Aus dem Nachlaß herausgegeben von Gerhard Schuster
Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Oktober 2018
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Umschlaggestaltung Anzinger und Rasp, München
Umschlagabbildung Karoline Borchardt-Ehrmann – Rudolf Borchardt, 1912, Öl auf Leinwand (unvollendet). Sammlung Tenschert
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ISBN Printausgabe 978-3-498-00691-4 (1. Auflage 2018)
ISBN E-Book 978-3-644-00274-6
www.rowohlt.de
Die Seitenangaben der Zitatnachweise beziehen sich auf die Seitenzahlen der Printausgabe
ISBN 978-3-644-00274-6
Der Text folgt dem Manuskript Rudolf Borchardts im Nachlaß mit allen Eigenheiten der Schreibung und Zeichensetzung. Die Abschnitte I–XI ergeben sich nicht etwa aus einer Kapitelstruktur des Autors, sondern bezeichnen lediglich die Anzahl der erhaltenen Manuskriptkonvolute in der Abfolge der Handlung, die jedoch durch Überlieferungsverluste fragmentiert sind und also nicht fugenlos aneinander anschließen. Auffälligkeiten, die als Fehler gelten könnten, sind mit [sic] markiert, nicht entzifferte Buchstaben oder Textverluste in der Handschrift werden nach Anzahl der Buchstaben mit xxxx gekennzeichnet (etwa 172, 279, 381, 449). Zeilenbrüche sind mit | angegeben, Auslassungen mit […], Wortergänzungen stehen in { }. Die Varianten (Streichungen, Alternativfassungen), einen Editionsbericht und einen Zeilenkommentar enthalten die gleichzeitig erscheinenden Bände der kritischen Gesamtausgabe (SW XIV/1–2), mit den zugehörigen Entwürfen, Materialien und Registern zum biographischen und topographischen Hintergrund; dort auch der Nachweis aller Zitate in der Nachbemerkung.
«Ja ja mein Sohn, und nun denke wieviele es heimlich für Geld thun, wieviele Du einfach ansprechen und mitnehmen kannst, wieviele es aus blosser Liebe und aus Geilheit thun, dann haste ne Ahnung von Berlin wie es weint und lacht. Rede mal mit Ausländern. Für die ist Berlin der Weltpuff, na Deutschland überhaupt. Paris nischt mehr dagegen, ganz abgekommen.» (725)
Ich war ein junger Mensch von vierundzwanzig Jahren als ich in der Universitätsstadt G etwas ausgefressen hatte und mit allen Anzeichen der Familienschande nach kurzem Zwischenakte nach Berlin ins elterliche Haus befohlen wurde. Mein Vater machte mir eine Wutszene, erklärte mir ich sei im Hause eine Art von Gefangener bis ich mich wieder herausgepaukt hätte, wäre nur für die notwendigen Gänge die das Studium notwendig mache, frei und im übrigen unter Arrest. Ich erfuhr ich würde kein wirkliches oder eigenes Zimmer haben sondern eine Art von Gefängniszelle. Als solche wurde mir der kleine Telephonraum angewiesen, der eigentlich die pantry neben dem Speisesaale war. Man betrat ihn von der Entree aus, die durch andere Thüren in die Gesellschaftsräume und durch deren Umweg wiederum in jenes Speisezimmer führte. Erst jenseits des letzteren begannen an einem unabsehbaren Corridor entlang die vielen Schlafzimmer der grossen Familie, die in den Wirtschaftsräumen und dem Hinteraufgang für das Gesinde endeten. So war ich allerdings von Eltern und Geschwistern weit getrennt, aber der Hausthür und der Treppe nahe und jeder Controlle entzogen. Die Telephonpantry war fünf Schritt lang und zwei breit. Die eine Schmalseite hatte das grosse Hoffenster, die andere, hintere die Entréethüre. Die eine Längsseite hatte die Speisezimmerthür und daneben Telephon und Telephonkasten. An der freien Längsseite wurde mir ein Bett untergebracht, unter das Fenster ein Tisch mit Stuhl gestellt, eine Ecke hatte den dreibeinigen Waschtisch. Im verbleibenden Freiraum konnte ich mich zwei Mal herumdrehen.
Ich war nicht im geringsten reumütig sondern wütend und ein Rebell. Was mir die Schmach eingetragen hatte war in meinen Augen ein belangloser Streich der mit meinem wirklichen Leben nichts zu thun hatte und den das thörichte Tratschen verzerrte und aufbauschte. Vor meinen jüngeren Geschwistern und den alten Dienstboten die mich vergöttert hatten und nun wortlos vor der mir widerfahrenden ihnen unerklärlichen Behandlung standen, verschloss ich mich finster und ingrimmig. Ich war als der alberne Stoss mich traf in einer ungestüm aufstrebenden Entwicklung gewesen, die sich nicht auf Befehl abhacken und in Stagnation verwandeln liess. So nahm ich mir sogleich vor mir die versagte Freiheit der Bewegung zu ertrotzen. Die Hausthür war in meiner Hand. Auf dem Boden stand in Kisten meine mir nachgesandte Bibliothek mit teilweise kostbaren Büchern. Auch wenn ich nur ein gutes Dutzend davon verwertete, war ich für die bescheidenen mir vorschwebenden Zwecke flüssig. Ich dachte weder an Verschwendungen noch Zerstreuungen, aber die Nächte wollte ich für mich Fahrgeld für die Tram oder die Droschke, das Caféhaus, durchplauderte Stunden mit Meinesgleichen, während das Haus im Schlafe lag. Wie das zu machen sei wusste ich noch nicht. Das Geld half nichts wenn ich für die Hausthür keinen Drücker hatte. Diese Gedanken, Pläne und erbitterten Vorsätze beschäftigten mich während der halb freiwilligen Clausur des ersten Tages, während dessen ich bei Mahlzeiten das Auge nicht vom Teller hob. Abends klopfte es. Da ich brummend geantwortet haben mochte, klopfte es stärker. Ich sass überm Buche während augenscheinlich hinter mir mein Bett gemacht wurde. Tags drauf im Speisezimmer bevor ich auf die Bibliothek ging, servierte mir das alte Hausmöbel Caroline das Frühstück. Im Weggehen sah ich halben Blicks durch die offene Salonthüre das zweite Mädchen von hinten ihre Arbeit thun. Sie drehte sich auf meinen Schritt sofort um, – jung, ganz hübsch glaubte ich im Gehen – was man eben so flüchtig sieht und sofort vergisst weil es gleichgiltig ist. Auch in den nächsten Tagen habe ich an ihr wo ich in ihrer Nähe passieren musste vorbeigesehen wie an einem Schrank, ja schon das ist für die Luft die sie mir war, zu viel gesagt und klingt noch zu aktiv. Ich ging wie eine festgeschlossene Faust durchs Haus. Niemand sollte ahnen dürfen was in mir vorging. Und alles wich meinem Ingrimm mehr oder minder scheu aus.
