Theodor Plievier
Berlin
Roman
Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co. KG
Herausgegeben und mit einem Nachwort von Hans-Harald Müller
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Theodor Plievier wurde 1892 als Sohn eines Arbeiters in Berlin geboren. Mit 17 Jahren Flucht aus dem Elternhaus. 1914–1918 in der Kriegsmarine, Teilnahme am Matrosenaufstand. Anarchistisches Engagement als »Volksredner, Publizist, Verleger linksgerichteter Schriften«. 1929 erste Buchveröffentlichungen, 1933 Emigration. 1934–1945 Exil in der damaligen UdSSR, 1945 Rückkehr in die sowjetische, 1947 Flucht in die amerikanische Besatzungszone. Plievier starb 1955 in der Schweiz.
»Berlin« ist ein Buch, das aus authentischer Nähe und der unmittelbaren. Nachwirkung eines apokalyptischen Schreckens entstanden ist. Plievier befragte Hunderte von Menschen, die den Kampf um Berlin – bis hinein in die Reichskanzlei – erlebt hatten. In einer gewaltigen Zusammenschau von Einzelschicksalen und -vorgängen entwirft er ein Bild vom Untergang Berlins, das ebenso Dokument wie Vision ist. Die Fakten belegen für Plievier über das rein Politische hinaus das Thema von Schuld und Sühne, das sich im Aufstand vom 17. Juni 1953, den Plievier als Hoffnung und Utopie interpretiert, fortsetzt.
Plieviers Roman liest sich wie eine Quelle von erschütternden Zeugenaussagen, durchdrungen von der Kraft eines Autors, für den der Zweite Weltkrieg nicht nur ein politisches Unglück, sondern ein moralischer Appell sondergleichen war.
Dieses E-Book ist der unveränderte digitale Reprint einer älteren Ausgabe.
Erschienen bei KiWi Bibliothek
© 2018 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln
Covergestaltung: Rudolf Linn, Köln
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Impressum der Reprint Vorlage
ISBN (eBook) 978-3-462-41178-2
Ich bin der Weg. Revolutionäre Flugschriften 1922–1925. Herausgegeben von Theodor Plievier. Vorwort von Ulrich Linse. Schlitz: Verlag der Slitese, 1983.
Deine Hände haben mich kunstvoll gebildet und sorgsam gestaltet, danach aber hast Du Dich dazu gewandt, mich zu vernichten
Buch Hiob 10, 8
»Nach Berlin!«
»Ich werde nun wahrscheinlich zu spät kommen!«
»Das mag sein, jedenfalls müssen wir Sie in Marsch setzen!«
Das Telegramm des Heerespersonalamtes in Zossen, das den Obersten Zecke als Lehrer für einen Regimentsführerlehrgang in der Pionierschule Karlshorst anforderte, war Wochen unterwegs gewesen, bis es im Generalkommando in Prag bei der Dienststelle Zeckes eintraf. Zwischen Aufgabe- und Eingangstermin lagen Nächte schwerer Bombardierungen Berlins, lag auch der Untergang der Stadt Dresden, der eine Unterbrechung des Verkehrs und auch des Post- und Telegrafenwesens nach sich gezogen hatte.
»Es dürfte nun zu spät sein!« wandte Zecke noch einmal ein. Er hatte keine Neigung, in einem Moment, in dem der Zusammenbruch nur noch eine Frage von Tagen war, Prag zu verlassen und gegen Berlin einzutauschen, das nach allen Anzeichen zum Mittelpunkt des Mahlstromes werden mußte, in den Deutschland nun hineingerissen wurde. An der Oder stand Marschall Schukow mit Russen, Sibiriern, Kosaken, weiter im Süden an der Neiße Konjew mit Panzern, mit Reitern, mit Usbeken, Turkmenen, mit dem Aufmarsch Asiens, der in jeder Stunde zu einer alles zermalmenden Lawine werden konnte. Im Westen hatten die Amerikaner und Engländer bei Remagen und Oppenheim, dann zwischen Rees und Wesel den Rhein forciert, das Ruhrgebiet eingekesselt und drangen weiter in das Reich ein. Im Süden stiegen die Franzosen über die Vogesen und umfaßten bereits den Schwarzwald. Zecke blickte durchs Fenster.
Die alte Linde auf dem Hof des Generalkommandos stand voll dicker Knospen, über Nacht werden sie aufspringen, und der Hof, auch die Straßen und Plätze und stillen Winkel der Stadt an der Moldau werden sich mit frischem Grün schmücken.
Es war April 1945 – ein warmer Frühlingstag.
»Nichts zu machen, Zecke«, sagte der Adjutant des Generals. »Lassen Sie sich in der Kantine eine Flasche Kognak für die Reise mitgeben!« Er hatte Verständnis für die Bedenken des anderen und konnte ihm nachfühlen, daß er Prag nicht mit dem Hexenkessel Berlin vertauschen wollte, zumal im Generalkommando einer den anderen kannte, lange und eingehend kannte, und eine nüchterne, um nicht zu sagen, skeptische Einschätzung der Kriegslage und insbesondere der Ausweglosigkeit des Hitlerreiches ganz allgemein war.
»Ich akzeptiere Ihren Einwand, Zecke, aber auch der General würde keine Änderung des Befehls erwirken können. Sie wissen selbst, daß wir der Anforderung des Heerespersonalamtes zu entsprechen haben und Sie sich bei der Pi-Schule in Karlshorst melden müssen!«
Es war nichts zu machen.
Oberst Zecke nahm seinen Marschbefehl entgegen. Ein hilfloses Achselzucken war das letzte, was er vom Adjutanten des Generals sah. Schon vor Anbruch des nächsten Tages bestieg er auf dem Bahnhof – der einmal, das war nach dem Zusammenbruch 1918, Wilson-Bahnhof genannt worden war – den Zug nach Berlin. Ja, es war der Zug nach Berlin. Zecke glaubte es erst, nachdem ein Bahnbeamter ihm versichert hatte, daß kein anderer Zug nach dem gleichen Ziel fahren würde. Zum erstenmal sah er einen dieser neuen Militär-D-Züge, seltsam umgebaute Viehwagen mit schmalen Fensterschlitzen (Glas war ein rarer Artikel im zerbombten Deutschland), mit Holzbänken und halbhohen Bretterverschalungen für die einzelnen Abteile.
