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Inhalt
Never Give Up
Wie alles anfing
Big In Vietnam
Welcome To My House
Das Bier-UFO
Backroom Boys
Diskoszenen
Fürst Wurst
Romeo und Julius
Dennis Gets Deep
I Will Dance
DJ Dennis In The Mix
Die heilige Boombox
Auf dem Discolymp
Ebony and Irony
Imagine
Listenwesen
This is to all the DJs keeping it surreal
»The turntable is the cosmos.
A universe in each record.
A journey, an adventure.
A journey, a true adventure.
Journey, adventure.
Journey.
Needles rock, needles rock.
Music mixer and the mix.
A mixed-up mix.
Mix up your journey.
To the next journey.
Mixers rock.
Mixers rock.
From that instant
Journey
From that instant
Journey.
From that instant
Journey, journey.«
(DJ Takefumi in »Funky Forest«, Japan 2005)
Never Give Up
»You are my hero!«
Das hatte so noch keiner zu ihm gesagt. Nachdenklich nickte Dennis und setzte sich mit beiden Händen den Kopfhörer wieder auf, die linke Muschel auf das linke Ohr, die rechte hinter das rechte. Er senkte die Nadel behutsam auf die Platte, die er als Nächstes spielen wollte, »Synthetic Flemm« von Theo Parrish. Dann wirbelte er die Scheibe in einer für Außenstehende faszinierenden, rasenden Bewegung vorwärts bis zur Eins. Bis zu ihrem ersten Beat.
»Dionysos! You are my hero!«, hörte er es wieder rufen. »It’s true!«
Er lächelte den fremden Jungen, der da vor seiner DJ-Box stand und zu ihm aufblickte, milde an und bemerkte dabei die Tätowierung auf dessen Arm: Never give up.
Später, draußen vor dem Klub, als er sich auf den Weg zur Straße machte, war ihm der Bursche immer noch auf den Fersen, mit zehn Metern Abstand. Kein Wunder – er trug ja auch seinen Plattenkoffer. Zwar hatte dieser eigentlich Rollen, nur nützten die im Sand am Strand von Barcelona nicht viel. Nach ein paar hundert Metern im Eiltempo – der Sand hatte sich in den Vormittagsstunden schon wieder kräftig aufgeheizt – erreichten sie einen hölzernen Steg, und schnaufend holte sein Fan auf. Abrupt blieb Dennis stehen und drehte sich um.
Es war gut, was er sah: eine Strandhütte, aus der die Farben und Töne förmlich herauszufliegen schienen. Ein Menschengewimmel darum herum, Lachen und Rufen und ein leichtes An- und Abschwellen der Musik, je nachdem wie der Wind sich drehte.
»Was willst du von mir?«, fragte Dennis seinen Träger und strich sich eine blonde Strähne aus dem bärtigen Gesicht.
»Ich möchte dein Schüler werden!«, stieß dieser hervor. »Du ... du bist Dionysos!«
»Mein Schüler?« Dennis lächelte versonnen. Auch er war mal ein Schüler gewesen. Vor langer, langer Zeit ...
Wie alles anfing
Am 18. März 2009 hatten sich auf einer Insel im Indischen Ozean bedeutende politische Umwälzungen ereignet, die Nachricht sprang mir beim ersten Blick in die Morgenzeitung entgegen wie ein Riesen-Mausmaki:
Alles, was recht ist, die DJ-Kultur hatte es weit gebracht. Und das vor dem Frühstück. Man hatte ja schon so manches gehört und sich auch schon so manches gedacht über die zivilisationsgeschichtliche Bedeutung und das gesellschaftsbeglückende Potenzial der DJs, aber das war doch eine neue Dimension. Alarmiert von solch einschneidenden Ereignissen versuchte ich sofort, mehr Informationen zu bekommen.
