Intro
Vierzig Jahrhunderte: Ägypten
Die Völker im Osten
Griechenland: Mythos und Geschichte
Homer, Parthenon, Olympia
Rom: Mythos und Geschichte
Zenturio und Schildkröte
Bücher, Aquädukte und Gladiatoren
Völker am Rande des Imperiums
Christen und Vandalen
Zum Weiterlesen
Uxori optimae.
Denkt daran: Von diesen Pyramiden blicken vierzig Jahrhunderte auf euch herab!« Diese Worte sprach Napoleon Bonaparte im Juli 1798 zu seinen Soldaten, direkt vor der sogenannten Schlacht bei den Pyramiden. Kurz darauf brachte sein Heer den Streitkräften der Mamluken eine geradezu vernichtende Niederlage bei. Es ist eine schöne Anekdote, dass der große Stratege seine Männer mit dem Hinweis auf die große Kultur der alten Ägypter in die Schlacht führte, die es den Engländern zu entreißen galt – auch wenn sie wohl nicht den Tatsachen entspricht, denn zum Zeitpunkt, als er diesen Satz gesagt haben soll, waren die Franzosen noch einen ganzen Tagesmarsch von den Pyramiden entfernt.
Gleichwohl faszinieren die Großen Pyramiden von Gizeh die Menschen heute genauso wie damals und sogar schon zur Zeit des klassischen Griechenland, als sie in den Kanon der Sieben Weltwunder aufgenommen wurden. Sie sind das einzige dieser Weltwunder, das man heute noch besichtigen kann. Errichtet wurden die Pyramiden von Gizeh in Sichtweite der Stadt Kairo im 27. und 26. Jahrhundert vor Chr. In der größten der drei großen und sechs kleinen Pyramiden befindet sich die Grabstätte des Pharao Cheops. Aus drei Millionen Steinquadern besteht sie, die Grundfläche ist größer als sieben Fußballfelder, und in der Antike war sie 147 Meter hoch. Zweitausend Jahre lang war diese Pyramide das höchste Bauwerk der Welt, dann wurde der Leuchtturm von Pharos in Alexandria errichtet. Die Chephren-Pyramide direkt neben der des Cheops ist nur marginal kleiner, aber das Gelände ist so beschaffen, dass sie größer wirkt – und deshalb von vielen Touristen für die berühmte Pyramide des Cheops gehalten wird.
Was den ägyptischen Pyramiden heute leider fehlt, ist einerseits die frühere Verkleidung mit glattem, glänzendem weißen Kalkstein, andererseits die wertvolle Spitze, das Pyramidion. Nahe der Pyramiden steht auch die berühmte zwanzig Meter hohe Sphinx mit Menschenkopf und Löwenkörper, von der man bis heute nicht weiß, wozu sie diente. Manche Forscher glauben, dass sie das Areal bewachen sollte, als Totenwächterin – denn alles andere rund um die Pyramiden von Gizeh hat irgendwie mit dem Tod zu tun: Die Pyramiden selbst dienten als Grabmal für Pharaonen, und in ihrer unmittelbaren Nähe befanden sich diverse Königinnengräber und mehrere große Friedhöfe.
Der bekannteste Aspekt der altägyptischen Kultur ist sicherlich, dass die Ägypter ihre Toten einbalsamierten und diese Mumien dann mit viel Aufwand und kostbaren Grabbeigaben in Sarkophagen bestatteten. Letzteres trifft vor allem auf Pharaonen und hohe Beamte zu, ersteres auch auf ganz normale Menschen, deren Mumien man zu Hunderten in sogenannten Volksgräbern entdeckt hat. Höhergestellte Persönlichkeiten ließen sogar ihre Katzen einbalsamieren (die Katze genoss in Ägypten großes Ansehen).
Das meiste über altägyptische Gräber wissen wir aus dem Tal der Könige bei Luxor. Hier entdeckte Howard Carter 1922 das Grab des Pharaos Tutanchamun (ca. 1341–ca. 1323 vor Chr.) – eine Sensation, die mit einem Schlag das Interesse der ganzen Welt an der altägyptischen Kultur weckte. Das Grab bot eine nahezu unglaubliche Menge an Schätzen, die so faszinierend waren und sind, dass vor kurzem eine Ausstellung für Besucherrekorde sorgte, die lediglich Repliken der vielen Kunstgegenstände aus Gold, Silber, Elfenbein, Alabaster und Glas zeigte.
