Veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, November 2018
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ISBN Printausgabe 978-3-498-03242-5 (1. Auflage 2018)
ISBN E-Book 978-3-644-00228-9
www.rowohlt.de
ISBN 978-3-644-00228-9
Die Uraufführung von «Die Schutzbefohlenen» war am 23.05.2014 im Rahmen von Theater der Welt am Nationaltheater Mannheim in Koproduktion mit dem Thalia Theater Hamburg in der Regie von Nicolas Stemann.
Wir leben. Wir leben. Hauptsache, wir leben, und viel mehr ist es auch nicht als leben nach Verlassen der heiligen Heimat. Keiner schaut gnädig herab auf unseren Zug, aber auf uns herabschauen tun sie schon. Wir flohen, von keinem Gericht des Volkes verurteilt, von allen verurteilt dort und hier. Das Wißbare aus unserem Leben ist vergangen, es ist unter einer Schicht von Erscheinungen erstickt worden, nichts ist Gegenstand des Wissens mehr, es ist gar nichts mehr. Es ist auch nicht mehr nötig, etwas in Begriff zu nehmen. Wir versuchen, fremde Gesetze zu lesen. Man sagt uns nichts, wir erfahren nichts, wir werden bestellt und nicht abgeholt, wir müssen erscheinen, wir müssen hier erscheinen und dann dort, doch welches Land wohl, liebreicher als dieses, und ein solches kennen wir nicht, welches Land können betreten wir? Keins. Betreten stehn wir herum. Wir werden wieder weggeschickt. Wir legen uns auf den kalten Kirchenboden. Wir stehen wieder auf. Wir essen nichts. Wir müssen doch wieder essen, wenigstens trinken. Wir haben hier so ein Gezweig für den Frieden, so Zweige von der Ölpalme, nein, vom Olivenbaum haben wir abgerissen, ja, und das hier auch noch, alles beschriftet; wir haben sonst nichts, wem dürfen wir ihn bitte überreichen, diesen Stapel, wir haben zwei Tonnen Papier beschrieben, man hat uns natürlich dabei geholfen, bittend halten wir es nun hoch, das Papier, nein, Papiere haben wir nicht, nur Papier, wem dürfen wir es übergeben? Ihnen? Bitte, hier haben Sie es, aber wenn Sie nichts damit anfangen, müssen wir das alles noch einmal kopieren, noch einmal ausdrucken, das ist Ihnen doch klar? O droben ihr Himmlischen, wir falten fromm die Hände, ja, ihr seid gemeint, schaut nur herab!, wir beten zu euch, ja, ihr, denen die Stadt und das Land und die leuchtenden Wasser der Donau wohl und auch ihr Schwerstrafenden in den Behörden noch wohler gehört: Ihr sagt uns einmal dies, und dann sagt ihr uns das, und nichts können wir gerecht werden, doch gerecht seid ihr ja auch nicht, ihr Engel plus du, lieber Himmelvater. Was sollen wir machen gegen euch?, ihr dürft alles, ihr könnt alles. Sie hier: Können Sie uns bitte sagen, wer, welcher Gott hier wohnt und zuständig ist, hier in der Kirche wissen wir, welcher, aber es gibt vielleicht andere, woanders, es gibt einen Präsidenten, einen Kanzler, eine Ministerin, so, und es gibt natürlich auch diese Strafenden, das haben wir gemerkt, nicht drunten im Hades, es gibt sie alle gleich nebenan, zum Beispiel dich, wer auch immer, dich, wer auch immer du bist, du, du, Jesus, Messias, Messie, egal, der du das Haus, das Geschlecht, alle Frommen bewahrst, aufgenommen hast du uns nicht, wir sind ja auch von selber gekommen, in deine Kirche gekommen, als schutzflehender Zug, bitte helfen Sie uns, Gott, bitte helfen Sie uns, unser Fuß hat Ihr Ufer betreten, unser Fuß hat noch ganz andre Ufer betreten, wenn er Glück hatte, doch wie geht es jetzt weiter? Fast hätte uns die See vernichtet, fast hätten uns die Berge vernichtet, jetzt sind wir in dieser Kirche, morgen werden wir in diesem Kloster sein, dank dem Herrn Gott, dank dem Herrn Präsidenten, sie wurden eingesetzt, sie haben sich eingesetzt, doch wo werden wir übermorgen sein und danach? Wo wird uns ein Bett versagt werden, wo werden wir uns ein Bett erzwingen können, wo werden sie uns wieder rauswerfen, wo werden wir unsre eigenen Knochen vergraben können, das heißt, wer wird das alles machen?, wer wird das für uns tun? Wer wird dafür sorgen, daß wir Seienden auch erblickt werden, und das ohne Abscheu? Die von des Bachs Ufern, des Meeres Küste, den Waldbüschen der Heimat Verscheuchten, wehklagend im Gram verlorener Heimat, verwirrt von deren urmütterlichem Zorn, die können Sie hier sehen, keiner rühmt sich hier, irgend jemand zu entstammen, es würde ihm auch nichts nützen, und wieso, bitte, wieso sind Sie hier auch zornig auf uns? Das verstehen wir nicht. Wir sind längst schmerzbefreundet, ja, aber was haben wir hier getan, daß Sie uns in Angst halten, Angst überall, Angst vor den Meinen, die ich verließ, daß ich wieder zurückmuß, vor Ihnen aber noch mehr Angst, daß ich bleiben muß, daß ich nicht bleiben darf, jetzt geben Sie mir gleich recht, jetzt werden Sie mir gleich recht geben: Wenn Sie überall Angst haben, werden Sie sagen, warum sind Sie dann hergekommen? Um neue Angst zu haben, schon wieder? Nur jetzt in der Barbarensprache, die wir nicht kennen und nicht können, das ist ja immer so, wenn man woanders ist, unter Fremden, was geschieht jetzt, was geschieht nur jetzt? Wir rufen flehend in dieser Sprache, die wir nicht kennen und können, die Sie aber beherrschen wie sich selbst, außer Sie stehen an einer Bahnsteigkante und sehen uns, bitte bemühen Sie sich ein wenig, zu erfahren, was Sie niemals wissen können, bitte!