Ich war gewöhnlich den Vormittag auf der Bibliothek, kam zu Tisch heim um mich für den Nachmittag zu verkriechen. Man schob die wichtigsten Telephonate auf meine Abwesenheitszeit und störte mich nur wenn es unerlässlich war – ich kehrte Eintretenden den Rücken und nahm keine Notiz. Diese Martha, das zweite Stubenmädel bekam mein Gesicht anfangs so wenig zu sehen wie mir an ihrem gelegen war. Sie versorgte mich musterhaft, meine Kleider und Stiefel wurden peinlich gehalten, meine Hüte gebürstet, mein Loch spiegelnd sauber geputzt, mein Bett im Winkel gesprenkt und gelegt. Ich nahm das Mädchen unbewusst auf. Ein Choc wie der meine wirkt isolierend. Ich war ein schlanker mittelgrosser dunkler Mensch mit kräftigen Zügen und schwingenden Bewegungen, stark und elastisch, rasch von Schritten und von sehr entschiedenem Auftreten. Ich hatte keine grosse Mühe zu bemerken, dass ich den Mädchen und Frauen gefiel, dass Verkäuferinnen über den Ladentisch weg meine Augen suchten, geziert lachten und was derlei mehr ist. Auch auf der Strasse bekam ich sehr vertrauliche Blicke und eine Dame der ich in der Tram etwas vom Boden aufgehoben hatte kam dann auf den Vorderperron wo ich stand und lehnte sich wie absichtslos der ganzen Länge nach an mich an. Es ging mir nichts ins Blut und in die Gedanken, ich war abgestellt, deprimiert oder concentriert. Im Ganzen war ich überhaupt Frauen gegenüber noch ganz verschlossen und scheu, obwol ich manches Mädchen heiss durchgeküsst hatte. Auch eine Jungfrau war ich natürlich nicht mehr, aber beglückt hatten mich meine wenigen Erfahrungen mit weiblicher Gefälligkeit nicht wirklich, weil sie mich zu sehr erregten und verwirrten um in dem Bewusstsein der eigenen Kraft und der weiblichen Schwäche so feurig zu schwelgen wie man es erst lernt, wenn die Übung, hier wie überall, den Meister gemacht hat.
Am ersten Sonntag dieser üblen Zeit hatte ich mich Abends eingeschlossen, meiner Gewohnheit nach, denn telephoniert wurde so spät nicht mehr und ich wollte erreichen, dass meine Zelle wenigstens aufhörte, Durchgangsraum zu sein. Plötzlich rüttelte es von der Speisezimmerseite und die zornige Stimme meines Vaters gebot mir zu öffnen. Eine harte Schelte erging von dem in Frack und Orden zu einer Soiree gekleideten grossen Manne über mein Haupt und da es sich um die verschlossene Thüre handelte, auf die ich ungestörter Arbeit wegen ein Recht hatte, oder zu haben mich vermass, antwortete ich mit bitterer Heftigkeit. Er drohte mich bei weiterem Ungehorsam aus dem Hause zu werfen und ich erwiderte mit der Drohung, bei weiterer menschenunwürdiger Behandlung ein solches Haus für immer zu verlassen. Es war eine laute Szene zwischen Männern, die hier einmal eine Sache austrugen, und mein Vater im Weggehen durch die Entrée warf die Thüre, die ich sofort wieder hinter ihm verschloss. So wie auch jene durch die er eingetreten war. Ich zitterte noch vor Ingrimm, in dem jedoch ein heimliches Kraftgefühl der Genugthuung darüber mich verteidigt zu haben, mitschwang, als es an der Thür nach der Entree klopfte. Auf meine ärgerliche Frage sagte Marthas Stimme durch die Thür sie müsse mein Bett machen. Da ich ihr zu öffnen hatte sah ich mich zum ersten Male ihr gegenüber. Sie war eine auffallend hübsche Person, jung weich und hellblond. Das blutjunge süsse Gesicht mit den fast zu weichen runden Wangen, dem weichen Kinn unter dem willenlos weichen schwellenden und kleinen Munde, die Weichheit der Wimpern und obern und untern Augenlider die dem blauen Blicke etwas heisses und kindisch halb trotziges halb zärtliches gaben, der weiche Hals, das helle reiche Haar, das sinnlich niedliche Ohr – es wäre vollkommen gewesen, wenn es edler gewesen wäre; denn so wie es war, gab eine gewisse Unentwickeltheit, Trägheit, eine Art Druck wie von Unterwürfigkeit ihm einen Schatten von Gewöhnlichkeit, den ich dann erst viel später wahrnahm, denn für den Augenblick war ich geradezu betroffen von der Schönheit und Schmeichelei des Mädchens. Sie war schlank und über mittelgross, Schultern, Arme und vor allem die weichen runden Hände waren vollkommen süss, Wuchs und Brust an dem jungen Körper eine Welle der Holdseligkeit.
