Chaos der Kulturen

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Inhaltsverzeichnis

Fußnoten

  1. Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration, Migrationsland 2011, Berlin S. 122

  2. Rede zur Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels und der Stadt München 2005

  3. Salman Rushdie, »Überschreiten Sie diese Grenze«, Reinbek 2004, S. 411

  4. Vortrag bei der Konrad-Adenauer-Stiftung am 17. März 2011 in Bremen. Überarbeitete Fassung

  5. Selke, Welf, Die Ausländerwanderung als Problem der Raumordnungspolitik, Bonn 1977, S. 37, zitiert nach: Luft, Stefan, »Abschied von Multikulti. Wege aus der Integrationskrise«, Gräfelfing 2006, S. 42

  6. Statistisches Bundesamt, zitiert nach: ebenda, S. 64

  7. Bundesanstalt für Arbeit, Ausländische Arbeitnehmer 1972/73, Nürnberg 1974, S.11

  8. Auskunft der Deutschen Bundesbank vom November 2011

  9. Der Spiegel 30/1973, S. 50

  10. Faruk Sen, »Türkische Arbeitnehmergesellschaften«, Frankfurt/Main 1980

  11. Der Spiegel, 30.7.1973, »Die Türken kommen – rette sich, wer kann«

  12. Die Geschichte der Integrationskrise wird ausführlich und mit vielen Daten von Stefan Luft in »Abschied von Multikulti«, a. a. O., aufgearbeitet.

  13. Karen Schober, »Ausländische Jugendliche: Ausbildungssituation und Arbeitsmarktlage«, in: Anke Peters (Hg.), »Materialien zur Ausländerbeschäftigung«, Nürnberg 1982, S. 63, zitiert nach: Stefan Luft: »Abschied von Multikulti«, a. a. O., S. 69

  14. Anmerkungen zum Integrations- und Diversitätskonzept »Vielfalt bewegt Frankfurt«, Vortrag im Römer beim Neujahrsempfang der FDP Frankfurt a. M. 2011

  15. Thilo Sarrazin, »Deutschland schafft sich ab«, München 2010

  16. Clifford Geertz, »Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme«, Frankfurt a. M. 1997, S. 46

  17. Geertz, a. a. O., S. 98

  18. Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 3. Februar 2009

  19. Erschienen in der tageszeitung, 16. März 2009

  20. Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 5. Juni 2007

  1. Erschienen in der Frankfurter Rundschau, 14. Mai 2009

  2. Erschienen in Christ und Welt Nr. 35, August 2011

  3. Siehe: Johannes Dörmann, »Die eine Wahrheit und die vielen Religionen«, Respondeo 8, Abensberg 1996, S. 39

  4. Zitiert nach: Thomas Höft, »Dialoge mit einem Perser«, unveröffentlichtes Manuskript

  5. vom 19. September 2005

  6. vom 6. Oktober 2005

  7. Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 24. April 2006

  8. Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 30. August 2007

  9. Istersek Biter, Kamer »Namus«, Adina Islenen Cinayetler 2006 Raporu, Istanbul 2006, S. 175

  10. Erschienen in: Emma, 7. Juli 2010

  11. Die Zahlen sind allerdings mit Vorsicht zu beurteilen, weil die Kenntnis, was Diabetes ist und dass man sie behandeln kann, weder in Migrantenkreisen noch in Anatolien besonders verbreitet ist; auch sind die Gesundheitssysteme und statistischen Erhebungsmethoden beider Länder nur schwer miteinander vergleichbar.