Schauen Sie, Herr, ja, Sie!, flehend wenden wir uns Ihnen zu, uns hat irgendwer gezeugt und irgendeine geboren, wir verstehen, daß Sie das überprüfen wollen, aber Sie werden es nicht können. Wo ein Woanders ist, dort wissen wir nichts, denn vielleicht ist alles ganz anders und ohnedies immer woanders, und dort ist unser Erkennen nichts. Man hat uns Videos geschickt, meiner Familie, als ich sie noch hatte, inzwischen alle tot, alle tot, kein einziger noch da, ich bin der letzte, mein alter Horizont nicht Gegenstand mehr, dem steht nichts entgegen, sie sind ja alle weg, nur ich nicht, ich bin jetzt da, und was machen Sie mit mir? Ich bin da, was machen Sie jetzt mit mir? Der Horizont wird zum Nichts, am Gebirge endet er, das Meer ist ein Loch, ein Schlund, eine Schlucht, es ist doch keiner mehr da, es ist keiner mehr dort, nur ich bin hier und nicht dort, aber hier, angewiesen auf meine Erinnerungen, sind alle tot, sind woanders tot, sowieso tot, ich bin der letzte, ein hartes Los, ich klage es laut, ich habe das traurigste Los gezogen. Schauen Sie, da werden zwei unserer Verwandten geköpft, danach waren noch einige übrig, fotografiert mit dem Handy, solange noch Zeit war, jetzt sind sie es nicht mehr, es gibt sie nicht mehr, es gibt nur noch mich, aber dieses schwer zu enträtselnde Geschick, denn wieso machen Menschen das?, erlaubt mir nicht Aufenthalt hier, schauen Sie, ich zerfetze mir sofort meine geschenkten Jeans, meinen geschenkten Pullover, ich zerschneide auf der Stelle meinen geschenkten Rucksack, ich muß verrückt sein, die Sachen gehören doch jetzt mir!, ich lasse mich treiben auf unsichtbaren Wellen, aber nützt mir das was? Es nützt mir nichts! Zwei meiner Cousins sind einen Kopf kürzer gemacht, ich flehe zu Ihnen, ich weiß, das würden Sie mir nicht antun, das könnten Sie gar nicht, aber sprechen meine Cousins nicht für mich? Mit ihren zerschnittenen Hälsen und ohne Kopf? Spricht das nicht für mich, daß so Schweres ich erlebt habe, willst du uns nicht, ja, du? Wir dunkle, sonnenglutgewohnte Schar, wir kehrten dann um, bloß: wohin? Zu andren Erdumnachteten, Endumnachteten, überhaupt Umnachteten, alle, alles umnachtet, wo wir nicht sind, aber hin sollen, hin auch wollen, gibt es diesen Herrn Präsidenten oder was er ist, gibt es den Herrn, den allaufnehmenden? Nein, es gibt ihn nicht. Es gibt keinen Allaufnehmenden. Da könnte jemand eher das All bei sich aufnehmen als alles, als uns, nichts und niemand nimmt uns auf, das ist unerhört! Und unerhört bleiben auch wir.
Wir werden mit böser Rede euer gedenken, aber das wird euch ganz egal sein, das wissen wir schon, denn nicht legal sein wird unser Aufenthalt, das ist überhaupt euer Lieblingswort, legal, legal, nicht legal der Aufenthalt, da können wir zeugen, da können unsre Frauen gebären, da können wir uns abrackern, das ist euch ganz wurst, denn von uns kehrtet ihr euer Antlitz, trotz unsres Flehens kehrtet ihr euer Antlitz ab, hat doch keinen Sinn, es wird eh wieder schmutzig, trotzdem, wir flehen, wir flehen, ihr dort oben, hallo, wenn ihr uns nicht wollt, bleiben wir euch ja immer noch als eure Aufgabe, aus den bisher dargelegten Gründen, ja, da liegen sie nun, und keiner baut drauf. Und selbst die Richtung unseres Rückgangs, unsres Rückzugs zu bestimmen, den wir gar nicht verlangen, den ihr von uns fordert, die Rückkehr, egal in welche Richtung, weg, bloß weg!, ist uns nicht gestattet. Dies Zeugnis, dieses unterschriebene Zeugnis befiehlt uns eine Rückkehr, ins umnebelte Land, aus dem wir kamen, wo waren Sie zuletzt? Dort müssen Sie Ihren Antrag stellen! Das ist es, was ihr für uns wollt, immerhin wollt ihr was! Den Kopf, den Kopf haben sie meinen beiden Cousins abgeschnitten, dafür gibt es nicht Zeugen, dafür gibt es einen Zeugen, die Kamera hat heut jeder dabei, ist überall angebracht, angenagelt, alles kann auf der Stelle bewiesen werden, hier können Sie sehen, den Beweis sehen, auf diesem Video, wie zwei Männern die Köpfe abgeschnitten werden, ist das nicht furchtbar? Sie glauben nicht, daß das meine Cousins sind? Ich habe Zeugen. Sie glauben es nicht. Aber sehen können Sie es, Sie sehen es hier, meine Familie hat das Video, die gibt es aber nicht mehr, die Familie, die sind jetzt alle tot, aber das Video ist übrig, keiner schämt sich dafür, nur Sie schämen sich meiner, und Ihre Einbildungskraft reicht nicht aus, nichts reicht Ihnen aus, und nichts reicht bei Ihnen aus, nur fortscheuchen, Menschen, die einst gezeugt und geboren wurden, wegscheuchen, das könnt ihr. Und das Kopfabschneiden, das ist ja gar nichts gegen die anderen Leiden, die es schon überall gegeben hat und die, logisch, noch länger gedauert haben. Die Leiden dauern immer länger als alles. Die Leiden sind alles, was dauert, und sie dauern niemanden. Das lockt keinen Hund hinterm Ofen hervor. Man hat Vater, Mutter, alle Geschwister umgebracht, aber das ist gar nichts, das ist nichts, alle unsere Vorstellungen werden auf ein Objekt bezogen, die Subjekte gelten nichts, die Toten gelten nichts und sind nichts. Auf die Toten können wir uns nicht berufen, wenn wir ein Aufenthaltsrecht ableiten wollen, die wollen uns hier ja selber ableiten wie Flüsse, ins Nirgendwo, wo die nicht mehr über die Ufer treten, ein Meer, das sie widerrechtlich betreten, die Flüsse, wo sie nirgends mehr hinein- oder hinaustreten können, wo sie niemanden treten und auch wir nichts betreten dürfen. Ableiten, rausschmeißen, und dann weg mit ihnen und weg mit uns. Alle tot, sowieso, warum also sollte ich, als letzter, noch leben? Das verstehen Sie nicht. Ich verstehe es auch nicht. Denn wenn die Zeit das dreifach-einige, das dreieinige, wenn sie auch uns mit einschließt, nein, nicht Gott, nicht Dreifaltigkeit, die sind sich nie einig, ich rede von der dreifach-einigen Zeit, die noch nie etwas geeinigt hat, die uns vereinigt hat, als Gruppe, zusammengewürfelt aus Niemanden und Nichtsen, sicher aus Habenichtsen, wenn aber die Zeit, so sagte ich eben, ich kann es gar nicht sagen, wenn aber die Zeit das dreifach-einige Ganze von Gegenwart, Gewesenheit und Zukunft ist, der Denker, ich kenne ihn nicht, doch er denkt, der Denker, aber den beiden jetzt als zeitbildend nachgewiesenen Modi der Synthese einen dritten Modus anfügt, welchen, welchen?, daß wir bleiben und damit außerhalb der Zeit sind, daß wir aus dieser Zeit wieder herauskommen können?, welchen?, einen Modus also, einen dritten Modus anfügt, wieso, es sind ja schon drei, Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft, egal, wenn das so ist, wie ich gesagt habe, nicht