Sie trug statt des gewöhnlichen Unterkleides der Alltage eine hübsche blauweiss gestreifte Bluse und einen dunklen Rock; beides sass knapp und formte die blühende – auch die weich blühende Gestalt. Weich und rund, schmelzend und locker war alles an dem Kinde, jede Form und Unterform, die runde Nase, die runde Stirn, die Grübchen, die Fingerspitzen. Sie wurde dunkelrot als sie sich von meinem Staunen durchdrungen und gewissermassen umfangen fühlte, es kam ein unwillkürlich ohnmächtig nachgebender Zug in ihr Gesicht, eine tiefe Schwäche die halb wie Scham wirkte fast wie ein gedrücktes Uneingestandenes das sie zwang die Augen niederzuschlagen oder mir dumpf und schwer zu verbergen. «Ich habe Ausgang gehabt, Herr Rudolf bitte entschuldigen, dass ich das Bett erst jetzt machen komm», sagte sie halblaut stockend. «Wo kommen Sie denn jetzt her, wo waren Sie», fragte ich etwas abrupt? «Da – im Entree» sie wies, am Bette schon beschäftigt mit dem Kopf zur Seite. Sie hatte also die garstige Szene mitangehört. «Hat der Herr Sie gesehen?» «Nein, ach so Angst hab ich gehabt. Ich hab mich an die Thür vom Saal gedrückt, da sind der Herr an mir vorbei.» «Wie kommen Sie denn zur Vordertreppe?» «Ich hab den Schlüssel vom Hofeingang vergessen, da hat mir der Portier seinen Drücker für vorn geliehen – ausnahmsweise, darf ich aber keinem sagen.» Sie arbeitete ohne Überstürzung, wie ich bemerkte, die Augen blieben gesenkt. Ich lehnte einen Schritt von ihr am Tische. «Das Wort halten Sie ja ausgezeichnet.» «Ach Herr Rudolf werden mich nicht verraten.» «So?» «Ach nee. Solche denen es schlecht geht, verraten sich untereinander nicht die thun sich viel eher was zu Gefallen, nich?» «Schön Martha, dann thun Sie mir mal gleich den ersten und geben Sie mir den Drücker.» «Alles was Herr Rudolf wollen» und sie griff in die damals allgemeine Taschenfalte hinten am Rock und gab mir den Schnepper – «es schneidet einem ja das Herz ab das mit anzusehen, – darf denn das auch sein – is ja alles zu grausam» – «still Engel ich – halten Sie gefälligst den Schnabel.» Ich hatte es gepresst gesagt, denn ich vertrug diese Art des Mitleids nicht. Das Mädchen schlug die weichen bittenden Augen zu mir auf, ihre Brust arbeitete. Ich selber merkte dass mein Atem kämpfte und ärgerte mich. Ich sah jetzt von hinten auf sie, sie trug das Haar hoch, der hundejunge süsse schlanke Hals war frei und nur ein par weichgelbe Löckchen kräuselten am Nacken. «Gleich bin ich fertig» sagte sie mich von der Seite ansehend und lächelte; die vollen kurzen Lippen teilten sich und liessen Zähne schimmern, es kamen Grübchen und Falten in die weichen Wangen – ja das Ding war ein Fressen, und sie ging mir verdammt ins Blut. Um irgend etwas zu thun ging ich ans Telephon, noch ohne zu wissen an wen ich telephonieren wollte, aber ich kam mit Rücken an Rücken gegen sie, während ich irgend eine mir bekannte Nummer rief, und, irrte ich mich oder nicht, ihr weicher Hinterer drückte sich an meinen, in den meinen so dass ich Gott dankte als sich die Nummer meldete. Ich sagte irgend etwas und als ich anhängte war das Mädchen hinaus.
Gut dass ich den Drücker hatte, denn aufgeregt wie ich war, hätte ich es zu Hause nicht ausgehalten; so schlich ich mich ohne Licht zu drücken die vielen Treppen hinunter und atmete auf als ich die nasse dunkle Nachtluft der Strasse einsog. Irgend etwas musste geschehen um mich zu beruhigen, ich rief von unterwegs einen Bekannten an und traf ihn in einer neuen Bar der Behrenstrasse hinter der Passage, die er mir genannt hatte. Wir tranken in dem vorderen Raume, den hintern hatte eine gröhlende Studentengesellschaft. Nach Mitternacht, als die Zecher schrumpften und die verbleibenden einen ausgelassenen Kreis bildeten, kam eine der Barmaids, eine schöne dreiste Person mit vollen Locken und einem immer lachenden kraftvollen Munde zu uns hinunter und setzte sich zwischen uns beide, schon leicht angetrunken, wie mein Bekannter auch während mir diesmal das Getränk nichts anthun wollte. Wir tranken Champagner und wurden toller mit Reden, während die Studenten hinten, schon schwer bezecht, aus vollem Halse sangen: «Wenn die Sterne funkeln, ficken wir im Dunkeln, Arschloch hoch, – Arschloch hoch!» Wir tranken Brüderschaft, das Mädchen küsste mich lachend und ich zog sie an mich. Sie küsste sich an mir fest und lehrte mich die Anfangsgründe des Lippengebrauchs. Als ich mich brennend in ihren Mund eingrub suchte ihre Hand unter dem Tische nach meinem Mannstab für ihre Wirkung auf mich und beglückte mich mit nerviger Hand völlig ohne meine Lippen eine Sekunde loszulassen. Als wir uns trennten, war sie noch soweit nüchtern, mir ihre Karte mit Adresse zu bekritzeln und beizustecken in dem sie mir mit der dienstwilligen Hand durchs Haar fuhr. Ich habe sie nicht wiedergesehen, werde aber ihre Küsse und die von Niemand bemerkte verstohlene Wollustminute bis an mein Ende nicht vergessen. Für jetzt war die Hauptsache, dass ich abreagiert war. Ich kam unbemerkt ins Haus. Dem Portier gab ich Geld für den angeblich von Martha verlorenen Schlüssel und hatte ihn nun als Eigentum.
In den nächsten Tagen geschah nichts besondres. Ich streifte im Hause gelegentlich an Martha, ohne Notiz zu nehmen. Auf dem langen Corridor an dessen Ende die Toilette war, machte sie mir neben den ihn halb ausfüllenden Schränken mehr als einmal mit ihrem Besen Platz und jedes Mal traf mich aus dem weichen bildhübschen Gesicht dieser halb unschuldige halb bittende halb gedrückt geprügelte Blick – ich kann es nicht anders sagen – wie ein Blick einer sie drückenden Heimlichkeit wie schlechtes Gewissen, wie von etwas was sie in sich trüge – Angst, Sorge, Erregung, Unruhe? Unruhe war vielleicht das richtigste. Es arbeitete etwas in ihr. Einmal stiess ich mich im Halbdunkel – es war nur am Eingang ein Gashahn – und sie lächelte wieder, entschuldigend, erschreckt, wahnsinnig lieblich. Ich merkte an meiner Blutwelle jedesmal dass ich sie geschluckt hatte und den Haken immer weiter neu bekam. Sie trug ein knappes Waschkleid und eine Zapfenkrause auf dem hochgeordneten Haar, es machte sie doppelt schlank und zugleich blühend vorn und hinten. Aber ich beherrschte mich fest, – wie denn auch, da Dienstboten, Geschwister, Lieferanten aus jeder Thür um jede Ecke treten konnten, – und überhaupt – in meiner ärgerlichen Lage, und auch ohne sie, der junge Herr – nein.
