Rückweg über die Gebirgspässe nach Mailand ihre Wintervorräte plünderten. Als das Heer sich langsam wieder in Marsch gesetzt hatte, war ein Teil auf Befehl des Kommandeurs in Santa Marina zurückgeblieben, um den Bewohnern eine Lektion zu erteilen. Die Brutalität der Söldner kannte keine Grenzen. Kein Bauer oder Handwerker hatte diesen Soldaten, die bei den Visconti, den Herrschern von Mailand, unter Vertrag standen, etwas entgegenzusetzen, und dass eine andere Söldnertruppe sich ihnen in den Weg stellen würde, war unwahrscheinlich. Südlich des Dorfes

Niemand außer Thomas Blackstone mit hundert handverlesenen Männern.

 

Fünf Hauptleute hatten je zwanzig Mann hinter sich; jeder Trupp folgte einem Führer, der sie an einem Hanfstrick durch die Dunkelheit leitete. Tagsüber schliefen sie zwischen Felsblöcken und Gestrüpp. In der dritten Nacht erreichten sie endlich, stolpernd und leise fluchend, das Ufer des Flusses, der südlich von Santa Marina dahinströmte. Die Lagerfeuer vor den gut dreißig Zelten, die zwischen dem Fluss und dem Ort standen, wiesen ihnen den Weg. Hinter diesem Söldnerlager schwelten noch die Überreste des Ortes, sodass der Nachthimmel darüber rötlich verfärbt war. Und noch immer hallten Schreie durch die Straßen. In dem Ort konnten nicht mehr als etwa siebzig Mann zurückgeblieben sein. Die Chancen standen gut für Blackstone.

«Mist», schimpfte John Jacob, Blackstones englischer Hauptmann, während er im Gras liegend über den Fluss spähte. «Wir kriegen nasse Füße.»

«Und einen nassen Arsch», ergänzte Sir Gilbert Killbere an Blackstones anderer Seite. «Herrgott, Thomas, musstest du uns hierherführen? Dieser Fluss ist wenigstens hundert Schritt breit.» Er wälzte sich auf den Rücken, löste seinen Helm und fuhr sich mit der schmutzigen Hand über seine ergrauten Stoppeln. Der bisherige Weg war schon strapaziös genug gewesen.

«Der Fluss ist um diese Jahreszeit höchstens hüfttief. Wo ist Will?», fragte er.

Hinter ihnen raschelte etwas im Schilf.

«Hier», meldete sich Will Longdon und robbte näher heran, um die niedrige Uferböschung hinunterzuspähen. «Das Wasser von den Bergen dürfte verdammt kalt sein. Wir werden uns die Klöten abfrieren, Sir Gilbert», stellte er fest.

«Ein mickriger Bogenschütze wie du bestimmt», entgegnete der ältere Ritter.

«Die Lagerfeuer weisen uns den Weg», sagte Blackstone. «Bring deine Bogenschützen in Stellung, Will. Dreihundert Schritt flussabwärts, da ist die flachste Stelle. Dort werden diejenigen, die uns entkommen, bei Tagesanbruch zu fliehen versuchen. Die Hälfte der Männer dorthin, die andere Hälfte bleibt hier. Dann lassen wir die Falle zuschnappen.»

Er ließ den Blick über die Männer gleiten, die nebeneinander am Ufer lagen, abgehärmt vom Schlafmangel, mit dreckverkrusteten Gesichtern, Schwert, Axt oder Streitkolben kampfbereit umklammert. Ihre Augen glänzten im Feuerschein. Sie boten einen furchterregenden Anblick. Ohne ein weiteres Wort stand Blackstone auf, und sofort folgten die anderen seinem Beispiel. Er watete vorsichtig ins flache Wasser. Die Dunkelheit erschwerte das Vorankommen, aber

Das leise Platschen ihrer Schritte war wenig später nicht mehr zu hören, als sie im hüfttiefen Fluss wateten und das Rauschen und Gurgeln des Wassers über den Untiefen alle Geräusche übertönte. Blackstone sah sich nach seinen Männern um, die ihre Speere und Schwerter zu Hilfe nahmen, um nicht von der Strömung umgerissen zu werden. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass alle sicher hinübergelangt waren, setzte er seinen Weg durchs Schilf fort, das ihnen noch für ein paar Schritte spärliche Deckung bot.

Sechzig Krieger schwärmten lautlos zwischen die Zelte aus und kontrollierten rasch, ob darin Söldner lagen. Blackstone lief mit den Übrigen weiter, ohne die gedämpften Schreie der Männer zu beachten, die arglos geschlafen hatten. Je näher er dem Ort kam, desto lautere Schreie hörte er.

Blackstone rannte auf den ersten Platz im Ort, der mit Toten übersät war. Er sah eingeschlagene Schädel, aufgeschlitzte Bäuche, glänzende Blutlachen auf dem Pflaster – Männer, Frauen, Kinder und Hunde waren hier niedergemetzelt worden. Ein Dutzend Soldaten peinigten einen Mann, der mit heraushängenden Gedärmen auf allen vieren kroch. Während sie ihm mit ihren Speerspitzen noch weitere Wunden zufügten, tranken sie Wein aus irdenen Krügen und lachten über seine Qual. Auch aus den schmalen Gassen, die zu beiden Seiten auf den Platz mündeten, ertönten Schmerzensschreie. Da und dort brannten Fackeln, deren flackerndes Licht gespenstische Schatten an die Mauern malte, während die Männer der

Einer der Söldner drehte sich halb um, als er eilige Stiefeltritte nahen hörte. Er glaubte, seine Kameraden aus den Zelten seien nachgekommen, um das Gemetzel mit anzusehen, doch sein Grinsen wich einem verwirrten Ausdruck, als er die Männer schweigend heranstürmen sah. Als er begriff, dass es nicht seine Kameraden waren, kam sein Warnruf schon zu spät. Blackstones Männer fielen so plötzlich über die Söldner her, dass ihnen keine Zeit blieb, sich zu verteidigen.