ich, wie ich gesagt hätte, könnte ich auch so denken, ich weiß nicht, was dieses So bedeutet, wenn also und noch dazu alles Vorstellen, also auch das Denken – und auf unser Denken legen Sie keinen Wert, das bereichert Sie nicht, das gibt es nicht, das ist gar nicht da –, wenn dieses Denken, Ihr Denken, also der Zeit unterworfen sein soll, dann muß dieser dritte Modus der Synthese die Zukunft ausbilden, machen, bilden, keine Zukunft für Ungebildete, aber für Gebildete auch nichts, nichts für niemand, die Zeit muß die Zukunft also herstellen wie ein Kleid. Und? Und, was jetzt? Werden die Fürsten dieses Landes, werden die Herrn Landeshauptleute, die ihre Häupter noch haben im Gegensatz zu meinen beiden Cousins, werden die Herren des Landes und die Landeshauptmannstellvertreter, werden die wohl, gelockt durch diese schnelle Botschaft, durch diese langsame Botschaft, egal, werden die selbst sich nahn, um uns zu sehn? Sie werden nicht. Den Herrn in diesem Land und den Stellvertretern der Herren in diesem Land und den Stellvertretern der Stellvertreter der Herren in diesem Land würden wir, wir dürfen ja nicht, aber wir würden, würden wir, wies Fremdlingen ziemt, verständig unsere blutschuldlose Flucht erzählen, bereitwillig jedem erzählen, er müßte ein Stellvertreter gar nicht sein, wir würden das machen, Ehrenwort, wir erzählen es jedem, wir erzählen es allen, die es hören wollen, aber es will ja keiner, nicht einmal ein Stellvertreter eines Stellvertreters will es hören, niemand, aber wir würden es erzählen, wir würden über unsere Flucht ohne Schuld, unsre schuldlose Flucht, die Sie ja immer als Flucht vor Schulden darstellen, die Flucht von Schuldlosen also erzählen, in unserer Stimme wird nichts Freches sein, nichts Falsches, wir werden ruhig und freundlich und gelassen und verständig sein, aber verstehen werden Sie uns nicht, wie auch, wenn Sie es gar nicht hören wollen? Verstehen werden Sie nicht, und unser Reden wird ins Leere fallen, in Schwerelosigkeit, unser schweres Schicksal wird plötzlich schwerelos sein, weil es ins Nichts fallen wird, in den luftleeren Raum, ins Garnichts, wo es dann schweben wird, in Schwebe bleiben wird, im Wasser, in der Leere, ja. Aus unseren anspruchslosen Augen werden wir sanftmütig schauen und um eine Decke und etwas zu essen bitten, sehen Sie, werden Sie Stellvertreter von Stellvertretern, die aber auch alle nicht hier stehen, die vertreten sich woanders, sagen: Ihre Augen sind ja gar nicht anspruchslos, auch wenn Sie das behaupten, Sie stellen ja doch Ansprüche! Heute wollen Sie Decken, Wasser und Essen, was werden Sie morgen verlangen? Unsere Frauen, unsere Kinder, unsere Berufe, unsere Häuser, unsere Wohnungen? Was werden Sie morgen verlangen? Heute verlangen Sie vielleicht noch nichts oder nicht viel, aber morgen wird es viel sein, das wissen wir schon, deswegen sind wir ja die Stellvertreter von Stellvertretern von Stellvertretern, die wissen es alle, alle wissen alles, und jetzt wissen es auch wir, obwohl wir es schon vorher gewußt haben, schon vorher. Wie? Was sagen Sie? Wir achten darauf, weder vorlaut noch zu breit, noch zu ausführlich, noch zu schleppend, noch zu schnell, noch zu langsam im Reden zu sein. Nichts davon können wir sein, wir sprechen Ihre Sprache leider nicht, wo ist der Dolmetsch?, wo ist er hin?, Sie haben uns einen versprochen, wo ist er, wo ist er denn, wo ist der Mann, der Ihnen sagt, daß wir weder zu schleppend, zu langsam, noch zu schnell reden sollen? Wer sagt Ihnen das? Es ist egal, denn Wesen wie wir sind Ihnen gar sehr verhaßt, das sehen wir, das ist klar. Nachgeben müßtet ihr, so wie wir nachgeben und aus der Kirche endlich ins Kloster gehen, wo es warm ist und wir schneller verrotten, schneller verwesen, unsere Wesen davonhuschen wie Mäuse. Wir haben nachgegeben, und jetzt sind wir weg, wir sind Ihnen aus den Augen, aus den Augen der Öffentlichkeit geschafft, fortgeschafft, man hat uns gesagt, und nach einiger Frist haben wirs auch getan: Nachgeben müßt ihr, hat man uns gesagt, sagt man uns ständig, sagt man uns auch jetzt, nachgeben müßt ihr, flüchtig, fremd, bedürftig hier, so, wie ihr seid, nachgeben müßt ihr, seht ihr, das habt ihr kapiert, habt schon nachgegeben, flüchtig, fremd, bedürftig, so jemand darf hier nicht sprechen, so jemand darf hier nicht sein. Denn kecke Rede ziemt den Unglückseligen nie. Wo werden wir denn! Wo werden wir denn keck sein, wo wir doch gar nichts mehr sind! Wir werden verständig sein, und Sie werden jemanden verständigen, daß wir endlich verständig sind und von der Kirche ins Kloster übersiedeln, das steht grade leer, hier, im Fernsehen zeigen sie es schon, im Radio sagen sie es schon, in der Zeitung wird es bald stehn, die Kirche zwar auch leer, doch auch sie steht, steht sogar besser da, dort sollte jederzeit der Gläubiger seines Gottes hineindürfen, den wir dabei stören würden, das verstehen wir, wir stehen ja selbst in der Schuld unsres Gottes, der, wie Ihrer, ausschließlich die Schuldlosen liebt. Und? Was bringt uns das jetzt? Erbarmt euch, bevor Gefahr uns erdrückt, bittebittebitte! Nein? Das haben wir uns schon gedacht. Da steht euer Gott also lichtbeschwingt herum, Tausende Statuen von ihm, Gold, Glitzer, Farbenrausch, Bling Bling, bitte, sagen wir probeweise, vielleicht hilft uns der ja, obwohl nicht für uns zuständig, sondern dieser Stellvertreter eines Stellvertreters eines Stellvertreters eines Gottes, den sie da einfach so hergehängt haben, damit wir hingehalten werden, nein, dafür nicht, er hängt halt so da, der arme Kerl, hat auch nicht viel Glück im Leben gehabt, egal, zu diesem lichtbeschwingten Adler bringt uns das jetzt, nein, das paßt nicht, das ist kein Adler, der Adler ist das Kleine dort droben, über ihm, schauen Sie, Sie können es von hier aus recht gut sehen, dort droben, also Adler ist das keiner, was?, das soll eine Taube sein?, na, was ist von einer Taube schon zu erwarten! Genausowenig. Die Taube eine Stellvertreterin einer Stellvertreterin einer Stellvertreterin, immerhin ein Vogel, fliegen kann sie, und zu der ruf ich betend, die ruf ich betend an, irgendwen muß ich ja anrufen, so, nachher ruf ich meinen Anwalt an, aber jetzt ruf ich betend die Taube dort auf dem Dach an, anflehn wir sie, anflehen wir, vielerrettendes Sonnenauge im Dreieck, Sonnenauge, das im Dreieck springt, dich, ja, dich meinen wir!, du hast ganz richtig gehört, ausgerechnet dich flehen wir an! Es ist ja sonst keiner da. Kein Grund, auf einmal im Karree zu springen vor Wut! Der Karren steckt jetzt im Dreck, was sollen wir machen?