»Lebe wohl, stille Insel«, dachte Zecke, als die Räder zu rollen begannen und ihn und die anderen Fahrgäste in den anbrechenden Tag hinaustrugen. Mehr als zwei Jahre war ihm das Generalkommando ein sicherer Hort gewesen. Seit dem Zusammenbruch – seinem persönlichen Zusammenbruch – vor Moskau und dem anschließenden Genesungsurlaub hatte er in der Quartiermeisterabteilung gesessen. Nicht ganz tatenlos und etwa nur auf die eigene Sicherheit bedacht. Neben der Routine des Dienstes blieb Zeit genug, und jede Dienstreise (die waren im Generalkommando leicht zu erhalten) war eine Besuchsfahrt, manchmal eine Kurierfahrt gewesen, und hatte dazu beigetragen, das Netz fester zu knüpfen. Bis zum 20. Juli – bis die vorbereitete Bombe sich als Bumerang erwies, auf die Köpfe der Verschwörer zurückfiel, das Netz zerriß und an den gebliebenen losen Fäden die Letzten erzittern ließ. Attentate vorzubereiten schien nicht ganz das gegebene Metier für preußische Generale zu sein. Auch der bloße Wechsel der Personen auf den Kommandohöhen, ebenso der geplante Parteienstaat mit konservativer Führung, politischem Übergewicht des Heeres und »gebührender Vorrangstellung der Kirche und Bekämpfung der materialistischen Weltanschauung« war noch kein genügendes Versprechen und bot kaum ein geeignetes Programm für die Mobilisierung tragender Schichten der Bevölkerung. Viele Voraussetzungen fehlten – eine organisierte Arbeiterschaft, eine echte Soldatenfronde, die Zusammenfassung der zersplitterten Widerstandsgruppen.
Magische Vorstellung – man setzt sich an den Klingeltisch mit den vielen Telefonen, ergreift den Hörer, ruft die Zauberformel hinein, und am andern Ende des Drahtes werden Regimenter in Marsch gesetzt. Die Benutzung des von Hitler selbst für den Fall innerer Unruhen geschaffenen »Walkürebefehls« zur Auslösung des Aufstandes und die Hoffnung auf mechanisches Funktionieren erwies sich ebenfalls als fatal. Geprellte Zauberlehrlinge – aber schließlich liegen auch bei geglückten, bei durchgeführten Revolutionen wirklicher und fauler Zauber nebeneinander auf dem Einsatztisch. Nicht in der Benutzung gegebener Mittel – die können so sonderbar sein wie die Gegebenheiten – in fehlenden Voraussetzungen lag die Schwäche. Unter den fehlenden Voraussetzungen nicht die geringste war die Abwesenheit der ermunternden und auffangenden Hand von außen, denn wie die Dinge nun einmal lagen – im eigenen Staat und in den Verhältnissen zu andern Staaten –, hatten die gegenwärtigen Feindmächte den vollzogenen Umsturz zu legalisieren. Aber innerer Widerstand, andere Männer in einer anderen Regierung, überhaupt ein anderes Deutschland gehörte nicht in ihr Konzept der Abwicklung des Krieges. Davon hatte Zecke sich seit Casablanca, seit Teheran und neuerdings seit Jalta überzeugen müssen, und von den proklamierten »vier Freiheiten« der Atlantik-Konferenz bis zur Forderung der »bedingungslosen Kapitulation« hatte man auf der andern Seite der Fronten einen langen Weg zurückgelegt.
Oberst Zecke war aufgestanden und blickte sich in den Waggons um. Man sah, daß der Zug aus Prag kam, das seit langem Umschlageplatz für alle Kriegsschauplätze des Südostens geworden war. Offiziere aller Dienstgrade saßen auf den Bänken. Offiziere und auch gewöhnliche Landser – Abkommandierte, Verwundete, Genesene, auch jene fehlten nicht, die mit irgendwelchen Marschbefehlen in der Tasche von Stadt zu Stadt, landauf und landab reisten und die versuchten, die Zeit bis zum Ende mit einer Erbsensuppe auf den Bahnhöfen und in fahrenden Eisenbahnzügen zu verbringen. Es gab viele von dieser Sorte, es gab aber auch die andern, die bereit waren, durchzuhalten, und die waren in der Mehrzahl. Alle Waffengattungen waren hier im Zug vertreten. Man mußte aber schon sehr sachkundig sein, um in dem Verfall und der allgemeinen Angleichung der Uniformen noch die Unterscheidungen wahrzunehmen. Das Lederzeug nicht mehr geputzt, die Stiefel dreckig, die Kragen geöffnet, eine zerknautschte Mütze schief auf dem Kopf, eine Zigarette im Mundwinkel, stoppelbärtig, schmutzige Hände, nachlässig in der Haltung, und es war auch ganz selbstverständlich, daß der sich interessiert umblickende Oberst von niemandem mehr gegrüßt wurde. Auf allen Schlachtfeldern Europas geschlagen und jetzt müde, gebettet im gemeinsamen und allgemeinen Elend, über allen Gesichtern die Patina der Katastrophe. Nun aber komme ihnen einer mit der bedingungslosen Kapitulation! Nein, meine Herren, solche Parole ist außerstande, den Krieg zu verkürzen, und kann die Opfer aller Beteiligten nur vervielfältigen. Auf dieser Seite der Front stellt solche Parole die schon Wankenden, die Unterliegenden, um nicht zu sagen die Toten, wieder auf die Beine.
Zecke saß wieder an seinem Fensterplatz. Wälder, Äcker, sanfte Höhenzüge. Böhmisches Land, immer wieder, schon durch tausend Jahre in Abhängigkeit, die Herren wechseln, die politischen, sozialen, religiösen Konflikte bleiben. Und die Wälder bleiben, und die Wolken über den Wäldern bleiben. Zecke blickte in den blauen Himmel. Das Gespräch im Nebenabteil rückte ferner. Eine der Stimmen weckte in ihm eine Erinnerung, ein verschwommenes Bild fallenden Schnees. Er konnte sich nicht mehr ermuntern und schlief endgültig ein. Der Zug ließ das Gebiet der Moldau hinter sich, durchfuhr das Elbsandsteingebirge und folgte dem Lauf der Elbe, hielt auch an der Grenzstelle Tetschen-Bodenbach nicht an. Zecke holte den versäumten Schlaf nach und wachte erst wieder auf, als die Räder unter ihm im Schrittempo und wie auf einer federnden Unterlage aus Gummi fuhren.
Er blickte durch den Fensterschlitz.
Was er sah, war Dresden, aber es war Dresden.
So also sah das aus – ein riesiger Pflug war über die Erde gegangen und hatte eine trostlose Trümmerlandschaft hinter sich gelassen. Von den großen Hotels – dort hatten doch fünf oder sechs nebeneinander gestanden – war nichts geblieben. Eine Düne aus Backsteinbrocken und geronnenem Mörtel, dahinter wieder eine Düne und wieder, Woge nach Woge, in jähem Lauf stehengeblieben. Im Schuttbett eine Säule, ein Fensterbogen, mal ein Haus, die hohle Hälfte eines gespaltenen Turms, eine geköpfte Kirche, die berühmten Dresdener Fassaden im Sturze erstarrt, gespenstisch verändert und überzogen von Ruß und Qualm. – Ausradiert …
Wer hat einmal vom Ausradieren gesprochen? Wer hat damit begonnen, und wer setzt es fort? Großer Gott im Himmel, wo ist das Ende, wohin soll das führen! Unten im Trümmermeer hat auch die Frauenkirche gestanden, und nicht so lange ist es her, daß er dort in der Kirche gesessen und das Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart gehört hatte.
Vor und neben sich Uniformen, die Weite des Kirchenschiffes erfüllt von den Klängen inniger Frömmigkeit, in dem Herzen das Gedenken an einen schmachvoll Hingerichteten. Die Freunde hatten sich hier versammelt und unter die offiziellen Besucher – Träger hoher Orden und Würdenträger des Dritten Reiches – mischen lassen.