«Nach links!», befahl Blackstone und lief zwischen den Toten hindurch dem Lärm entgegen, der aus einer der Gassen drang. Der Verwundete richtete sich auf die Knie auf, beide Hände auf seinen aufgeschlitzten Bauch gepresst, und hob das blinde Gesicht einem bärtigen Hünen entgegen, der ebenso groß und breitschultrig war wie Blackstone und der ihn jetzt mit einem raschen Schnitt durch die Kehle von seiner Qual erlöste.

«Meulon!», rief Blackstone. «Fünf Mann! Dort drüben!»

Der Hüne wandte sich zu der Gasse, von wo mehrere Männer auf sie zuliefen. Sie hatten bemerkt, dass auf dem Platz etwas vorgefallen war, aber wie ihre Kameraden büßten auch sie in einem Moment des Zauderns jeden Vorteil ein. Der Anblick dieser Angreifer, die wüster aussahen als sie selbst, schüchterte sie ein. Als sie endlich gegen die Eindringlinge vorrückten, waren sie Schulter an Schulter in der engen Gasse zusammengedrängt und hatten den Speerstößen und den nachfolgenden Axt- und Schwerthieben nichts entgegenzusetzen.

Blackstone trug eine offene Beckenhaube, und die Kleidung seiner Männer unterschied sich kaum von der der Söldner, die den Ort überfallen und in Brand gesteckt hatten. Manche trugen Beinschienen und Rüstungsteile an Schultern und

In einer schmalen Gasse wehrte sich eine Frau mit Händen und Füßen gegen ihren Angreifer, während ein zweiter Mann gegen eine Wand urinierte, eine Fackel in der freien Hand. Als er einen Blick über die Schulter warf, nahm er in der Dunkelheit eine Bewegung wahr. Er drehte sich um und streckte die Fackel von sich, während es warm an seinem Bein hinunterlief. Bis er die Fackel fallen gelassen hatte und nach seinem Schwert griff, hatte John Jacob bereits seine Klinge im Bogen aufwärtsgeschwungen und den Gegner zwischen den Beinen getroffen. Der Mann krümmte sich vor Schmerz und hielt sich das blutige Gemächt, als auch schon ein anderer von Blackstones Männern seine Axt auf den ungeschützten Hals niedersausen ließ. Blackstone selbst warf sich gegen den Soldaten, der mit der Frau rang, und brachte ihn so aus dem Gleichgewicht, dann rammte er ihm den Knauf des Wolfsschwerts in den Mund. Knochen und Zähne knirschten, der Kopf des Mannes wurde mit einem Ruck zurückgerissen, und Killberes Schwertstoß traf ihn in die Kehle. Blackstones Männer rückten weiter vor, ohne die halbnackte Frau zu beachten.

«Wie viele sind wir?», rief Blackstone, als er einen weiteren kleinen Platz erreichte, wo etwa zwanzig Söldner einen Pferdetrog als Rammbock benutzten, um eine schwere Holztür mit riesigen Eisenscharnieren aufzubrechen. Auch dieser Platz war übersät mit Toten, die Mauern blutverschmiert, und Fackeln beleuchteten die grausige Szenerie.

«Genug!», antwortete der alte Ritter und drängte sich an Blackstone vorbei, um sich in den Kampf zu stürzen.

«Gilbert! Warte!», schrie Blackstone. Sie waren nur neun

Die Männer mit dem Rammbock drehten sich um und erkannten mit einem Blick, dass sie in der Überzahl waren. Blackstone glitt auf dem blutigen Pflaster aus, und ehe er sich wieder gefangen hatte, waren bereits zwei oder drei Männer an ihm vorbeigelaufen und Killbere gefolgt. Schwerter klirrten; ein paar von Blackstones Männern hoben herumliegende Schilde vom Boden auf und bildeten einen Schildwall gegen die desorganisierten Angreifer. Blackstone erkannte, dass Killberes linke Flanke ungeschützt war – bald würde der ältere Mann zu Boden gehen. Blackstone rannte auf ihn zu, aber drei Männer, die aus der Tür eines brennenden Hauses stürzten, drängten ihn gegen eine Mauer zurück. Er parierte ihre Schläge und wich seitlich aus, sodass der erste Mann in seinem Schwung an ihm vorbei gegen die Mauer prallte. Blackstone hob einen Schild vom Boden auf und wehrte damit mehrere heftige Schläge von den anderen beiden Gegnern ab, dann warf er sich mit seinem Gewicht gegen sie. Der Ausdruck in ihren Augen verriet ihm, was sie sahen: eine grausige Erscheinung, deren entstelltes Gesicht im flackernden Licht noch verzerrter wirkte. Er schlug sie zurück. Einer ergriff die Flucht, der andere machte einen Schritt zur Seite und holte mit seinem Schwert hoch aus. Blackstone rammte den gehärteten Stahl des Wolfsschwerts in die ungeschützte Achselhöhle. Der Mann, der zuerst zu Boden gegangen war, ließ sein Schwert liegen, rappelte sich auf und verschwand in einer Gasse.