Davon, daß jetzt alle tot sind, die ganze Familie tot ist, läßt sich nichts herleiten. Wir sitzen hier, begrüßen, es ist uns egal, wen, es ist uns egal, welcher Gott das ist, man hat es uns gesagt, wir haben es vergessen, doch die Höflichkeit verlangt es, daß wir mit Andacht all die Hochgewaltigen hier begrüßen auf ihren Bildern und den dort vorn, allein auf seinem Altar, grüß Gott, oder wie soll ich sagen? Wir haben an heilige Stätte uns gesetzt wie ein Taubenschwarm, doch die hier kennen nur diese eine Taube, die dort droben auf dem Dach, die wir ganz sicher nicht kriegen werden, die ist zu hoch, vor keinem Falken muß die bang sein, die Taube, und wir? Wir müssen uns vor allem und jedem fürchten. So ist das eben. Den blutverwandten Feinden, unsres Stammes Fluch fielen alle zum Opfer, aber wer nimmt es an, dieses Opfer? Müßte ja eine Menge Götter sein, die so viele Opfer annehmen könnte! Es ist ja keiner mehr da, von mir aus keiner, von uns keiner. Die haben alle umgebracht. Ich bin geflohn, inzwischen der letzte, der allerletzte meiner großen, lieben Familie, ein Sträubender hat einen andren Sträubenden umgebracht, bis nur noch die einen übrig waren, das ist ja angeblich bei uns so Sitte, das ist bei uns so Brauch, daß alle alle umbringen, jeder jeden, doch das ist Angeberei, und trotzdem bleiben von den einen stets mehr übrig als von den andren, vor allem aber die einen die anderen, die bringen sie um, aber was ist, wenn mal keiner mehr da ist? Nun, die ganze Abfolge des Vorstellens können wir hier jetzt nicht durchgehen, Sie könnten es sich sowieso nicht vorstellen, niemand kann es, außer er hat ein Video; die Abfolge des Vorstellens zerbrochen wie meine Familie, wie die Kette meiner Familie, abgerissen, umgebracht, und hier, darf ich als letzter mich wenigstens hierhersetzen? Nur setzen? Liegen muß ich gar nicht. Oder lieber dorthin? Ist es Ihnen lieber, wenn ich mich dorthin setze, dann tu ich das! Ich bin ja stellenlos, also können Sie mir ruhig eine Stelle sagen, einen Platz zuweisen, wo ich mich niederlassen darf. Hier herrscht ja Niederlassungsfreiheit, aber nicht für uns. Nicht für uns. Für Tote gilt das auch gar nicht, und außer mir alle tot, alle tot. Da können Sie mich ruhig mitzählen. Ich höre Sie schon lachen, Sie wissen, daß Tote nichts mehr verlangen, ich aber verlange noch was, flehend zu Ihnen gewandt, ein bißchen Gewand, Essen, Wasser, einen Platz. Wir haben sogar Beweise, daß alle andern tot sind, nein, es kommt keiner mehr, nur keine Angst!, niemand mehr außer uns, niemand außer uns wird Sie noch belästigen, wir haben Videos, die Mörder haben modernes Gerät für alles. Wir sind nicht modern, aber die Mörder, sie sind modern und gleichzeitig unmodern, sie sind alles, weil Mörder immer alles sind und alles dürfen. Wir sind im Besitz einer Erkenntnis, aber was ist das schon, wen interessiert eine Erkenntnis, es ist nichts interessant, nichts, was nicht gezeigt werden kann, ist interessant. Auch für uns nichts. Schauen Sie nur, jetzt sehen Sie es auch: Am Horizont taucht ein Widerstand gegen uns auf. Wir verstecken uns in Kirchen, in Klöstern, aber wir sollen nicht bleiben, sonst wäre es ja kein Versteck. Diese Kirche ist ein offenes Versteck, das Fernsehn war schon da, es holt alles ans Licht, das es sich selbst mitbringt. Da liegt einer, dort drüben auch, erfüllt vom Namen des ewigen Verhängnisses, fremd zu sein. Er soll nicht der einzige bleiben, der noch nicht tot ist, der übriggeblieben ist, aber der soll auch nicht bleiben dürfen, sagt der Widerstand, dessen Scheinwerfer uns blenden, der soll das bleibenlassen. Selbst wenn ihm auf der Autobahn einer entgegenkäme, ein Geisterfahrer, darf er nicht ausweichen, und auch uns darf er nicht ausweichen, vor uns soll er zurückweichen. Zurückweichen vor dem Geisterfahrer ist schwierig. Nur ausweichen geht manchmal noch. Nein. Doch. Es geht nicht. Vor uns, dem Barbarenschwarm, weichen sie alle zurück. Alle Menschen, egal, wo sie ansässig sind, weichen vor fremder Kleidung und Verhüllung, vor diesem Schwarm Wilder, der wir sind, unwillkürlich zurück, damit sie der Willkür Platz machen können, die muß ja auch was tun. Die holen sie jetzt zu Hilfe. Einfacher wärs gewesen, uns zu helfen, noch einfacher ists, uns nicht zu helfen, aber bitte. Sie weichen zurück, und Willkür, bitte übernehmen Sie! Wir haben keine Verhüllung, die Ihrem Brauch gemäß oder genehm ist, wir sind halt verhüllt, wie alle verhüllt sind, aber wir wissen, auch wenn wir aussähen wie Sie: Sie würden uns erkennen, Sie würden uns unter Tausenden herauskennen, Sie würden uns überall erkennen. Sie würden wissen, wir gehören nicht hierher.