  12. Siehe hierzu u. a.: Ante Schmelcher, »Darüber spricht (und forscht) man nicht«, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 5. Juni 2011

  13. Yasemin Üsküdar, »Vitamin-D-Rezeptor-Gen-Polymorphismen und Knochenstoffwechsel bei türkischen Migranten in Deutschland im Vergleich zu einer gesunden deutschen Kontrollgruppe«, Dissertation, Gießen 2009. Üsküdar zitiert in ihrer Dissertation zehn Untersuchungen zum Thema. Die erste erschien 1962 in England. Hier die Untersuchungen im Einzelnen: Clark F, Simpson W, Young JR (1972), »Osteomalacia in immigrants from the Indian subcontinent in Newcastle upon Tyne«, Proc R Soc Med, 65(5):478-480. Dunningan MG, Paton JPJ, Haase S, McNicol GW, Gardner MD, Smith CM (1962), »Late rickets and osteomalacia in the Pakistani Community in Glasgow«, Scott Med J, 7:159-167. El-Sonbaty MR & Abdul-Ghaffar NU (1996), »Vitamin D deficiency in veiled Kuwaiti women«, Eur J Clin Nutr 50(5):315-318. Erkal MZ, Wilde J, Bilgin Y, Akinci A, Demir E, Bödeker RH, Mann M, Bretzel RG, Stracke H, Holick MF (2006), »High prevalance of vitamin D deficiency, secondary hyperparathyroidism and generalized bone pain in Turkish immigrants in Germany: Identification of risk factors«, Osteoporos Int, 17(8):1133-1140. Güler T, Sivas F, Baskan BM, Günesen O, Alemdaroglu E, Ozoran K (2007), »The effect of outfitting style on bone mineral density«, Rheumatol Int, 27(8):723-727. Güzel R, Kozanoglu E, Guler-Uysal F, Soyupak S, Sarpel T (2001), »Vitamin D status and bone mineral density of veiled and unveiled Turkish women«, J Womens Health Gend Based Med, 10(8):765-770. McKenna MJ (1992), »Differences of vitamin D status between various countries in young adults and the elderly«, Amer J Med, 93(1):69-77. Mensink G (2007), »Die aktuelle Nährstoffversorgung von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Ergebnisse aus EsKiMo«, Ernährungsumschau, 11:636-646. Offermann G (1978), »Osteomalacia of immigrants in Germany«, Deutsche Medizinische Wochenschrift 103(36):1387-1388. Swan CHJ & Cooke WT (1971), »Nutritional osteomalacia in immigrants in an urban community«, Lancet, 28(7722):356-359.

  14. Dirk Wüstenburg, »Keine Anzeige, keine Ermittlung, kein Urteil«, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. September 2011

  15. Michael Wildt, »Volksgemeinschaft als Selbstermächtigung. Gewalt gegen Juden in der deutschen Provinz 1919 bis 1939«, Hamburg 2007

  16. Alexander und Margarete Mitscherlich, »Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens«, München 1967, S. 24f.

  17. Die dominierende Religion der Armenier ist das orientalische orthodoxe Christentum, das in Armenien die Armenische Apostolische Kirche repräsentiert. Ihr gehören etwa 94 Prozent der Bevölkerung an. Sie spielt eine zentrale Rolle für die armenische Identität. Das Christentum ist tief verwurzelt, immerhin erhob Armenien im Jahre 301 als erstes Land der Welt das Christentum zur Staatsreligion.

  18. Ismail Enver, bekannt als Enver Pasşa (Pascha), geboren am 22. November 1881 in Istanbul; gestorben am 4. August 1922 bei Baldschuan in Tadschikistan, war Politiker, General und Kriegsminister des Osmanischen Reichs und einer der führenden Jungtürken. Kurz nach der Machtübernahme Anfang 1913 wurde Ismail Enver zusammen mit der Ernennung zum General auch der Ehrentitel »Pascha« verliehen, unter dem er bis heute als »Enver Pascha« bekannt ist.

  19. Kaiser Wilhelm II. Rand- und Schlussbemerkungen von Ende August 1908 zum Bericht Metternichs vom 14. August 1908 zitiert nach John C. G. Röhl, Wilhelm II. Der Weg in den Abgrund 1900–1941, München 2008, S. 743

  20. Wolfgang Gust, »Der Völkermord an den Armeniern. Die Tragödie des ältesten Christenvolks der Welt«, München 1993

  1. Manche Quellen sprechen gar von der »Vertilgung« der Armenier »auf deutschen Befehl«. Siehe: Vakahn Dadrian, »The History of the Armenien Genocide«, New York–Oxford 1995. Bericht von Otto Günther Wesendonck (Politische Abteilung des Auswärtigen Amtes), 4.5.1916

  2. Hierzu ausführlich: Rolf Hosfeld, »Operation Nemesis. Die Türkei, Deutschland und der Völkermord an den Armeniern«, Köln 2005, S. 41ff.