»Dies irae, Dies illa …«
Feldmarschall von Witzleben am Fleischerhaken.
Die Qualen seines letzten Weges – das konnte geschehen – geronnen in einem Filmstreifen. Ewige Schande … nicht der mit Schmach Bedeckte, aber die in ihren Roben prunkenden Pharisäer sind besudelt. Nicht der Feldmarschall und die elende Geste seiner Hände (er mußte während der Verhandlung, weil man ihm die Hosenträger weggenommen hatte, seine Hose festhalten), nicht der den Spöttern Preisgegebene, aber der brüllende Volksgerichtshofpräsident, der Propagandaminister mit der Jupiterlampe auf der Hinrichtungsstätte, der vor dem abrollenden Filmstreifen sitzende Unhold stehen am Pranger, von dem sie in Ewigkeit nicht loskommen werden.
Witzleben, Hassell, Höppner, Moltke … Hunderte erhängt, erschlagen, erschossen, abermals Hunderte, Tausende, Arbeiter, Studenten, Frauen … sie sind es, die der Herr bei ihren Namen aufrief, und die sein sind, und die da sein werden, wenn Deutschland sich zu neuem Beginnen erhebt.
»Dies irae, Dies illa …«
Die Räder rollen im Schrittempo über die eben wieder befahrbar gewordene Elbbrücke. Der Vorhang im Tempel in der Mitte aufgerissen. Die Frauenkirche von oben bis unten gespalten. Die Orgel im Schutt, die Glasmalereien und prächtigen Rokokofenster, zu bunten Kugeln geschmolzen, auch im Schutt.
»Dies irae, Dies illa …«
Im Schutt die Bauten von Chiaveri, von Canzler, Dunger, Semper … Im Schutt die Brühische Terrasse, der Zwinger, im Schutt Sgraffitmalereien, Fresken, im Schutt oder in tiefen Schächten versteckt Gemälde von Raffael, Giotto, Holbein, Dürer, Cornelius. Von einem Lächeln Europas blieb nichts als Staub.
Großer Gott … und Roosevelt und Churchill!
Mußte das sein, mußte die Forderung Stalins – man sagt, daß die Bombardierung auf die russische Offensive abgestimmt war – solche Erfüllung finden? Aber der Bahnhof, der größte Kopfbahnhof Deutschlands blieb doch inmitten der Zerstörungen ausgespart! Dresden galt schon seit der Zeit der sächsischen Könige als eine Stadt für pensionierte Beamte, für Offiziere außer Dienst. Ein geruhsam zurückgezogenes Bürgertum wohnte hier. Hochzeitsreisende bummelten durch die berühmten Galerien. In den Gästebüchern kleiner Hotels waren die Namen Dostojewski, Tschaikowski, Balzac, George Sand, Lord Byron zu finden. Dresden ist auch Eisenbahnknotenpunkt und Umschlageplatz für den Nachschub, auch das ist es. Aber der unzerstörte Bahnhof? In der Tat rollte die russische Offensive auch ohne diese Hilfeleistung schon zu mühelos über die verödeten Linien der kaum versorgten, geschlagenen und kampfmüden deutschen Soldaten hinweg nach Westen.
Der unzerstörte Bahnhof bleibt ein Rätsel.
Und es bleibt noch ein Rest, ein kaum ansprechbarer, schwindelmachender Rest. Die Endphase der großen Schlacht an der Wolga – nun zwei Jahre zurückliegend – hatte zweihunderttausend Opfer gekostet, und ganz Deutschland war betroffen, über ganz Deutschland wehten schwarze Fahnen. Hier war die Zahl der Opfer, die in zwei Nächten in den Schutt sanken, nicht kleiner, war größer. Dort waren es Soldaten – hier waren es Pensionäre, Arbeiter, Angestellte, alte Frauen, junge Frauen, Kinder und Flüchtlinge, und kein Anlaß war gegeben für einen nationalen Trauertag.
»Wie viele da unten liegen, das kann niemals gezählt werden.«
»Die Flüchtlinge hat schon vorher keiner gezählt.«
»Sie, Herr Hauptmann, sind doch auch da ›reingeraten?«
»Ja, ich war dort, war an jenem Tage angekommen, war auf dem Wege zum Generalkommando«, erwiderte der junge Hauptmann. Er trug ein Ritterkreuz. »Boehlke«, hatte er sich beim Platznehmen vorgestellt. Er schien keine Neigung zu haben, über das Geschehene zu sprechen. Sagte aber dann doch soviel, daß die zunehmende und nicht mehr zu ertragende Hitze ihn wie alle andern aus einem Kellerloch herausgetrieben hatte, daß er durch brennende Straßen gelaufen und wie alle andern versucht hatte, die freien Plätze der Stadt zu erreichen. »Im Großen Garten bin ich in die Menge der dort mit ihren Treckwagen stehenden Flüchtlinge hineingeraten. Unvorstellbar … die Leute liefen hierhin, liefen dorthin, wußten nicht mehr aus und ein. Die MG-Salven der Tiefflieger kämmten durch die Wagen und die in Panik hin und her hetzenden Menschen.«
»Terrorflieger!«
Das war eine Stimme aus dem Nebenabteil. Es war die gleiche Stimme, die vorher in Oberst Zecke eine Erinnerung angerührt hatte. Ein junger Major saß dort; er trug einen Arm in der Binde, und diesmal war die Stimme alarmierend, und die Identität jenes Mannes war Zecke plötzlich klar. Der O-17, wie er genannt wurde, Oberleutnant Hasse, aus dem Stabe Bomelbürgs, saß dort. Oberleutnant Hasse, Hauptmann Hasse – und als Hauptmann unter ihm Regimentsadjutant. Vor Moskau war es, ein winziges Dorf an der Nara. Die Hütte schwankte. Das Fenster flog ins Zimmer. Mit den Scherben, mit der vom Tisch gefegten Petroleumlampe, mit dem hereintreibenden Schnee lag auch er am Boden. Das Gesicht, das sich über ihn beugte – neben dem Arzt, der ihm eine Spritze Strophantin verabreichte –, war das seines Adjutanten Hasse. Ein Herzanfall, und da war genug zusammengekommen, um einen Herzanfall verursachen zu können – der überstürzte Rückzug, die allgemeine Verwirrung, die schweren Verluste, und zu allem verschwand in der gleichen Nacht der Divisionskommandeur Bomelbürg, verschwand im Schnee, um niemals mehr aufzutauchen.
Und nun saß nebenan der Hasse.
Major Hasse, eine trockene, etwas dürftige Stimme.
»Terrorflieger!« sagte Hasse.
Unten lag die Stadt, in einer Nacht zu einer Wüste geworden, und die langgestreckten erstarrten Schuttdünen waren nun die riesigen Gräber der Bewohner.
Hauptmann Boehlke sagte doch noch einiges. Hitze, Qualm, Verzweiflung, blendende Helle, Menschen wie dürre Blätter dahingetrieben und wie dürre Blätter verbrennend. Das erzählte er und auch, daß er im Windschatten des Feuersturmes aufgefunden, ins Wasser getaucht und wieder herausgezogen worden war.
»Terrorflieger!« wiederholte Hasse eintönig.