Mein Vater musste auf eine Geschäftsreise, meine Mutter hatte eine Influenza und lag, die Hälfte der Geschwister ebenfalls und eine Lichtanlage im Speisezimmer wurde in diese Pause verlegt, sodass mir das Frühstück aufs Zimmer gebracht wurde was das alte Karolinchen besorgte. Ich hatte weniger Veranlassung das Haus zu fliehen und arbeitete auch den Vormittag für mich. So erschien an einem der letzten frühlingsartig schönen Tage des Spätherbstes während sogar im grauen Hofe ein Widerschein von Sonne und Duft schwamm, Martha früh um mein Bett zu machen, als ich gerade die erste Cigarette angezündet hatte. «Muss ich heraus?» fragte ich, «oder werden Sie auch so fertig?» «Nein» sagte sie und lachte, «wenn Herr Rudolf inzwischen sich wollen an Waschtisch stellen, oder aufs Bett setzen, – ich fege nur mal unterm Tische.» Ich wich aus, sie musste ganz dicht bei mir vorbei, das Herz klopfte mir am Halse, ich sehe noch wie in den Mundwinkeln ihres Lächelns kleine Bläschen sitzen wie von Milch, ich rieche noch den Duft ihres Haars und Körpers, auch halb Milch halb Harz halb Honig – aber ich setzte mich aufs Bett. Sie fegte, stäubte und summte irgend etwas La La-iges dabei – sicher auch nur vor Befangenheit. «Dauerts Herrn Rudolf zu lange?» sagte sie, «ich mach ja schon; jetzt» sie hatte sich herumgedreht, «wenn der Herr mal die Beine aufs Bett wollen heben, dass ich drunter kann, aber können auch wieder an Schreibtisch.» Ich stand auf wir streiften zwischen Bett und Telephon in der Klemme an einander vorbei, es war unmöglich sie nicht zu berühren und ich fasste sie. «Einen Moment», sagte ich rauh schob sie an den Apparat und trat zum Tische. Ich zitterte so, dass ich mich aufstützen musste. Hinter mir war es still. Das Summen hatte aufgehört, nur den an die Wände stossenden Besen hörte ich. Wenn ich mich umdrehte, das wusste ich war ich verloren, der Kopf brauste mir und vor den Augen flimmerte es. «Soll ich das Pyjama wechseln oder tragen Herr Rudolf es noch.» «Ist mir wurscht» sagte ich über die Schulter weg. Noch einen Augenblick stand sie neben mir und legte den Schmöker, in dem ich mich in Schlaf zu lesen pflegte, neben mich auf den Schreibtisch – wieder hatte ich den Eindruck als lehnte sie für eine Sekunde Seite an Seite. Ich sah geradeaus. Hinten klapperte der Waschtisch. Sie musste das Wasser dicht neben mir in die Wasserleitung der Pantry giessen, ich musste dazu beiseite treten. Jetzt waren ihre Augen gedrückt niedergeschlagen, ich sah es von halbseitlich. Endlich schien sie fertig zu sein. «Darf ich das Frühstückstablett mitnehmen?» sagte sie mit etwas Stockendem in der Stimme. «Ja ja, los». Sie trat neben mich, ich drückte mich an die Wasserleitung und sah sie Teller, Tasse, Kannen langsam zusammenschieben. Der Busen hob sich unaufhörlich, der Kopf hing, eine blanke Locke ging unter dem Häubchen frei in die Luft, das Profil war ein Ausstellungsstück. Endlich drehte sie das Tablett in beiden Händen ab, besann sich dass es durchs Speisezimmer nicht ging und steuerte zur Entreethüre. «Sind Herr Rudolf so gut machen mir auf» kam es aus dem zu mir gedrehten Gesichte. Ich kam. Da die Thür nach innen aufging und offen schon ans Fussende der Bettstelle stiess, während rechts der Waschtisch stand, war es schwierig. Ich stand neben ihr. «Setzen Sies lieber ab und machen sich zuerst alle Thüren auf», sagte ich, «– oder – wissen Sie was – ich halts Ihnen so lange, geben Sie her.» «Aber nein» sagte sie, während ich nach dem Tablett griff, das sie in den Henkeln trug, und ihre weichen Hände losmachen wollte, «Nein nein kann ich nicht erlauben –» «Schön» sagte ich, setzen Sies aufs Bett, und ging aufgeregter als je zum Tisch zurück. Martha blieb stehen das Tablett in Händen und sah zu Boden. Es kam eine Pause. Ich zündete mir eine Beruhigungscigarette an. Dann setzte ich das Tablett auf die Waschschüssel neben der Thür und ging. Ich dachte sie würde zurückkommen. Aber es kam niemand.