Blackstone sah sich nach seinem Freund um, aber Killbere wurde von zwei hünenhaften Gestalten verdeckt: den beiden normannischen Speerkämpfern Meulon und Gaillard, die mit ihren Männern aus einer Seitengasse gestürmt waren und die Gegner in die Enge getrieben hatten. Sieben Söldner

«Gnade!», riefen sie, und ein paar fielen auf die Knie.

Ehe Blackstone seine Männer zurückhalten konnte, hatten sie sich bereits auf die Söldner gestürzt. Zwei Überlebende versuchten mit erhobenen Armen vergebens, sich vor den Hieben zu schützen.

«Wartet!», befahl Blackstone.

Killbere wandte ihm sein blutbespritztes Gesicht zu. «Wir sollen sie am Leben lassen?», fragte er ungläubig.

Blackstones Männer machten ihm Platz, als er zwischen ihnen hindurchschritt. «Vorerst, ja. Steht auf», befahl er. Einer der Männer trug über seinem Kettenhemd einen Wappenrock mit einer Schlange darauf, in deren Maul ein Kind steckte.

«Ich kenne das Wappen der Visconti.» Blackstone wandte sich dem zweiten Mann zu, dessen blutiger Rock so ausgeblichen war, dass er das Wappen nur teilweise erkennen konnte: eine Krone auf dem Kopf einer weiblichen Gestalt, aber anstelle der Arme hatte sie ausgebreitete Flügel und statt der Beine Adlerklauen. In Blackstones Erinnerung regte sich etwas – er kannte auch dieses Wappen, hatte es schon einmal in der Hitze des Gefechtes gesehen.

Die Männer zitterten vor Erschöpfung und Angst. Sie hatten den Tod vor Augen, und niemand, nicht einmal der skrupelloseste Söldner, wollte ohne Beichte sterben.

Blackstone setzte die Spitze des Wolfsschwerts an das Wappen. «Welchem Herrn dienst du?», fragte er.

Obwohl die Schwertspitze das Kleidungsstück nur leicht berührte, zerriss der Stoff. Der Mann drückte sich rücklings an die Wand.

«Werner von Lienhard», antwortete er.

Blackstone schwieg; seine Männer warteten darauf, dass er

Schließlich brach Blackstone das Schweigen: «Wo ist er, dein deutscher Herr? Mit Viscontis übrigen Soldaten im Norden? Oder bei eurer Haupttruppe?»

«In Mailand», brachte der Mann heiser heraus.

«Wie stark ist die Haupttruppe?», wollte Blackstone wissen.

Die beiden Männer wechselten einen Blick und zuckten unsicher die Schultern.

«Ein paar hundert, Herr.»

«Auf welcher Route kehren sie heim?», fragte Blackstone weiter.

«Durch Vani del Falco. Wir sollten nachkommen.» Der Mann kniete nieder, und sein Kamerad folgte rasch seinem Beispiel. «Gnade, Herr. Wir werden alles tun, was Ihr verlangt. Verschont uns, dann wollen wir Euch dienen.»

Killbere, dessen Gesicht schweißüberströmt war, warf Blackstone einen ungeduldigen Blick zu. «Das Töten ist noch nicht zu Ende, Thomas. Wir können nicht die ganze Nacht hier rumstehen und mit diesen elenden Dreckskerlen palavern.»

Blackstone ließ sein Schwert sinken. «Ich verschone sie», entschied er. «Aber fesselt sie und sperrt sie irgendwo ein.»

«Gott segne Euch, Herr! Gott segne Euch!», riefen die Männer.

Killbere schloss sich Blackstone an, als dieser den Hof überquerte. «Hat das einen bestimmten Grund?»

«Bald bricht der Tag an. Sicher sind diejenigen, die uns entkommen sind, zum Fluss gelaufen. Organisiere die Männer, Gilbert. Und versammele so viele Dorfleute wie möglich.»

«Thomas, du heckst wieder etwas aus, was uns neue Scherereien einbringt. Herrgott, als hätten wir nicht schon genug geblutet. Wir haben heute Nacht mehrere Männer verloren.»

Blackstone wandte sich dem Mann zu, den er höher als

«Gilbert, vertrau mir.»

Der ältere Mann zögerte, dann nickte er, zu erschöpft, um weitere Einwände zu erheben. Er murmelte etwas Unverständliches und wandte sich ab, um Blackstones Befehle auszuführen.