Zwar war der 34-jährige DJ Rajoelina unter zweifelhaften Umständen, durch einen coup d’état, an die Macht gekommen, aber immerhin hatte er unmittelbar nach Amtsantritt einen mehr als umstrittenen Deal mit der Firma Daewoo gecancelt. Der südkoreanische Konzern hatte vorgehabt, mehr oder weniger ganz Madagaskar zu kaufen, um dort Reis für den Heimatmarkt anzubauen. Ein von den ohnehin nicht gerade im Reichtum schwimmenden Madegassen vermutlich zu Recht als »neokolonialistisch« empfundener Plan, dessen Unterbindung einer der Hauptgründe für Rajoelinas Popularität war. Er wirkte insgesamt frisch und modern, schließlich war er DJ, da kann man das praktisch voraussetzen. Mit seiner Philipp-Rösler-Frisur, jung und schlank im schwarzen Anzug, sah er im Grunde aus wie einer von der FDP. Er forderte mehr Demokratie für die Insel, mehr Schwung, mehr Öffnung. Das sinkende Maß an Freiheit im Lande hatte der bis dahin als Bürgermeister der Hauptstadt wirkende Überflieger offenbar immer besonders energisch angeprangert.
Kaum an der Macht, verkündete er, obwohl selbst ungewählt, dass es die nächsten zwei Jahre, bis das Gröbste geklärt wäre, besser erst mal keine Neuwahlen geben würde.
Offensichtlich wollte er halt die Musik spielen, die er für richtig hielt, ohne Hörerwünsche, erst recht ohne Volksabstimmung, das geht mir ganz genauso. Über den zur Stunde übrigens immer noch amtierenden DJ-Präsidenten ließ sich zwar so einiges in Erfahrung bringen, allerdings war es unmöglich, an die wichtigste Informationsquelle überhaupt heranzukommen, das Einzige, womit man die Qualitäten eines DJs, und damit, wie ich behaupte, auch seine Politikfähigkeit, verlässlich einschätzen kann: seine Playlists. Was hatte der Mann überhaupt aufgelegt? Was war sein Programm? Inwiefern hatte er, yo, Respekt verdient? Das musste man doch wissen! Hatte er die Playlists vor Amtsantritt etwa verschwinden lassen? Geschreddert wie alte Stasi-Unterlagen?
Grübelnd schlurfte ich ins Badezimmer. Unter der Dusche konnte ich am besten über derlei Dinge nachdenken, denn dort gab es garantiert keine Ablenkung von außen. Man konnte dort weder lesen noch telefonieren. Weil ich besonders gründlich nachdenken wollte, wusch ich mir extra die Haare und massierte dabei kräftig die Kopfhaut, damit die Gedanken noch effektiver um diesen seltenen Vogel aus Madagaskar kreisen konnten.
Anscheinend war er HipHop-DJ, so wusste ich inzwischen, und das sprach immerhin für einen Sinn für Skills. Hoffentlich hatte er davon mehr als die Designer meines Duschgels; es sabberte und sprotzte schon bei leichtem Druck wie wild aus der Tube. Dieser neuartige DJ-Präsident war sicher ein populärer Typ, davon konnte man ausgehen. Also kein esoterischer, obskurer Turntablist, sondern, so stellte ich mir vor, eher jemand wie vielleicht DJ Tomekk oder Hausmarke. Ein überall seit Langem bekannter, umtriebiger Junge, der stets amtlich die Crowd gerockt hat, somit einigermaßen beliebt und mehrheitsfähig ist, keineswegs unkommerziell orientiert, ohne dabei aber allzu dumpf zu werden. Eine vermutlich mehr als kontroverse These, über die man trefflich streiten könnte.