Sachlich war dagegen wenig einzuwenden, doch Zecke, der schon im Begriff gewesen war, aufzustehen, um seinen ehemaligen Adjutanten zu begrüßen, blieb sitzen. War wirklich nichts einzuwenden … Oradour-sur-Glane, Lidice, Treblinka, Auschwitz, das Gas Zyklon B, der »Nacht-und-Nebel«-Erlaß, Berge menschlicher Skelette aus den Verbrennungsöfen und den Gaskammern und ungezählte Hunderttausende für die Vernichtung noch vorgemerkt, die Ausrottung zum Staatsprinzip erhoben, da steht es uns schlecht an, von Terror zu reden. Aber … wo ist das Ende, wie soll das alles einmal aufhören? Stehe Gott uns bei und auch den anderen! »Wenn einer abspringt, dann nichts wie hinlaufen und den Stiefel in die Fresse und das Gesicht austreten! Jeder von ihnen hat das hundertmal verdient.« – Das war wieder Hasse.
Zecke blieb wieder sitzen.
Der Zug ließ die Brücken hinter sich, fuhr ins Land, eine sanfte, langhingezogene Anhöhe hinauf. Neben der Strecke war eine Straße, auf der andern Seite und jenseits der Elbe lief ebenfalls eine Straße.
Das Gesprächsthema wechselte.
»Wo wollen denn die hin, und die andern?«
»Die einen ziehen in die Tschechei, die andern ziehen nach Norden!«
»Die sind doch völlig wahnsinnig!«
»Wer ist das denn nicht in diesen Tagen?«
Auf der Straße treckten Flüchtlinge, auf der andern Straße jenseits der Elbe treckten ebenfalls Flüchtlinge. Aber während die einen nach Norden zogen, um Sicherheit zu finden, rumpelten die Wagen der andern auf der Flucht vor den Russen nach Süden. Die Wagen holperten schwerfällig dahin – viel zu langsam für die Gehetzten, die darin saßen und daneben herliefen. Eine irre Hoffnung trieb sie vorwärts. Eine lange Straße hatten sie hinter sich, und sollte nun alles, der Hunger, der Wind, die Tränen, die am Wege zurückgelassenen Toten, umsonst gewesen sein? In der Flucht, in der Bewegung, im Vorwärtskommen suchte jeder das Heil. Keiner schien daran zu denken, daß der Fluchtweg nach Norden ebenso versperrt war wie der nach Süden, und keiner brachte den Mut auf, an der Stelle zu bleiben, um das Schicksal zu erwarten.
»Ist es etwa hier im Zug anders?« fragte Zecke und blickte dabei den jungen Hauptmann Boehlke an. Dieser Hauptmann war durch die wankenden Mauern und die Feuer des Weltgerichts gegangen und saß nun hier im Zuge nach Berlin, einen neuen Dienst als höherer Adjutant anzutreten. Und nicht nur diesen Hauptmann, auch andere und viele unter denen, die hier saßen, hatte der Teufel schon im Maul gehabt und wieder ausgespien, und sie fuhren nun irgendwohin, um ihren bisherigen Dienst fortzusetzen oder einen neuen Dienst zu beginnen, um den gerissenen Faden dort wieder aufzunehmen, wo er ihren Händen entfallen war. Als ob alles immer so weitergehen könnte und nach dem apokalyptischen Untergang noch höhere Adjutanten gebraucht würden, und als ob – was ihn selbst und seine Kommandierung anbelangte – dann noch Regimenter aufgestellt und Regimentsführer ernannt würden! Und da war dann auch Hasse. Er war am Abteil vorbeigekommen und stehengeblieben.
»Guten Tag, Herr Oberst!«
»Menschenskind, Hasse, Sie sind es also wirklich!«
»Das ist aber eine Überraschung!«
»Ich hatte vorher schon Ihre Stimme gehört, war aber nicht ganz sicher. Setzen Sie sich doch, Hasse. Hier ist noch ein freier Platz.«
»Guten Tag also und Grüß Gott und Heil Hitler!«
Also, Gott und Hitler und alles zusammen, und woher und wohin, und wissen Sie noch, und erinnern Sie sich noch …»Und damals an der Nara, wie ist es da weitergegangen?«
Sie saßen nebeneinander, der ehemalige Regimentskommandeur und der Nachfolger, der im Winter 1941 das zu einem Haufen zusammengeschmolzene Regiment übernommen und durch Wind und Schnee zurückgeführt hatte bis Juchnow.
Auch Hasse hatte der Teufel im Maul gehabt, hatte ihn ausgespien, wieder zwischen die Zähne genommen, wieder laufen lassen und ihn auch ein drittes Mal verschmäht, und wohl deshalb, weil er seinem Gaumen nicht gar genug war und zu fade und unbekömmlich erschien. Nicht nur Hasses Stimme war trocken, auch sonst war er von dürrer Wesenheit, das war schon damals bemerkbar gewesen, aber auch alle nachher durchstandenen aufwühlenden Erlebnisse hatten ihm nichts anhaben können. Er war aus der Schneehölle vor Moskau entkommen, hatte ein Jahr später im Kessel von Stalingrad gesessen und war mit einem zerschossenen Arm ausgeflogen worden. Jetzt kam er aus der Gegend der Akropolis, aus Griechenland. Die alte Wunde war wieder aufgebrochen, und er wollte zur Behandlung oder Nachbehandlung nach Berlin, wo er anschließend bei seiner dort wohnenden Familie einen Genesungsurlaub zu verbringen gedachte.
Es kam der Moment, wo alles gesagt war und Zecke und Hasse miteinander nichts mehr anzufangen wußten. Hasse wandte sich dem Hauptmann Boehlke zu. Boehlkes Stammdivision lag an der Kurlandfront. Er war vor Monaten der Generalkommandantur in Potsdam zugeteilt worden. Danach hatte er in der Kavalleriekaserne in Potsdam den Kursus für höhere Adjutantur mitgemacht, war mit dem ganzen Kursus nach Bad Kissingen verlagert worden. Nach Absolvierung der Schule wurde er nach Prag geschickt, wo er bei einem Höheren Artilleriekommandeur den Dienst als Zweiter Adjutant antreten sollte. Er traf aber seinen General in Prag nicht mehr an. In Leitmeritz, wo er hingeschickt wurde, fand er nur Troßteile. Ja, der General hätte eine neue Verwendung bekommen und wäre nach Dresden gefahren, um dort weitere Weisungen zu erwarten, wurde ihm gesagt. In Dresden war er in die Bombennächte geraten, war bewußtlos in ein Lazarett gebracht worden, und jetzt befand er sich auf dem Wege nach Berlin, um sich bei seinem General in Potsdam zu melden.
Boehlke war noch sehr jung, ein viel zu junger Hauptmann eigentlich, und das Mißverhältnis zwischen Rang und Lebensalter galt immer als bedenkliches Zeichen. Doch er hatte ein offenes Gesicht und Augen, die eigentlich jedes Mißtrauen entwaffneten. Zecke war deshalb erfreut, als er nach einer Weile bemerkte, daß auch das Gespräch zwischen Hasse und dem jungen Hauptmann erlahmte und schließlich ganz aufhörte.
Der Zug kroch langsam über das Land.
Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen. Eintöniges Dröhnen der Räder. Zecke nickte ein, blinzelte wieder auf. Im Waggon lautes Schnarchen. Vornübergesunken der eine, den Kopf an den Nachbarn gelehnt der andere, aus dem Schlaf auffahrend und sich wieder zurückfallen lassend. Am Ende des Waggons brannte trübselig eine Kerze. Die Nacht vor dem Fenster war noch so dicht wie vor Stunden. Aber wenn die Zeit auch ebenso langsam schlich wie der Zug, so bewegte man sich doch, und sitzen, sogar in einem überfüllten Waggon und in einer von menschlichen Ausdünstungen schweren Luft, war besser als unter einem Jaboangriff irgendwo auf freier Strecke auf einem Kartoffelacker liegen.
Und auch diese Fahrt nahm ein Ende.
Die Räder klapperten über Weichen. Draußen wischte weißer Dampf vorbei. Der Zug wurde umgeleitet. Die Strecke zum Anhalter Bahnhof war nicht frei. Endlich glitt er in eine riesige Halle hinein, und die Räder standen still.
Berlin, Potsdamer Bahnhof.
Die Halle war mitgenommen, die schweren Mauern aus der Zeit nach 1870 waren geborsten und überzogen von der Schwärze des Brandes. Große Steinbrocken lagen auf den Schienen. Unter den Füßen lagen Glasscherben. Der graue Morgen blickte durch das nackte Gestänge des hohen Kuppeldaches.
Es war fünf Uhr geworden.
Zecke, Hasse, auch Hauptmann Boehlke trieben mit den andern zum Ausgang. Die zum Platz führende Treppe erinnerte an ein Geröllbett. Und der Platz unten glich einem verlassenen Bürgerkriegsgelände.
Mauerbrocken, Eisenträger, Möbelwagen, zusammengefahren und zusammengetragen. Das Straßenpflaster aufgerissen, Gräben waren ausgehoben, Barrikaden waren errichtet, spanische Reiter sperrten den Weg. Was war hier oder was konnte hier verteidigt werden! »Nicht sehr überzeugend!« meinte Zecke.
Hasse lachte nur, doch Boehlke blieb ernst. »Nein, nicht sehr überzeugend, militärisch völliger Dilettantismus!«
Ein Mann mit Leiter und Kleisterpinsel war dabei, ein Plakat anzukleben. Zecke, Hasse und Boehlke erblickten es gleichzeitig: BERLIN BLEIBT DEUTSCH! Das walte Gott, aber der Propagandaminister sollte lieber die Schnauze halten, die Angelegenheit war seiner Kompetenz wohl schon entzogen und die Stunde zu weit vorgeschritten.
Da war schon wieder dieses Heulen.
Schauerlich hallte der an- und abschwellende Ton in der umliegenden Ruinenwelt wider.
Es war das Signal des Vollalarms.
»Alarm, Straße frei!«
»Kellerhotel Atlantic!«
»Kellerhotel Atlantic!« rief auch Hasse, rief es den Nachzüglern auf der Treppe zu. Man brauchte nur den Vorauseilenden zu folgen. An Trümmerhaufen ging es vorbei, an leeren Ruinenfassaden, an einer abrupt nach oben gebogenen Straßenbahnschiene, unter herabhängenden Hochspannungsdrähten durch, und da war dann plötzlich am Ende eines Trampelpfades das Eingangsloch. Kein Posten stand davor, kein Portier oder etwa ein Kellner. Sonderbares Hotel, im Schein der Taschenlampe ging es hinunter. Der vorangehende Hauptmann war augenblicklich eingeschluckt von Finsternis. Wieder Stufen, weiter nach unten. Eine Höhle und noch eine Höhle, weite in Finsternis ruhende Kammern einer Katakombe. In der Ferne flackerte eine Kerze.
»Du Dussel, paß doch auf!«
»Frechheit, was fällt Ihnen ein!«
»Kannst dir vielleicht ein anderes Parkett als meinen Bauch aussuchen!«
Hasse richtete den Schein seiner Taschenlampe auf ein Gesicht. Ein Mariner lag am Boden und funkelte Hasse aus bösen Augen an.
»Lassen Sie nur, Hasse«, meinte Zecke.
Das war hier schließlich der Umgangston, und es war auch ein Ausdruck der Zeit. Eine Stunde vor dem Massengrab durfte es nicht mehr so sehr darauf ankommen und es konnte wohl auch ohne Anrede in der dritten Person gehen.
»Das heißt doch wohl hier nicht umsonst ›Kellerhotel‹«, meinte Zecke. »Vielleicht ist irgendwo eine Tasse Kaffee und ein Brötchen zu haben!«
»Nicht mal Muckefuck. Was Sie nicht in der Hosentasche haben, das ist nicht, Herr Oberst!« Der Matrose hatte sich also schon, wenn auch nicht zur indirekten Anrede, zu einem höflicheren Ton bekehrt. Hauptmann Boehlke, der weitergegangen war, kehrte zurück. Er hatte eine freie Ecke gefunden und lotste Zecke und Hasse dorthin. An die Mauer geklebte Kerzenstümpfe, auch Hindenburglichter schwammen in der Finsternis. Langsam gewöhnten sich die Augen an die Umgebung. Marine, Luftwaffe, Infanterie, Nachrichter, Pioniere, alles lag hier neben- und durcheinander, mit dem Gewehr im Arm, mit dem Tornister unter dem Kopf, mit Rucksäcken, Koffern, Pappschachteln. Soldaten und Offiziere, und alle deckte das schmutzige Grau einer Uniform, die in den letzten Zügen lag. Draußen bummerte die Flak.
»Is nich weit her mit der Flak, Herr Oberst. Nur hier die Bahnhöfe und auch das Regierungsviertel stehen unter Flakschutz, sonst is nischt da!«
Das Getöse der Flak, Detonationen von Bomben. Das Schnarchen hörte deshalb kaum auf. Auch das Schimpfen hörte nicht auf. Die einen beklagten sich darüber, daß sie gestört wurden, die andern waren ungehalten darüber, daß man sie in den Keller gejagt hatte. In Berlin sind täglich drei Großangriffe, manchmal vier oder fünf, wurde gesagt. Und bewegen könne man sich bald überhaupt nicht mehr, denn nach jedem Angriff wäre alles kaputt – die S-Bahn, die U-Bahn, die Straßenbahn.
»Und wie komme ich nach Karlshorst?«
»Nun, früher haben Sie das in einer Stunde gemacht, heute brauchen Sie einen Tag, Herr Oberst!«
»Und nach Potsdam?«
»Dahin geht es etwas schneller.«
Boehlke hatte sich auf dem Generalkommando in Potsdam zu melden. Zecke entschloß sich unter den gegebenen Umständen, zunächst ebenfalls in Richtung Potsdam zu fahren, und zwar bis Wannsee, um dort einen alten Bekannten aufzusuchen. Er hatte also mit Hauptmann Boehlke ein Stück des gleichen Weges. Nach der Entwarnung verabschiedeten sie sich von Hasse, der nach Hermsdorf zu seiner Familie wollte und nachher zur Nachbehandlung in das Reservelazarett Tempelhof. Boehlke kaufte sich auf der S-Bahn-Station eine Zeitung. Und unterwegs sah er die Nachrichten durch und las auch, und zwar genau, einen der auf die nahe Wende des Kriegsglückes abgestimmten Artikel. Zecke, der Boehlke gegenübersaß, beobachtete ihn dabei genau. Er bemerkte, wie sorgfältig er las, wie sein Gesicht sich verfinsterte und traurig wurde. Boehlke faltete melancholisch die Zeitung zusammen, begegnete dem Blick Zeckes und zuckte die Achseln.