  3. Wolfdieter Bihl, »Die Armenische Frage im Ersten Weltkrieg«, in: Artem Ohandjanian (Hg.), »1915–1985: Gedanken über einen Völkermord«, Wien 1985, S. 14f.

  4. Wolfgang Gust (Hg.), »Der Völkermord an den Armeniern 1915/16. Dokumente aus dem Politischen Archiv des deutschen Auswärtigen Amts«, Springe 2005, S. 17–109 (89f.)

  5. Rolf Hosfeld, »Operation Nemesis«, a. a. O., S. 82

  6. Von Papen soll, so die Aussage eines Zeugen bei den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg, in Berlin gegen die Deportation von 10000 türkischen Juden protestiert haben. Tatsächlich aber antwortete er auf ein Telegramm des Auswärtigen Amtes wegen einer bevorstehenden Deportation von 2400 Juden türkischer Herkunft aus Frankreich, dass von diesen nur 631 als türkische Staatsbürger anerkannt seien, die übrigen aber nicht. Sofern »die erwähnten 631 ausgenommen würden«, sei er mit der Internierung der anderen einverstanden. »Türkische Regierung erklärte, nur an solchen Juden Interesse zu nehmen, bei denen türkische Staatsangehörigkeit durch türkisches Innenministerium einwandfrei festgestellt«, schrieb von Papen (zit. nach Haymatloz – Exil in der Türkei 1933–1945. Katalog zur Ausstellung, erschienen in der Schriftenreihe des »Vereins aktives Museum«, Band 8, Berlin 2000, S. 160). Dazu merkt Mirjam Schmidt in ihrem Aufsatz »Türkinnen und Türken im Holocaust« (zit. nach Haymatloz, a. a. O., S. 157) an, dass viele von diesen Migranten als staatenlos galten, weil sie sich nicht in regelmäßigen Abständen bei den türkischen Konsulaten registrieren ließen, ihre Pässe damit ungültig wurden oder sie inzwischen französische Staatsbürger geworden waren, was später aber von den Nazis nicht anerkannt wurde.

  7. Alexander und Margarete Mitscherlich, »Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlagen kollektiven Verhaltens«, München 1967, S. 24f.

  8. Younes Nourbakhsh, stellvertretender Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg, Freitagsansprache vom 2. Dezember 2005

  9. Der Titel »Eines Dichters Basar« bezieht sich auf die Reiseberichte des dänischen Dichters Hans Christian Andersen, der auf einer Reise im Jahr 1841 auch die Basare Konstantinopels besuchte und darüber schrieb.

  10. Erschienen in der Welt der Literatur vom 4. Oktober 2008

  11. Dan Diner, »Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt«, Berlin 2005, S. 122

  12. ebenda, S. 125

  13. Siehe zu den verschiedenen Versionen seiner Lebensgeschichte auch: www.literaturca.de/html/muteferrika.html

  14. Bei einer Bevölkerungszahl von über 71 Millionen und einer Analphabetenquote von mehr als 15 Prozent.

  15. Rezension zu: Orhan Pamuk, »Herr Cevdet und seine Söhne«, München 2011, erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 29. April 2011

  16. Erschienen in der Zeit vom 2. Februar 2006. Dieser Artikel war eine Antwort auf einen Offenen Brief, der ein Jahr nach dem Erscheinen meines Buches »Die fremde Braut« in der Zeit erschienen war.

  17. Dieser Brief ist meine Antwort auf einen Brief, den die Schüler der Willy-Brandt-Gesamtschule in Marl mir nach einem Unterrichtsprojekt schrieben, in dem sie sich mit meinen Texten beschäftigt hatten.

