Ist das Judentum eine Religions- oder auch eine Abstammungsgemeinschaft?
Was bedeutet das: Schicksalsgemeinschaft?
Wie wird man Jude? Muss man etwa ein Versprechen ablegen, sich an die jüdischen Werte zu halten?
Ich habe gehört, dass Juden aus der Sowjetunion häufig Probleme haben, ihr Judentum zu beweisen. Ist das in Deutschland auch ein Problem?
Eliyah, ich hab gesehen, dass du einen anderen Vornamen angenommen hast. Braucht man als Jüd:in einen typisch jüdischen Namen? Und wie sehen Jüd:innen das, wenn Christ:innen oder Atheist:innen ihren Kindern solche Namen geben?
Macht es einen Unterschied, ob man als Jüd:in geboren wird oder ob man konvertiert ist? Wird man von anderen Jüd:innen als Jude 1. Klasse oder 2. Klasse behandelt?
Gibt es für Jüd:innen eigentlich eine Möglichkeit, das Judentum »abzulegen« und dann irgendwann als nicht jüdisch zu gelten?
Was ist für dich persönlich das Beste/Schönste am Judentum?
Worin besteht (kulturell und religiös) der Unterschied zwischen Sephardim, Ashkenazim, Mizrachim? Ist die Unterscheidung auch heute noch sinnvoll?
Wie unterscheidet man die vielen Gruppierungen der Juden denn? Ist das lokal bedingt, wozu man gehört? Oder gibt es (außerhalb von Israel) auch parallele Gruppierungen an einem Ort? Ist das vergleichbar mit Konfessionen bei Christen? Und kann man das wechseln oder wird man da reingeboren/-konvertiert?
Stimmt es, dass Juden ihre Abstammungslinie bis zu den Anfängen der zwölf Stämme kennen?
Welche Sprachen sprechen Juden?
Sind Juden weiß?
Ich höre öfter, Jüd:innen seien »rassistisch«, weil sie sich als »auserwähltes Volk« betrachten. Was sagt ihr dazu?
Habt ihr euch schon mal gewünscht, nicht jüdisch zu sein? Fällt es euch manchmal schwer?
2 Religion
Wie ähnlich/unterschiedlich sind die Torah und das, was im Christentum als »Altes Testament« bezeichnet wird?
In christlichen Kirchen heißt es oft, dass »die Juden« heute »immer noch auf den Messias warten«. Stimmt das in der Form?
Wie sieht sich das Judentum im Verhältnis zu den anderen monotheistischen Religionen, insbesondere beim Thema reine Lehre?
Du erzählst auch von den sieben »Geboten« von Noah, die für alle gelten und an die sich vermutlich ohnehin alle (auch Nichtjuden) halten. Was sieht denn das Judentum für die vor, die sich selbst daran nicht halten?
Gehen die Jüd:innen aus Glaubensgründen in die Synagoge oder nur, um Gemeinschaft zu erleben? Könnten sie theoretisch auch allein zu Hause beten?
Was tun die Jüd:innen während des Gottesdienstes? Singen, musizieren, tanzen sie?
Singt man immer die gleichen Lieder oder hat jeder Tag spezielle Lieder, die man singt?
Warum dauert es so lange, wenn man zum Judentum konvertieren will?
Was ist die Funktion eines Rabbis?
Wie nennen die Jüd:innen ihren Schöpfer? Haben sie verschiedene Worte?
Und warum dürft ihr nicht »J…« sagen wie bei den Zeugen J.? Ich kenne diese Regel nur aus »Life of Brian«. Dürft ihr es schreiben oder lesen oder hören?
Was sind die höchsten Feiertage, und was wird gefeiert?
Am Schabbat wird meines Wissens abends eine Kerze angezündet, und dann darf man nicht mehr arbeiten. Was zählt denn als Arbeit? Ist das Abendessen zuzubereiten Arbeit?
Was ist der Unterschied zwischen Tempel und Synagoge?
Heißt das, ihr »hofft« auf die Zerstörung des Felsendoms und die Wiedererrichtung eines jüdischen Tempels an dieser Stelle?
Was ist die Halacha? Und welche Rolle spielt sie für die jüdischen Gemeinden in den verschiedenen Ländern heute?
Gibt es spezifisch jüdische Positionen (theologisch oder kulturell begründet) zum Umgang mit den aktuellen Krisen der Menschheit: Corona, Klimaschutz, Flüchtlinge…?