»Es kann einen Hund jammern machen«, sagte er, »was ist nur zu tun?«
»Ich glaube, es ist reichlich spät für jedes Tun!« erwiderte Zecke.
»Nun ja, das stimmt wohl …, aber ich habe mich bei meinem Artilleriekommandeur zu melden.«
»Wir haben uns alle irgendwo zu melden.«
Boehlke erzählte dem Obersten Zecke seine Epopöe – Potsdam, Bad Kissingen, Prag, Leitmeritz, Dresden, und auch in Leitmeritz und Dresden hatte er seinen General nicht angetroffen; er sollte ihn jetzt in Potsdam finden.
»Es sieht fast so aus …« Es sieht fast so aus, als ob er einer der landauf und landab reisenden Soldaten wäre, die nichts als die Zeit herumbringen wollen, das wollte er sagen.
»Aber es ist nicht so, Herr Oberst. Es ist wie verhext, ich komme überall zu spät.« – »Nun, man weiß nicht, wofür es gut ist!«
Zecke hatte sich in dem jungen Hauptmann nicht getäuscht. Der Fall war jetzt ganz klar. Er war einer, mit dem man offen reden konnte. Die Brücke von Mensch zu Mensch war geschlagen, aber dabei sollte es wohl bleiben.
Er mußte aussteigen. Eine Begegnung am Wege – Schiffe, die in der Nacht aneinander vorbeifahren.
Es blieb nur noch Zeit, einander die Hände zu drücken.
Einen Fußweg von zwanzig Minuten hatte Zecke zurückzulegen, dann stand er vor einer jener geschmacklosen Villen mit Türmchen und Stuckornamenten, wie sie in der Kaiserzeit gebaut wurden. Zwei Familien wohnten in dem Haus, oben ein Luftwaffenoberst und in der Parterrewohnung sein alter Bekannter, der Schriftsteller Dr. Wittstock.
»Dr. Wittstock, was ist das für ein Mann?« wurde Zecke einmal gefragt, und zwar in jenen Tagen seines Berliner Aufenthaltes, und von einem Menschen, dem er zum erstenmal begegnete, dem er dennoch rückhaltlos vertraute und dem er gerade diese Frage genau zu beantworten hatte.
»Ach, was ist das für ein Mann …, ein begabter Mann, ein hysterischer Mann, ein sehr beweglicher Mann«, begann Zecke bei dieser Gelegenheit – das war am südlichen Rande Berlins, in einem Siedlungshaus hinter Tempelhof – seine Charakteristik. »Nein, beim Militär war er nicht, und nicht in solcher Verbindung bin ich mit ihm bekannt geworden. Sie kennen doch Potsdam, meine alte Garnisonsstadt, und können sich vielleicht vorstellen, wie einem da manchmal zumute sein konnte, und daß man immer willens war, aus dem Gehege auszubrechen. Zudem in der Ära Seeckt war man überhaupt darauf aus, sich nach allen Seiten, nach rechts und links und besonders nach links umzusehen. Berlin in den zwanziger Jahren, man aß doch nicht immer im ›Adlon‹ – Inflationsgewinner und Deflationsgewinner und Reinhard, Piscator, und Experimente überall, die Cafés am Kurfürstendamm, die Theaterfoyers, die Kabaretts, die Restaurants abends nach Theaterschluß, da tat sich etwas! Und man kam in Salons, die geradezu Experimentierfelder für gewagte gesellschaftliche Kombinationen waren, und so kam ich auch zu den Wittstocks. Also, beim Militär war Wittstock nicht, das hatte irgendwie nicht geklappt, und daher und auch aus seiner Vergangenheit heraus hat er gewisse Komplexe, hat geradezu eine Sucht nach Uniformen, und wo im Dritten Reich an so etwas heranzukommen war, war er immer dabei. Und obwohl er innerlich immer oppositionell zur Partei stand, hat er doch niemals unterlassen, mit den Brüdern zu kokettieren. Pg war er nicht, die wollten ihn gar nicht, er hatte ihnen viel zu schwache Nerven. Und das stimmt auch und setzt ihn außerstande, auch nur wenige Jahre in Opposition zu leben. Die jeweils herrschende Macht zieht ihn an. Presse, Publizität, Autos, Aufmärsche, das ganze pompöse Gehabe, der Glanz der Öffentlichkeit, das alles fasziniert ihn, und er muß unbedingt dabeisein, muß daran teilhaben können. Dabei kann es passieren, daß er in seiner Exaltiertheit und dank seiner intellektuellen Einsicht furchtbar auf den Hitler schimpft; er kann beispielsweise in eine Gesellschaft kommen und ausrufen: Ihr habt vollkommen recht, endlich müßte man das Attentat machen! Wenn es dann aber binnen drei Tagen nicht dazu kommt, dann wird er erklären: Man sieht es ja wieder einmal, die Leute sind zu untalentiert, und die andern haben doch recht, und sie haben allein dadurch, daß sie an die Macht gelangt sind, auch die geistige Legitimation, die Macht zu gebrauchen. Sie sind wirklich die Männer, sie haben die Gegebenheiten der Geschichte erkannt und verstehen auch zuzupacken. Ihr aber, ihr armen Intellektuellen, seid blind, seid gelähmt durch Skrupel und moralische Vorurteile. Und so weit gelangt, wird er nicht mehr anhalten und die ganze Fülle moderner Redensarten steht zu seiner Verfügung. Danach ist Moral dann nur eine Zusammenfassung der Werturteile des mittleren Bürgers für sein bequemes Leben. Und Geschichte machen, heißt aus dieser Sicht brutal eingreifen. Und geschichtliche Verantwortung tragen, das bedeutet, daß auch einmal Menschenleben riskiert werden! Und das Böse, sagt er, ist nicht mehr böse, wenn es in großem Format begangen wird. Und nur mit dem Mut zum Bösen gehe man in die Geschichte ein. Und in die Geschichte eingehen, das ist ihm eine Art Religionsersatz, eine Art noch vorstellbarer intellektueller Ewigkeit. Alles andere gehört nach seiner Meinung in das Gebiet mythologischer Flausen. Allenfalls und im Gegensatz zu seinem ausgesprochenen Rationalismus (aber der ganze Wittstock ist aus Gegensätzen zusammengesetzt) läßt er das Unbewußte noch gelten. Das Unbewußte als treibende Kraft in der Geschichte ist sogar eines seiner bevorzugten Steckenpferde. Alles zusammengenommen – eine Verkennung der wirklich treibenden Kräfte, eine Verdrehung der Geschichtsphilosophie und als Leitstern ein heruntergekommenes Renaissanceideal: das ist Wittstock, aber doch nicht nur Wittstock, das entspricht leider der geistigen, oder sagen wir besser, der intellektuellen Haltung vieler Menschen in unserer entgötterten Welt.«
Vor der Tür dieses verhinderten Renaissancemenschen stand Oberst Zecke. Die Klingelanlage im Haus funktionierte nicht. Aber die Alarmsirene an der nächsten Straßenecke funktionierte. Es heulte schon wieder, und zwar in dem auf- und abschwellenden, endlosen Ton, also verspätet. Die Flak begann bereits zu ballern. Zecke trommelte mit der Faust gegen die Tür und wurde trotz des Wirbels draußen gehört. Die Tür ging auf und vor ihm stand Wittstock, mit zerzaustem Haar, beladen mit Mänteln, auch mit dem Pelzmantel seiner Frau, in der Hand das Luftschutzgepäck.