  18. Norbert Joa im Gespräch mit Hamed Abdel-Samad, am 16.11.2011 gesendet auf Bayern 2. Abschrift auf www.zoelibat.blogspot.com

  19. MEW, Band 26.1

  20. Ich benutze die Koranübersetzung von Rudi Paret, »Der Koran«, Stuttgart9 2004

  1. Ibn Ishaq, »Das Leben des Propheten«, aus dem Arabischen übertragen und bearbeitet von Gernot Rotter, Klandern im Schwarzwald 1999. Dieses Werk, das etwa 130 Jahre nach dem Tod des Propheten verfasst worden sein soll, ist neben den Hadithen die Referenzquelle für alle späteren Legenden über das Leben Mohammeds. Legenden deshalb, weil es keine außerislamischen Quellen, archäologischen Artefakte oder Schilderungen von anderer Seite gibt, anhand derer diese Schilderungen verifiziert werden könnten. Genauer, es gibt keinen wissenschaftlichen Beweis, dass Mohammed in der vermuteten Zeit in Mekka und Medina gelebt hat. Es gibt keinen Beweis, dass die geschilderten Dinge historische Ereignisse sind. Aber das ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung, sondern nur der Umstand, dass an diese Legenden und Geschichten von den Muslimen geglaubt wird und sie die »Taten und Worte des Propheten« für vorbildlich halten. Zu diesen Sachverhalten gibt es innerhalb der Islamwissenschaft einen großen Streit. Die kritische Position nimmt hierbei die Forschergemeinschaft Inarah, Institut zur Erforschung der frühen Islamgeschichte und des Korans ein, als dessen bekanntestes Mitglied Christoph Luxenberg zu nennen ist.

  2. Tilman Nagel, »Mohammed. Leben und Legende«, München 2008

  3. Hans Jansen, »Mohammed. Eine Biographie«, aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas, München 2008. Hans Jansen ist Professor für islamisches Denken der Gegenwart an der Universität Utrecht.

  4. Nagel, a. a. O., S. 1001

  5. Ishaq, a. a. O., S. 116. (Natürlich weiß Mohammed laut Ishaq, wo sein Kamel sich befindet, es handelt sich also um üble Nachrede.)

  6. Nagel, a. a. O., S. 348

  7. Jansen, a. a. O., S. 434

  8. Nagel, a. a. O.

  9. Jansen, a. a. O., S. 435

  10. Nagel, a. a. O.

  11. Die Zeit, Literaturbeilage vom 18. März 2010, S. 80f.

  12. Patrick Bahners, »Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam«, München 2011

  13. »Thilo Sarrazin ist ein Stammeskrieger, wie ihn sich ein Bin Laden nur wünschen kann«, sagte Özdemir zu Spiegel Online; http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,713730,00.html.

  14. Erschienen in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, 31. August 2011

  15. Überarbeitete und ergänzte Auszüge aus einem Essay, der unter dem Titel »Über die Freiheit im Islam« in der Schriftenreihe der Vontobel-Stiftung, Zürich, im August 2010 erschienen ist

  16. Rezension zu Thomas Bauer, »Die Kultur der Ambiguität. Eine andere Geschichte des Islam«, Berlin 2011

  17. Tilman Nagel, »Mohammed«, a. a. O.; ders., »Allahs Liebling. Ursprung und Erscheinungsformen des Mohammedglaubens«, München 2008

  18. Bauer, »Die Kultur der Ambiguität«, a. a. O., S. 46

  19. ebenda, S. 273

  20. ebenda, S. 310

  1. ebenda, S. 19

  2. ebenda, S. 52

  3. ebenda, S. 401

  4. ebenda, S. 191

  5. ebenda, S.313

  6. ebenda, S. 309

  7. ebenda, S. 404

  8. ebenda, S. 403

wenn wir Dostojewski gelesen haben,

an Goethe Kritik zu üben.