Keine Berufung mehr möglich, nicht einmal auf die Toten, keine Berufung. Ein harmonisches Miteinander wird verlangt, nein, von den Toten nicht, die sind ja weg, von uns, denn wir sollen zum gemeinsamen Wohlstand beitragen. Wie geht das, wie geht das? Welchen Wohlstand? Wir haben von ihm zwar schon gehört, wir haben ihn sogar gesehen, wir sind ja nicht blöd, wir schauen uns um, aber wie geht das mit dem Wohlstand? Wenn er gemeinsam ist, müßten doch auch wir ihn haben? Zumindest bekommen können! Nachdem die menschenmordenden Ungeheuer bei uns, nein, daran sind Sie nicht schuld, das werfen wir Ihnen nicht vor, wir werfen uns Ihnen selbst vor, nachdem die uns alles genommen, müßten wir doch irgend etwas wieder bekommen können, oder? Es müßte uns doch etwas zugänglich sein, irgendwas müßten wir doch kriegen!, statt dessen nennt ihr uns fluchempörte Brut, Brut, Brut! Wie Tiere! Ausländerbrut! So nennt ihr uns und wendet sühnende Mittel des Landes an, wo gar keine Sünde geschehn und das Land gar keine Mittel mehr hat. Von alter Blutschuld, die grauenhaft der Erde Schoß entwich, ausgerechnet zu uns, zu meiner Familie, kann niemand befreit werden, es kann keine Ausnahme gemacht werden außer mir, ich bin außer mir, alle tot, alle tot, grauenhaft entwichene Schuld, aber das ist Ihnen wurst, das kümmert Sie nicht, allvernichtendes, das kann ich jetzt nicht lesen, Mordgen? Nein, von Genen wissen wir nichts, wir sind Bauern gewesen, wir sind Ingenieure gewesen, wir sind Ärzte gewesen, Ärztinnen, Schwestern, Wissenschaftlerinnen, wir sind etwas gewesen, jawohl, was auch immer, und jetzt müssen wir dieser Broschüre folgen, die in mehreren Sprachen existiert, während wir nicht mal ein einziges Mal existieren dürfen, jetzt müssen wir diese Broschüre einmal durchlesen und dann noch einmal und noch einmal. Drum feiern wir dankbar unser Gedächtnis, in dessen Dienst wir stehen, denn wir sehen immer nur die Toten und sind abgelenkt wie Autofahrer durch einen Zellphon-Anruf, wir können daher diese Broschüre nicht verstehen. Sosehr wir uns mühen, bitte haben Sie Geduld, einer wird uns sagen, von welchen Menschen verschieden wir sind und, nimmer erwartet, wer sich hier zeigt und was sich alles an uns zeigt, so daß wir Ihnen fremd sind, daß uns und nicht unser Feinde Haupt die Blutschuld trifft und so weiter!, aber das wollen Sie alles gar nicht wissen, und doch begreift mit der Zeit man einst dies auch, was auch immer. Man kapiert es halt irgendwann. Oder auch nicht. Entschuldigen Sie bitte, wir wissen natürlich, daß dem Volk weitschweifige Rede wie die meine nicht beliebt ist. Danke vielmals. Kurz und klar ist die Broschüre, und sie ist nicht auf die bloßen Zeitverhältnisse eingeschränkt, sie ist schrankenlos, sie gilt für alle, daher Ihre Überlegenheit über uns. Was Sie sagen, gilt für alle, für alle, für alle, also auch für mich, Sie haben Ihre Absichten in diese Formel gegossen, und jetzt kriegen Sie Ihre Absichten aus der Formel nicht mehr heraus. Sie ziehen und ziehen an Ihren Absichten, aber keiner sieht was, denn die Sicht ist zu eingeschränkt, und der Geisterfahrer kommt zu jäh aus dem Nebel. Sie tun uns ehrlich leid! Die Zeitverhältnisse, die Stellvertreter, die Stellvertreter Ihrer Verhältnisse schränken Sie doch auch sehr ein, neben den schrecklichen Einschränkungen der Straßenverkehrsordnung. Man darf nichts gegen die herrschende Richtung unternehmen. Das sehen wir.
Da steht es außerdem, ja, da steht es! Wir liegen auf kaltem Kirchenboden, dies aber steht da, hier steht es, unverbrüchlich und unverbrüderlich in diese Broschüre gegossen wie Wasser, das unten sofort wieder rausrinnt, wie Wasser, geworfen von Klippe zu Klippe, selber zu Wasser geworden, abgesunken wie Statuen, fast elegant, mit hocherhobenen Händen, aber nein, von Staustufe zu Staustufe, hinab ins Notlose, ins Kleinkraftwerk, so lange, jahrelang, wir schwinden, wir schwinden, werden aber mehr, komisch, wir schwinden trotzdem, obwohl unsre Zahl anschwillt, es schwindet uns nicht der Mut, wir werden mehr, aber immer weniger dabei, es kommen viele gar nicht erst an, es fallen die leidenden Menschen wie Wasser von Klippe, über die Kippe, übers Gebirg, durchs Meer, übers Meer, ins Meer, immer geworfen, immer getrieben, jahrelang schwimmen sie, ertrinken sie, stürzen sie ab, ersticken im Kühlwagen, sterben im Flugzeuggestänge, stürzen ins Autobahnklo, stürzen vom Balkon, ja, genauso Leute wie wir!, die sind alle wie wir!, die meisten stürzen wohl, ins Ungewisse hinab, haarscharf an Ihrem Ungewissen vorbei, liebe Gastgeber, werte Autofahrer, oft geknechtet vom Tempolimit, o gäbs das nicht! Es stört uns so! Verzeihung, das habe ich sicher schon irgendwo gesagt. Gleich an Würde, sie ist Basis des Handelns, doch nein, was sagen Sie da? So denken Sie also von uns! Sie sagen, wir wollen die Würde nicht, wir wollen immer bloß herkommen, immer kommen, nie gehen, das sagen Sie: Und wenn sie erst mal da sind, liegen sie uns auf der Tasche, das werden wir verhindern, und schon verhindern wir es, oje, sie stürzen, sie sind unantastbar, wir erwischen sie nicht, sie ertrinken, erstürzen, erschauern, erbeben, erdbeben, sind, unabhängig vom eigenen Geschlecht, vom eigenen Alter, von der eigenen Bildung, unabhängig, total unabhängig unterwegs zu uns, Aussehen und Herkunft egal, Zukunft zwecklos, Vergangenheit verfallen, hier stehts ja, hier stehts!, aber nein, Aussehen und Herkunft haben hier, wo sie ankommen, keinen Platz, und es stimmt!, bei uns haben Aussehen, Diskriminierung und Rassismus keinen Platz, hat Herkunft keinen Platz, zumindest keinen, den sie wieder hergeben würde, die Herkunft gibt nichts her, die gibt nichts her, was sie mal hat, der Rassismus hat auch keinen Platz bei uns gefunden und muß jetzt stehen, geschieht ihm recht, geschieht jedem recht, macht nichts, wenn man steht, gehn mehr Leute in den Waggon hinein, ach, und Frauen und Männer sind einander gleichgestellt, Entschuldigung, das habe ich vorhin vergessen, ihre Stimmen zählen beide gleich viel, die eine wie die andre, wenn sie wählen, zählen