»Mensch, Zecke, du bist es, wo kommst du denn her, komm schnell herein!«
Zecke folgte Wittstock ins Haus und zur Hintertür wieder hinaus, in den Garten hinein und ein paar Stiegen hinunter in einen Splittergraben.
»Der zweite Luftangriff heute, wir sitzen mit einer kurzen Zwischenpause seit fünf Uhr hier im Graben.«
»Den ersten Angriff habe ich ebenfalls mitbekommen, im Kellerhotel ›Atlantic‹.«
»Keine Post, keine Zeitung, kein Telefon, sehr gemütlich, sage ich dir!«
Der Graben war im Zickzack angelegt, war für Regentage oben mit Brettern abgedeckt und mit Erde beworfen, war sehr schmal, und es war nur möglich, sich hintereinander aufzustellen oder allenfalls an dem Boden zu hocken. Das Ehepaar Wittstock und er, sonst befand sich niemand im Graben. Zecke hatte erst jetzt Gelegenheit, die Dame des Hauses zu begrüßen. Frau Wittstock war eine Freundin oder stand jedenfalls im Besuchsverhältnis zu seiner Frau. »Wie geht es Lena?« war auch ihre erste Frage.
»Danke, den Verhältnissen entsprechend. Sie ist im Thüringer Wald, in Friedrichsroda, zusammen mit Agathe, und schreibt recht befriedigend!«
»So, du kommst also aus Prag, hast du schlecht eingerichtet, lieber Herbert. In Prag ist es doch sicherlich noch ganz zivilisiert!«
»Und so schöne Dinge gibt es dort und so billig!« meinte Frau Wittstock.
»Oh, das ist lange her, das war einmal, gnädige Frau. Und die Billigkeit damals war auch nur reine Willkür, die Dinge kosteten einmal fast gar nichts, auf Grund des hochgesetzten Kurses der Reichsmark. Lange vorbei, wie alle Vorteile, die uns unsere ›vorausschauende‹ Politik einbrachte.«
Die Bomber am Himmel dröhnten, anscheinend zogen sie direkt über den Garten hinweg. Die Einschläge saßen weiter in der Ferne.
»Vielleicht gilt es uns nicht«, meinte Wittstock. »Aber wenn man gesehen hat, wie eine Bombe ein neunstöckiges Haus durchschlägt, oder wenn man, wie hier in unserer Straße, die verkrümmten Leichen sieht, die aus den Trümmern hervorgezogen werden, dann meidet man den Keller, dann lernt man so einen Graben schätzen! Alles was passieren kann, ein Volltreffer, und dann ist es aus.«
»Ja, es ist wie an der Front!«
»Du bleibst doch bei uns, Herbert? Es geht doch!« wandte Wittstock sich an seine Frau.
»Ich würde sehr darum bitten. Sie wissen doch, Herr Zecke, daß Sie immer willkommen sind, und die leere Wohnung in Potsdam ist doch zu ungemütlich, vielleicht auch zu weit weg.«
»Was hast du übrigens vor?«
»Was hat man mit mir vor, kann es nur heißen!« Er unterrichtete die beiden Wittstocks über seine Kommandierung und sagte, daß er zuerst seine Dienststelle aufsuchen müsse, dann aber gern auf das liebenswürdige Angebot zurückkommen werde.
Zecke beschloß, sich noch am gleichen Tage bei seiner Dienststelle in Karlshorst anzumelden und nach der Entwarnung und nach einem Frühstück verabschiedete er sich. »Jedenfalls kannst du zu jeder Tages- und Nachtzeit zurückkommen«, gab Wittstock ihm mit auf den Weg.
Die Voraussage, nach der er bis Karlshorst fast einen Tag benötigen würde, stellte sich als annähernd richtig heraus. Zuerst ging es glatt, aber schon am Potsdamer Platz mußte er aussteigen und bis zum Alexanderplatz laufen. Mit der S-Bahn kam er nur bis zum Schlesischen Bahnhof. Er erkundigte sich nach dem weiteren Weg.
»Ja, die S-Bahn ist hier unterbrochen«, wurde ihm erwidert. »Gehen Sie mal diese Straße lang, dort fährt die Elektrische, natürlich nicht bis Karlshorst, aber vielleicht kommen Sie bis zum Ostkreuz.«
Oberst Zecke stand also dort und blickte in den Qualm hinein. Es wird schon stimmen, dachte er, als es lange dauerte. Sein Warten wurde belohnt, die Straßenbahn kam, und er konnte einsteigen. Und daß er einsteigen und mitfahren durfte, verdankte er seiner Uniform. Andere Passanten, die keinen roten Ausweis vorzeigen konnten, wurden von dem Schaffner abgewiesen. Ein kleiner verwachsener Sechzehnjähriger versah hier den Schaffnerdienst. »Ihr könnt laufen!« sagte er zu den Leuten, die ohne rote Karte mitfahren wollten.
»Ein Stück können Sie ja mit uns kommen«, sagte der Bucklige zu Zecke. »Gestern ging es schon wieder bis zur Unterführung, aber vorhin war doch der große Angriff, und ich weiß nicht, wie weit es nun geht!«
Es ging nicht weit, Zecke stand bald wieder auf der Straße.
»Sagen Sie mal, mein Bester, wie komme ich nach Karlshorst?«
»Wenn Sie Glück haben mit der S-Bahn, gestern fuhr noch ein Pendelwagen.«
Weiter ging es mit dem Pendelwagen der S-Bahn, allerdings auch nicht die ganze Strecke. Zecke war nun aber so weit gelangt, daß er den Rest des Weges zu Fuß zurücklegen konnte. Und endlich, am Spätnachmittag, erreichte er Karlshorst und das Kasernengelände.
Eine großzügige Anlage, eine Reihe moderner Bauten. Die Fenster waren natürlich rausgeflogen, und auf den Dächern fehlten streckenweise die Dachziegel. Die Häuser wirkten verlassen. Es war kein richtiger Betrieb mehr, das sah man. Ein Posten in riesigem Fahrermantel, mit dicken Fahrerstiefeln, eine alte zerkaute Pfeife im Mund, die Mütze schief auf dem Kopf, war ganz die Landsergestalt, wie Zecke sie gern sah. Der Landser stampfte vor der Einfahrt hin und her, vier oder fünf Schritte rechts und dann ebenso viele Schritte zurück.