Aber zunächst müssen wir ihn verteidigen.«

Hans Scholl

Seit 2005 schreibe ich über die Kultur des Islam, die Türkei, diskutiere über Zwangsheirat, Kopftuch und Kulturdifferenzen, setze mich für die Rechte der Frauen ein, beteilige mich an der Debatte zur Integration der Muslime in Deutschland und verteidige die Demokratie in diesem Land.

Ich war in großen Städten und in kleinen Orten, halte Vorträge vor Unternehmern und Gewerkschaftern, lese in Kulturvereinen, Buchhandlungen, diskutiere mit Professoren, Integrationsbeauftragten und Politikern. Es geht dabei um Deutschland, um die Kultur und Zukunft Europas und wie mit den speziellen Problemen der Einwanderung und Integration umgegangen werden kann. Im Besonderen geht es um die Einwanderung von Muslimen und die Kultur des Islam.

Wenn über Integration gesprochen wird, dann meint man meist nicht die Mehrheit der 15,7 Millionen Einwanderer aus Polen, Russland, Italien, sondern spricht über die türkischstämmigen oder arabischen Menschen und ihre Religion. Den Menschen, die zu meinen Veranstaltungen kommen, interessiert ganz vehement: Wie kann das Zusammenleben mit den Muslimen in der Nachbarschaft besser organisiert, auf das Verhalten der als Machos auftretenden Jungs eingewirkt oder in der Schule die Mitarbeit der Eltern der muslimischen Kinder erreicht werden?

Manche meiner Zuhörer oder deren Eltern sind selbst in

Ich begegne auf meinen Veranstaltungen engagierten Bürgern, die sich in ihrer täglichen Arbeit und im Alltag mit Fragen konfrontiert sehen, auf die sie allein keine Antworten mehr finden. Sie sind oft überfordert, manchmal ohnmächtig, und die meisten fühlen sich von den Politikern vor Ort oder auch im Bund nicht verstanden und alleingelassen.

Da steht zum Beispiel in einer Veranstaltung eine Lehrerin auf und erzählt aus ihrer Schule. Einer ihrer türkischen Schüler, berichtet sie, saß blass und fiebrig in der 7. Klasse. Sie fand, dass er dringend ins Bett gehörte, und bat ihn, nach Hause zu gehen. Er antwortete: »Das geht nicht, weil ich meine Schwester nach Schulschluss nach Hause bringen muss. Sie darf nicht alleine gehen.«

Die Lehrerin fragte nach und erfuhr, dass die Schwester bereits 15 Jahre alt ist und in eine höhere Klasse geht. Sie schickte den Jungen trotz seiner Einwände nach Hause. Am nächsten Tag erschien der Vater mit dem Jungen in der Schule und schrie sie an. Er entscheide alleine, wann sein Sohn zur Schule gehe, und ohne den Bruder dürfe seine Tochter das Haus nicht verlassen. Der Junge flehte die Lehrerin an nachzugeben, sonst würde der Vater ihn schlagen. Die Lehrerin wendete sich an ihren Schulleiter. Doch der zuckte nur mit den Schultern: »Wenn das bei denen so ist, kann man nichts machen.«

Und dann fragt sie mich, ob das in Ordnung sei und was sie tun solle.

Da spricht mich bei anderer Gelegenheit eine Ärztin an, die nicht verhindern konnte, dass die kurdische

Ein Polizist berichtet, dass die Männer oft verhinderten, dass ihre Frauen mit der Polizei sprechen. Die Frauen würden weggeschickt, wenn er den Raum betritt. Es würde gesagt: »Frau versteht nicht«, und damit sei die Sache dann meist erledigt. Der Ärger, den es geben würde, wenn man die Vernehmung durchzusetzen versuchte, stünde seiner Meinung nach in keinem Verhältnis zum Nutzen einer Aussage.