Ich hatte auch herausgefunden, dass Rajoelina wegen seines immensen Elans TGV genannt wurde, wie der französische Schnellzug, und so hatte er auch seine Partei getauft – als Abkürzung von »Junges Entschlossenes Madagaskar«, auf Madegassisch, versteht sich, falls man diese Sprache so nennt. Aber natürlich legte DJ Rajoelina schon seit Jahren nicht mehr auf, stattdessen hatte er sich offenbar zu einer Art Jung-Berlusconi gemausert (oder war dazu mutiert) und besaß, kein Witz, tatsächlich einen Fernsehsender namens Viva. Der von ihm ausgebootete bisherige Präsident Ravalomanana besaß übrigens ebenfalls eine TV-Station; insgesamt scheint man heutzutage gut beraten, eine moderne politische Karriere durch eigene Medienmacht zu flankieren. DJ Rajoelina hatte aber auch die erste Werbeagentur überhaupt auf der Insel gegründet und ich konnte mir gut vorstellen, dass dieser Drive, dieser von ihm gepuschte madegassische Modernismus etwas mit seinem DJ-Ansatz zu tun hatte. Entrepreneurs-Geist ist eine weit verbreitete Tugend in der Welt der Klubs, die Geschichte erfolgreicher, von DJs geführter Klubs und Labels ist lang, allerdings haben sie dafür eigentlich immer ihre Komplizen, die aus lustigen Ideen effektives Handeln machen. Dazu braucht es zum Beispiel Leute mit betriebswissenschaftlichem Verstand– der DJ an sich neigt ja prinzipiell eher zur Verschwendung, von sich und seinen Ressourcen, zum Wohle aller, zum Ruin aller. Da schien mir der logische Schritt vom DJ zum Politiker also allemal kürzer zu sein als der vom DJ zum Unternehmer. Trotzdem waren sie beide bisher selten. Rajoelina hatte als erster DJ das Kunststück vollbracht, sogar beides zu verbinden. Er kontrollierte nicht mehr nur einen Dancefloor, sondern ein ganzes Land.
Ich stieg aus der Dusche, hüllte mich in ein großes, buntes Handtuch und öffnete die Badezimmertür, damit der Dampf entweichen konnte. Es war wirklich erstaunlich. Hatte es das schon jemals gegeben, DJs in der großen Politik?
Mir fiel höchstens der bärbeißige und ultrarechte israelische Außenminister Avigdor Liebermann ein, zwar kein DJ, aber immerhin ein ehemaliger moldawischer Türsteher, der das aus dem Nachtleben bekannte Prinzip der »Türpolitik« quasi auf das ganze Staatswesen ausdehnt: Israel als Klub mit einer »harten Tür« und den üblichen Begleiterscheinungen, die zu Klubs mit harten Türen gehören – sie erregen die Gemüter, eine Menge Leute lehnen sie prinzipiell ab, andere schätzen gerade diese Exklusivität.
Doch obwohl auch ein Türsteher sicherlich seinen kulturellen Gestaltungsspielraum hat, etwa im soziologischen Mix des Publikums – wer kommt rein, wer bleibt draußen? –, ist es doch stets der DJ, dem letztlich ein wirklicher Führungsanspruch zugebilligt wird. Schließlich geht er voran, er leitet durch die Nacht, er sollte das Ziel, zum Beispiel die Grünen Auen oder die Biegung des Flusses, kennen und den Weg dorthin, denn er ist natürlich immer schon ein Lied weiter als alle anderen. Erfreut über diese erhabene Erkenntnis und deutlich erfrischter ging ich zurück in die Küche, nicht ohne mir vorher eine olivgrüne Jogginghose und ein gelbes T-Shirt anzuziehen. Wen gab es denn noch, welcher deutsche Politiker kannte denn überhaupt die Biegung des Flusses oder die Grünen Auen? Die Grünen Auen? Genau, da war ja noch DJ Dosenpfand!
Jürgen Trittin von den Grünen war mir schon vor Jahren in der Love-Parade-Fernsehberichterstattung positiv aufgefallen. Er war überhaupt der Einzige, der mir dort positiv auffiel. Ich sollte für die »Süddeutsche Zeitung« einen Bericht über die damals noch in Berlin stattfindende und inzwischen auf so fürchterliche Weise ad acta gelegte Parade schreiben, und zwar mit dem Fokus auf die dort zelebrierte Musik. Weil ich an dem Tag aber in Tübingen war, verfolgte ich das ganze Spektakel im Fernsehen, so ähnlich wie den Rosenmontagszug. Nur: Wo es bei der Übertragung der Karnevalsparaden nach uralter Tradition von größter Wichtigkeit ist, jeden vorbeimarschierenden Spielmannszug auch namentlich zu erwähnen, das Repertoire zu diskutieren und das gerade gespielte Lied mitzusingen, kam bei der Fernseh-Love-Parade zu meiner Fassungslosigkeit die Musik aus dem Off. Eine bodenlose Frechheit, man wusste überhaupt nicht, welcher DJ da gerade welchen Sound spielend auf welchem Wagen vorbeizog! Vermutlich hatte der Regieassistent oder der Tontechniker ein bisschen Tech-House von zu Hause mitgebracht. Alles für bessere Klangqualität im Fernsehen, was aber bedeutete, dass hier das Eigentliche überhaupt nicht wirklich dokumentiert wurde, was wiederum bedeutete, dass das Eigentliche eigentlich niemanden wirklich interessierte, außer einen einsamen Chronisten in einem Tübinger Hotelzimmer.