Zwei

Ein kleiner Wald weiß befiederter Pfeile ragte aus den Leichen der Männer, die versucht hatten, Blackstones Schwertkämpfern zu entkommen. Will Longdons Bogenschützen konnten noch auf dreihundert Schritt Entfernung sicher zielen; im Schein der Lagerfeuer waren die Fliehenden bei zweihundert Schritt in einen wahren Pfeilhagel hineingelaufen, der völlig überraschend vom Nachthimmel niederprasselte. Die Bogenschützen waren auf ihren Positionen am anderen Flussufer geblieben, bis Blackstone sie rufen ließ, damit sie seine Flanken deckten für den Fall eines Gegenangriffs. Longdons Männer sammelten ihre blutigen Pfeile ein, deren Ahlspitzen leichter aus dem Fleisch der Opfer zu ziehen waren als Blattspitzen. Pfeile waren wertvoll, und diese eine Elle langen Schäfte aus Eschenholz, dick wie der Mittelfinger eines Mannes und mit einer Befiederung aus Gänsefedern, waren besonders schwer zu beschaffen. Anschließend durchsuchten die Bogenschützen das Lager nach Lebensmitteln, um dann, zufrieden mit dem Werk dieser Nacht, ihre Verteidigungsstellung zu beziehen, wo sie sich daranmachten, die Befiederungen auszubessern. Ein guter Pfeil konnte mehr als einmal töten.

Bei Tagesanbruch flatterte Blackstones Banner auf dem Glockenturm von Santa Marina, während der Gestank des vergossenen Blutes durch die Straßen zog. Die Dorfleute kamen

«Zweiunddreißig von Viscontis Männern liegen tot dort draußen, weitere siebenunddreißig hier», meldete Meulon.

«Die meisten dieser Hurensöhne haben es mit der Angst zu tun bekommen, als ihr aus der Dunkelheit auf sie zu stürmtet», ergänzte Perinne, einer der Franzosen, die am längsten in Blackstones Dienst standen. «Der Anblick von dir und Gaillard könnte Milch gerinnen lassen.»

Die erschöpften Männer saßen an die Kirchenmauer gelehnt; sie hatten in den zerstörten Häusern Brot, Dörrfleisch und Wein gefunden und stärkten sich.

«Wie viele haben wir verloren?»

«Neun. Und zwei weitere werden den Tag nicht überleben.» John Jacob nannte ihm die Namen der Männer, die in der Nacht ihr Leben gelassen hatten. Blackstone kannte sie alle, auch wenn er manchem kein Gesicht zuordnen konnte. Egal. Sie hatten tapfer gekämpft und würden auf dem Friedhof von Santa Marina begraben werden. Der Priester des Ortes würde ein Gebet für sie sprechen.

«Wo hatte der Priester sich eigentlich versteckt?», erkundigte sich Blackstone.

«Auf dem Glockenturm», antwortete Gaillard.

«Wir hätten Jack Halfpenny auftragen sollen, die schwarze Krähe abzuschießen», bemerkte Killbere und spuckte aus.

«Will ist der bessere Schütze», wandte Gaillard ein.

«Herrgott noch mal, das spielt doch keine Rolle, du normannischer Trottel! Jeder verdammte Bogenschütze hätte das gekonnt!», grollte Killbere. «Thomas, wie geht es jetzt weiter? Zurück nach Hause? Ich sehne mich nach einem

«Noch nicht, Gilbert. Wir haben noch Arbeit vor uns.» Blackstone gab den Soldaten auf der anderen Seite der Piazza einen Wink, woraufhin sie die Überlebenden aus Hauseingängen und Gassen auf den Platz schoben. Die Leute schauten auf ihre Toten hinunter und warteten in ergebenem Schweigen ab, was diese neue Söldnertruppe von ihnen verlangen würde. Der Priester wurde nach vorn geführt.

Der Mann hatte achtunddreißig seiner einundsechzig Lebensjahre damit zugebracht, von einem Dorf ins nächste weiterzuziehen, weil er sich überall unbeliebt machte – er wetterte allerorten gegen die hohen Abgaben, die Bischöfe und Grundbesitzer von den Villani verlangten. Doch vor fünf Jahren hatte das gütige Schicksal ihn nach Santa Marina verschlagen. Dieser Ort war von der Pest verschont geblieben, und die Bewohner glaubten, Gott habe ihnen das Leben nicht nur geschenkt, damit sie sich als billige Arbeitskräfte ausbeuten ließen. Der Priester hatte die Leute ermutigt aufzubegehren. Dadurch, so erklärte er, hatte er wohl diesen Vergeltungsakt über sie gebracht.

«Euer Banner weht auf meiner Kirche», sagte er zu Blackstone. «Défiant à la mort. Ich verstehe die Sprache gut genug, um zu wissen, was das heißt. Wenn diese Männer wiederkommen, werden sie die Kirche Stein um Stein niederreißen, um an das Banner zu kommen. Aber ich werde ihnen trotzen. Im Namen Gottes und im Namen von Sir Thomas Blackstone. Das Volk von Santa Marina wird täglich für Euch und Eure Männer beten.»

Killbere zog die Nase hoch und spuckte aus, dann seufzte er, die Arme vor der Brust verschränkt, um dem Priester zu verstehen zu geben, wie wenig ihn das interessierte.

«Es wird keine weiteren Überfälle auf Euch geben», versprach Blackstone. «Dafür sorgt mein Banner.»

«Es schützt Euch besser als tausend bewaffnete Männer», ergänzte Killbere, um hervorzuheben, was Blackstones Ruf vermochte.

Blackstone fasste den Geistlichen an den Schultern und drehte ihn zu dem versammelten Volk herum. «Wie viele Leute sind hier gestorben?»

Der alte Priester schüttelte den Kopf. «Vielleicht dreihundert, ich weiß es nicht genau. Wir haben noch nicht alle Häuser durchsucht.»

«Und wie viele Überlebende gibt es?»