Oft entwickelt sich nach meinen Vorträgen eine lebendige Diskussion über solche praktische Fragen, und wir versuchen gemeinsam, Antworten zu finden. Ich fühle mich herausgefordert, mich gerade mit solchen Fragen auseinanderzusetzen. Damit bin ich – so mein Eindruck – inzwischen fast allein, denn kaum jemand übernimmt eine Vermittlerrolle zwischen unterschiedlichen kulturellen Prägungen, versucht zu analysieren oder zu erklären. Politiker reden lieber über Erfolge als über ungelöste Probleme und Integrationsbeauftragte lieber von gelungener Integration und mangelndem Geld. Türkischstämmige Intellektuelle schreiben über ihren eigenen Bauchnabel, ihre Befindlichkeiten oder beschweren sich über das schlechte Image, das Muslime in Deutschland haben.

Für alles andere – Missstände, Probleme, Versäumnisse – sind »die Gesellschaft«, »die Politik«, »der Staat« oder »die anderen« verantwortlich. Muslime selbst wollen damit oft nicht identifiziert werden.

Immer wieder zeigt sich aber, wenn wir uns die Probleme genauer ansehen, dass die Identität und das Verhalten

Die Debatte um den Islam ist auch ein Ausdruck der Verunsicherung der Bürger, weil sie auf diese Entwicklungen keine praktikablen Antworten finden und auch niemand sich hinstellt und sagt, was Europa im Kern ausmacht, welche Werte es zusammenhält. Und wohin die gemeinsame Reise geht.

Unterschiedliche Anfangsannahmen haben wir auch in den Gesellschaftswissenschaften inzwischen nicht nur bei der Erhebung statistischer Daten, sondern bereits im Grundsätzlichen. Da ist man sich nicht darüber einig, was europäisch oder deutsch ist, was christlich oder jüdisch, muslimisch oder atheistisch. Nach Auffassung gewisser Postaufklärer gibt es viele Wahrheiten. Diese »Kultur der Beliebigkeit«, dieses selbst geschaffene »Chaos der Kulturen« soll von den Realitäten ablenken. Mich erschreckt der bewusste Versuch von Wissenschaftlern, Lobbyisten und Politikern, die eigene Geschichte und Kultur, die eigene Identität und damit Zukunft zu leugnen.

 

In diesem Buch sind Reden und Schriften versammelt, die in den Jahren 2005 bis 2011 entstanden sind. Sie stellen eine Auswahl aus den über hundert Beiträgen der letzten Jahre dar, hinzu kommt eine Reihe von erstmals hier veröffentlichten Texten.

Beginnen möchte ich mit einer Dankrede, die ich zur Verleihung des Geschwister-Scholl-Preises an der Universität München gehalten habe. Das war im Jahr 2005, und die dargestellten Probleme der muslimischen Migranten sind immer noch aktuell, auch wenn die Debatte sich seitdem weiterentwickelt hat. Es ist zum Beispiel gelungen, ein Tabu zu brechen und offen über das Phänomen der Importbräute zu sprechen; auch konnte eine Debatte über die Themen Kultur des Islam und Integration ausgelöst werden. Und es hat große politische Erfolge gegeben. Das von mir und anderen geforderte Gesetz gegen Zwangsverheiratung ist inzwischen in Kraft getreten, und die Familienzusammenführung zum Zwecke der Heirat ist nur noch möglich, wenn die Braut mindestens 18 Jahre alt ist und

Mit einem Beitrag zum 50. Jahrestag des deutschen Gastarbeiter-Anwerbeabkommens mit der Türkei möchte ich auf einen Aspekt der Debatte eingehen, der oft verzerrt dargestellt wird. Ich meine den gerne in Festreden verwendeten Satz, die Türken hätten Nachkriegsdeutschland mit aufgebaut. Doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit, denn die mehreren Hunderttausend türkischen Arbeiterinnen und Arbeiter waren dabei nur ein Teil der Rotation von insgesamt 14 Millionen Gastarbeitern aus den verschiedensten Ländern Europas, die diese Leistung zusammen mit 30 Millionen Deutschen erbrachten. Nach Angaben des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration sind von den 14 Millionen Angeworbenen elf Millionen Gastarbeiter nach dem Auslaufen ihrer Verträge in ihre Heimatländer zurückgegangen.[1] Viele Türken blieben. Und wenn es nur um die ersten »Gastarbeiter« ginge, die damals allein oder mit ihrer Kernfamilie aus türkischen Städten nach Deutschland gekommen sind, würden wir heute nicht über ein Integrationsproblem reden müssen. Das entstand erst – nach dem Anwerbestopp 1973 – mit der Familienzusammenführung und den Asylsuchenden. Die neuen Einwanderer brachten das anatolische Dorf und die Moschee nach Deutschland, und es waren deren Fragen und Ansprüche, auf die die deutsche Politik keine Antwort fand, weil Integration schon damals