Herr Gott von Strembach! Ich brauchte ein Viertelstunde um kaltes Blut zu bekommen. Sacramentemantement. Mein Herz flog, meine Kniee tanzten. Meine Nerven gaben Hausball. Ich konnte weder arbeiten noch lesen noch schreiben. Nach einer Stunde vergeblicher Qual beschloss ich auszugehen. In dem Augenblicke läutete es an der Thür, aber ich hörte etwas durch den Schlitz fallen, es war also kein Besuch. In der Entree stiess ich auf Martha, die das Läuten bedient hatte und fragte ob Post für mich dasei. Sie wollte mir das Ganze geben und gleich weg. «Warten Sie doch» sagte ich, «was haben Sie denn? Nehmen Sie doch auch endlich das Tablett mit.» Darüber fiel ihr – oder mir – die ganze Post, Zeitungen, Briefe, Drucksachen aus den Händen, wir bückten uns gleichzeitig und stiessen mit den Köpfen zusammen, mussten lachen, richteten uns auf, lachten weiter und fragten jeder den andern ob es ihm weh gethan habe. In dem Augenblicke, in dem die natürliche Folgerung der Situation sich eingestellt haben würde, kam wieder jemand die Treppe hinauf und ich, nach einem Augenblick des Zögerns, ging und begrüsste im Abstieg den Hausarzt, der mich also noch einmal gerettet hatte. Diesmal hatte ich soviel glühendes Gift bekommen, dass ich mir nichts mehr ausreden konnte; ich war versessen in das Mädchen, ich war verrannt. Die Liebeskrankheit äusserte sich darin bereits dass ich Angst davor hatte ihr wieder zu begegnen. Ich vertrieb den ganzen Tag, bei herrlichem Wetter, im Freien. In Halensee ass ich in einem Fischrestaurant sprach eine kleine lustige Modistin an, die dort pinselte, war eine Stunde später mit ihr Arm in Arm längs des Sees unterwegs machte sie eine weitere Stunde verliebt in mich und verdrehte ihr vollständig den Kopf, fühlte mich aber ausser Stande, als wir im schon dunklen Walde lagen ihr den Willen zu thun, den ihre Küsse mir deutlich bekundeten, denn diese Küsse schmeckten mir leer und das ganze Wesen langweilte mich plötzlich. Ich brach ziemlich brüsk ab, fuhr sie in die Stadt und sprach bei einem Freunde vor, um Bücher von ihm abzuholen, die er in der Bibliothek für mich entliehen hatte. Sie waren viel umfangreicher als ich gedacht hatte und ich hatte beide Arme voll als ich nach Hause kam, gegen 10. Als ich die Treppe stieg hörte ich oben Stimmen, es war der Hausarzt der mit Martha sprach, ich hörte ihn noch sagen «das Fräulein – meine jüngere Schwester, die sehr unwol war – schwitzen lassen» und «Vergess ich nicht Herr Medizinalrat» und rief «offen lassen Martha». Aber die Thür schnappte schon ein. Ich beeilte mich wie ich konnte, kam aber zu spät, obwol ich den langweiligen alten Schwätzer ziemlich kalt schnitt. Da stand ich nun; Drücker hatte ich in der Aufregung liegen gelassen die Arme hatte ich nicht frei um zu läuten, so klopfte ich mit dem Fusse an die klirrende Glasthür und wartete. Wirklich kam der Schritt zurück, es war Martha, und im gleichen Moment erlosch schon wieder das Treppenlicht in der Entree war wegen der neuen Lichtanlage Störung, es musste also der Lichtknopf über der Klingel draussen gedrückt werden. Aber als das Mädchen sich aus der Thür heraus neben mich schob, rutschte mir ein Buch aus dem Stapel des linken Arms und riss sich die andern nach, und die fallende Bewegung brachte auch die des rechten Arms zu Fall. Im gleichen Moment ging das Licht wieder an, das ein unten neu Eingetretener gedrückt haben musste, wir sahen uns über der Verwirrung des Bücherhaufens an, sie schlug die Hände zusammen, unter dem süssen Kinn und ich bückte mich nach den Büchern, wobei sie mir half. Wir landeten, jeder mit einem Arm voll in meinem Loch. Das Licht das ich knipste, flimmerte zittrig, ging halb aus und kämpfte weiter. «Geben Sie nur» sagte ich und wollte ihr die dicken Werke abnehmen. «Legen Sie doch erst mal auf den Tisch, Herr Rudolf». Ich that es und jetzt läutete das verdammte Telephon. Martha, die Bücher noch unterm Arme, nahm rasch ab. «Hier bei Borchardt». Das Licht ging nun definitiv aus. «Nein, gnädige Frau sind noch bettlägerig». Ich zog hinter ihr stehend ihr inzwischen die Bücher unterm Arme vor und warf sie im Dunklen aufs Bett. Vom Hof kam schwacher Lichtschein, schattenhaft, ins Zimmer. «Ja? Nein, sind immer noch mit Fieber – Ja wol, – Danke.» Jetzt, gerade während sie anhängte und sich mit einer Bewegung zu mir wandte, die sie in meine Arme führen musste, rauschte es watschelnd an die verschlossene Speisezimmerthür und klopfte – das dumme Karolinchen. «Marthche, die g’dje Frau rufen, – wollen wissen – wer da anjeläut haben, komm man jläich nach hinten.» Martha antwortete, «Komm ja schon», sah mich seufzend an – oder es schien mir so und eilte durch die Entree. Ich zündete die Petroleumlampe an, die mir vorsorglich hingestellt worden war. Mein Bett war noch nicht bedeckt. Ich trocknete mir den Schweiss vom Gesichte, wusch mich, und trommelte auf dem Tische wo mein Nachtessen unangerührt blieb. Ich wusste es konnte nicht so enden.