Gibt es eine regelmäßige Neu-Interpretation eurer heiligen Schriften, um das Leben im 21. Jahrhundert sinnvoll jüdisch zu leben?
Glauben Juden an ein Leben nach dem Tod?
Warum legen Juden Steine auf Gräber?
Wenn man im Schabbat nicht arbeiten darf, gibt es da religiöse Sonderregelungen für Ärzt:innen, Pflegekräfte und alle anderen systemrelevanten Berufe?
Warum sind die Speisegesetze so viel komplizierter als im Christentum oder Islam?
Würde ich euch zum Essen empfangen, würde ich das in meiner Küche hinbekommen? Die Speisenauswahl bekommt man ja schon hin, aber in meinen Töpfen waren ja schon die unterschiedlichsten Gerichte…
Es gibt viele Bilder, bei denen der Tisch mit Alufolie abgedeckt ist. Ist das Schmuck, oder hat das einen anderen Hintergrund?
Wieso entscheidet man sich dazu, koscher zu leben, sich also selbst einzuschränken bzw. sich an eine Lebensweise fest zu binden?
Wie groß ist der Anteil praktizierender Jüd:innen in Deutschland?
Warum tragen Männer eine Kippa?
Gibt es eigentlich Vorschriften, wie eine Kippa hergestellt werden muss?
Wann wird welcher »Hut« getragen (z.B. die aus Pelz), und wie werden sie bezeichnet? Wer trägt welchen?
Jüdische Männer haben so gelockte Strähnen an den Schläfen. Warum ist das so?
Was genau hat es mit dem »schwarzen Kästchen« und dem Band beim Gebet auf sich?
Welche Bedeutung haben die Bänder am Gürtel? Und bekommt man die (als geborener Jude) mit einem bestimmten Ritual oder ab einem bestimmten Alter?
Wie steht es im »modernen« Judentum um Gleichberechtigung und Emanzipation?
Wie ist es mit Homosexualität im Judentum, ist das ein Tabu?
Wie unterscheiden sich ultraorthodoxe, orthodoxe, gläubige, praktizierende und kulturelle Juden?
»Normale« Jüd:innen und orthodoxe Jüd:innen: Wie sehen sich die beiden gegenseitig? Und gibt es noch weitere andere »Gruppen« (in Deutschland)?
Gibt es heute in Deutschland noch viele Jüd:innen, die die Torah wörtlich nehmen?
Wer interpretiert die Torah? Ein lokaler Rabbi, oder gibt es Rabbiner, die das für alle Juden auf der Welt interpretieren? Gibt es so was wie allgemeingültige Interpretationen?
In welchem Verhältnis stehen chassidische Juden zu Israel?
Messianische Juden – noch Juden oder schon Christen?
3 Feiertage
Rosch Haschanah
Jom Kippur
Sukkot
Simchat Torah
Pessach
Schavuot
Schabbat
Chanukka
Purim
Tu Bischwat
Lag BaOmer
Tu Be’Av
Rosch Chodesch
Sigd
Tisha Be’Av
Alle anderen Fasttage
Jom HaShoa
Jom HaSikaron
Jom HaAtzma’ut
4 Jüdische Kultur
Marina
Eliyah
Wo findet man jüdisches Leben in Deutschland, und warum hört und liest man so wenig davon?
Wo findet jüdisches Leben statt außerhalb der Synagoge?
Wie stark hat das Judentum vor allem die europäischen Kulturen und ihre Geschichte geprägt?
Was sind die wichtigsten Werte des Judentums? Gibt es darüber einen Konsens?
Wie haben Jüd:innen es geschafft, eine nicht paranoide und irre Gemeinschaft zu werden? (Aus meiner Sicht sehr bemerkenswert in Anbetracht des Leids über Jahrhunderte!)
Was meint ihr damit, dass eure Großeltern über eure Eltern an euch Traumata vererbt haben?
Welche Positionen gibt es zu Partnerschaften zwischen Jüd:innen und Nichtjüd:innen? (Gibt es da irgendwelche religiösen Einschränkungen?)
Da es viele religiöse Gebote rund um die Menstruation gibt – ist es unter Jüd:innen weniger verpönt, darüber zu sprechen?
Was sind die witzigsten Traditionen, Riten oder Geschichten im Judentum?
Warum gibt es kein Religionsfach in den Schulen für jüdisch gläubige Menschen?