sie gleich viel, sie zählen beide, hier stehts, auch Kinder haben Rechte, aber sie zählen nicht, sie können nicht zählen, noch nicht, aber wenn sie zählen können, zählen sie auch nichts, sie werden geschützt, sie werden von uns geschützt, die Achtung, Achtung!, verlangt einen gewaltfreien Umgang, sie stürzen, sie fallen, ja, gern auch die Kinder, die werden später ja auch Menschen, was wir möglichst verhindern sollten, wenn es nicht unsre sind; überhaupt: Alles fällt, da ist keiner, der diese Falle wieder aufstellt, nachdem sie zugeschnappt ist, der das Fallen hält, der das Fallen festhält, obwohl eh jeder sein Smartphone dabeihat, bereithält, allzeit bereit, zum Allzeigen bereit, zum Allesbezeugen, jederzeit fotografierbereit, das gilt für den Umgang mit unseren Mitmenschen, daß wir sie jederzeit mit unseren Smartphones festhalten können, die klüger sind als wir, wozu nicht viel gehört; jeder kann jeden festhalten, alle bleiben, alles klebt, alles bleibt kleben und wird festgehalten, wir halten sie hoch, unsere Phones, so wie der Staat die Gleichbehandlung aller Bürger hochhält, alle halten was, hoch, was ist das, was Sie da hochhalten? Ach so, das, was alle hochhalten, die Handycam, die ist die Grundlage Ihrer Entscheidung, wohin Sie fliegen, fahren oder essen gehen. Gut. Vor der Kamera sind alle gleich, wenn sie auch nicht alle die gleiche Kamera haben, aber sie haben alle eine, ja, auch die Kinder, und auch die Kinder haben Rechte und ihre Handykamera dazu und ihren Wisch-Schirm dazu, das werden einmal brave Putzer werden, die werden alles putzen, was sie sehen, wisch und weg, und damit machen sie jetzt auch noch ein Foto, Achtung, die Menschenwürde! Achtung, die Menschenwürde kommt jetzt auch, da kommt sie!, machen Sie ein Foto, schnell, bevor sie wieder weg ist! Die Würde, Achtung, die sollen Sie achten, die Würde, achten Sie auf die Würde, sonst versäumen Sie sie, halten Sie Ihr Gerät bereit, die Würde, ja, die hier, gleich ein Foto machen!, gebietet es dem Staat, Personen, die sich in derselben Situation befinden, auch gleich zu behandeln, so, und wieso hat der jetzt, dieser Ausländer, in der U-Bahn einen Sitzplatz und ich nicht, wieso ist der früher eingestiegen als ich?, der sollte doch immer nur aussteigen!, ist das wie mit den Werten?, wie mit dem Fallen?, wie überhaupt irgendwas, wie alles? Also den stoß ich vom Bahnsteig, bei nächster Gelegenheit stoß ich den runter, und er ist wie nie gewesen, falls er nicht gerettet wird. Wenn er gerettet wird, ist er wieder in Freiheit, ich aber bins nicht, oje, war diese Rettung denn wirklich nötig? Ich versteh schon: Freiheit kann ein Gefühl sein, ich sags Ihnen, ein Gefühl, das hat nicht jeder, der Sport kennt dieses Gefühl, die Natur kennt es auch, der Schifahrer in den Bergen kennt es, das heißt, jeder kennt das Gefühl der Freiheit, alle kennen es, jeder kennt sie: die Freiheit. Na, die haben wir noch gebraucht!, ja, die haben wir gebraucht, lasset uns fliehen, unbezwungen und vom aufgeräumten Schreibtisch lasset uns aufgeräumt fliehen!, die Freiheit brauchen wir für die Freizeit, die Freiheit, die haben wir gebraucht, ja, genau die, wir brauchen sie, oje, nichts mehr übrig, ich wollte Ihnen noch was aufheben, aber es ist einfach nichts mehr da. Ich nehme mir diese Freiheit und diese auch noch, und auf einmal ist nichts mehr übrig, ich lasse mir selbst keine Freiheit mehr übrig, dumm gelaufen, nein, die andre ist schöner, die nehm ich, was, die hat schon ein andrer? Unerhört! Ich nehme mir die Freiheit daneben, auch wenn schon ein andrer sein Handtuch draufgelegt hat, ich bin so frei, andre Menschen zu brauchen, nein, äh, zu gebrauchen, nein, falsch, die Freiheit gebrauche ich ja, und zwar brauche ich sie, damit ich die Freiheit andrer ächten, äh, achten kann, andre Menschen aber nicht, die brauche ich nicht, die Freiheit aber schon, ja, anerkennen, achten und respektieren die Freiheit, die sich auch als Meinungsfreiheit ausdrücken kann wie eine Zitrone, nichts mehr übrig, wenn man die Meinung fest herausgedrückt hat, dann ist nichts mehr da, doch es war schon vorher nicht mehr viel übrig, ich habe mir die Freiheit genommen, eigener Meinung zu sein, aber jetzt ist nichts mehr übrig, nichts mehr da, auch von meiner Meinung nichts, oje, Entschuldigung, habe ich mir etwa alle Freiheiten genommen? Aber da sind doch noch welche, die ich vorhin weggeschmissen habe, die können Sie gern haben! Im Mistkübel müßten auch noch welche sein. Ich bin nicht so, die können Sie haben, die sind sicher noch ganz gut. Sie können ertrinken, ersticken, erfrieren, verhungern, erschlagen werden, alles schöne Freiheiten, wenn auch nicht Ihre, aber Sie sind vielleicht so großzügig und geben Sie weiter? Danke. Vielen Dank. Sie wissen ja, Sie haben jede Freiheit, meine Meinung nicht zu teilen. Gut. Ich würde sie eh nicht teilen, jedenfalls nicht mit Ihnen! Denn niemand bestimmt über mich, meine Meinung und mein Leben außer mir selbst, und ich bestimme ganz bestimmt nicht, daß Sie über mich bestimmen und meine Meinung teilen, von der kriegen Sie nicht das kleinste Stück ab, ich werde doch wohl bestimmen dürfen, mit wem ich teile! Das hätten Sie erwarten müssen, als das Licht vorhin geblinzelt hat, bevor es ausgegangen ist. Ich geh jetzt auch. Überall werde ich gerufen. Sie hat keiner gerufen, Sie ewig Umnachteter, gehen Sie zurück mit Ihrem blöden Zweig zu Ihrem Gott, gehen Sie bitte mit Ihrer Sippe, sterben Sie stumm in Schlingen, in Solingen, wo auch immer, oder, wenn euch das lieber ist, verdrahtet euch, stopft euch was in die Ohren. Das ist zu laut, können Sie das nicht leiser drehen? Das können Sie nicht? Unerhört, ihr Götter droben, unerhört euch! Und was soll der grausame Haß hier? Was will der hier? Der ist hier falsch! Hier stehts, der ist hier falsch. Die Freiheit endet dort, wo Ihre beginnt, jawohl, aber Ihre beginnt nicht, dafür werde ich schon sorgen, und meine endet nicht. So. Ihre endet, bevor sie beginnt, und meine beginnt überhaupt immer und endet nie. So. Nein. Nicht so! Bitte kommen Sie mir nicht so!