Richtig, nach zehn Minuten kam ihr Schritt, durch das Speisezimmer, dann Pause, dann in der Entree, aber nicht zu mir. Ich war sofort bei ihr, sie stand in der offenen Hausthür sich umdrehend nach mir, hatte Treppenlicht gedrückt. Sie trug einen Mantel. «Was –» «Ich muss zur Apotheke in die Luisenstrasse –» «und gehen hier vorn herunter?» «Ich dachte ich mach erst noch das Bett von Herrn Rudolf.» «Und darum gehen Sie vorbei?» «Ich machs dann gleich nachher –» «Sie sah zu Boden und gefiel mir nicht, der ordinäre Mantel macht ein Dienstmädchen aus ihr und ich war so jäh erkältet wie vorher erhitzt – diese Übergänge waren bei mir in jeder Zeit ganz gewöhnlich. «Gut», sagte ich trocken und drehte mich um. Sie blieb stehen wie damals mit dem Tablett. Es muss fünf Minuten gedauert haben, bis ich von meinem Zimmer aus die Thür zuschnellen hörte, meine Uhr war elf. Ich hatte einen Hungeranfall und ass mit grossen Bissen mein Nachtmahl auf. Um halb zwölf hörte ich draussen an der Hausthür ein leises Rappeln, das Glas klirrte, dann klopfte es schwach. Warum kam sie wieder vorn hinauf? Ich ging öffnen. «Der Portier hat mir nich wollen den Schnepper geben, ich verlöre ihn immer sagt er.» Sie sah mir mit kindischem Lächeln in die Augen. «Warum gehen Sie nicht die Hintertreppe?» «Weil – wegen. Man kann mich dann gehen hören wenn ich noch Mal nach vorn gehe» – «Und jetzt?» «Jetzt find ich eine Ausrede, warum dass ich bin vorn raus und wieder zurück. Ich hab müssen noch das Bett machen, und dann hab ich müssen Kette vorlegen.» «So» sagte ich rasch, «na das hätte ich mir eben auch beinah allein gemacht.» «Ja und das Abendbrot rausnehmen, – das ist doch nicht sauber wenn das Nachts stehen bleibt im Schlafzimmer.» Sie drückte die Thür an und legte die Sicherheitskette vor. «Sie sind ja rührend» sagte ich höhnend, aus Verlegenheit, «gehen Sie nur rein, ich gehe dann so lang ins Persische Zimmer.» Sie stockte. «Wenn mir Herr Rudolf nur vorher den Drücker wollen wiedergeben –» «er liegt auf meinem Tische, nehmen Sie ihn sich nur» – «und wo der Knopf muss angenäht werden, wo mir neulich sagten.» Sie nahm den Mantel ab und hängte ihn über den Arm, und in dem Augenblicke, rot vom Gehen und der Erregung, knapp in ihrer Tracht, war sie wieder zum Tollwerden. «Also» sagte ich und ging in meine Zelle. Sie hatte den Mantel draussen angehängt und kam mir nach, liess die Thür offen und ging durch den Engpass zum Tisch an dem ich lehnte – um das Tablett zu holen. «Hats geschmeckt?» sagte sie unschuldig – das kalte Huhn hab ich extra für Herrn Rudolf aufgehoben. – müssen doch was für sich thun – sehen ganz schmal aus – den Mosel hab ich vom Herrn geklaut». «So» ich musste lächeln. «Dann trinken Sie doch den Schoppen aus, holen sich ein Glas aus dem Speisezimmer.» «Ach viel Umstände –» und sie goss in mein Glas, «Ihr Mund ist mir sauber.» Ich bekam das Zittern aber sie trank, sonst hätte ich – Ich war aber noch sehr jung. Jetzt nahm sie das Tablett und drehte sich durch den Pass, ich sah sie von hinten, – zauberhaft sie jetzt von Hinten zu umfassen und sie wehrlos wie sie war zum Kuss zurückzubiegen – alles über Hühnerknochen und Weinneigen weg – nein, nein. Sie stellte es draussen ab, kaum zurück, und schloss die Thür. «So» sagte ich, «ich dachte schon Sie blieben draussen». «Ach nee», sagte Martha, und nahm die Bettdecke ab, «für Herrn Rudolf da vergess ich nicht, da thu ich alles für, was man für einen andern nich thäte, zu einem andern jungen Herrn ging ich ja auch nicht bei nachtschlafende Zeit allein aufs Zimmer, das müssen Herr Rudolf nicht von mir denken, wenn ich auch erst neunzehn bin, auf nächste Woche zwanzig, so weit kennt man schon die Welt; wenn ich das Vertrauen nicht hätte –» «So» sagte ich etwas verdutzt, «woher haben Sie das denn?» «Das merkt man ab{er} doch, was ein richtiger nobler junger Herr ist, der von ein Mädchen nich profitiert. Wenn er auch noch so viel Gelegenheit hat, wo ein Andrer nich würde sich zwei Mal sagen lassen –» Ich überhörte dies. «Und nächste Woche werden Sie zwanzig? Wann denn?» «Dienstag, da is mein Geburtstag, ich feire aber erst Mittwoch, weil da Ausgang habe, weil Buss und Bettag ist.» Ich musste laut lachen, sie war zu süss. «Was nennen Sie denn feiern – büssen oder beten, Martha?» «Ich weiss noch nicht» sagte sie von der Seite. «Es hängt noch von vielem ab.» «Zum Beispiel». «Ach Garderobe und so.» «Zum Tanzen gehen, bei Emberg.» «Nein bei Emberg geh ich nich, ich tanz nich mit Unteroffiziere, so und die von Charité das is mir zu ordinär, ich gehe wo anders; und zuerst will ich raus, einen Ausflug. Aber es ist noch ganz unsicher.» «Und was wünschen Sie sich zum Geburtstag?» «Ach Herr Rudolf spotten ja woll nur.» Sie drehte das Kissen um und stopfte es etwas zu recht. «Wenn man nichts hat, wünscht man sich alles.» «Zum Beispiel?» «Ich wünsch mir, dass ein Jemand mir ein bischen gut ist, der wo ich nie recht Bescheid mit weiss, ob ers nu so meint oder wieder anders.» «Thut mir leid, ich bin nicht der liebe Gott; was anderes, los.» «Von Herrn Rudolf darf ich mir doch nichts wünschen.» «Sie haben doch selbst gesagt hier neulich, solche denen es schlecht geht, thun sich was zu Gefallen.» «Das haben Herr Rudolf behalten!» Es gab eine Pause. Ich zählte in Gedanken dass ich ca 300 Mark haben musste, zwei Scheine zwei Goldstücke und Silber, und dass ausserdem in den nächsten Tagen dreihundert Mark Inselhonorar fällig waren. Wozu brauchte ich das Geld? Es war doch viel lustiger, Glückliche zu machen. Das Mädchen hatte nach damaliger Mode zwei Täschchen links und rechts an der Bluse, zwei vorn an der Schürze. Ich hatte die beiden Scheine in der Westentasche, die Goldstücke in einem Knackbeutelchen in der Gesässtasche, das Silber in fünf und drei Markstücken lose in der Hose. Die Überlegung ging im Blitz während sie noch sagte, von mir wünsche sie sich nichts und das Pyjama auslegte.