Warum haben Jüd:innen oft so urdeutsche Namen, wie bei dir zum Beispiel Weisband, oder Spielberg etc.?
Gibt es so etwas wie jüdischen Humor? Was zeichnet ihn aus?
Althebräisch ist ja für die Gebete unerlässlich. Versteht die Mehrzahl der Jüd:innen eigentlich die Sprache, oder kennt man hauptsächlich die üblichen Gebetsformeln und reimt sich dann den Rest zusammen bzw. verwendet Übersetzungen?
Die jüdische Küche – was sollte man unbedingt mal ausprobieren?
Was wird Jüd:innen häufig gesagt, was nicht gut ist, sondern nur gut gemeint?
Warum wir immer von jüdischem Leben in Deutschland gesprochen? Klingt für mich, als würde es nicht dazugehören. Also eine Art Selbstabsonderung.
Darf man als Nichtjüdin auch mal einen Gottesdienst in der Synagoge besuchen?
Was muss passieren, damit man sich als Jüdin/Jude in Deutschland wohl und sicher fühlen kann?
Grüße ich Jüd:innen besser einfach mit einem Guten Tag, Schalom, oder gar nicht?
Wie kommt es an, wenn nicht jüdische Menschen Shoa sagen?
Ich möchte gerne wissen, mit welchen erschwinglichen Büchern, Broschüren oder Nachschlagewerken ich etwas über das Wesen des Judentums erfahren kann.
Warum beantworten Juden Fragen immer mit Gegenfragen?
5 Antisemitismus
Kriegt ihr viel Antisemitismus ab?
Inwieweit müsst ihr euer tägliches Leben anpassen, um euch vor antisemitischen Übergriffen zu schützen?
Wieso hasst man Juden?
Warum spricht man so viel über Antisemitismus? Ist das nicht einfach nur eine Form des Rassismus?
Was ist der Unterschied zwischen (Anti)Semitismus, (Anti)Judaismus, (Anti)Zionismus?
Ist Antisemitismus dasselbe wie Judenhass? Bzw.: Nicht jeder, der Antisemit ist, hasst automatisch Juden?
Denkt ihr, dass sich Antisemitismus in Deutschland noch weiter verbreiten wird?
Habt ihr Vorschläge für Maßnahmen gegen Antisemitismus?
Kritik an der israelischen Regierungspolitik sieht sich schnell mit dem Vorwurf des Antisemitismus konfrontiert. Ab wann zu Recht?
Wie reagiert ihr, wenn ihr einem Menschen begegnet, der antisemitisch denkt?
Welcher Antisemitismus begegnet euch am häufigsten (rechtsextremer, islamistischer, linker Antizionismus, Verschwörungsmythen etc.)? Welche Form ist eurer Meinung nach die gefährlichste?
Gäbe es von einem Tag auf den anderen keine Juden mehr: Würden die Antisemit:innen sich dann auf einen anderen globalen Sündenbock einigen? Oder würden sie ihren Hass in jedem Land auf eine andere Gruppe lenken?
Haben verschiedene Generationen verschiedene Haltungen zum Antisemitismus?
Allerdings versteckt eine solche Perücke heute ja nicht mehr, dass sie Jüdinnen sind, da die restliche Kleidung ja doch auch auffällig ist. Warum machen orthodoxe Jüdinnen das noch? Und warum alle mit der gleichen Frisur?
Wo äußert sich Antisemitismus (subtil/unbemerkt) im deutschen Sprachgebrauch?
Welche neurechten Chiffren für Juden und den Mythos von der jüdischen Weltverschwörung sollte heute jede:r kennen?
Machst du einen Unterschied in der Art des Antisemitismus? Hast du eine Art Skala, und kannst du persönlich eine Art eher verzeihen als eine andere? Ab welchem Grad/welcher Intensität/wie auch immer siehst du Leute als nicht mehr zurückholbar an?
Sind Zionisten gefährliche Fundamentalisten?
Frage aus der Germanistik: Auch in Texten namhafter Autor:innen kommen stereotype jüdische Figuren vor. Oft zeitgenössisch »übliche« Darstellungen, aber durchaus antisemitisch. Wie heute mit diesen Texten umgehen? Hin und wieder eine Fußnote – und sonst?