«Etwa ebenso viele. Ich bete darum, dass es mehr sind.»

«Hört mir zu, alter Mann! Die Männer, die Euch überfallen haben, waren nur ein Teil einer Armee, die sich auf dem Rückweg in ihr eigenes Territorium befindet. Diese Dorfleute kennen die Berge. Werden sie kämpfen?»

Killbere und alle, die in Hörweite waren, schauten erschrocken drein, am erschrockensten war jedoch der Priester. Dorfleute kämpften nicht gegen bewaffnete Krieger. Kein Bauer hatte jemals gegen Soldaten die Hand erhoben. Dem alten Mann fehlten die Worte; er klappte stumm den Mund auf und zu, und seine Augen weiteten sich.

«Werden sie kämpfen?», fragte Blackstone noch einmal. «Gemeinsam können wir denen, die dieses Gemetzel angerichtet haben, einen Hinterhalt legen. Zwar wird es uns nicht gelingen, sie alle zur Strecke zu bringen, aber wir werden Beute machen, die wir mit Euch teilen. Pferde, Waffen, Stoffe, Geld, Nahrung, Karren und Maultiere. Das wäre zumindest eine gewisse Entschädigung. Und wir können die Truppe aufspalten und wenigstens ein Drittel der Männer töten. So viele, wie sie

Er schob den widerstrebenden Priester nach vorn, bis er in den Blutlachen stand, die sich um die Leichen auf dem Platz ausgebreitet hatten. Der Geistliche suchte nach Worten, unsicher, wie er das Volk zu einem Gegenschlag anstacheln sollte – doch dann kam ihm seine lebenslange Erfahrung im Predigen zu Hilfe. Mit tragender Stimme, die über den ganzen Platz hallte, forderte er die Leute auf, sich Blackstones Männern anzuschließen und jene, die solches Leid über ihren Ort gebracht hatten, niederzustrecken.

«Thomas, manchmal frage ich mich wirklich, welcher Teufel dich reitet. Diese Bauern können sich kaum selbst den Arsch abwischen», sagte Killbere.

Blackstone betrachtete seine Männer, die offenbar Killberes Zweifel teilten. Der Priester war verstummt. Die Leute schwiegen, niemand sprach sich dafür aus, zu kämpfen. Aber sie blieben stehen, als ob sie auf etwas warteten.

«Sie kennen jeden Hang und jeden versteckten Gebirgspfad; sie können Steine werfen und Felsbrocken loshebeln. Sie können Hunderte Männer in Schluchten locken und mit Stöcken und Mistgabeln über sie herfallen. Wir können noch mehr töten, und wenn wir das tun, werden diese Hurensöhne sich in Zukunft aus der Gegend fernhalten, und diese Leute werden frei sein. Andere werden sich hüten, sie zu drangsalieren.»

Killbere trat dicht an Blackstone heran und sagte ihm ins Ohr: «Thomas, du bist nicht mehr der Steinmetz, der unter Lord Marldons Herrschaft lebt. Du bist mehr als das, immer schon gewesen. Du darfst ihnen keine falschen Hoffnungen auf Freiheit machen. Sie haben nicht im Krieg gekämpft wie du.» Er sprach in gütigem Ton.

«Wie das?», fragte Killbere.

Blackstone gab zweien seiner Männer, die an einer Tür Wache standen, einen Wink. Sie zerrten die beiden Gefangenen hervor. Blackstone trat auf den Platz hinaus, und die Wachen stießen die verängstigten Söldner zu ihm.

«Ihr habt die Chance, euer Leben selbst in die Hand zu nehmen!», rief er. «Wir sind hergekommen, weil wir gedungene Krieger sind! Condottieri! Und ihr habt gesehen, wie wir diese Männer niedergemetzelt haben, obwohl wir ihnen zahlenmäßig unterlegen waren! Schließt euch uns heute an, dann werde ich, Thomas Blackstone, euch eine Gelegenheit verschaffen, euch zu rächen! Ergreift diese Gelegenheit!»

Er packte die beiden verängstigten Männer.

«Sir Thomas, Ihr habt gesagt, Ihr würdet uns verschonen!», bettelte einer von ihnen.

«Das habe ich», bestätigte Blackstone. «Jetzt liegt es an diesen Leuten.»

Er stieß sie auf den Platz, wo sie über die Toten stürzten. Als sie sich wieder hochrappelten, rutschten sie auf dem blutigen Pflaster aus. Schließlich standen sie da wie verwundete Tiere, die von einem Wolfsrudel umzingelt waren. Einer hob flehentlich die Hände. Nichts geschah. Keiner rührte sich. Die beiden Männer versuchten zaghaft, sich zurückzuziehen, wobei sie über die Leichen von Frauen und Kindern hinwegsteigen mussten. Es schien, als hätten sie eine Chance, davonzukommen. Doch dann ertönte aus der Menge ein gequälter Aufschrei, so durchdringend, dass die Krähen auf den Dächern

Schließlich warf jemand aus der Menge einen Stein auf einen der Söldner. Der Mann fiel auf ein Knie, rappelte sich jedoch wieder hoch. Beide Männer versuchten, sich weiter zurückzuziehen, aber die Schreie steigerten sich zu einem Wutgebrüll. Ein Mann mit einem Knüppel drängte sich nach vorn, während sich von der anderen Seite des Platzes eine Frau näherte, die einen Schürhaken schwang. In wenigen Augenblicken stürmten noch andere über die Leichen ihrer Lieben hinweg auf die hilflosen Männer zu. Deren Schreie um Gnade gingen im Lärm der Menge unter. Binnen kurzem gingen sie zu Boden und waren wenig später tot, bis zur Unkenntlichkeit zerschmettert.