Na jedenfalls stand da plötzlich Jürgen Trittin vor der Kamera am Zugweg und wurde von einer schrecklich inkompetenten Reporterin gefragt, ob das denn hier überhaupt seine Musik sei. Trittin darauf:
»Nee, also ich hör zwar schon mal Techno, aber eigentlich lieber so was wie St. Germain.«
Die Reporterin, ihn in eine Ecke drängen wollend: »Aha, also doch eher die erdige, hausgemachte Richtung.«
Trittin, sich total souverän in keine Ecke drängen lassend: »Nee nee, das ist schon ziemlich computerisiert, aber eben eher House, und was hier läuft, ist dann doch eher Techno.«
Chapeau, dieses Differenzierungsvermögen hatte ich so vorher noch bei keinem anderen deutschen Politiker erlebt, nicht mal bei Helmut Schmidt, obwohl der schon über neunzig ist. Später erfuhr ich dann, dass sich Trittin tatsächlich gelegentlich als DJ Dosenpfand betätigt. Anscheinend nicht nur aus politischem Kalkül – reine Poser-DJs fliegen sofort auf, Guido Westerwelle hat das auch mal versucht, in letzter Zeit blamiert sich Karl-Theodor zu Guttenberg gern auf diese Weise. Trittin aber scheint es gleichzeitig ernst zu nehmen und Spaß zu machen, und so liest sich auch seine Playlist, die ich im Gegensatz zu DJ Rajoelinas in zehn Sekunden im Netz gefunden hatte. Das Programm war korrekt, wenngleich rocklastig, mit Namen wie Franz Ferdinand, White Stripes, The Clash, Ton Steine Scherben, Scissor Sisters, David Bowie und T. Rex. Außer Die Ärzte und Panjabi MC hatte ich das meiste aus seiner Kiste auch schon gespielt. Performativ durfte man von Dosenpfand schätzungsweise nicht allzu viel erwarten, ich konnte mir nicht vorstellen, dass er beatmixte, von Juggling und Backspins ganz zu schweigen. Aber dafür gab es ja die Politik.
Ich öffnete den Wasserhahn und füllte den Teekessel. Man sollte Rajoelina wohl besser mit viel Skepsis begegnen, überlegte ich, stellte den Teekessel auf den Herd und schaltete ihn an. Wahrscheinlich hatte er gar nicht so phänomenale Skills. Am Ende würde er vielleicht noch ein Monster werden. Aber der Gedanke, dass ausgerechnet DJs für besonders gute Staatenlenker gehalten werden könnten, hatte unbestreitbar etwas. DJs konnten anscheinend heutzutage alle möglichen Aufgaben übernehmen, sinnierte ich, eben weil sie sich durch ihre besonderen DJ-Fähigkeiten und DJ-Sensibilitäten dafür qualifizierten: Vermittler in Tarifkonflikten, Moderatoren an runden Tischen, Vorsitzende von Ethik-Kommissionen. Das Thema beschäftigte mich aus persönlichen Gründen schon geraume Zeit. Für ein geplantes Buchprojekt hatte ich bereits einige Zitate in dieser Richtung gesammelt, um sie dem künftigen, noch undefinierten Werk voranzustellen:
»Gott ist ein DJ.« (Faithless)
»Gott ist tot.« (Nietzsche)
»DJ ist tot.« (Niemczyk)
Denn bisher hatten sich DJs ja weniger als Politiker, sondern eher als Priester profiliert. Praktisch vom Beginn der Diskokultur an waren Klubs mit Kirchen, Partys mit Gottesdiensten und DJs mit Pfarrern, Jesus, Gott, dem Heiligen Geist oder einer bizarr ineinandergefalteten Mischung aus allem verglichen worden. Doch warum? Was für eine Gemeinsamkeit bestand zwischen diesen Sphären, außer dass sich Menschen in einem Raum versammeln, im weitesten Sinne bewegende Musik gespielt wird und einer auf der Kanzel steht und (hoffentlich) den Laden rockt?