Schlusswort
Über Marina Weisband & Eliyah Havemann
Marina Weisband, geboren 1987 in der Ukraine, ist Diplom-Psychologin und Politikerin. Von Mai 2011 bis April 2012 war sie politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, mittlerweile engagiert sie sich bei den Grünen in den Themenbereichen Digitalisierung und Bildung. Seit 2014 leitet sie hauptberuflich das Schülerbeteiligungsprojekt Aula. Sich selbst bezeichnet sie als gläubige, nicht religiöse Jüdin. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster.
Eliyah Havemann, geboren 1975 als Felix Havemann und Sohn von Wolf Biermann und Sibylle Havemann, konvertierte zwischen 2007 und 2009 zum Judentum und wanderte 2010 nach Israel aus. Er lebt heute als modern-orthodoxer Jude mit seiner Familie in der Nähe von Tel Aviv und arbeitet als Produktmanager im israelischen Hightech Sektor. Er schreibt und veröffentlicht zu den Themen Israel, Judentum, Antisemitismus und Online-Technologien.
Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de
Über dieses Buch
Als Marina Weisband vor einigen Monaten ihre Followerschaft bei Twitter fragte, was sie so am Judentum interessiere, wurde sie mit Fragen überschüttet. Angesichts der Fülle an Themen holte sie sich Unterstützung von Eliyah Havemann. Zusammen beschlossen sie, die Fragen zunächst in einer Videoreihe bei YouTube und dann – in erweiterter Form – in einem Buch zu beantworten. Entstanden ist eine so lebendige und anschauliche Annäherung an das Judentum, wie es keine trockene Einführung zu vermitteln vermag. Denn sie listen keine Fakten auf, sondern tauschen sich aus und sprechen jeweils aus ihrer eigenen Perspektive: Marina Weisband als gläubige, nicht religiöse Jüdin und Eliyah Havemann als modern-orthodoxer Jude. Nicht immer sind sie sich einig – und genau das spiegelt die Vielfalt des Judentums.
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
ISBN 978-3-10-491505-0
Fußnoten
1
Eine Kapsel, die am Pfosten der Eingangstür einer jüdischen Wohnung angebracht wird, mit einem beschrifteten Pergament darin, auf dem das »Schma Israel« steht.
Warum es genau dieses Buch braucht
Vorwort von Michael Blume
Es ist völlig egal, welche Religion oder Weltanschauung, welches Geschlecht, welche Hautfarbe oder welche Herkunft wir haben – da wir Menschen sind, wird unser Schicksal durch Medien bestimmt. In Sprachen, Schriften, Symbolen schwimmen – oder ertrinken – wir im medialen Miteinander. Welche Medien wir wie benutzen prägt vorbewusst, wie wir denken, fühlen, träumen, lieben, hassen, wählen, glauben, leben und – lesen. Genau jetzt, in diesem Moment, benutzen Sie und ich »gemeinsam« eines der mächtigsten Medien der Erde: Ein Alphabet.
Es ist bis heute nach den ersten beiden hebräischen Buchstaben benannt: Nach Aleph für »Stier« und Beth für »Haus«.
Denn das älteste Alphabet entstand um das 18. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung auf dem Sinai, und es war gegenüber allen älteren Schriftsystemen eine absolute Sensation: Mit unter 30 Schriftzeichen ließen sich alle Sprachen der Erde ausdrücken, es war vergleichsweise leicht zu lernen, es »demokratisierte« den Schriftbesitz und ermöglichte auch den Aufstieg des vielleicht schönsten Begriffes der heutigen deutschen Sprache: Bildung. Weil jeder Mensch – jedes Mädchen, jeder Junge, jede Nichtjüdin, jeder Jude – laut dem ersten Buch der hebräischen Bibel »im Bilde Gottes« geschaffen sei. Dass nicht nur die eigenen Eltern, sondern eine ganze Gemeinschaft »für Bildung« zuständig sein sollte, dass einmal jedes Kind Lesen und Schreiben lernen soll, war der wohl gewagteste religiöse Gedanke der Antike.