Howard Carters Entdeckung hatte allerdings auch eine Kehrseite: den »Fluch der Mumie«. Mehrere Teilnehmer der Expedition starben unter nicht ganz geklärten Umständen, was die Presse damals über viele Jahre genüsslich ausschlachtete. Aber letztlich war wohl wenig an den Gerüchten dran: Viele der »Opfer« des Fluchs waren ohnehin sehr alt und starben zudem lange nach der Öffnung des Grabs. Gleichwohl hielt die Mumie als Schauergestalt durch Groschenromane und Horrorfilme wie Die Mumie (1932) Einzug in die Populärkultur.
Als Ägyptisches Totenbuch bezeichnet man eine Sammlung von Texten, die ab 1550 vor Chr. als Grabbeigabe dienten und die eine wichtige Quelle zur ägyptischen Mythologie darstellen. Es handelt sich um eine Reihe von Beschwörungsformeln, Liedern, Gebeten und Zaubersprüchen, die dem Verstorbenen helfen sollten, in die Unterwelt zu reisen. In heute noch erhaltenen Papyri variiert der genaue Inhalt von Fall zu Fall. Ursprünglich wurden solche Texte in die Außenseite eines Sarkophags geschnitzt, später dann als Schriftrollen mit in die Grabkammer gelegt. Ein einzelnes zusammenhängendes Buch war das Ganze jedoch nicht; die moderne Bezeichnung stammt daher, dass die Grabräuber solche in Gräbern gefundenen Papyrusrollen mit kitâb-al-mayyit beschrifteten – »Buch eines toten Menschen«.
Wie bei frühen Hochkulturen üblich, hatten die Ägypter viele verschiedene Götter, die unterschiedliche Funktionen erfüllten. Ra ist in der ägyptischen Mythologie der Gott der Sonne; sein Gegenstück, der Gott des Mondes, heißt Thot. Amun ist der »Vater des Lebens«, später mit Ra kombiniert zum Staatsgott Amun-Ra. Ptah ist der Erschaffer von Himmel und Erde, seine Frau heißt Sachmet, sie ist die Göttin von Krankheit und Krieg; ihre Schwester, die Fruchtbarkeitsgöttin, heißt Bastet. Isis und Osiris sind zugleich Geschwister und Mann und Frau – sie ist eine Muttergottheit, Osiris der Gott der Unterwelt; ihr gemeinsames Kind heißt Horus. Osiris wird von seinem Bruder, dem Wüstengott Seth, getötet; fortan ist er dafür zuständig, die Toten in die Unterwelt zu geleiten. Maat ist die Göttin der Wahrheit und der Gerechtigkeit, Anubis der Gott der Totenriten, Hathor die Göttin der Liebe, der Künste und des Friedens. Dargestellt wurden viele der Götter mit menschlichem Körper, aber dem Kopf eines Tieres; so hat Anubis den Kopf eines Schakals, Thot den eines Ibis usw.
Daneben wurde auch der jeweils regierende Pharao wie ein Gott verehrt: Nach dem Verständnis der alten Ägypter war der Pharao Sohn und Abgesandter der Himmelsgötter. Und nach dem Vorbild von Isis und Osiris heirateten viele Pharaonen die eigene Schwester – eine äußerst merkwürdige Sitte, die bis ins erste Jahrhundert vor Chr. fortgesetzt wurde.
Der Grund dafür, dass in Ägypten relativ früh in der Menschheitsgeschichte eine so wohlhabende Hochkultur entstand, war der Nil: Verlässlich einmal im Jahr trat er über seine Ufer, und diese Überschwemmung machte das umliegende Land fruchtbar, durch den lehmhaltigen Nilschlamm, den der Fluss aus den Vulkangebieten Äthiopiens anschwemmte. Eine riesige Oase mitten in der Wüste. Mit der Fertigstellung des umstrittenen Assuan-Staudamms 1971 verschwand dieser Schlamm und wurde größtenteils durch Kunstdünger ersetzt, was sich wiederum negativ auf die Wasserqualität des Nils auswirkte. Das Nilkrokodil, im alten Ägypten als heiliges Tier verehrt, lebt heute nur noch unterhalb der Staumauer.