«Ich wollte», sagte ich, «ich hätte auch Geburtstag». «Und was möchten sich wünschen?» «Auch alles, wie Sie». «Da muss ich denn woll sagen ‹zum Beispiel› wie Herr Rudolf. Zum Beispiel – dass eine gute Fee käme und sagte ‹Augen zu› und dann mir die Taschen vollsteckte, und dann wäre sie weg und ich könnte auspacken und hätte eine Zeit lang keine Sorgen.» «Fein», sagte Martha, «das Wünschen verstehen der Herr Rudolf». «Wieso» sagte ich erstaunt, «wünschen Sie sich das auch?» «Und ob» sagte sie seufzend und schlug die Arme unter, «aber bei mir ist es eben der Unterschied.» «Ist er auch», sagte ich ruhig, «denn bei Ihnen trifft es sofort ein und bei mir nicht.» «Ja lustig machen, das können sich die Männer.» «Wetten?» «Was denn wetten?» «Dass kaum dass Sie sichs wünschen und die Augen zumachen es eintrifft.» «Was eintrifft?» «Alle Taschen voll.» «Voll was?» «Voll soviel Geld dass alle Sorgen zuerst mal aufhören.» Sie sah mich an, mit halboffen atmenden Lippen, süss. «Ja – wetten». «Worauf?» «Wenn Herr Rudolf gewinnen – – aber ist ja alles Unsinn. Also gut ein Geschenk, was sich Herr Rudolf können ausbitten von mir. Und wenn ich gewinns – wie wirs aufn Dorf gemacht haben, – dann muss sich Herr Rudolf was gefallen lassen von mir.» «Gut», sagte ich, «topp. Auf eins zwei wünschen, auf drei fest die Augen zu aber ganz fest, versprechen?» «Ja». «Eins zwei drei». Sie stützte den Arm gegen den Apparat und kniff die Augen zu. Ich machte mit flatternden Fingern rasch Kasse, hatte die Scheine die Dukaten parat, zweimal vier FünfMarkstücke, zweimal drei Thaler, zwei Markstücke; schlich mich zu ihr, liess die Goldstücke fast ohne sie zu berühren in die Brusttäschchen gleiten, das Silber so dass es festgefasst nicht klappern konnte sondern nur wuchtete, in die Schürzentasche und dann so rasch es ging, je einen zusammengefalteten Schein in ihren Busen und ihren Nacken wo Ausschnitt genug war. Sie hatte sich nicht gerührt und ebenso schnell sprang ich an den Tisch zurück und sagte «Augen auf».
Sie war blutüberflossen rosig, mit weich schimmernden Augen. «Wer hat gewonnen» sagte ich. «Sie haben mir was reingesteckt» sagte sie, «ich habe gewonnen denn es war keine Fee». «Das können Sie nicht beweisen Martha – sehen Sie doch mal nach.» Sie steckte die Hand in die Schürze und zog sie sofort wieder leer heraus. «Ach ich mag nicht, es ist mir zu komisch.» «Los Mut.» Sie griff nochmals, nahm die Hand voll Silber, sagte «Nein Nein» und legte sie ohne hinzusehen aufs Bett. «Los andere Tasche». Zögernd förderte sie den Inhalt ans Licht und aufs gleiche Bett und sagte mit einem kleinen dumpfen Jauchzer im Hals «Ach Du lieber –». «Weiter weiter», drängte ich. «Ja noch was?» «Alle Taschen haben wir gewettet.» «Ja ich hab doch – ach so.» Sie fühlte von Aussen, mit beiden Fingerspitzen und zog mit zwei Fingerpaaren die Dukaten heraus. «Ja was, ja nein, is das auch wirkliches» «Ich denk schon, jetzt weiter.» «Ja weiter» sagte sie mit zitternder Stimme. «Ich hab gesehen dass auch noch anderswo was gesteckt worden ist». Sie griff nach hinten in den Nacken, die Hand kam leer zurück. «Is garnicht», sagte sie. «Und vorn?» Sie tastete umsonst. «Ich zerreiss mir nur die Bluse», seufzte sie. «Ach was» sagte ich, «versuchen Sie nur, die Wette muss doch entschieden werden, sonst hat keiner gewonnen.» «Ich finds nachher beim Ausziehen –» «Und können mir irgend was erzählen, nein nein, hier wirds entschieden, ich helf Ihnen», und ich ging auf sie zu. «Nich nich Herr Rudolf, bitte, ich – es wird schon», und sie hob vorn den Ausschnitt an, ging mit der Brust zurück, grub mit der Rechten, umsonst, das Klümpchen bekam eben dadurch Luft und glitt tiefer. «Drehen Sie sich rum», sagte ich bestimmt, «stellen Sie sich nicht an», fasste und drehte sie, knöpfte rasch ein par Druckknöpfe des Rückteils der Bluse los und holte den Schein der auf dem Miederrande lag, ohne sie viel zu berühren, heraus, dreht sie wieder wie eine Figur, und gab ihr den Fund. Sie sah glühend mit niedergeschlagenen Augen auf die Klümpchen. «Los Mut, nachsehen» «Aber – Herr Rudolf das sind ja –» «Jetzt legen Sies weg und weiter.» «Ich ich kann nicht.» «Schaf», sagte ich, legte den linken Arm leicht um ihre Taille und schob die rechte rasch in ihre Brust. Sie drückte das Kinn tief, versuchte mich weg zu drängen, aber meine Hand war geschickter, suchte zwischen den nackten bebend vollen Brüsten, und während mir der Atem versagte und der Steife schier wahnsinnig wurde, schnappte ich den Schein der bis zur engen Mitte gefallen war, drückte ihn ihr in die Hand und liess sofort los. «Operation gelungen» sagte ich die Arme in die Seiten stemmend dicht vor ihr. «Suchen Sie sich noch so nen Arzt». Zugleich dachte ich, weil das Spiel mich berauschte, dass ich im Schreibtischfach einen kleinen Ring mit einem Rubinsplitter und ein par Rosen hatte, keine 200 Mark wert, ein zurückgetauschtes Liebespfand aus grünen Tagen. «Jetzt kommt die Hauptsache Martha. Die Fee hat mir auch etwas eingesteckt aber für Sie, damit Sie es bei mir finden, Sie hatten zu wenig Taschen. Bedingung, dass Sie es bei mir suchen. Erst dann ist die Wette entschieden. Augen zu.» «Ach Herr Rudolf». «Augen zu, ganz fest.» Sie gehorchte. Ich liess das Fach, ein federndes, rasch springen, holte den Ring, leerte im Blitz alle meine Taschen und mir in die Hosentasche in der ich ein zuknöpfbares Innentäschchen zu tragen pflege. Hier brachte ich das Ding unter, ging zu Martha und sagte «Suchen!» Die Arme hob ich in die Luft. «Ach Herr Rudolf – ich – ich – ich trau mich nicht» ihre Augen blieben fest geschlossen. Weiss der Deibel dass für mich etwas dazu gehörte, das Spiel durchzuführen. «Los Martha, Sie wissen ja mit meiner Garderobe Bescheid, Jackett zuerst», und ich nahm ihre Hände und steckte sie mir in Jacken- und Brusttaschen, liess los und sagte «Passiert Ihnen nichts ich stehe Hände hoch und lasse mich durchsuchen. So, jetzt Weste». Sie war schon etwas mutiger, obwol ihre Hände zitterten, und als die vier Westentaschen nichts erbracht hatten, zog sie mich sogar am Westenausschnitt näher heran, immer noch die Augen fest geschlossen, und fuhr mit der Rechten in den Ausschnitt nach der Innentasche, an die ich garnicht gedacht hatte. Was zog sie dort heraus! Das Mädchen hatte Glück, es war der alte englische Scheck den ich lange für verloren gehalten hatte, zehn Pfund. Gut transeat cum ceteris. Sie fragte «das?» «Aufs Bett, kleines Schaf, weiter.» Jetzt ging sie meine Gesässtaschen an, wozu ich höher heranmusste. Herr Du meine, ich dachte ich würde verrückt. Jetzt ging es in die Hosentasche, sie kam an den Steifen, der links hochstand wie ein Pfahl, ich zuckte zusammen. Jetzt die untere «Genau nachsehen Innentäschchen», sagte ich leise. Sie schien nicht zu Rande zu kommen, der Schwanz war ihr im Wege, sie fing an zu zittern und hielt sich mit der Linken an mir. Dann glückte es, sie hatte den Ring, zog aber die Hand nicht heraus. Der Spiess schien in solcher Nähe ihrer Hand ein eigenes Leben zu haben und ruckte, zuckte und rieb. Sie fasste ihn und drückte ihn schwach, ich nahm meine letzten Kräfte zusammen, machte mich los und retirierte zum Tisch. Das Mädel sank fast zusammen und sass auf dem Bettrand. Es kam eine Pause.