Thomas Blackstone hatte den Blutdurst der Dorfbewohner geweckt.

 

Die Dorfleute rannten über kaum erkennbare Gebirgspfade. Sie liefen wie ein Schwarm – statt auf einem Weg zu bleiben, überschwemmten sie die Hänge, benutzten Pfade, die in Gebrauch waren, seit ihre frühesten Vorfahren einst hoch in den Bergen Ziegen geweidet hatten.

Blackstone bemühte sich nach Kräften, Schritt zu halten, aber diese trittsicheren Bauern waren an steile Anstiege und unwegsames Gelände gewöhnt, und er und seine Männer mussten keuchend innehalten, als sie zwei Drittel des steilen Hanges bewältigt hatten.

Ihre Lungen schmerzten, aber wenn sie zu lange Pause machten, würden ihre Muskeln sich verkrampfen, sodass das letzte Stück bis zum Gipfel desto beschwerlicher würde.

«Er hat recht», bekräftigte Killbere. «Thomas, du solltest mit den Bogenschützen und ein paar anderen mit ihnen hinaufsteigen. Ich bin zu langsam, ich folge denen, die nach rechts abzweigen. Dort geht es nicht so hoch hinauf, und sie müssen um den Gipfel herum, um die Truppe von der Flanke anzugreifen.»

Die Männer husteten und standen vornübergebeugt, um den Schmerz zu lindern.

«Ich nehme dreißig Mann und gehe mit Sir Gilbert», sagte John Jacob. «Wenn du mit Will Longdons Jungs von oben angreifst, könnt ihr Viscontis Männern eine Lektion erteilen und diesen verrückten Bauern eine Chance verschaffen, nicht abgeschlachtet zu werden.»

«Heilige Jungfrau», stieß Longdon hervor, dann grinste er. «Ihr Waffenknechte erwartet doch immer, dass wir Bogenschützen die schlimmste Schinderei auf uns nehmen.»

«Das zeigt nur, wie hoch wir eure Fähigkeiten schätzen», versetzte Killbere sarkastisch. Dann machte er Anstalten, sich wieder in Bewegung zu setzen, entschlossen, den jüngeren Männern zu zeigen, dass er noch kräftig genug war, den Angriff von der Flanke anzuführen.

«Stell deinen Trupp zusammen», befahl Blackstone, wandte sich ab und lief weiter den Hang hinauf.

Longdon biss die Zähne zusammen, schob seinen Kriegsbogen in die Leinenhülle, die er auf dem Rücken trug, und folgte seinem Befehlshaber und Freund. Die Bogenschützen kletterten hinterher, während Killbere und Jacob mit stummen Gesten weitere Männer auswählten, die sich ihnen

Ein berittener Trupp mit Fuhrwerken und Vorräten hätte fast einen Tag gebraucht, um den oberen Rand des Hanges zu erreichen, an dessen Fuß der Pass verlief. Die Männer und Frauen von Santa Marina brauchten über steile Abkürzungen weniger als drei Stunden. Blackstone, der schweißgebadet war, nahm seinen Helm ab und hielt den Kopf unter das kalte Rinnsal, das über eine Felskante strömte.

«Scheiße!», fluchte Jack Halfpenny, der sich wie die anderen Bogenschützen auf den Boden hockte. «Ich habe kaum noch die Kraft auszuspucken, geschweige meinen Bogen auszuziehen.»

«Aufstehen», befahl Longdon. Seine Beine schmerzten ebenso wie die der anderen, aber er musste die Bogenschützen für Blackstones nächste Befehle in Bereitschaft halten. Die rachedürstenden Dorfleute waren nicht mehr zu halten; sie hatten keinen Anführer, niemanden, der ihnen befehlen konnte. «Sie haben Blut gewittert, Thomas. Wie ein durchgehendes Schlachtross. Jetzt sind sie nicht mehr zu bändigen.»

«Sie werden jedenfalls erheblichen Schaden anrichten», erwiderte Blackstone.

Die Dorfleute rückten jetzt schweigend hangabwärts weiter vor. Noch hatte keiner der Söldner nach oben geschaut und sie bemerkt. Die Truppe hatte sich geteilt; die Vorhut verschwand bereits um eine Biegung ein Stück voraus, der Haupttrupp jedoch folgte langsamer mit den Fuhrwerken. Da die meisten Reiter bei der Vorhut waren, hatten diese Männer schlechte Chancen zu einem Gegenangriff.

Zu seiner Rechten sah Blackstone jenseits der Straße bewaffnete Männer quer zum Hang herannahen. Es waren Killbere und John Jacob mit den Übrigen. Sie waren noch etwa tausend

«Weiter geht’s, Jungs», sagte er.