Der Teekessel pfiff los, in einem zunächst leisen, dann schnell ohrenbetäubend lauten Dmaj7-Akkord. Ich hatte ihn extra wegen seines Pfeiftons gekauft und im Kaufhaus sogar ein Testpfeifen veranstaltet, um den optimalen Kessel zu finden. Leider kochte er sehr langsam. Aber der Sound war spitze, das wusste auch meine Nachbarschaft. Er hatte was von einer Luftschutzsirene, und ich hätte ihn zu gerne auf Platte gehabt. Ich spielte schon immer Sirenen aller Art beim Auflegen, mal Fliegeralarm, mal New Yorker Polizei, in bestimmten Momenten hatte das einen irrsinnig erhebenden Effekt.
Und das war es doch: Die Leute wollten erhoben werden, das war wohl die wichtigste Parallele zwischen Klub und Kirche. Heute haben die meisten Kirchen in Sachen Ekstase ja nicht mehr viel zu bieten, aber sehr viel früher muss es hoch hergegangen sein. Angeblich waren in den frühen christlichen Kirchen, vor Einführung der Bänke, Erscheinungen und Einfahrungen noch weitaus verbreiteter. Nicht zuletzt deshalb wurden wohl die Möbel eingeführt, wie Sitzplätze im Stadion, um das Außer-sich-Geraten für jedermann zu erschweren und es den Profis zu überlassen. Anders im Klub, wo jedermann gerne außer sich geraten darf und soll.
Ich schob zwei Scheiben Toast in den Toaster und eine CD in die Boombox auf meinem Kühlschrank, Carl Craigs und Moritz von Oswalds Mussorgsky-Interpretationen, mir war plötzlich auch so erhaben, so feierlich zumute.
DJ-Priester, DJ-Präsidenten, am Ende gar DJ-Philosophen? Es schien da etwas in der Luft zu liegen. Über die Verortung und Bedeutung der DJ-Berufung in der kollektiven Psyche hatte ich lange genug nachgedacht. Es wurde Zeit, das Thema im großen Stil anzupacken. Ein Schlüsselroman musste her, fett und prätentiös, am besten eine Saga. Die letzten Worte zum Wesen des DJs, zum DJ-Wesen, und auch der Abschluss meiner Trilogie über das Auf und Ab und das Hin und Her des DJ-Daseins. Nun war es Zeit für den »Zauberberg« der Klub-Kultur. Oder doch eher den »Moby Dick« des Djing? Den »Idioten« des Dancefloor?
Kühne Pläne, aber unter dem Eindruck der madegassischen Ereignisse formte sich in meiner Fantasie endlich schemenhaft ein Charakter, wurde klarer, und dann hatte ich meinen Helden gefunden, einen jungen DJ aus der Provinz, dem Großes wiederfährt: Dennis. DJ Dennis. Ja wahrhaftig, das sollte sein Name sein, Träger ungeheurer Bedeutung, die sich erst durch Transformation enthüllen würde, die erst im Verlauf der eigentlichen Handlung, parallel zum konkreten Schicksal von Dennis aufscheinen, sich als DJ-philosophischer Subtext offenbaren würde – hoffentlich auch mir. Denn war ich nicht selbst ein Zweifler, der Fragen stellte? Warum hat der nackte Affe, die humanoide Zivilisation überhaupt eine DJ-Kultur hervorgebracht? Was ist der Sinn der Disko? In welchem Maß ist die Gesellschaft den DJs eigentlich zu Dank und üppigen Leibrenten verpflichtet, ähnlich einem Klerus? Woher kommen DJs? Und wo zur Hölle gehen sie hin?
Ich stellte die Teetasse neben den Computer, spitzte den Bleistift, schob eine neue Patrone in den Printer, verschränkte meine Finger und drückte meine Hände durch, dass die Gelenke knackten. Da vibrierte mein Telefon.
»Hallo? Herr Nieswandt? Hier ist Hanoi! Schön, dass ich Sie erreiche! Bitte kommen Sie schnell, Sie werden dringend benötigt, wir haben hier deutsche Kulturwochen!«