«Nun habe ich gewonnen oder nicht?» «Ach das meinen Herr Rudolf ja nicht!» «Was nicht?» «Dass das viele Geld mein sein soll –» «Ich habe ja keine Ahnung wie viel es ist, zählen Sie doch mal, vielleicht irren Sie sich.» Sie strich über die Silberhaufen. «Das sind zwanzig vierzig achtzig hundert, noch mal hundert, noch mal, und dies Papier da steht zwanzig, is aber nicht deutsch –» «Zählen Sie noch zweihundert zu!» «Was? Was?» «Fünfhundert» sagte ich kühl. «Und der Ring». «Ja den müssen Sie anstecken.» «Ich?» «Ja sonst nimmt die Fee es übel. Wer hat gewonnen?» «Ich hab verloren.» «Nett, dass Sie das verlieren nennen.» Ich setzte mich auf den Stuhl am Tisch, zu ihr gewandt. Martha stand auf, glühend und wonnig, nahm den ganzen Krempel in zwei Hände und kam zu mir. «Ich wollte bitten, dass Herr Rudolf mirs erst am Geburtstag geben – nicht jetzt». «Legen Sie hin. Und meine Wette …» «Nur den Ring – ja wo hab ich ihn denn», sie flog zum Bette und ich ihr nach. «Was Ring, meine Wette», «Nein, mein Ring – da is er», und sie hob ihn vom Boden auf, fiel aber in meine Arme und ich küsste sie auf die brennenden schwellenden Lippen. «Nicht ach bitte lassen Sie mich», und sie verbog den Kopf und stemmte sich von mir ab «ach seien Sie doch» und sie küsste mich wieder, sagte noch in den Kuss hinein «vernünft –» und schmolz mir zugleich in den Armen. «Nicht mehr» sagte sie noch einmal schwach und biss mich in die Lippen, riss mich in sich hinein und liess die Lippen aufgehen. Wir sanken zusammen aufs Bett. Wir rangen. Immer wieder seufzte sie «Nicht mehr» und küsste mich mit Klettenküssen den zähesten, haftendsten, wühlendsten die ich je gekannt hatte, einer Leidenschaft die zu ihren weichen Gliedern kaum passte, die Taube die sie war. «Lass mich los, hab mich lieb, hast mich lieb? Mach mich nicht verrückt, noch fester, noch fester, das war schön, sei gescheit, das hätt ich nie von Ihnen gedacht, nein ich schreie, noch einer, jetzt bin ich Dein Schatz, ja, so, Du –» Plötzlich richtete sie sich auf. «Es wird mir zu heiss, ich muss die Bluse ausziehen.» Ich löschte die Lampe und in wenigen Minuten schlüpften wir zu einander. Sie hatte nur Rock und Bluse und Corsett abgelegt, ich nur den Anzug. «Weisst Du», sagte sie mir nach den ersten Küssen heiss ins Ohr, «die Fee hat auch bei mir was für Dich versteckt.» «So?» sagte ich und schloss ihr den Mund. «Ja, ich sag jetzt wie Du vorher, Mut, los, suchen, ich helf Dir auch, wo hast Du den Finger?» Sie griff mir in die Hose, kraulte, holte die Stange mit der weichen kleinen Hand, und ihr Kuss zerfloss mir feucht in den Mund. «Da such» seufzte sie und glitt unter mich, «da – ist es drin – ganz tief – ganz» und sie wischte ihn sich in den heissen samtigen Schlund der Lust. Er war eng, aber ohne andere Hindernisse. Sie stöhnte und lachte als ich durchzwang und nahm meinen Mund zwischen die Lippen, «nur noch einen letzten» und sie nahm den Schieber in beide Fäuste, «und nicht, nicht mir wehthun, ach, ach ja such bei mir, da, tief drin – ist er – … komm endlich – richtig – fest, – noch fester – vögle mich – vögeln – Süsser – nochmal so – nochmal, forscher – rammeln, ah, Mund – komm, geh geh geh weg.» Sie stiess mich ab und zuckte, riss mich zurück und floss mir in den Mund. Wir schraubten uns scharf zusammen. Es wurde still. Nur ihr Seufzen röchelte ab und zu. Dann lockerte sie sich langsam, schlüpfte aus dem Bett und hockte auf den Topf. Ich war so toll, dass die Haltung und das Niederschäumen ihres derben Strahls meinen Scharfen sofort wieder aufrichtete, ich nahm sie augenblicklich wortlos vor, klemmte sie auseinander und bimste sie brutal ohne einen Kuss, während sie vor Lust raste und stammelte. Sie bedeckte mich mit Küssen, faltete mich in alle ihre göttlichen Glieder und stachelte mich zu solchen Zärtlichkeiten an, dass sie ohne mich in sich zu haben, zum dritten Male in Krisis kam und mir in Wollustkrämpfen aus dem Griffe fiel. «Ach ist das schön» lallte sie, als sie sich wieder in meine Arme nistete «ach ist