«Natürlich, Sir Thomas», erwiderte Robert Thurgood, ein Bogenschütze, der zusammen mit Jack Halfpenny erst kürzlich zu Blackstones Truppe gestoßen war. Beide waren nicht einmal zwanzig Jahre alt, schmal, drahtig und nicht besonders groß, aber stark genug, einen englischen Kriegsbogen auszuziehen. Sie stammten aus demselben Dorf und waren mit dem Prince of Wales quer durch Frankreich gezogen, auf seinem großen Feldzug, der mit dem Gemetzel von Poitiers geendet hatte. Als Kinder hatten sie an den Schießständen zugesehen, wie die älteren Jungen sich im Bogenschießen übten. Von ihnen beiden hatte Halfpenny als Erster die Stärke eines Bogens in der Hand gespürt und das Glücksgefühl in seiner Brust, wenn er den Pfeil löste. Thurgood war mehr darauf aus, sich vor der Arbeit auf dem Anwesen ihres Herrn zu drücken, und er war für sein aufbrausendes Temperament bekannt, das ihm schon des Öfteren Strafen eingebracht hatte. Jack Halfpenny zeigte seinem Freund, wie ein guter Bogenschütze sich Anerkennung erwarb und beim Jahrmarkt die Aufmerksamkeit der Dorfmädchen auf sich zog. Als sie sich bei Blackstones Hauptleuten bewarben, prüfte der narbengesichtige Ritter selbst ihre Fähigkeiten und hörte sich ihre Geschichten an, und Halfpenny überzeugte den sagenumwobenen Befehlshaber, sie in seine Truppe aufzunehmen. Zuerst stand Halfpenny stumm dabei, während Thurgood von Schlachten redete und betonte, die englischen und walisischen Bogenschützen seien die größten Krieger und die Juwelen in der Krone des Königs. Doch dann sprach Halfpenny von dem Gefühl des Eibenholzbogens in seiner Hand, der ausgezogenen Sehne an seiner Wange, davon, wie mit dem Losschnellen des Pfeils ein Teil von ihm befreit würde,

Der Pfad entlang der Oberkante des Abhangs war eben genug, dass Blackstone und seine dreiundfünfzig Mann einen Vorsprung vor der Truppe unter ihnen gewannen, und als die schwerfälligen Fuhrwerke die Straßenbiegung erreichten, begannen die Dorfleute, Steine hinunterzuwerfen. Unten brach das Chaos los. Männer, die, vom gemächlichen Tempo der Lasttiere und Ochsenkarren eingelullt, zusammengesunken im Sattel gekauert hatten, gerieten augenblicklich in Panik.

Die Bogenschützen nahmen in einer Reihe Aufstellung, zogen die Sehnen auf und hielten ihre Pfeile bereit.

«Wartet», befahl Longdon seinen Männern und sah zu, wie Blackstone das halbe Dutzend Waffenknechte versammelte, um sich hangabwärts in den Kampf zu stürzen. Wenn den Söldnern unten klarwurde, dass sie von ihrer Vorhut abgeschnitten waren, würden sie erbittert um ihr Leben kämpfen. Die Männer und Frauen von Santa Marina schoben indessen Eisenstangen unter lose Felsbrocken; andere stemmten sich gegen morsche Bäume, und bald ging eine wahre Lawine aus Stein und Holz auf die Söldner nieder.

Schreckensschreie mischten sich mit Kommandos, Pferde gingen durch, glitten aus und stürzten, während die Reiter versuchten, die panischen Tiere unter Kontrolle zu bringen. Fußsoldaten erholten sich rasch vom ersten Schreck und begannen, den Hang hinaufzuklettern, ihren Angreifern

Blackstone beobachtete, wie sich die Söldner neu formierten. Sie waren dazu ausgebildet, bei einem Hinterhalt schnell zum Gegenangriff überzugehen. Aber wenn die Dorfleute ihre Stellung hielten, waren Killbere und die anderen im Vorteil, da Viscontis Männer bergauf kämpfen mussten. Der Carroccio der Söldner war ein schwerfälliges, von Ochsen gezogenes Gefährt, verziert mit den Bannern ihres Befehlshabers – ein Kommandoposten, der es wert wäre, erobert zu werden; jetzt allerdings machte er es den in den Hinterhalt geratenen Männern schwer, schnell zu reagieren. Die vorgespannten Ochsen blieben mitten auf der Straße stehen und teilten so den Haupttrupp noch einmal auf.

Als Männer an ihnen vorbeirannten, wurden die Ochsen panisch und brachten den Carroccio ins Wanken, während der Wagenlenker sich bemühte, die Tiere im Zaum zu halten. Der Wind blähte die Fahnen, sodass Blackstone die Viper der Visconti sich winden sah, als würde sie in diesem Augenblick das Kind verschlingen.

Blackstone wollte dieses Banner. Er reckte das Wolfsschwert in die Höhe und hörte, wie auf sein Zeichen Will Longdon den Bogenschützen die Befehle zurief.

«Pfeil auflegen! Bogen ausziehen! Lösen!»

Als Blackstone hörte, wie die gewachsten Hanfsehnen gespannt wurden, fühlte es sich an, als wären sie ein Teil von ihm. Während die Pfeile durch die Luft zischten, rannte er, als wäre er selbst von einem Eibenholzbogen losgeschnellt.