Diese nachgezogenen Einwanderer kamen nach Deutschland in einer Zeit, als die Industrie angesichts von Weltwirtschaftskrise und fortschreitender Automatisierung kaum noch Arbeitskräfte für einfache Tätigkeiten benötigte. In den Siebziger- und Achtzigerjahren kamen jährlich Zehntausende durch »Heiratsimport« ins Land. Anfang der Neunzigerjahre entschärfte die Türkei die interne Bürgerkriegsgefahr, indem sie Zehntausende Asylsuchende nach Deutschland ausreisen ließ. Ohne Vorbereitung und Aussicht auf einen Arbeitsplatz wurden sie direkt als Transferempfänger ins Sozialsystem eingegliedert.

Weiter geht es im Kapitel Islam und Integration um viel diskutierte Aspekte der heutigen Integrationspolitik und den politischen Islam, wie er sich in der Moscheebaudebatte darstellt. Ich habe Gedanken zu Themen wie Heiratsimport, Kopftuchdebatte, Islamkonferenz, Scharia, Erziehungsprobleme nur dann in dieses Buch aufgenommen, wenn sie nicht bereits in meinen anderen vier Büchern behandelt wurden. Über den Fall Sürücü, den Mord an der jungen kurdischstämmigen Mutter, habe ich mehrere Artikel geschrieben, die hier erstmals im Zusammenhang von Ehre und Gesetz dokumentiert werden.

Ich befinde mich von Beginn meiner Arbeit an im Streit mit der institutionellen Migrationsforschung, der ich vorwerfe, ihrer Verantwortung nicht gerecht zu werden. Ich dokumentiere den Streit nur kurz, möchte aber in diesem Buch beispielhaft ein neues Kapitel dieser Auseinandersetzung aufschlagen. Ich berichte über Probleme, die sich für die Migranten durch kulturell bedingte Einstellungen ergeben. Ich schreibe über den – von der Migrationsforschung, nicht von der Medizin – vernachlässigten Zusammenhang

Ich hatte die Ehre, in der Frankfurter Paulskirche zum 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, zu sprechen; dabei versuchte ich, die Dialektik von Geschichte und Verantwortung auch für die türkischen und muslimischen Einwanderer zu formulieren. Das Verhältnis der Osmanen und Türken zu Europa erörtere ich anhand der Literatur, zum Beispiel eines Romans von Orhan Pamuk.

Mit meiner Arbeit und der einer Handvoll anderer Autoren ist in den Augen einiger Kritiker ein ganz eigenes Genre entstanden, das der »Islamkritik«. Artikel und Bücher beschäftigen sich damit, ob Kritik, wie ich sie am Islam übe, statthaft und begründet sei. Ich habe mich bisher zu den persönlichen Vorwürfen nicht öffentlich geäußert, weil es mir immer um die Sache und nicht um persönliche Befindlichkeiten ging. Da einige Streiter meine Zurückhaltung offenbar für das Eingeständnis von Fehlern halten und oft wider besseres Wissen Unwahrheiten wiederholen, möchte ich meinen Leserinnen und Lesern jetzt einige Briefe und Antworten auf die Kritik der Islamkritik nicht mehr vorenthalten.

Im abschließenden Kapitel Islam und Freiheit bemühe ich mich, aus der Geschichte Europas und in Abwägung mit islamischen Vorstellungen die Idee der Freiheit herauszuarbeiten und zu bestimmen, was Europa für mich im Kern ausmacht.