Da steht es aber, da steht es wirklich, dort, wo auch wir stehen, sehen Sie uns denn nicht?, sehen Sie uns nicht dort liegen, wo wir gefallen sind?, wir liegen, es steht aber hier, da steht es, wir müssen das lesen, daß wir hier nicht liegen dürfen, vielleicht woanders, aber nicht hier. Hier ist Liegen verboten, es schadet dem Gras, es schadet auch dem Wasser, wär eins vorhanden, es schadet dem Meer, wäre es hier, es wird sich hüten!, es muß dort sein, wo wir liegen, irgendwo müssen wir ja liegen, und es schadet letztlich dem Menschen als solchem. Sie haben es geschrieben, es stellt etwas dar, und jetzt stehen Sie gefälligst auch dazu, nein, Sie müssen nicht stehen, aber liegen müssen Sie auch wieder nicht, so, wir haben uns auf den Kirchenboden gelegt, denn Gott ist für alle da, diese Grenze hat der Gesetzgeber definiert, Ihr Gott endet dort, wo unsrer anfängt, das ist so ähnlich wie mit der Freiheit, da darf niemand eingreifen und auch der Staat nur, wenn er ein Bedürfnis hat, in unsere Freiräume einzugreifen, oje, jetzt hat er grad das Bedürfnis, er will uns wegräumen, und der Staat öffnet den Eingriff und schlägt über uns sein Wasser ab, noch mehr Wasser, vielen Dank, das haben wir noch gebraucht!, er hat halt das Bedürfnis, grade jetzt hat er es sehr, ganz besonders, und wenn er es hat, dann muß er, er muß, er respektiert das Zusammenleben, aber er bestimmt, mit wem, er sagt, wer zusammenleben darf und wer nicht, und dann respektiert er das, aber nur bis zu einer bestimmten Grenze, dann muß er es nicht mehr respektieren, er als einziger muß das nicht. Zum Beispiel beim Schwimmen. Dieses Beispiel wurde hier ausdrücklich gewählt, doch was will es ausdrücken? Nein, das ist mir jetzt zu blöd. Was ist beim Schwimmen? Ein Kopf-an-Kopf-Rennen? Damit wir uns danach gegenseitig unsere Wertschätzung aussprechen können? Wieso müssen wir dazu erst ins Wasser gehn, glitschig vom ausgeronnenen Diesel, untergehn, aus fremden Fingern rutschen wie Fische, um uns zu schätzen? Wir können doch gleich ertrinken, im Boot noch erschlagen werden, über Bord geworfen, krank werden, einfach so sterben, eine Totgeburt haben, und das Tote fliegt raus, über Bord, ja, sowas passiert schon auch mal, von der Bahnsteigkante gestoßen, uns die Kante geben, nein, das nicht, falsche Region, falsche Religion, wir können ebenso allgemein oder besonders verprügelt werden, wieso müssen wir dazu ins Wasser? Bitte, manche von uns kommen aus dem Wasser, wo sie zufällig nicht verhungert, verdurstet oder ertrunken sind, aber sie wollen nicht wieder rein. Die wollen nicht zurück. Wenn man mal so viel Wasser gesehen hat, will man nicht unbedingt noch mal rein, um nach den gleichen Regeln zu kämpfen wie der andre, der die Regeln gemacht hat, ja, ich anerkenne Ihre Leistung, die war nicht schlecht, Ihre Leistung ist immer größer als meine, das gebe ich zu, im Sport, in der Familie, im Alltag ist Ihre Leistung immer größer als meine, das ist für unser Zusammenleben nötig, das sehe ich ein, warum ist das so? Weil Sie einfach größer sind als ich, also ist auch Ihre Leistung größer. Dieses Fairplay zu leben, daß der eine sterben kann, jederzeit, und der andre auch, nicht jederzeit, sondern zu seiner Zeit, alles zu seiner Zeit, ja, das zu leben ist Voraussetzung der Gerechtigkeit. Wir sind zu harmonischem Miteinander bereit, gern bereit, es liegt in der Verantwortung jedes einzelnen, wir sind wie jeder einzelne und gern dazu bereit, wir sind noch nicht tot und daher gern bereit, auf einem gemeinsamen Fundament zu stehen, falls es nicht zu klein ist, wir sind ja keine Denkmäler, denn denken tun wir nicht, denken tut hier niemand, wir stehen einfach nur so da, auf dem gemeinsamen Fundament, bloß will keiner zu uns hinaufsteigen auf das gemeinsame Fundament, es ist ein Fundament der Werte, die man Gleichwertigkeit nennt, ja, so faßt man die Werte zusammen, wozu soll ich überhaupt aufstehen, wenn alle gleich wert sind? Ich liege hier in der Kirche auf dem kalten Steinboden und bin genausoviel wert wie Sie! Glauben Sies oder nicht. Sie achten uns in unserer Vielfalt, ich achte Sie in Ihrer Einhelligkeit, aber sehr helle scheinen Sie mir nicht, dafür sind Sie eins mit allen hier, das ist Einhelligkeit, eine einzige Helligkeit von dieser Birne dort, allein die Freiheit des Lichts, sie wurde berechnet, das Ergebnis war einhellig und wurde oft bewiesen, es wird derzeit schon wieder bewiesen, und bald wieder, Sie werden schon sehen!, daß es hell ist, und die Einhelligkeit der Zeit erst!, die auch für uns gilt, die Zeit, nicht die Einhelligkeit, denn dazwischen wird es ja immer wieder dunkel, diese Auskunft ist gratis, ja, die Zeit gilt auch für uns, das ist gerecht, ich bin dabei, bei der Gerechtigkeit bin ich voll dabei, und selbst wenn es möglich wäre, das Sterben des Anderen im Dabeisein sich zu verdeutlichen, die Weise des Zuendekommens wäre damit nicht erfaßt, Sie würden mein Ende nicht