Die Erkenntnis traf die Söldner, die den Hang gegenüber erklommen hatten, wie ein Schlag. Gerade wollten sie sich auf die wehrlosen Bauern stürzen und sie niedermetzeln, wobei sie sich fragten, warum die bewaffneten Männer ein paar

Blackstone rannte aus Leibeskräften. Die Männer auf der Straße hatten erkannt, dass sie überlistet waren, und änderten die Richtung, um dem Angriff zu begegnen. Jetzt waren bewaffnete Männer sowohl vor als auch hinter ihnen, und sie sahen, dass die Bogenschützen nun auf die hinteren Teile ihrer bedrängten Truppe zielten, während Reiter zu fliehen versuchten. Blackstone sah Killbere und Jacob in der Mitte einer breiten Frontlinie, die hangabwärts vorrückte. Meulon und Gaillard kämpften mit ihren Speeren, während die Männer und Frauen aus dem Ort hinter den Kriegern nachfolgten und den Verwundeten mit Messern den Rest gaben.

Viscontis Männer, durch den Hinterhalt von vornherein im Nachteil, waren rettungslos unterlegen, und noch immer warfen die Dorfleute mit Steinen und hieben mit Stöcken und Sensen. Wieder begannen die Bauern zu schreien und zu brüllen. Blackstone und Perinne sahen sich vier Männern mit gekürzten Lanzen gegenüber. Keiner von ihnen hatte einen Schild, und allein mit ihren Schwertern konnten sie gegen die fünf Fuß langen, angespitzten Lanzen nichts ausrichten. Perinne bückte sich, hob einen Stein auf und schleuderte ihn einem der Söldner ins Gesicht. Der taumelte rücklings. Blackstone

Feindliche Reiter trieben ihre Pferde zum Angriff an, und drei von Blackstones Männern gingen zu Boden, aber die Söldner erkannten, dass es kein Entrinnen gab, solange sie nicht aus der Reichweite der Bogenschützen und zu ihrer Vorhut hinter der jetzt von Felsbrocken übersäten Wegbiegung gelangten. Als einer der Reiter vorwärtsstürmte, packten Blackstone und Perinne zusammen eine Lanze und rammten sie mit Wucht dem Pferd in die Brust. Der Reiter stürzte, und Perinne wich behände den schlagenden Hufen aus und stieß dem Verwundeten sein Messer in die Kehle.

Während die Klagelaute der Pferde und der sterbenden Männer allmählich verstummten, bahnte sich einer der Reiter einen Weg durch das Chaos und ergriff das Banner der Visconti. Die Niederlage würde ihm auf jeden Fall eine Strafe von seinem Herrn einbringen, aber wenn er wenigstens die Fahne vor dem Feind rettete, konnte er vielleicht auf Gnade hoffen. Blackstone hob einen am Boden liegenden Schild auf und kämpfte sich zwischen den Männern hindurch, die dank Killberes Vorstoß aus der Ordnung gebracht waren. Während er die Klinge des Wolfsschwerts einem Mann in den Rücken stieß, der sich zu Jacob und den anderen umgewandt hatte, erkannte er, dass es zu spät war, die Fahne zu erbeuten. Er sah zu, wie der Reiter sein Pferd in einen Graben lenkte und dann durch Gestrüpp, das unberittene Verfolger aufhalten würde. Die wehende Schlange verschwand.

Manche machten kehrt und wollten fliehen, als sie sahen,

Auf den Tumult folgte die Stille nach der Schlacht. Es war kaum mehr als ein Scharmützel gewesen, aber Blackstones Männer hatten eine Truppe angegriffen, die dreimal so zahlreich war wie sie selbst, und mit Hilfe der Bewohner von Santa Marina diese gut ausgebildeten Söldner geschlagen. Fast dreihundert Gegner lagen tot auf der Straße und den Hängen, und während die Bauersfrauen zwischen den Toten herumgingen, um ihnen Kleidung, Gürtel und Waffen abzunehmen, richteten die Männer die großen Ochsenkarren wieder auf und beluden sie mit der Beute: Säcke mit Getreide, Tuch, Sättel und Zaumzeug, Beutel mit Münzen und Rüstungsteile. Manche der herrenlosen Pferde liefen wild auf den Hängen herum, andere grasten. Insgesamt gab es mehr als zweihundert Tiere einzufangen. Achtundzwanzig Einwohner von Santa Marina waren tot, halb so viele verwundet. Blackstone hatte nur drei Männer verloren.

Eine Ortschaft war gerettet, Vergeltung geübt und Beute gemacht. Und die Unterlegenen wussten, dass es Thomas Blackstone war, Condottiere von Florenz, der geächtete englische Ritter, Veteran von Crécy und Poitiers, der ihnen diese Niederlage beigebracht hatte.

Drei

Blackstone und seine Männer überwinterten an ihrem sicheren Zufluchtsort in den Bergen, von wo aus sie über die reiche Stadt Florenz im Süden wachten. Italienische Herrscher verabscheuten die Ausländer in ihrer Mitte, die so blutrünstig kämpften, dass es jeden Bürger eines zivilisierten Staates grausen musste. Doch zugleich wurden sie für ihre Fähigkeiten respektiert. Diesen Männern schien das raue Wetter nichts anhaben zu können; sie kämpften im Schnee ebenso wie bei größter Sommerhitze. Kämpfen war ihr Lebensinhalt, und den Lohn für ihre Strapazen erwarteten sie in diesem Leben, nicht im nächsten.

Das Verhängnis des Ortes Santa Marina war aus einem Vertragsbruch entstanden, einer unbeglichenen Schuld bei den Visconti in Mailand, und auch wenn die Condottieri