»Kamerad, ich suche die Pi-Schule!«
Der Posten blieb stehen und betrachtete Zecke. Ein alter Oberst, noch einer von der alten Garde. Er kaute, ohne dabei die Pfeife aus dem Mund zu nehmen, eine Antwort heraus.
»Die Pi-Schule, das hier sind die Reste der Pi-Schule!«
Die Reste …, so sah es aus, auf dem Innenhof lagen Trümmer, vom Haus war das halbe Dach abgedeckt, kein Fenster war heil geblieben.
»Hier hat doch mal ein Regimentsführerlehrgang stattgefunden?«
»Ja, hat stattgefunden, ist aber schon vorbei!«
»Nun, ich soll dort hin, muß mich dort melden!«
»Da kommen Sie aber reichlich spät, Herr Oberst, wissen Sie noch nicht, haben Sie noch nichts gehört?« – »Nichts weiß ich.«
»Nun, dann hören Sie mal zu, der Lehrgang wurde doch aus Angst vor den Russen verlagert, nach dem Westen. Und gerade heute vormittag haben wir die Meldung gekriegt, daß dort die Amis gekommen sind und den ganzen Kurs ›hop‹ genommen haben.«
»Was haben sie, den Kursus ›hop‹ genommen?«
»Jawohl, mitten auf dem Übungsfeld. Wären Sie früher gekommen, dann hätten Sie es auch schon hinter sich, Herr Oberst!«
Oberst Zecke erfuhr weiter, daß im Hause schon einige Nachzügler für den Lehrgang in Quartier lagen und daß der Regimentsadjutant zurückgeblieben war und die Geschäfte des Regiments am Orte weiterführte.
Er ließ sich Zeit und suchte zuerst einmal die Kantine auf. Auf dem Wege dorthin hatte er auch Gelegenheit, sich die Unterkunftsräume zu betrachten. In der Kantine traf er einige jüngere Herren, sie bestätigten ihm die Erzählung des Postens. Darüber hinaus hatten sie bereits weitere Nachrichten. Danach war der gesamte Lehrgang tatsächlich in die Hände der Amerikaner gefallen, aber am gleichen Tage durch den Gegenstoß einer deutschen Panzerdivision wieder befreit worden und sollte nun abermals verlagert werden. Dieses Mal nach Süddeutschland, der genaue Ort war noch nicht bekannt. Als Zecke das Regimentsbüro aufsuchte, war er über alle Angelegenheiten des Lehrgangs bereits unterrichtet und wußte beinahe ebensoviel wie der Regimentsadjutant, auch über die Person des Adjutanten war er ins Bild gesetzt worden.
»Schönen guten Tag, hier Oberst Zecke, ich komme aus Prag.«
Dem Adjutanten fiel das Einglas fast aus dem Auge. Er starrte den Eintretenden an. Er war Major und im Zivilberuf Gewerbelehrer, doch er vertrat hier das Regiment und durfte wohl auch von einem Obersten eine richtige Meldung erwarten. Aber weder die saloppe Haltung noch der joviale Ton Zeckes entsprachen seinen Vorstellungen über eine militärische Meldung.
»Hier ist ja schon alles völlig demoliert«, setzte Zecke im gleichen Ton fort. »Was machen Sie da eigentlich noch hier! Ich bin ja nun offensichtlich zu spät gekommen. Wann kann ich also wieder abreisen?«
Dem Adjutanten fehlten die passenden Worte. Auch der Oberzahlmeister, der im gleichen Raum saß, blickte konsterniert auf, beugte sich aber gleich wieder über seine Papiere.
Der Adjutant sagte schließlich:
»Es tut mir leid, Herr Oberst, daß Sie vergeblich hierherkamen. Indessen habe ich weitere Telegramme, auch neue Aufträge für Herrn Oberst noch nicht erhalten. Unter diesen Umständen muß ich bitten, sich weiter bereit halten zu wollen.« Und er erklärte, was Zecke bereits wußte, daß der Lehrgang nach Süddeutschland verlagert würde, der genaue Ort leider noch nicht bekannt sei, und daß man neue Marschbefehle für Nachzügler abwarten müßte.
»Aber Sie können doch mit dem Personalamt telefonieren. Eine Verbindung hier in Berlin oder nach Zossen kann doch nicht so umständlich sein?«
»Das Heerespersonalamt ist schon vor einiger Zeit nach Thüringen verlegt worden, und der Telefonverkehr nach Thüringen ist augenblicklich gesperrt.«
»Der Telefonverkehr nach Thüringen ist augenblicklich gesperrt – das will heißen, das Personalamt existiert auch in Thüringen nicht mehr, das halbe Thüringen existiert für uns zur Stunde nicht mehr. Das können Sie im Wehrmachtsbericht nachlesen. Unterlassen Sie also freundlicherweise solche euphorischen Umschreibungen.«
Der Adjutant schien tatsächlich, wie ihm gesagt worden war, ein martialischer Herr zu sein. Er ignorierte sogar die Verlautbarungen des OKH und wollte offenbar selbst Goebbels an ignorantem Durchhaltewillen übertreffen. Doch jetzt war er in die Defensive gedrängt, und das war der Moment für Zecke, kategorisch zu erklären: »Da das Personalamt sich offensichtlich in Verlagerung befindet und wir Weiteres abwarten müssen, werde ich also morgen oder übermorgen hier wieder vorsprechen.«
»Ich möchte Herrn Oberst aber doch bitten, in der Kaserne Quartier zu nehmen.«
»Kommt überhaupt nicht in die Tüte!«
Der Adjutant war geschlagen, seine Erwiderung klang lahm.
»Es wäre aber erwünscht, Herr Oberst!«
»Ich habe mir Ihre Unterkunftsräume angesehen. Die Räume sind recht unbequem, und die Betten sind auch schlecht. Ich denke gar nicht daran, die letzten vierzehn Tage meines Lebens so unbequem zu verbringen!«
Die letzten vierzehn Tage … Was erlaubte dieser Oberst sich eigentlich, was wollte er damit sagen? Dieses Mal fiel das Einglas dem Adjutanten tatsächlich aus dem Auge. Der Zahlmeister beugte sich noch tiefer über seine Schreibarbeit. – Zecke betrachtete beide.
Da sitzen sie also, mit abgerissenen Telefonverbindungen, in einem zerbombten Haus, die Scherben der herausgefallenen Fenster auf dem Tisch, und anscheinend sind beide entschlossen, noch im letzten Augenblick den Krieg zu gewinnen. Immerhin dürften doch auch sie nicht übersehen, daß es ein Unterschied ist, ob ein Regimentsstab an der Front zerbombt wird oder ob die Front bereits nach Berlin hineingreift.
»Meine Herren, ich verstehe Ihre Zuversicht nicht. Was meine Angelegenheit anbelangt, so habe ich in der Stadt bereits ein Quartier. Ich habe Verschiedenes zu tun, will mich auch etwas umsehen, alte liebe Freunde besuchen, und übrigens ist alles bereits so derangiert, daß es keine Rolle spielt, ob das erwartete Telegramm ein paar Stunden früher oder später in meine Hände gelangt.«
Dabei blieb es.
»Auf Wiedersehen, meine Herren, bis übermorgen also!«