erfassen, Sie würden es vielleicht herbeiführen, aber Sie würden es nicht erfassen. Den Tod können Sie an anderen erfahren, den eigenen leider nur an sich selbst, und das ist dann keine Erfahrung mehr, na, ich weiß nicht, ich könnte Ihnen Sachen erzählen vom Tod, vom Kopfabschneiden, vom Erschießen, Erschlagen, Erstechen, da würde Ihnen die Freude auf Ihren eigenen Tod glatt vergehn, so, Ende des Hinweises auf das Sterben anderer, und jetzt zu Ihnen: Mit Ihrem eigenen Tod können Sie gar nichts machen, nein, da können Sie nichts machen, mit dem können Sie nichts anfangen, das ginge gar nicht, und das könnten Sie auch keinem erzählen, das würde Ihnen niemand glauben, wie das ist, zu sterben. Niemals könnten Sie dort oben, auf Ihrer Klippe, dort oben, auf Ihrem Berg, unsere Gefährdung verstehen, denn wenn Sie einmal selbst in Gefahr sind, ups, dann ist es zu spät. Sie verstehen es nicht, aber das wäre die Voraussetzung, eine Seinsmöglichkeit des Miteinanders mit uns herzustellen, und das bedeutet, daß ein Dasein das andere vertreten können müßte, so. Es ist nicht vertretbar, daß wir dauernd nur getreten werden, bloß weil Sie sich mal die Füße vertreten wollten und nicht geschaut haben, ob dort schon jemand steht. Wir haben keine Vertretung, wir werden getreten, aber nach den gleichen Regeln beurteilt, das Urteil wird uns gesprochen, wir stellen uns an, wir beantworten Fragen, wir unterschreiben etwas, wir schreiben etwas, es ist egal, alle Menschen sind gleich vor dem Gesetz, aber Ihnen ist das Gesetz selbst ganz gleich, vor dem Sie gleich sind, Sie wissen nur nicht, wer Ihnen da gleicht. Sie haben es bloß bis zur Dachgleiche geschafft, doch die war Ihnen wichtig, das Wichtigste überhaupt. Viel weiter sind Sie nicht mehr gekommen. Das Geld ging Ihnen aus. Daß alle immer so gern ausgehen wollen, das verstehen wir nicht. Wir würden so gerne bleiben.
Na, will keiner auf dieses Fundament steigen, auf diese Klippe, von der wir jahrelang geworfen werden sollten?, will keiner mit rauf auf dieses Boot, damit wir nicht so allein sind dort, denn wir sind durchaus bereit, auf dieses Fundament aus Menschen zu steigen, zu dem wir hier zusammengepreßt worden sind, so viele von uns, man braucht eine Axt, um uns wieder auseinanderzukriegen, Stück für Stück aus unsrem Haufen. Zusammengebacken wie Brot sind wir, wie soll man uns da bloß rausholen durch die Bullaugen, aus dem Rumpf, der wir selber sind?, wir Rumpfmenschen, keine einzelnen mehr, ein Menschenkuchen, ein grober Menschenklotz unter Ihrem groben Menschenkeil. Von jedem Ding, das man sich vorstellen kann, gibts verschiedene Wesen, wir aber sind grundverschiedene Wesen, die ein einziges Ding wurden, das auf nichts mehr beharrt, das hier verharren muß, denn auseinander reißt uns nichts mehr, voneinander reißt uns nichts mehr fort. Denn wer in der Fremde weilt, dem ist die Beziehung zur Heimat verloren. Was heißt das? Wer sagt das? Das Fehlen der Beziehung ist selber eine eigene Innigkeit dieser Beziehung, nämlich das Heimweh. Welches Weh? Wir haben vorher gar nicht gewußt, was ein Weh ist, nein, wir haben nur das gewußt, nichts sonst. In andrer Heimat, in der Fremde, kein Weh, so haben wir gedacht. So haben wir uns das vorgestellt. Und das Fehlen des Heimatbezugs, in den uns keiner wickelt – wir sind ja keine Kopfpolster, wir haben nur unsre armen Köpfe –, das Fehlen der Heimat also kann durch diesen Bezug noch bestehen. Grade noch. So eben. Wer sagt das? Keiner antwortet. Die Taucher kommen uns holen. Jetzt kümmert man sich um uns, vielen Dank! Wir stehen zusammen, was bleibt uns übrig, bevor sie uns trennen. Einzeln sind wir aber nicht mehr zu haben, nie mehr wieder, auch wenn man uns einzeln hinaufbringt. Wann sind wir wieder wer? Wir sind alle und niemand. Wir umarmen uns für immer. Es ist die Grundlage des Zusammenlebens, und zusammenleben, das wollen wir, egal mit wem, sogar mit Ihnen, wenn es sein muß, wenn man uns läßt, ich meine, wenn es sein darf, das wollen wir ja, das bedeutet uns alles, das bedeutet, daß wir sind, daß wir etwas sind, daß wir ein Etwas sind vor diesem reinen Horizont, auf diesem Fundament, auf das wir bauen, auf das wir nicht bauen dürfen, aber trotzdem bauen, die Genehmigung kommt halt später. Die Kenntnis Ihrer Werte haben Sie uns vermittelt, vielen Dank, wir können sie nachlesen und steigen jetzt auf dieses Fundament der gemeinsamen Werte, wir wollen die Grundlage dieser Gesellschaft kennenlernen, bitte sagen Sie uns, wie wir zu dieser Grundlage kommen können, damit wir dann von dort aus auf das Fundament der Werte steigen können, bevor die noch auf uns draufsteigen. Die wollen ja vielleicht auch höher hinauf. Die erste Klippe müssen wir schaffen, die müssen wir nehmen. Sonst wäre der Schritt für uns Unkenntliche, Unwissende zu groß, die Stufe von uns zu Ihnen zu hoch; wir wollen ein Teil davon sein, wir wollen ein Teil dieser Gesellschaft sein, ja, genau!, wir wollen herzlich