Der Assuan-Staudamm brachte aber noch ein weiteres Problem mit sich. Südlich davon, in Abu Simbel, steht ein wahres Wunderwerk von einem Tempel, der 1244 vor Chr. nach dreißigjähriger Bauzeit Pharao Ramses II. geweiht wurde. Die vier sitzenden zwanzig Meter hohen Monumentalstatuen des Pharaos an seiner Fassade gehören zu den Ikonen der ägyptischen Baukunst. Als man den Tempel 1813 ausgrub, war er komplett mit Wüstensand bedeckt, so dass selbst die Reliefs verschiedener Götter im Tempelinneren sehr gut erhalten waren. Doch der Tempel Ramses’ II. steht heute nicht mehr an der Stelle, an der er errichtet wurde: Durch den Bau des Assuan-Staudamms lief die ganze Gegend Gefahr, im Wasser unterzugehen. Daher zerschnitten schwedische Techniker im Auftrag der UNESCO den Tempel in über tausend Blöcke, nahmen ihn auseinander und bauten ihn etwas höher gelegen wieder auf. Zahlreiche andere architektonische Schätze hatten nicht so viel Glück. Sie liegen heute auf dem Grund des Stausees.
Vor über sechstausend Jahren ließen sich Menschen am fruchtbaren Nilufer nieder. In der folgenden langen und wechselhaften ägyptischen Geschichte gibt es einige besonders markante Ereignisse. Dazu zählt die Vereinigung Ober- und Unterägyptens im dritten Jahrtausend vor Chr. Die Reichseinigung wird dem legendären König Menes zugeschrieben, der als erster Pharao alle Macht über Ägypten in einer Person vereinte und sich als Gott verehren ließ – der Ausgangspunkt einer der ersten organisierten Gesellschaften. Bereits vorher hatte sich ein Schriftsystem etabliert, eine der wichtigsten Voraussetzungen für die erfolgreiche Entwicklung von Wissenschaften, Medizin, Rechtsprechung und Kultur.
Das Alte Reich (ca. ab 2700 vor Chr.) war vom Bau der großen Pyramiden gekennzeichnet (zu dieser Zeit entstanden zum Beispiel die Pyramiden von Gizeh und die Djoser-Pyramide in Sakkara). Nach einer Zeit der politischen Verwirrung gelang es Pharao Mentuhotep II. Ägypten im Mittleren Reich (ca. ab 2100 vor Chr.) wieder zu einen. Auch in dieser Phase wurden Pyramiden gebaut, unter Sesostris’ II., der mehrere Feldzüge in Richtung Osten und Süden anführte. Nach dieser Periode (ca. ab 1800 vor Chr.) zerfiel das Reich erneut, es gab zugleich einen Herrscher in Memphis und einen in Theben, und es kam ca. 1700 vor Chr. zu einem Einfall der Hyksos in Unterägypten.
Im Neuen Reich (ca. ab 1500 vor Chr.) erstrahlte Ägypten in neuer wirtschaftlicher und kultureller Blüte. In dieser Epoche lebten die bekanntesten Pharaonen: Ramses II., Thutmosis III., Tutanchamun und auch Hatschepsut, bis zur Ptolemäer-Dynastie die einzige Frau auf dem ägyptischen Thron. Unter Echnaton gab es zum ersten Mal das Bestreben, sich vom Polytheismus abzuwenden und (fast) ausschließlich einen einzigen Gott zu verehren. Außenpolitisch erweiterten die Ägypter ihren Einflussbereich bis an den Euphrat. Nach dem Neuen Reich zerfiel Ägypten noch einmal (1075 vor Chr.) und wurde von nubischen und libyschen Königen regiert. 652 vor Chr. wurde Ägypten von den Assyrern überfallen und verwüstet.
Aber erst Alexander dem Großen gelang es, Ägypten zu erobern (332 vor Chr.). Ihm gefiel das Land so gut, dass er hier eine Stadt aus dem Boden stampfen ließ, die sich binnen kurzem zur Geisteshauptstadt der Welt emporschwang: Alexandria. Nach seinem frühen Tod, als seine zahlreichen Nachfolger sich untereinander bekriegten und sein riesiges Reich untereinander aufteilten, fiel Ägypten seinem General Ptolemaios zu.
Ptolemaios begründete eine neue Linie von Königen, die Ptolemäer-Dynastie, und diese regierte Ägypten äußerst erfolgreich – bis die Römer kamen, zur Zeit der Herrscherin Kleopatras VII. (69–30