Wenn wir also verstehen wollen, warum Jüdinnen und Juden über 20 Prozent aller jemals verliehenen Nobelpreise gewonnen haben, obwohl sie nur 0,2 Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, dann streichen wir bitte genetische, rassistische und verschwörungsmythologische Erklärungen dafür. Schauen wir auf die Wertschätzung von Bildung, die im entstehenden Judentum ihre Gestalt gewann und auch in diesem Buch zum Vorschein kommt. Bis heute besteht eine koschere Torahrolle aus 304805 mit Vogelfedern handgeschriebenen Alphabet-Buchstaben – keine mehr, keine weniger. Die Weisen lehren: So wie kein Mensch durch einen anderen ersetzt werden könne, so auch kein Buchstabe. Und wenn ein Kind in der Synagoge das erste Mal vorgelesen hat – die Bar Mizwa von Jungen, die Bat Mizwa von Mädchen –, dann bricht Jubel in der Gemeinde aus, und von den Tribünen regnet es Bonbons. Das ist »das Geheimnis« – und führte leider auch zu Neid, Hass und Verfolgungen.
Antisemitische Erklärungen sind also nicht nur menschenverachtend, niederträchtig und gefährlich. Sie sind auch schlichtweg falsch und übersehen, dass »Bildung« unsere gemeinsame Aufgabe sein kann.
Immer noch treffe ich dagegen auf die wahnwitzige Vorstellung, bei »Semiten« handele es sich um eine »Rasse« aus »Juden und Arabern«. Aber es gibt wissenschaftlich gesehen keine abgrenzbaren »Menschenrassen« – weswegen sich Rassist:innen nicht einmal auf eine Zahl derselben einigen konnten –, und das Judentum ist schon gar keine. Marina Weisband gehört ihm durch die Geburt von einer jüdischen Mutter an und schreibt über ihren eigenen, lernenden Weg dazu. Eliyah Havemann wurde jüdisch durch Konversion, also durch Lernen und Leben. Ein Schmock, wer Marina wegen ihrer Halskette zu einer »anderen Rasse« zählen oder Eliyah als nicht wirklich jüdisch deuten wollte! »Frag uns doch!« ist auch ein Buch gegen Rassismus.
Auch in der Niederschrift der mündlichen Torah, des Talmud, wird »Schem« nicht als Begründer einer »Rasse« gewürdigt, sondern einer Schule. Er habe, gemeinsam mit seinem Enkel Eber – dem ersten Hebräer – im heutigen Jerusalem das erste Lehrhaus der Erde gegründet, in dem in Alphabetschrift unterrichtet worden sei. Und tatsächlich finden wir die ersten Alphabetzeichen in Lachisch bei Jerusalem schon um das 15. Jahrhundert v.u.Z. – was keine wortwörtliche Wahrheit des Talmud beweist, aber sehr wohl eine klug bewahrende Tradition der Erinnerung. Gelehrt hätten die beiden in ihrem gemeinsamen Projekt dabei noch nicht den Bund des Moses – der ja viel später kam –, sondern den Bund des Noah, des Regenbogens, der sich an alle Menschen und die Schöpfung insgesamt richte. Wenige haben gemerkt, dass in diesem Jahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland« vor allem der Regenbogen als Zeichen der Vielfalt, der Menschenrechte und des Miteinanders Furore machte.
Meine Frau als Muslimin und Deutsche türkischer Herkunft und ich als konfessionsfrei aufgewachsener, später evangelischer Christ versuchen, uns immer mal wieder vor Augen zu führen, wie viel von dem, was unsere Herkünfte ausmacht, durch verschiedene Kulturen hervorgebracht wurde. Lateinische Alphabete, arabische Ziffern – mit der Null als entscheidender Zugabe aus Indien –, unsere Heilige Schriften und das Grundgesetz auf Basis von Alphabeten, die globale Zeitrechnung nach einem jüdischen Arbeiterkind, das schon im Alter von zwölf Jahren drei Tage mit Schriftgelehrten reden konnte – die Liste ließe sich ewig fortsetzen.
Wer also eine Kultur, eine Religion hasst und zu vernichten trachtet, vor dem ist genau niemand sicher. Im nationalsozialistischen, nicht zuletzt durch elektronische Medien verbreiteten Rassen- und Verschwörungswahn half es Roma und Sinti nicht, dass sie christlichen Kirchen angehörten. »Der Hass, der immer bei den Juden beginnt, endet nie bei den Juden.« So hat Rabbi Lord Jonathan Sacks sel. A. diesen Zusammenhang benannt. Wer Antisemitismus »nur der Juden zuliebe« bekämpft oder glaubt, es wäre eine Angelegenheit, um die sich vor allem Jüdinnen und Juden zu kümmern haben, hat noch nicht einmal im Ansatz begriffen, um was für eine Art der Gefahr es geht.